November 2005 Wirtschaft

Zukunft der Autoindustrie: Umrüsten statt Schließen!

Während GM-Chef Wagoner auf Druck der Wall Street Pläne zur radikalen Demontage seines Konzerns vorgelegt hat, fordert Ford-Chef Bill Ford - wie vor ihm Lyndon LaRouche - staatliche Hilfen zur Erhaltung und Umrüstung der Produktionskapazitäten.

Glücklicherweise sind nicht alle Spitzen der amerikanischen Industrie dem Shareholder-Value-Wahn verfallen. In einer Rede vor dem Nationalen Presseclub in Washington forderte der Vorstandschef des Automobilkonzerns Ford Motor Co., William Ford jun., am 22. November den US-Kongreß auf, steuerliche Anreize für Investitionen zur Umrüstung existierender Betriebe und zur nötigen Fortbildung der Arbeitskräfte zu schaffen. Regierung und Unternehmen müßten hier zusammenarbeiten.

Mit Fords Vorschlag hätte die amerikanische Automobilindustrie eine Zukunft - was natürlich auch auf Ford, Opel usw. in Deutschland ausstrahlen würde.

Ganz anders sehen die Pläne aus, die der Vorstandschef von General Motors (GM), Rick Wagoner, am 21. November ankündigte. Er will zwölf Werke in den USA und Kanada ganz oder teilweise stillegen und 30 000 Arbeiter aus der Produktion entlassen. Das ist fast ein Drittel. Eine Woche zuvor hatte schon der Chef des riesigen Zulieferbetriebs Delphi (früher ein Teil von GM) erklärt, er werde 24 000 der jetzt noch 34 750 Arbeiter in den USA und Kanada entlassen - 71% der Belegschaft.

Am Tag nach Fords Rede, am 23. November, schrieb der amerikanische Ökonom und Politiker Lyndon LaRouche Bill Ford einen Offenen Brief (siehe S.6). Darin erklärt er seine Übereinstimmung mit Fords Erklärung und umreißt Notmaßnahmen zur Rettung des US-Automobilsektors. Man müsse den Maschinen- und Anlagenbau der Automobilindustrie unbedingt erhalten und weiterentwickeln. Denn damit ließe sich fast alles herstellen, was man brauche, um die Wirtschaft wieder aufzubauen. Der Kongreß solle per Gesetz eine Behörde zur Umstellung des Autosektors schaffen.

Am 24. November stellte LaRouche dann in einem Memorandum die Reorganisation des Automobilsektors in den Zusammenhang einer allgemeinen Wiederbelebung der Weltwirtschaft und Reform des Weltwährungssystems (siehe S.7). In der Vorwoche hatten Vertreter der Automobilarbeitergewerkschaft UAW - viele davon aus den Delphi-Werken - und die LaRouche-Jugend gemeinsam im Kongreß für eine solche Lösung geworben.

In seiner Rede vor dem "Business Roundtable" im Presseclub sagte Bill Ford: "Es war immer die Innovation, um die der Rest der Welt die amerikanische Industrie beneidete... Innovation machte Ford zum Branchenführer - vom Modell T über das Fließband und den Tageslohn von fünf Dollar bis hin zum flachgelegten V8-Motor... und dem Airbag für Beifahrer." Er erinnerte an die Umstellung der Autoindustrie im Zweiten Weltkrieg: "Das war es auch, was es uns ermöglichte, im ,Arsenal der Demokratie' in Detroit einen Beitrag zu leisten. Wie Sie vielleicht wissen, wandte Ford sein Können in der Produktion auf den Bau des Bombers B-24 Liberator an."

Man brauche eine neue Dynamik der Innovation in Amerika, eine Zusammenarbeit zwischen Regierung und Industrie. Die Industrie könne nicht alles allein machen. Ford nannte als positives Beispiel die Subventionen für inländische Autozulieferer in Japan.

Er fuhr fort: "Einige haben dafür nur ein Achselzucken übrig. Sie sagen, die Industrie in Amerika sei Schnee von gestern, wir sollten uns ganz auf die Dienstleistungen verlassen. Sie sagen, es sei in Ordnung, wenn man nur eine Konsumgesellschaft ist und die Produktion anderen Teilen der Welt überläßt... Wichtig sei nur, daß wir unsere Waren so billig wie möglich bekommen - die Kollateralschäden gingen uns nichts an. Ich bin davon nicht überzeugt. Ich glaube, daß Amerika und die amerikanische Industrie mit der richtigen Innovation gewinnen können. Die US-Industrie kann ihren führenden Platz in der Welt erhalten."

Ford schlug sechs Maßnahmen zur Zusammenarbeit zwischen Industrie und Regierung vor. Bei zweien geht es vor allem um die Umrüstung:

  • "den Kongreß auffordern, über Steuernachlässe nachzudenken, um die US-Produzenten bei der Umrüstung bestehender - aber veralteter - Werke im Hochtechnologiebereich zu unterstützen", und

  • "in die amerikanischen Arbeitnehmer, die technisch fortschrittliche Produkte herstellen, investieren, durch Ausbildungsprogramme und Anreize zur weiteren Qualifizierung, die uns helfen, in die Zukunft zu investieren und Arbeitsplätze in den USA zu erhalten".

GM wird demontiert

Unterdessen läßt sich GM-Chef Wagoner von den Heuschrecken der Londoner City und der Wall Street in immer aberwitzigere Pläne treiben. Leute wie der Analyst Robert Barry von Goldman Sachs fordern von GM ständig mehr "Umstrukturierung" und von der Gewerkschaft UAW mehr "Zugeständisse". Wagoners Kurs läuft auf die Zerschlagung seines eigenen Unternehmens hinaus. Er rechtfertigte sein Schließungs- und Entlassungsprogramm: "Dieses Handeln ist nötig, damit GM seine Kosten den großen weltweiten Konkurrenten anpaßt." GM werde so 7 Mrd. Dollar jährlich einsparen.

Die Schließungen treffen Produktionsstätten, von denen Städte und Gemeinden in vielen Teilen der USA abhängen:

  • Montagewerk in Oklahoma City (Oklahoma), 2534 Arbeiter
  • Montagewerk in Spring Hill (Tennessee), 5067 Arbeiter
  • Montagewerk in Doraville (Georgia), 2856 Arbeiter
  • Entwicklungszentrum in Lansing (Michigan), 350 Arbeiter
  • Metallzentrum in Lansing (Michigan), 1514 Arbeiter
  • Montagewerk in Moraine (Ohio), 1274 Arbeiter
  • Metallzentrum in Pittsburgh (Pennsylvania), 541 Arbeiter
  • Montagewerk II in Oshawa (Ontario, Kanada), 2300 Arbeiter
  • Montagewerk I in Oshawa (Ontario, Kanada), eine Schicht entfällt, 1000 Arbeiter

Außerdem sollen Teile-Auslieferungslager in Portland (Oregon), St. Louis (Missouri) und Ypsilanti (Michigan) geschlossen werden. Wenn sich die Krise verschärft, wird Wagoner wahrscheinlich den Zeitpunkt der Stillegungen vorziehen und noch mehr Werke schließen.

Nach diesen Schließungen würde GM in Nordamerika nur noch 4,2 Mio. Autos jährlich produzieren. 2000 waren es noch 6,2 Mio. - ein Drittel der Produktionskapazität soll also entfallen.

Anfang 2005 beschäftigte GM in den USA 114 000 Arbeiter in der Produktion. Durch die Schließung von fünf Werken und einem Einstellungsstopp wurde die Belegschaft inzwischen auf 106 000 reduziert. Von den weiteren 30 000, die laut Wagoner entlassen werden sollen, arbeiten 26 400 in den USA, der Rest in Kanada. Nach diesen Schließungen wird GM in den USA nur noch 79 600 Arbeiter beschäftigen, ein Rückgang um 30% seit Jahresbeginn. - 1978 hatte GM in Amerika noch 520 000 Beschäftigte. Richard Freeman