Oktober 2006 Wirtschaft

Die Isotopenwirtschaft

Lyndon LaRouches Wissenschaftsberater Dr. Jonathan Tennenbaum veröffentlichte am 6. Oktober 2006 ein umfangreiches Diskussionspapier über die Zukunft der Rohstoffversorgung der Welt. Seine These: Es sei notwendig, sich auf den Übergang zur "Isotopenwirtschaft" vorzubereiten. Darunter versteht Tennenbaum eine Ökonomie, die ihre benötigten Rohstoffe nicht mehr sucht, sondern durch kerntechnische Prozesse erzeugt. Es folgt die Einleitung des Aufsatzes, der in voller Länge demnächst in der Zeitschrift FUSION erscheinen soll.

Dieser Essay befaßt sich mit einem wesentlichen Bestandteil der wirtschaftlichen Mobilisierung, die in unmittelbarer Zukunft beginnen muß, wenn wir die Welt vor einem physischen und sozio-politischen Zusammenbruch ungeheuren Ausmaßes bewahren wollen - einem Zusammenbruch, der nur noch mit der Zeit des "Schwarzen Todes" in Europa im 14. Jahrhundert vergleichbar wäre, diesmal jedoch weltweit. Das Kernproblem, das wir hier behandeln, ist die Frage: Wie überwinden wir die Folgen der rücksichtslosen Zerstörung der grundlegenden industriellen und wissenschaftlich-technischen Kapazitäten und des Niveaus an Bildung, beruflicher Qualifikation und Erkenntniskraft der Arbeitskräfte, die in den letzten Jahrzehnten unter der Politik der Globalisierung, Deregulierung, Privatisierung, "Schocktherapie" und der "nachindustriellen" Gesellschaft in den großen Industrienationen des Westens wie des Ostens vonstatten ging?

Bei jedem ernsthaften Programm für die Mobilisierung und den Wiederaufbau der Wirtschaft ist zu berücksichtigen: Das größte, organisch einheitliche Reservoir an wissenschaftlicher Forschung auf höchstem Niveau, an mit moderner Technik vertrauten Arbeitskräften und Industriekapazitäten liegt im Kernenergiesektor und dessen Umfeld in den Vereinigten Staaten, Rußland, der Ukraine, Japan, Deutschland, Frankreich, Indien, China, Südafrika, Argentinien, Brasilien und einigen anderen Ländern; hinzu kommen die Bereiche Astrophysik, Raumfahrttechnik, Geologie und Biomedizin, die der Forschung und Anwendung der Kernphysik eng verbunden sind.

Entsprechend dem Wesen der Kernforschung, ihrer Wurzeln und Geschichte, sowie den Bedürfnissen der Welt in den kommenden 50 Jahren muß eine Mobilisierung des Nuklearsektors der ganzen Welt als Vorhut und Motor einer allgemeinen wirtschaftlichen Mobilisierung der maßgeblichen Nationen der Welt eine ganz bestimmte Form annehmen. Nach Diskussionen mit Lyndon LaRouche, S. Subbotin von Kurtschatow-Institut und F. Garejew vom Institut für Kernforschung in Dubna habe ich mich entschlossen, ihr die Bezeichnung Isotopenwirtschaft zu geben.

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Vor etwa einem Jahrhundert wurde experimentell nachgewiesen, daß die natürlich vorkommenden chemischen Elemente, deren harmonische Ordnung Dmitrij Mendelejew in seinem Periodensystem wiedergegeben hat, keine homogenen Körper sind, sondern Mischungen unterschiedlicher Arten von Atomen - Isotopen - , die sich chemisch fast identisch verhalten, aber physikalisch ganz unterschiedliche Eigenschaften besitzen. Die Erforschung dieser "neuen Dimension" des Periodensystems und der ihr zugrunde liegenden Prozesse der Umwandlung der Atome führte schließlich zur Entdeckung der Kernfusion, der Kernspaltung und anderer nuklearer Reaktionen, zur ersten künstlich herbeigeführten nuklearen Kettenreaktion und zur Entwicklung der ersten Atomwaffen während des Zweiten Weltkriegs. Die Herstellung dieser Bomben erforderte, das reine Isotop U-235 vom natürlich vorkommenden Uran zu trennen und ein erstes Kilogramm Plutonium-239 künstlich in Kernreaktoren zu erzeugen; das war ein Atom, das bis dahin auf der Erde in natürlicher Umgebung nicht existiert hatte.

Heute, gut 60 Jahre nach der ersten vom Menschen ausgelösten Kettenreaktion, ist die Stromerzeugung aus Kernspaltungsreaktoren im Großmaßstab in 30 Ländern Wirklichkeit. Rund 3000 verschiedene Isotope sind heute bekannt, die meisten davon werden künstlich erzeugt, und mehr als 200 werden derzeit kommerziell genutzt. Das moderne Gesundheitswesen und zahllose andere wichtige Aktivitäten der modernen Gesellschaft wären ohne den täglichen Einsatz von über hundert radioaktiven Isotopen, die in Kernreaktoren und Teilchenbeschleunigern erzeugt werden, undenkbar. Gleichzeitig hat die Entwicklung von Kernwaffen die Geschichte maßgeblich verändert; sie prägte die Ära des Kalten Krieges und schuf eine Lage, wo der Ausbruch großer kriegerischer Auseinandersetzungen der Art, wie man sie bis zum Zweiten Weltkrieg kannte, praktisch einem Selbstmord gleichkäme. Sicherlich sind sich nur sehr wenige Menschen ganz darüber im klaren, in welchem Ausmaß unsere heutige Welt von den Folgen dessen geprägt ist, was anfangs als "unendlich kleine" Nuance im Verhalten chemischer Elemente erschien.

Und doch geht das, was mit der Entdeckung der Radioaktivität und der Isotope auf der Grundlage von Mendelejews "Keplerschem" Verständnis des Periodensystems begann, in seiner Bedeutung noch weit, sehr weit hinaus über alles, was die Welt bisher gesehen hat.

Wladimir Wernadskij und andere haben bereits vor einem Jahrhundert erkannt, daß die Entdeckung neuer dynamischer Prinzipien, welche über die Chemie des Periodensystems hinausreichen und eng mit dem Ursprung unseres Sonnensystems und der Elemente selbst verbunden sind, der Entfesselung einer Revolution im Verhältnis des Menschen zur Natur in allen seinen Aspekten gleichkam. Die Wissenschaft hatte dem Menschen eine neuartige Kraft verliehen: die Kraft, ein "Feuer" zu entzünden, das millionenfach konzentrierter ist als die chemischen Verbrennungsprozesse, die seit der legendären Gabe des Prometheus eine der Hauptgrundlagen der zivilisierten menschlichen Existenz waren; eine neue Kraft, die ausreichte, ein großes Schiff mit nur 55 Kilogramm Brennstoff zwanzigmal um die Erde zu schicken; mit der im Prinzip ein Vielfaches der heutigen Weltbevölkerung hinreichend versorgt werden könnte; aber zugleich auch die Kraft, auf der Erde physikalische Zustände zu erzeugen, die man sonst nur in Sternen und Zentren von Galaxien findet; eine Kraft, die den Weg öffnet, in nicht allzu ferner Zukunft die menschlichen Aktivitäten auf die inneren Regionen des Sonnensystems und weiter auszudehnen.

Die beginnende Beherrschung der Transmutation chemischer Elemente durch den Menschen und die Möglichkeit, neue Materiezustände zu erzeugen, die es vorher auf der Erde und möglicherweise im ganzen Universum nicht gegeben hat, beweist einmal mehr, daß wir im Universum Platons und nicht des Aristoteles leben. Prozesse sind primär in diesem Universum, in ihm "ist nichts beständig außer der Veränderung selbst", und wenn wir es mit Erscheinungen wie Atomen oder sog. Elementarteilchen zu tun haben, sollten wir niemals von "das" sprechen, sondern immer von "darum" (engl. this und thus, d. Red.). Mehr als alle anderen vorangegangenen "Phasenzustände" der physischen Wirtschaft des Menschen bedeutet das Entstehen der "Isotopenwirtschaft" einen Zustand, in dem die gesellschaftliche Praxis sich statt an Sinnesobjekten notwendigerweise an wahren Ideen, an den entdeckbaren universellen Prinzipien, orientieren muß. Dies bedeutet das Ende des Empirismus und des Materialismus.

Eine solche Revolution hat grundlegende politische Folgen. Ihre Verwirklichung ist unvereinbar damit, weiter einer irrationale, oligarchische Organisation der Gesellschaft hinzunehmen, wo wesentliche Entscheidungen über die Zukunft von Nationen und das Schicksal der ganzen Menschheit von den Launen ganz weniger einflußreicher Familien abhängen, während die große Mehrheit der Menschheit in Unwissenheit und Knechtschaft lebt. Die Revolution, die Wernadskij als den Beginn der Noosphäre verkündete und die er untrennbar mit einem kommenden Atomzeitalter verknüpft sah, steht für eine Gesellschaft, die das prometheische Selbstverständnis des Menschen lebt; für eine Gesellschaft, deren Aktivitäten sich um das Prinzip schöpferischen Entdeckens drehen wie die Planeten um die Sonne. Diese Revolution setzt eine sehr gut ausgebildete und gebildete Bevölkerung voraus, die fähig ist, sich selbst bewußt zu regieren, und die auf der Grundlage eines wissenschaftlichen Verständnisses der dynamischen Beziehungen zwischen dem souveränen schöpferischen Individuum, der souveränen Nation und den Interessen der Menschheit insgesamt organisiert ist. Mit einem Wort: das Bild der Gesellschaft, das Leibniz und dem "amerikanischen Prometheus" Benjamin Franklin bei ihren Plänen für eine Republik in der Neuen Welt vorschwebte. Diese Sicht der Zukunft der Menschheit nährte den enormen Optimismus, den Menschen auf der ganzen Welt, Ost und West, Nord und Süd, mit der Atomenergie verbanden: "das Atom im Dienste der Menschen".

Der Krieg der "Olympier" gegen den Fortschritt

Die Reaktion der Oligarchen, die sich als moderne "Götter des Olymp" sehen, war deutlich und brutal. Ab Mitte der 60er Jahre führten sie einen umfassenden psychologischen und politischen Krieg gegen die Institutionen der Industriegesellschaft und gegen die Idee des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts an sich. Der Angriff, der vor allem die Vereinigten Staaten, England und dem westliche Kontinentaleuropa traf, wurde schon vorher von Bertrand Russell und seinen Kreisen lauthals verkündet; ausgeführt wurde er von dem britischen Königshaus und oligarchischen Kreisen auf dem europäischen Kontinent nahestehenden anglo-amerikanischen Finanzinstituten und Geheimdiensten. Das war der Ursprung der "Gegenkultur" aus Rock, Drogen und Sex, der Neuen Linken, der 68er Studentenbewegung, der malthusianischen Propaganda der Grenzen des Wachstums des Club von Rom und der "grünen" Umweltschutzbewegung weltweit.

Diese Kräfte machten die Kernkraft, die wichtigste Technik für die Entwicklung der Welt in der Nachkriegszeit, die am klarsten den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt verkörperte, zum Hauptziel ihres Angriffs. Während die Angstkampagne gegen die Kernkraft auf Hochtouren lief, ergriffen gleichzeitig Regierungen institutionelle Maßnahmen, um die Verbreitung und Entwicklung der Kernenergie auf der Welt zu beenden: Die Regierung des amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter vollzog eine radikale Kehrtwende gegenüber der Politik Präsident Eisenhowers, die unter dem Motto "Atome für den Frieden" gestanden hatte. Sie wollte unter dem Vorwand der Nichtweiterverbreitung praktisch ein Moratorium auf Nuklearexporte in Entwicklungsländer durchsetzen, baute die inländischen Kapazitäten zur Grundlagenforschung in der Kernphysik ab und tat alles, um die Verwirklichung der kontrollierten Kernfusion als Energiequelle der Zukunft zu verzögern, wenn nicht ganz zu verhindern.

Die ehrgeizigen Kerneenergieprogramme von Entwicklungsländern wie Brasilien, Argentinien oder Mexiko sowie die Nord-Süd-Zusammenarbeit, wie sie etwa in den langfristigen deutsch-brasilianischen Atomverträgen zum Ausdruck kamen, scheiterten am Widerstand der Regierung Carter und nachfolgender amerikanischer Regierungen. Inmitten der von Massenmedien geschürten Anti-Kernkraft-Hysterie der 80er Jahre wurde das Kernenergieprogramm der Bundesrepublik, einst der Weltführer im Export und Transfer von Kerntechnik, abgebrochen, und ähnlich erging es den kleineren, aber qualitativ bedeutsamen Programmen in Schweden, Italien und vielen anderen Ländern. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der nachfolgenden rücksichtslosen Plünderung und Zerschlagung ihrer wissenschaftlich-technischen und industriellen Kapazitäten verschwand auch der größte Nuklearsektor der Welt außerhalb der USA fast ganz, bis erst in jüngster Zeit Teile davon wiederaufgebaut wurden.

All dies und noch weit mehr hatte Bertrand Russell der Welt bereits in seinen vehementen antiwissenschaftlichen Traktaten in den 40er und 50er Jahren angekündigt. 1949 schlug Russell sogar vor, die Sowjetunion mit Atomwaffen anzugreifen, falls sich die Sowjets weigerten, sich einer Weltregierung zu unterwerfen, die als einzige ein Monopol auf Kerntechnik besitzen solle. Russells entscheidendes Argument - im Zeitalter der Atombombe dürfe es keine wirklich souveränen Staaten geben, das sei "zu gefährlich" - wird immer noch benutzt, um unter dem Vorwand der sog. "Nichtweiterverbreitung" den Nationen und Völkern der Welt das Recht auf ungehinderten Einsatz der Errungenschaften wissenschaftlichen und technischen Fortschritts zu verweigern. Es bleibt die Grundlage der "technologischen Apartheid", die sich immer noch vor allem gegen die Mehrheit der Menschen in der sog. Dritten Welt richtet.

Die Bestrebungen der Oligarchie, die atomare Revolution zu ersticken, begannen aber schon lange vor der Entdeckung der Kernspaltung 1934-38. Sie äußerten sich z.B. in der gesteuerten, antisemitisch gefärbten Kampagne gegen Marie Curie in Frankreich, im erbitterten Widerstand gegen Max Plancks Entdeckung von 1900 (Plancksches Strahlungsgesetz, das die Quantelung der Strahlungsenerige fordert) und in den mafiaartigen Einschüchterungsversuchen Niels Bohrs und anderer gegen Erwin Schrödinger und Albert Einstein auf der Solvay-Konferenz 1927. Bohr und andere untersagten ausdrücklich jeden Ansatz, der die von ihnen erwählte okkult-empiristische Doktrin der "Komplementarität" und den angeblich grundsätzlich statistisch-unbestimmten Charakter mikrophysikalischer Prozesse in Frage stellte.

Gegen Einstein, Schrödinger und andere, die versuchten, das höhere Prinzip hinter den offenbar diskontinuierlichen Eigenschaften der Quantenphänomene zu erkennen, behaupteten Bohr, Max Born, Wolfgang Pauli und andere willkürlich, die Wirklichkeit im mikrophysikalischen Bereich übersteige grundsätzlich die Erkenntnismöglichkeiten des menschlichen Geistes! Dieser ausdrückliche, brutale Angriff auf das Prinzip wissenschaftlicher Kreativität, verstärkt durch eine wachsende oligarchische Übernahme der Finanzierung der Forschung, insbesondere im Zuge des Ersten Weltkrieges, diente offensichtlich dem eigentlichen Ziel, alles zu zerschlagen, was noch an den in der Renaissance erneuerten prometheischen Geist in der Naturwissenschaft erinnerte, und die Wissenschaft in den Dienst oligarchischer Zwecke zu zwingen. Soweit man die Früchte der Forschung für die Rüstung oder zu anderen "praktischen" Zwecken brauchte, durften Wissenschaftler daran arbeiten, aber man wollte ihnen auf keinen Fall erlauben, wirklich schöpferisch zu denken. Das war eine Neuauflage der Taktik, die früher gegen die Kreise von Monge und Carnot angewandt worden war, als Laplace die prometheische Ecole Polytechnique in ein Werkzeug der imperialen Ziele Napoleons verwandelte.

In der Folge wurde die theoretische Kernphysik von einem "Kindergarten" zugegebenermaßen brillanter und fähiger junger Wissenschaftler zu dem ausgearbeitet, was sie bis heute geblieben ist: eine ptolemäische Mischung einander widersprechender Modelle, mathematischer Formalismen und Rechenprozeduren, die in bestimmten Anwendungsbereichen - wie etwa dem Bau von Bomben - äußerst nützlich und sogar unverzichtbar sein kann, aber kein wißbares Verständnis des Universums darstellt. Es überrascht nicht, daß in den stürmischen Entwicklungen, die zur Entdeckung der Kernspaltung führten, die sog. "Theorie" hinter der experimentellen Arbeit, dem eigentlichen Motor der Entwicklung, weit hinterherhinkte. Die Entdeckung der Kernspaltung wurde vier Jahre lang aufgehalten, weil die Theoretiker sie für "unmöglich" hielten. Die nachfolgende rasche Entwicklung der Kernphysik und -technik aus den Bombenprojekten der Kriegszeit bis zur friedlichen Nutzung der Kernenergie und den zahlreichen medizinischen und anderen Anwendungen der Isotope wurde im wesentlichen von Persönlichkeiten vorangetrieben, die in der Tradition der physikalischen Chemie, der Geochemie und verwandter industriell ausgerichteter Bereiche der Naturwissenschaften ausgebildet waren. Diese Forscher, wie William Harkins, die Noddacks oder Wernadskij, verschmähten oft den mathematischen Sophismus der Theoretiker, die quasi zu "Hohenpriestern der Wissenschaft" erhoben wurden.

Der Zustand der heutigen Kernphysik ist allerdings genauso eine Folge des massiven äußeren Drucks auf die Wissenschaft und viele ausgezeichnete Wissenschaftler im Zusammenhang mit den Atombombenprojekten im Zweiten Weltkrieg und dem folgenden Kalten Krieg. Es ist wohl beispiellos in der jahrtausendealten Geschichte der Wissenschaft, wie einige der revolutionärsten Bereiche der Physik militärischen Zielvorgaben untergeordnet und im Westen wie im Osten strengster Geheimhaltung unterworfen wurden, so daß der freie Austausch wissenschaftlicher Ideen und experimenteller Ergebnisse verhindert wurde. Diese Umstände wirkten verheerend auf die intellektuelle Integrität vieler ausgezeichneter Wissenschaftler und auf die organische Entwicklung der Wissenschaft als ganzer. Fortschrittlichen Forschungsbereichen wie der Kernphysik wurde zwar wegen ihrer militärischen Bedeutung gewaltige Mittel zur Verfügung gestellt, aber die kontrollierte Umgebung, in der viele Wissenschaftler arbeiten mußten, behinderte die Grundlagenforschung massiv.

Das war aber kein zufälliger Nebeneffekt. Unter der Strategie, die Russell, Leo Szilard und andere forderten und die später unter der Bezeichnung "Gleichgewicht des Schreckens" oder "Gegenseitig gesicherte Vernichtung" (MAD) bekannt wurde, wurde das Unterdrücken grundlegender Durchbrüche immer mehr zu einem bewußten Aspekt des Wissenschafts- und Forschungsbetriebs. Russells Fraktion argumentierte, wenn die USA und die Sowjetunion über so viele nukleare Sprengköpfe und Trägersysteme verfügten, daß sie auch nach einem erlittenen Erstschlag der anderen Seite noch katastrophalen Schaden zufügen könnten, sei eine gewisse "Stabilität" im Rahmen einer gegenseitigen Abschreckung erreicht, die man auf keinen Fall gefährden dürfe. Entsprechend sollten sich beide Seiten darauf verständigen, gewisse Stoßrichtungen in der Forschung und Entwicklung, welche die Spielregeln umstoßen könnten, nicht weiter zu verfolgen. Die notwendige Folge war jedoch: Die Möglichkeit grundlegender wissenschaftlicher Revolutionen an sich wurde immer mehr als potentielle Gefahr für das strategische Gleichgewicht und damit die nationale Sicherheit betrachtet!

Prometheus wird gefesselt

Diese Auffassung, im Interesse der Bewahrung der strategischen Stabilität müsse Prometheus in Ketten gelegt werden, wurde dann institutionalisiert: durch Bertrand Russells Pugwash-Konferenz und andere "Hintergrundkanäle", die bis in die Chruschtschow-Ära nach 1957 zurückreichen, in bestimmten Vereinbarungen zwischen den USA und der Sowjetunion sowie beispielhaft durch den später unter Henry Kissinger geschlossenen ABM-Vertrag.

Dadurch sollte der Wettbewerb der Supermächte auf einige wenige "erlaubte" Richtungen beschränkt werden - wobei natürlich beide Seiten in gewissem Umfang mogelten - , während gleichzeitig beide gemeinsam versuchten, Drittländer an der Entwicklung eines "gefährlichen" wissenschaftlich-technischen Potentials zu hindern. Grundlegende wissenschaftliche Durchbrüche wurden mit bürokratischen und anderen Mitteln aktiv unterdrückt, und dies galt nicht nur für die Kernphysik und andere Bereiche, die in direktem Zusammenhang zur Entwicklung von Kernwaffen, ihren Trägersystemen und möglichen Mitteln der Verteidigung gegen sie standen, sondern auch für revolutionäre Bereiche der Biophysik (Bioelektromagnetismus) und viele andere Wissenschaftszweige.

Diese Übereinkünfte zwischen den USA und der Sowjetunion prägten das Weltgeschehen während des gesamten Zeitraums bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion. Ihre Auswirkungen reichten sogar bis in die Schulen. So bereiteten sie zum Beispiel den Weg für die liberalen Bildungsreformen der 60er Jahre in den Vereinigten Staaten und anderen NATO-Ländern, womit man die "handfeste" Naturwissenschaft in der Schulbildung zugunsten der sog. Sozialwissenschaften herabstufte, sowie für den anschließenden Angriff auf die Idee des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts an sich.

Mit der Gründung des Internationalen Institutes für Angewandte Systemanalysen (International Institute for Applied Systems Analysis, IIASA) als Gemeinschaftsprojekt maßgeblicher Teile des anglo-amerikanischen Establishments und der Sowjetnomenklatur wurde der oligarchische Grundgedanke hinter den Absprachen beider Seiten zur "Machtteilung" offensichtlich: Man wollte die Welt mit Methoden verwalten, die dem prometheischen Impuls der Wissenschaft grundsätzlich entgegenliefen. Viele auf der sowjetischen Seite erkannten nicht, daß die Beseitigung der Sowjetunion und insbesondere ihrer fortschrittlichen wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten dabei ganz oben auf der Liste der Prioritäten stand.

Der einzige substantielle Versuch, die Welt aus den Klauen dieser Politik zu befreien, war Lyndon LaRouches Kampf, das strategische Verhältnis zwischen den beiden atomaren Supermächten grundlegend zu verändern, indem sich beide Seiten darauf einigen, eine Raketenabwehr auf der Grundlage "neuer physikalischer Prinzipien" (manchmal auch "gerichtete Energie" oder "Strahlenwaffen" genannt) zu entwickeln und zu betreiben. Damit hätte man die Doktrin der "Gegenseitig gesicherten Zerstörung" und damit das ganze Spiel Russells und Szilards beseitigt und gleichzeitig beiden Nationen die Möglichkeit eröffnet, zu einer "wissenschaftsgetriebenen" Wirtschaft überzugehen, in der die zivil nutzbaren revolutionären "Nebenprodukte" der Forschung an "neuen physikalischen Prinzipien" die Investitionen in die Verteidigungssysteme um ein Vielfaches zurückzahlen würden.

Leider wurde der Vorschlag, den LaRouche mit Wissen der Regierung Reagan in inoffiziellen Gesprächen vorgetragen und erläutert hatte, vom sowjetischen Generalsekretär Jurij Andropow zurückgewiesen. Sechs Jahre später brach die Sowjetunion zusammen - genau wie LaRouche es für den Fall, daß der Vorschlag abgewiesen würde, vorausgesagt hatte. Die Politik der Zerstörung des gesamten wissenschaftlich-industriellen Potentials der Sowjetunion wurde nun mit Hochdruck betrieben. Aber mit dem Ende des Kalten Krieges war aus der Sicht der Oligarchie die Notwendigkeit großer Investitionen in fortschrittliche Wissenschaft und Technik auch in Amerika und Westeuropa nicht mehr gegeben. Ebensowenig war es noch "notwendig", eine starke industrielle Basis zu erhalten. Man öffnete alle Schleusen für einen ungezügelten Industrieabbau und die Auslagerung der Produktion in "Billiglohnländer", begleitet von der Aufblähung einer gigantischen Spekulationsblase im Finanzsystem. Für die meisten jungen Menschen, die heute in den früheren Industrienationen aufwachsen, ist echter wissenschaftlicher und technischer Fortschritt bestenfalls eine ferne Erinnerung aus zweiter Hand.

Wir sind am Ende dieses Zyklus angelangt. Die Zerstörung großer Teile des bestehenden wissenschaftlich-technischen Potentials der Menschheit, der Verlust eines großen Teils der fähigsten Arbeitskräfte und die Verdummung der Bevölkerung in vormals industrialisierten Ländern wird, wenn man es nicht bald umkehrt, die Weltwirtschaft zu einem unvermeidlichen Zusammenbruch verdammen. Es ist undenkbar, daß die Entwicklungsländer, darunter China und Indien mit ihrem Meer von Armen, allein die Technologien hervorbringen, die sie zu ihrem langfristigen Überleben benötigen, ohne eine Wiederbelebung der wissenschaftlichen und industriellen Kapazitäten in den Vereinigten Staaten, der früheren Sowjetunion und Europa, die für das erste Jahrzehnt der Entwicklung der Kernenergie typisch waren.

Die Welt steht vor der einfachen Wahl: Entweder wir beginnen eine wirtschaftliche Mobilisierung und betreten wieder den Weg der Entwicklung des von Wernadskij und anderen vorausgeschauten "Atomzeitalters", oder wird stürzen in ein mörderisches finsteres Zeitalter. Prometheus muß befreit werden! Die menschliche Zivilisation kann ohne wissenschaftliche Revolutionen nicht überleben.

Wiederbelebung der Kerntechnik

Gegenwärtig erlebt die Welt den Beginn einer Wiederbelebung der Kernenergie, nicht nur in großen Entwicklungsländern wie China, Indien, Südafrika, Argentinien und Brasilien, sondern auch in Rußland und selbst in hochentwickelten westlichen Ländern wie den USA, die aus törichten ideologischen Gründen ihr einst ehrgeiziges Kernenergie-Programm vor etwa 30 Jahren praktisch aufgegeben hatten. Wenn die Welt nicht in ein finsteres Zeitalter von Chaos und Krieg versinkt, ist eine Zeit des Baus zahlreicher neuer Kernkraftwerke vorprogrammiert - und sei es nur, weil die Nachfrage nach elektrischem Strom und anderen Formen von Energie enorm schnell wächst und weil große Teile der existierenden Stromerzeugungskapazitäten, die das Ende ihrer Betriebszeit erreichen, erneuert werden müssen.

Doch die Welt, in der wir leben, ist nicht mehr die gleiche wie vor drei Jahrzehnten, als die Entwicklung der Kernenergie aufgegeben wurde. Selbst wenn man ein Programm für den Bau neuer Kernkraftwerke mit allen zur Verfügung stehenden Kräften vorantreibt, kann das den schweren Schaden an der Weltwirtschaft und an der menschlichen Zivilisation überhaupt infolge der Sabotage der Entwicklung der Kernkraft und des Kriegs gegen Industriekultur, dessen Vorhut sie war, möglicherweise nicht mehr wettmachen. Ein großer Teil der wissenschaftlichen und technischen Kapazitäten, die in den USA, Deutschland, Rußland, Italien, Schweden und anderen Ländern existierten, ist schlicht verschwunden. Sie müssen wieder aufgebaut werden, und das wird sich eine Generation oder länger hinziehen.

Inzwischen stehen große Herausforderungen für die Menschheit, die schon die frühen Architekten der Entwicklung der Kernkraft vor 50 Jahren am Zukunftshorizont sahen, heute unmittelbar vor unserer Tür: die Notwendigkeit, durch Destillation oder andere künstliche Methoden große Mengen von Trinkwasser zu produzieren; die Notwendigkeit, die Verbrennung von Erdölprodukten durch eine Kombination aus elektrischer Energie und synthetischen Treibstoffen auf Wasserstoffbasis zu ersetzen; die Notwendigkeit, viel höhere Energiedichten zur Gewinnung, Herstellung und Wiederverwertung von Grundstoffen zu nutzen, und mehr.

Um allen diesen Anforderungen gerecht zu werden, müssen wir eine revolutionäre neue Phase in der Entwicklung der Kernenergie beginnen. Sie ist es, die ich die "Isotopenwirtschaft" taufen will.

Was ist die Isotopenwirtschaft?

Den unmittelbaren Rahmen für das Aufkommen der Isotopenwirtschaft bildet der jetzt beginnende Übergang der weltweiten Realwirtschaft von der heute noch vorherrschenden Rolle fossiler Brennstoffe zur Kernenergie als Hauptgrundlage der Energieerzeugung auf der Welt - sowohl für die Stromerzeugung als auch zunehmend für industrielle Prozeßwärme sowie auf Wasserstoffbasis hergestellte synthetische Treibstoffe zur Deckung eines wachsenden Anteils am Gesamtverbrauch an chemischen Brennstoffen.

Diese erste Stufe des Prozesses beruht auf Kernspaltungsreaktoren, mit zunehmendem Schwerpunkt auf Hochtemperaturreaktoren (sowohl gasgekühlte als auch mit Flüssigmetall gekühlte Systeme mit langsamen und schnellen Neutronen) sowie einem geschlossenen Brennstoffkreislauf mit umfassender Wiederaufbereitung und Wiederverwertung von Spaltmaterialien und der Verwendung sowohl von Thorium als auch von Uran und Plutonium. Benötigt wird eine große Bandbreite an unterschiedlichen Reaktorformen, so u.a. in Serie produzierte kleine Module wie auch Einheiten in Standardgröße und jeweils für unterschiedlichen Betrieb optimierte Reaktoren: als elektrische Generatoren, als industrielle Wärmequelle, zur Wasserentsalzung, zur Produktion von Wasserstoff- und anderen synthetischen Brennstoffen, zum Brüten von Spaltungsbrennstoffen und zur Umwandlung nuklearer Abfallprodukte, für Schiffsantriebe, usw. Reaktoren, die wenig oder keine Überwachung benötigen und die über lange Zeitabstände ohne Aufladen der sog. "Kernbatterien" laufen können, werden vermutlich eine bedeutende Rolle in entlegenen Regionen und Entwicklungsgebieten der Welt spielen.

Dieser Übergang zur Kernenergie als Grundlage der Energiesysteme der Welt macht einen massiven Ausbau der industriellen Kapazitäten zur Isotopentrennung und zur Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen notwendig. Dabei wird ein Schwerpunkt auf der Verwendung revolutionärer laser- und plasmagestützter Technologien liegen. Das wiederum bietet einen direkten Ansatzpunkt für die Entstehung der Isotopenwirtschaft.

Die "Isotopenwirtschaft" zeichnet sich durch eine Kombination von vier Hauptaspekten aus:

Erstens:

Die Isotopenwirtschaft bedeutet, die gesamte, nach oben offene Zahl verschiedenartiger Atome, die man "Isotopen" nennt, wovon bisher 3000 bekannt sind, als jeweils klar abgegrenzte Werkzeuge menschlicher Aktivität in die Wirtschaft einzubeziehen. Dadurch wird das vertraute System der 92 und mehr Elemente des Mendelejewschen Periodensystems in der breiten wirtschaftlichen Praxis durch ein unvergleichlich komplexeres und vielfältigeres System von Isotopen abgelöst. Zunächst wird sich diese Entwicklung auf eine kleinere Zahl von etwa tausend heute bekannten, langlebigeren Isotopen konzentrieren. Später jedoch wird sich die Zahl erhöhen, wenn Methoden entwickelt werden, die Lebensdauer selbst gewöhnlich kurzlebiger Isotopen zu verlängern, die Radioaktivität instabiler Kerne zu verändern oder sogar zu unterdrücken und die Kerne wirtschaftlich verwertbar zu machen, indem man sie in geeignete physkalische Geometrien "einbindet".

Gleichzeitig wird die Isotopenwirtschaft die Reihe der Isotopen systematisch über die heute bekannten Elemente hinaus erweitern, weit in den Bereich der superschweren (transuranischen) neuen Elemente und "exotischen" Isotopen hinein. Jede dieser Arten stellt einen einmaligen Zustand des Universums dar: Jede besitzt im Vergleich zu den übrigen ein Bündel einzigartiger Eigenschaften und Anomalien, die das Spektrum der Freiheitsgrade in der Entwicklung der Menschheit und des Universums bereichern.

Zweitens:

Die Art und Weise der wirtschaftlichen Nutzung der Isotopen selbst wird sich radikal ändern, sie wird sich weit über die derzeit vorherrschende Verwendung als Quelle ionisierender Strahlung, Isotopenindikater und Werkzeug spezialisierter wissenschaftlicher Forschung hinaus ausweiten. Insbesondere wird die Anwendung der äußerst feinen "Abstimmung" subatomarer Prozesse in einer weitaus größeren Bandbreite als bisher im Mittelpunkt stehen, sowohl im anorganischen Bereich als auch bezogen auf die Rolle der Isotope im Bereich der lebenden Prozesse.

Von unmittelbarer Bedeutung in den ersten Phasen der Isotopenwirtschaft sind die Unterschiede der Masse und besonders der magnetischen Eigenschaften der Isotopenkerne, die durch Prozesse, die man heute als "Hyperfeininteraktionen" und als "nukleare Magnetresonanz" bezeichnet, miteinander und mit der Struktur der Elektronen in ihrem Umfeld in Wechselwirkung stehen. Man kann diese Entwicklung mit der Einführung der "Wohltemperierung" des polyphonen Gesangs in der Musik vergleichen, bei der kleine Verschiebungen der Intonation neue "Kreuzstimmen" zwischen mehreren Stimmen erzeugen, wodurch sich Ideen erheblich machtvoller übermitteln lassen.

Wenn man die Mehrdeutigkeit, die durch die Entdeckung der verschiedenen Isotope eines einzelnen Elementes in der Chemie auftrat, in allen ihren Folgen untersucht, schafft sich die Menschheit eine "höhere Kardinalität" von Möglichkeiten, die unvergleichlich größer ist, als die erwähnte rein zahlenmäßige Zunahme der nutzbaren Atomarten vermuten läßt. Wenn wir zum Beispiel ein organisches Molekül mit vier Kohlenstoffatomen in nichtsymmetrischen Positionen synthetisieren, so erhalten wir, wenn wir für jedes "Kohlenstoffatom" jeweils eines der beiden stabilen Kohlenstoffisotope C12 oder C13 auswählen, 16 verschiedene Moleküle mit der gleichen chemischen Struktur, aber unterschiedlich "feinabgestimmten" magnetischen und anderen Eigenschaften. Wenn wir das langlebige Isotop C14 hinzunehmen, steigt die Zahl auf 81. Befinden sich außerdem noch fünf Wasserstoffatome in dem Molekül, so ergibt dies, wenn wir noch zwischen gewöhnlichem Wasserstoff und dem stabilen Isotop Deuterium unterscheiden, bis zu 2592 verschiedene Moleküle!

Durch Isotopentechnik hergestellte Materialien, die aus reinen Isotopen oder ausgewählten Kombinationen davon hergestellt werden und neue "kollektive" physikalische Eigenschaften haben, werden die primitiveren Materialtypen, die heute bei den Aktivitäten des Menschen eine Rolle spielen, zunehmend verdrängen. Einige davon befinden sich heute schon in Entwicklung. Neben ihren besonderen wärmetechnischen, magnetischen, elektrischen und mechanischen Eigenschaften werden diese Materialien eine große Rolle bei der Realisierung neuer Formen der Kernenergie und der Erzeugung und Anwendung kohärenter, ultrakurzwelliger Strahlung wie dem Gammastrahlenlaser spielen.

Gleichzeitig steht die Menschheit an der Schwelle revolutionärer Entwicklungen in der Biologie und Medizin, die damit zusammenhängen, zu verstehen, wie der grundlegende Unterschied zwischen lebenden und nichtlebenden Prozessen, den Pasteur und Wernadskij sehr eindrucksvoll aufzeigten, sich auf subatomarer Ebene äußert. Wir können heute noch nicht voraussagen, welche Formen diese Revolution im einzelnen annehmen wird, doch wissen wir bereits, daß sie viel mit der besonderen Rolle der Isotope bei lebenden Prozessen zu tun haben wird und zu einer qualitativen und quantitativen Veränderung der Anwendung der Isotopen führen wird - nicht nur in der Biologie und Medizin, sondern auch in der Landwirtschaft und der Gestaltung der Biosphäre insgesamt. So ist zum Beispiel gut vorstellbar, daß die Menschheit eine Vielzahl nutzbringender Wirkungen schaffen kann, indem man die Isotopenzusammensetzung einer Pflanze, eines Tieres und menschlicher Nahrungsmittel auf bestimmte Art und Weise verändert und steuert. In nicht allzuferner Zukunft könnten dazu große Mengen isotopisch angereicherter Stoffe produziert werden.

Drittens:

Die Isotopenwirtschaft wird die künstliche Transmutation im großen Stile nutzen, um verschiedene Arten von Atomen als Rohstoffe zur industriellen Produktion zu erzeugen. Dies bedeutet zunächst einmal, Kernspaltungsreaktoren in Verbindung mit der Wiederverwertung aller Spaltungsprodukte zunehmend als Atomgeneratoren und Transmutationsanlagen statt nur als einfache Wärme- und Stromquellen zu nutzen. Ihrer Natur nach erzeugen Spaltungsreaktionen schwerer Atomkerne ein weites Spektrum leichterer Isotope sowie einen Neutronenfluß, der weitere Transmutationen im umgebenden Material zur Folge haben kann. Ein nächster Schritt wird sein, die Möglichkeiten der Kernfusion hinzuzufügen, um eine kombinierte "Kernspaltungs- und Kernfusionswirtschaft" zu schaffen, die in gewisser Hinsicht die astrophysikalische Erzeugung von Elementen nachahmt.

Der starke Neutronenfluß, der bei Kernfusionsreaktionen (Deuterium-Tritium) entsteht, erlaubt eine sehr viel höhere Rate des "Brütens" von Brennstoffen für Kernspaltungsreaktoren und für die Transmutation im allgemeinen. Die Produktion von Neutronen mit Hilfe der beschleunigergetriebenen Kernzertrümmerung ist eine dritte Methode zur großangelegten Erzeugung von Atomen, die wahrscheinlich mit Anlagen zur Transmutation hochwertigen atomaren "Mülls" beginnen wird.

In absehbarer Zukunft werden ausgeklügeltere Methoden auftauchen, die auf der kohärenten Beherrschung von Nuklearprozessen durch genau abgestimmte elektromagnetische Strahlung und ähnliche Mittel beruhen. Der Mensch wird schrittweise die Fähigkeit entwickeln, nach Belieben makroskopische Mengen von Atomen jeder gewünschten Art zu erzeugen - und dies in einem Ausmaß, daß er die aus "natürlichen Quellen" verfügbaren Rohstoffe in bedeutenden Maße ersetzen und in einigen Fällen sogar quantitativ und qualitativ übertreffen kann. Parallel zur künstlichen Herstellung von Elementen wird die Anwendung von Hoch-Temperatur-Plasmen zur Verarbeitung von Eisenerzen, Abfall und anderen Materialien - die sog. Plasmafackel - das Angebot an wirtschaftlich nutzbaren Rohstoffen stark vergrößern und eine praktisch 100%ige Wiederverwendung der verwendeten Materialien in der Wirtschaft erlauben.

Viertens:

Die Isotopenwirtschaft ist an sich ihrer Natur und kulturellen Ausrichtung nach "astrophysikalisch". Um sie zu erhalten und weiterzuentwickeln, werden ständig umfassende astrophysikalische Forschungen notwendig sein, die man von der Erde und erdnahen Regionen allein aus nicht durchführen kann, sondern die eine Ausweitung der menschlichen Aktivitäten in die inneren Bereiche des Sonnensystems erfordern. Um subatomare Prozesse für die Isotopenwirtschaft auf der Erde zu meistern, müssen wir verstehen, wie diese Prozesse im galaktischen Maßstab der Raumzeit des Weltraums funktionieren, und wir müssen die Vorgeschichte unseres Sonnensystems und die Herkunft der Elemente, die wir heute darin vorfinden, viel besser kennenlernen, als es heutige Mutmaßungen erlauben. Diese Anforderungen laufen darauf hinaus, daß wir große Netze raumgestützter astronomischer Observatorien in Umlaufbahnen um die Sonne schaffen müssen, die in der Lage sind, auf einer Längenskala der Mars-Umlaufbahn interferometrische und verwandte Messungen unserer Galaxie und ihrer Umgebung durchzuführen - und dazu ein stark erweitertes Programm zur Erforschung des Sonnensystems.

All dies ist unmöglich ohne eine großangelegte Infrastruktur für Logistik und Produktion im Weltraum, insbesondere auf Mond und Mars, die eine große Zahl von Wissenschaftlern und Technikern versorgen kann, die für längere Zeit außerhalb der Erde arbeiten. Umgekehrt ist es gerade der "Quantensprung" der Gesamtproduktivität, den die technischen Entwicklungen der Isotopenwirtschaft mit sich bringen, welcher Routinereisen durch das Sonnensystem und die Errichtung ständiger bemannter Kolonien auf dem Mars möglich macht. So können beispielsweise Antriebssysteme mit Kernfusion die Reisedauer von einer erdnahen Umlaufbahn zum Mars von mehreren Monaten, wie sie unsere heutigen chemischen Antriebssysteme erfordern, auf ein paar Wochen oder weniger verkürzen.