Juli 2007 Wirtschaft

Die Kernkraft als Motor der Weltwirtschaft

Die Kernenergie erlebt weltweit eine Renaissance. Vor allem Rußland, China und Indien verfolgen ehrgeizige nukleare Programme. Wo bleiben Deutschland und die USA?

Seit dem Frühjahr 2007 sind zahlreiche neue Initiativen für große Verkehrs- und Energieinfrastruktur-Projekte in ganz Eurasien bekannt geworden, bei denen die Kernkraft wieder ganz im Vordergrund stehen wird. Indikativ für diese Wende ist der geplante Bau eines Tunnels unter der Beringstraße, der Eisenbahn- und Energieverbindungen zwischen Asien und Nordamerika schaffen wird. Voraussetzung dafür ist die massive Erweiterung des Eisenbahnnetzes in Ostsibirien und die seit langem geplante Bahnverbindung von Alaska über Kanada in die übrigen US-Bundesstaaten. Hierzu ist eine leistungsstarke Energieversorgung notwendig, die den Strom für diese elektrifizierten Strecken liefert - und zwar nicht nur aus den reichlichen Kohlevorkommen in Sibirien und am Yukon, sondern vor allem aus Kernkraftwerken.

Solche Großprojekte, für die sich Lyndon und Helga LaRouche seit den achtziger Jahren einsetzen, werden die weltweite wirtschaftliche und politische Landschaft stark verändern. Insbesondere die „Eurasische Landbrücke“, für die LaRouche seit 1997 wirbt, steht dabei ganz oben auf der Tagesordnung, wie der Durchbruch bei der Beringstraßen-Verbindung zeigt. Wenn diese Projekte realisiert werden und zudem ein Konkursverfahren für das kranke Weltfinanzsystem die Nationen von der monetaristischen Strangulierung befreit, wird die Weltwirtschaft eine ganz neue Grundlage erhalten.

Keines der Projekte zur Ausweitung des Schienennetzes, zur Schaffung von Magnetbahnstrecken, Pipelines, Kommunikationslinien oder der Wohn-, Gesundheits- oder Bildungsinfrastruktur, die solche Projekte voraussetzen, ist ohne eine massive Ausweitung von Stromproduktion und -verbrauch in allen Ländern denkbar. Es müssen außerdem große Mengen Frischwasser bereitgestellt werden, wozu atomgetriebene Meerwasserentsalzungsanlagen notwendig sind. Hierzu muß die effizienteste, vielseitigste und energiedichteste Energiequelle eingesetzt werden, die es heute gibt - die Kernspaltung.

Die Gesamtzahl von Kernkraftwerken lag Ende 2005 weltweit bei 443, und nur 25 waren im Bau; jetzt (Mai 2007) sind mehr als 30 Kernkraftwerke im Bau, und Dutzende weitere kürzlich angekündigte Projekte werden die Zahl der weltweit laufenden Kernkraftwerke schon bald auf über 700 und mehr steigern.

2005 befanden sich ein Viertel aller laufenden Kernkraftwerke (104) in den USA. Aber diese Verteilung wird sich angesichts der weltweit stark steigenden Zahl von Kernkraftwerken rasch ändern. Die Nationen Asiens, Osteuropas und Iberoamerikas wurden seit Jahrzehnten unter Druck gesetzt, die Kernkraft gar nicht in Betracht zu ziehen, aber nun prüfen sie zusammen mit verschiedenen Anbietern die Machbarkeit von Projekten. Länder, die die Prüfung bereits abgeschlossen haben, beginnen Projekte auszuschreiben und Aufträge zu vergeben. Nationen wie China, Südafrika, Indien und Argentinien, die eine eigene Nuklearindustrie aufgebaut haben, konkurrieren beim Verkauf von Nukleartechnik in Länder ohne eigene Nuklearindustrie mit den traditionellen Kernkraftwerksbauern in den USA, Westeuropa, Rußland und Japan. Forschung und Entwicklung werden in aller Welt beschleunigt, um die nächste Generation der Kerntechnik zu entwickeln.

Die weltweite Renaissance der Kernkraft hat ihr Zentrum in Eurasien. China, Rußland und Indien haben sich jeweils den Bau Dutzender neuer Kernkraftwerke in den kommenden beiden Jahrzehnten vorgenommen, und sie stellen die Kernkraft auch anderen Nationen zur Verfügung, während sie die Entwicklung neuer Generationen der Kerntechnik vorantreiben. Kurz: Länder, die optimistisch in die Zukunft sehen, bereiten sich auf die Kernkraft vor.

Es folgt ein Überblick über die weltweit laufende Renaissance der Kernkraft.

Rußland: Vorbereitung auf die Zukunft

Am 27. April unterzeichnete Rußlands Präsident Wladimir Putin ein Dekret über die Umstrukturierung des russischen Nuklearsektors, ein Prozeß, der bereits seit über einem Jahr im Gang ist. Die verschiedenen Unternehmen des Sektors, die bisher für die Erschließung von Uranvorkommen, die Produktion von Kernbrennstoffen, den Bau von Kernkraftwerken, die Herstellung von Nuklearanlagen und den Export von Kerntechnik zuständig waren, kommen nun allesamt unter das Dach einer einzigen Nukleargesellschaft unter Kontrolle der Regierung.

In seiner Erklärung zur Lage der Nation im russischen Parlament sagte Präsident Putin am 26. April, diese große Reform des Nuklearsektors bedeute eine „zweite Elektrifizierung des Landes“, womit er sich auf das Großprojekt zur Elektrifizierung Rußlands in den zwanziger Jahren bezog. „Die Stromerzeugung in Rußland wird bis 2020 um 66% ansteigen“, berichtete er. Der Anteil der Kernkraft an der Stromerzeugung werde in diesem Zeitraum auf 25% anwachsen.

Rußlands Nuklearindustrie weitet ihre Aktivitäten aus und lädt zu internationaler Beteiligung ein. Am 10. April berichtete RIA Nowosti, Rußland erwäge, ausländische Nuklearunternehmen am Bau eines neuen Kernkraftwerks im energiehungrigen Osten des Landes zu beteiligen. „Angesichts der Tatsache, daß die [nukleare] Anlage in unmittelbarer Nachbarschaft zu Japan gebaut werden wird, halte ich es für richtig und realistisch, Projekte zur Zusammenarbeit in Betracht zu ziehen und japanische Unternehmen - möglicherweise auch chinesische und südkoreanische - zu engagieren, die Ausrüstungen für das Kraftwerk liefern könnten, und es gemeinsam zu entwerfen“, sagte Rußlands Nuklearchef Kirijenko in Moskau. „Die Zusammenarbeit beim ersten solchen neuen Kernkraftwerk könnte den Weg für eine internationale Integration beim Bau von Kernkraftwerken in Drittländern bereiten.“

Im Januar diesen Jahres hatte Putin die erste russische Initiative zur Schaffung internationaler Urananreicherungszentren unter der Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) angekündigt. Jedes Land, das die Vorschriften der IAEA respektiert und Uran ausschließlich für friedliche Zwecke verwendet, könne sich daran beteiligen. Am 10. Mai trafen sich Putin und der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew zur Unterzeichnung eines Abkommens, mit dem ein solches Zentrum in Angarsk in Ostsibirien eingerichtet werden soll.

Japan ist besonders interessiert an Rußlands fortgeschrittener Brüter-Technologie, da damit Plutonium erzeugt wird, das als Kernbrennstoff verwendet werden kann. Außerdem wolle Japan seine Lieferantenbasis diversifizieren, sagte der Vorsitzende der japanischen Atomenergiekommission, Shunsuke Kondo, am 14. Mai. Japan betreibt bereits 53 Kernkraftwerke und erzeugt 30% seines Stroms damit. Dieser Anteil soll bis 2030 auf 40% ansteigen.

Putins Politik der zivilen Nutzung der Kernkraft ist für Japan wichtig, da sie zu einer Trennung der zivilen Nuklearanlagen Rußlands von den militärischen führt. Kondo erklärte, Japan unterstütze die Idee internationaler Urananreicherungszentren, wie sie von Rußland und Kasachstan vereinbart wurde: „Die russische Welt der Kernenergie war in der Vergangenheit eine feste Einheit. Von russischer Seite werden jetzt große Bemühungen unternommen, diese beiden Funktionen zu trennen.“ Japan hat keine Atomwaffen, und wird mit anderen Nationen nur bei der zivilen Nutzung der Kernenergie zusammenarbeiten.

Als Zukunftsperspektive arbeitet das russische Kurtschatow-Institut für Nuklearwissenschaften mit dem amerikanischen Unternehmen Thorium Power bei Experimenten zusammen, in Brennelementen statt Uran Thorium zu verwenden. In einem der Thorium-Experimente wurden Brennelemente getestet, die auch in dem russischen WWER-Druckwasserreaktor eingesetzt werden können. Einige Nationen, wie Indien, haben nur geringe Uranvorkommen, aber reiche Thoriumvorräte.

China: Mobilisierung für die Kernkraft

China, das derzeit 10 Kernkraftwerke betreibt, befindet sich inmitten einer ehrgeizigen Aufbauphase, mit dem Ziel, schon bald jedes Jahr zwei neue Kernkraftwerke in Dienst zu stellen. Chinas größte Kernkraftwerke stammen zwar noch aus dem Ausland, doch die eigene Kernkraftwerksindustrie ist dabei, technisch mit den ausländischen Lieferanten gleichzuziehen.

China ist entschlossen, einer der großen Akteure aus dem Weltmarkt der Kerntechnik zu werden. Während bereits Experimente zur Entwicklung eines Reaktors der vierten Generation, des Hochtemperatur-Kugelhaufenreaktors, laufen, will man bei der Produktion konventioneller Kernkraftwerke so schnell wie möglich vom Ausland unabhängig werden. Wie China Daily am 24. April berichtete, erklärte Ouyang Yu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften bei einer Konferenz über Kerntechnik in Shanghai, China werde bis 2017 einen selbst entwickelten Druckwasserreaktor in Betrieb nehmen. Auch der Chef der Chinesischen Atomenergiebehörde, Sun Qin, erklärte: „Ab 2020 werden wir im wesentlichen unsere eigene Technik verwenden.“ Und die chinesische Technik ist auch für den Export bestimmt.

Chinas laufende Zusammenarbeit mit Rußland und den USA beim Bau fortgeschrittener Nuklearanlagen bringt allen Seiten Vorteile. Die chinesische Regierung hat jetzt den Bau des bisher größten Kernkraftkomplexes in der Provinz Schandong an der chinesischen Ostküste beschlossen. Dieses Projekt, im Mai von der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission bewilligt, wird fortgeschrittene Technologien des US-Konzerns Westinghouse nutzen, der, wie Industrial Info Resources am 15. Mai aus Beijing meldete, Druckwasserreaktorgefäße der dritten Generation für das Kraftwerk liefern wird.

Auch beim größten chinesisch-russischen Kooperationsprojekt, dem Kernkraftwerk Tianwan in der Nähe der Stadt Lianyungang in der Privinz Jiangsu, gibt es Fortschritte. Lianyungang am Chinesischen Meer ist der östliche Endpunkt der Eurasischen Landbrücke über Zentralasien bis Rotterdam und somit ein strategisch wichtiger Bahn- und Hafenumschlagsplatz. Am 15. Mai gab Rußlands Staatskonzern Atomstroyexport bekannt, ein 100-Stunden-Test des ersten Kraftwerksblocks in Tianwan sei abgeschlossen und der Reaktor, der anschließend zu Wartungszwecken abgeschaltet wurde, sei wieder angefahren worden. Die Tests hätten keine Fehler ergeben, und damit sei der Weg frei für den kommerziellen Betrieb des Kraftwerks. In Tianwan kommen, wie Nowosti berichtete, eine verbesserte Version des WWER-1000-Reaktors und K-100-6/3000-Turbogeneratoren zum Einsatz.

Indien: Führer bei Thorium-Reaktoren

Indiens Kernkraftpläne reichen an die chinesischen heran. Indien hat derzeit 17 Kernkraftwerke, die 3.483 MW Strom produzieren. Dutzende neue Kernkraftwerke sollen in den kommenden zwei Jahrzehnten gebaut werden, während Indien gleichzeitig die Entwicklung des Thorium-Brennstoffzyklus vorantreibt. Indiens Präsident Abdul Kalam, der als Wissenschaftler selbst eine führende Rolle beim Aufbau des indischen Nuklearsektors spielte, erklärte am 27. April in Athen: „Thorium, ein nicht spaltbares Material, ist in unserem Land reichlich vorhanden, und die Unabhängigkeit in der Energieversorgung ist Indiens erste und höchste Priorität.“ Indien will die Entwicklung seiner Kerntechnik vorantreiben, unabhängig davon, ob das bilaterale Abkommen, das mit den Vereinigten Staaten ausgehandelt wurde, auch in Kraft tritt oder nicht.

Indiens Pläne zur Ausweitung der Kernkraftnutzung haben auch mit der lebenswichtigen Frage der Wasserversorgung zu tun, denn zur Behebung der Trinkwasserknappheit braucht Indien die nukleare Meerwasserentsalzung im großen Stil. Im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu setzt sich der Gouverneur nachdrücklich für den Bau von 45 Meerwasserentsalzungsanlagen ein, und fordert von der Zentralregierung Unterstützung für deren nuklearen Betrieb. Aber überall in Indien besteht Wasserbedarf, und in der nationalen Debatte spielte diese Frage eine immer größere Rolle.

Indien befindet sich auch in Diskussionen, seine hochentwickelten Nuklearanlagen in die ärmeren Nachbarstaaten wie Bangladesh zu exportieren.

Kernkraft überall in Eurasien

Es gibt viele neue Initiativen zur Nutzung der Kernkraft in ganz Eurasien, oft in Zusammenarbeit mit Rußland, China oder Indien. Dies mußte am 4. Mai auch der Energiedirektor der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB), WooChong Um, einräumen, der bei der Jahreskonferenz der ADB in einem Interview mit Associated Press sagte, die Bank erwäge, die Nutzung der Kerntechnik zu unterstützen. „Wir werden in den kommenden drei Monaten entscheiden, welchen Weg wir beschreiten werden.“ Jedenfalls werde die ADB weitere Nuklearexperten einstellen müssen, um Förderprogramme für die Kernenergie auflegen zu können.

Einige Beispiele:

Am 18. April berichtete Pakistans Premierminister Schaukat Asis in Beijing über Gespräche mit seinem chinesischen Kollegen Wen Jiabao, wonach über chinesische Unterstützung für den Bau von sechs Kernkraftwerken in Pakistan gesprochen wurde.

Nach seiner Rückkehr nach Islamabad fügte Asis hinzu, Pakistans Energiebedarf steige jährlich um 10-12%, und deshalb werde die Zusammenarbeit mit China in der friedlichen Kerntechnik verstärkt. Pakistans 300-MW-Reaktor Chasma-1 wurde von China geliefert und ging 2002 in Betrieb. Ein zweiter Reaktorblock ist im Bau. Pakistans Energiesicherheitsplan von 2005 sieht vor, die Nuklearkapazitäten bis 2015 auf mehr als 8400 MW zu steigern. Bis 2020 sollen zwei weitere 300-MW-Reaktoren aus China, zwei 600-MW-Einheiten und sieben 1000-MW-Reaktoren hinzukommen.

In Thailand hat der Nationale Rat für Energiepolitik Anfang April einen Ausschuß gebildet, der die Machbarkeit eines ersten Kernkraftwerks untersuchen soll. Der Vorsitzende des Ausschusses Kopr Kritayakirna sagte am 23. April, seine erste Aufgabe werde es sein, die Öffentlichkeit über die Kernenergie aufzuklären und zu untersuchen, wieviel „Kapital und Personal für das Projekt benötigt wird.“ Thailands 15-Jahres-Plan zur Energieentwicklung bis 2021 sieht zusätzliche Kraftwerkskapazitäten von 31.800 MW vor, von denen 4000 MW aus Kernkraftwerken kommen sollen. Dr. Kopr, Berater des Wissenschafts- und Technologieministers, betonte, die Nutzung der Kernenergie sei aufgrund der hohen Ölpreise und der hohen Kosten anderer, erneuerbarer Energiequellen notwendig.

Auch in Vietnam wird seit einigen Jahren über den Bau eines ersten Kernkraftwerkes diskutiert. „Wir hoffen, daß in diesem Jahr die offizielle Genehmigung der Regierung kommt, damit wir eine Machbarkeitsstudie über die Kernkraft durchführen können“, sagte Ta Van Huong vom vietnamesischen Industrieministerium am 21. März bei einer Konferenz in Singapur gegenüber Dow Jones. Das erste Kernkraftwerk soll nach bisherigen Plänen bis 2015 errichtet werden, fünf Jahre später soll ein zweites in Betrieb gehen. Man erwartet, daß Vietnams Stromverbrauch jährlich um 15% wächst, und das Land ist derzeit stark von der Wasserkraft abhängig. In Vietnam wird bereits ein Testreaktor betrieben, der wichtig für die Ausbildung der benötigten Arbeitskräfte ist.

Osteuropa

Auch die Nationen Zentralasiens und Osteuropas - die lange vernachlässigten Bindeglieder in den Entwicklungskorridoren zwischen Europa und Asien - haben keine andere Wahl, als sich für die Kernkraft zu entscheiden. Und dies trotz des politischen Drucks, den die Europäische Union ausübt und den Verzicht auf Kernkraft zur Eintrittskarte in die EU gemacht hat. Polen brauche die Kernkraft, dies sei eine „Frage der Staatsräson“, sagte Wirtschaftsminister Krzyztof am 14. März. Nach einem Treffen mit der Internationalen Energieagentur, auf dem der Ökonom Fatih Birol sagte, die Kernenergie sollte in Ländern mit Energieknappheit stärker genutzt werden, erklärte der polnische Minister, daß Polen in den nächsten fünf Jahren über den Standort seines ersten Kernkraftwerks entscheiden sollte.

Bulgariens Energieminister Roumen Ovcharov hat sich bei verschiedenen EU-Ländern dafür stark gemacht, den Widerstand gegen die Kernkraft aufzugeben. „Es gibt keine andere Lösung als die Kernkraft“, sagte Ovcharov am 10. März in New York bei einem Interview. „Bulgarien hat bereits 30 Jahre lang gute Erfahrungen mit dem Betrieb eines Kernkraftwerks gemacht. Es ist sicher. Es liefert billige Energie.“

Bulgarien wurde gezwungen, vor seinem Beitritt zur EU am 1. Januar zwei Blöcke des Kernkraftwerks Kozloduy stillzulegen. Nun strebt das Land eine Wiederinbetriebnahme der Blöcke an und will bis 2014 zwei neue Reaktoren bauen. „Bulgarien war der viertgrößte Stromexporteur Europas“, bevor die Werke stillgelegt wurden, sagte Ovcharov. Rußlands Energiekonzern Atomstroyexport hat einen Vertrag mit Bulgarien über den Bau von zwei 1000-MW-Druckwasserreaktoren in Belene an der Donau unterzeichnet.

Am 11. April berichtete die Nachrichtenagentur ARKA über Äußerungen des stellv. armenischen Energieministers Areg Galstyan, der erklärte: „Eine langfristige Einschätzung des Aufwärtstrends der Erdgaspreise bis 2025... zeigt, daß Armenien praktisch keine Alternative zum Bau eines neuen Kernkraftwerks hat.“ Armenien steht unter internationalem Druck, sein Kernkraftwerk Metsamor, das noch von den Sowjets gebaut wurde, bis 2016 stillzulegen. Aber es hat den Ersatz zur Bedingung gemacht. „Die Maßnahmen, das Kraftwerk außer Betrieb zu nehmen“, sagte er, „dürfen die Entwicklung des armenischen Energiesektors und der Wirtschaft nicht beeinträchtigen.“ Nach Berechnungen braucht Armenien 2016 ein 1000-MW-Kraftwerk und vier Jahre später ein zweites in gleicher Größe.

Am 23. April unterzeichneten Rußland und Armenien ein Abkommen, um die bisher ungenutzten armenischen Uranvorkommen gemeinsam zu erschließen, wodurch Armenien bei der Brennstoffversorgung zum Selbstversorger würde. Im Mai wurde außerdem eine Vereinbarung über ein Joint Venture zur Urananreicherung unterzeichnet. Armenien könnte eines der wenigen Länder mit einem vollständigen Uranproduktionszyklus werden, sagte der Chef der russischen Nuklearbehörde Kirijenko.

Am 30. April erklärte Kirijenko, Rußland sei bereit, Nuklearspezialisten nach Armenien zu entsenden, um den Bau eines neuen Kernkraftwerks vorzubereiten. IA Regnum berichtete, Rußland sei auch bereit, den Bau des Projektes in Armenien zu finanzieren. Rußland wäre dann Mitbesitzer des Kraftwerks.

„Wir sind in einer Lage, wo nur ein Narr keine Kernkraftwerke bauen würde“, erklärte Weißrußlands Präsident Alexander Lukaschenko am 12. April. Einige ausländische Unternehmen, die interessiert seien, sich am Bau von Kernkraftwerken in Belarus zu beteiligen, so Lukaschenko, würden ihre Beteiligung von einer „Demokratisierung“ und einer Änderung der Wahlgesetze abhängig machen. „Wir werden ein Kernkraftwerk nach Gesichtspunkten bauen, die unserem Land nützen, weil wir nicht anders können... Ich wünschte, wir hätten wenigstens ein solches Kraftwerk auf unserem Boden“, sagte er. Weißrußland will bis 2012 ein Kernkraftwerk in Dienst stellen, ein zweites soll 2015 folgen.

Kernkraft im Nahen Osten

Südwestasien droht unter den Bedingungen der gegenwärtigen anglo-amerikanischen Geopolitik zum Ausgangspunkt eines weltweiten Atomkrieges zu werden. Aber im Geiste Papst Pauls VI., der erklärte, der neue Name für Frieden sei Entwicklung, sieht eine wachsende Zahl von Ländern dort in der Kernkraft den Weg in die Zukunft. Insbesondere in Ägypten und den Ländern des Golf-Kooperationsrates gibt es deutliche Fortschritte in diese Richtung.

Anfang April erklärte der russische Industrie- und Energieminister Wiktor Christenko bei einer Pressekonferenz in Kairo, Rußland und Ägypten bereiteten Dokumente über eine Zusammenarbeit im Bereich der zivilen Kerntechnik vor. Die ägyptische Presse berichtete, Rußland werde bis zu drei 600-MW-Reaktoren liefern. Am 11. April unterzeichneten beide Länder eine Vereinbarung über die Einrichtung einer russischen Freihandelszone unweit des Hafens von Alexandria, wo Teile der Kernkraftwerke sowie Flugzeugausrüstungen und Autoteile hergestellt werden sollen. Ägypten wollte schon in den achtziger Jahren ganz in die Kernkraft einsteigen, aber der Unfall von Tschernobyl und die nachfolgende Antiatom-Hysterie verhinderte dies wie auch in vielen anderen Teilen der Welt.

Die russisch-ägyptische Kooperation verläuft parallel zu einer Entscheidung des Golf-Kooperationsrates (GCC) vom Dezember 2006, eine Studie über ein gemeinsames Nuklearprogramm für friedliche Zwecke anzufertigen. GCC-Generalsekretär Abdul Rahman bin Hamad al-Atiyya berichtete am 6. Mai in einem Interview mit WAM, er sei vom Präsidenten des GCC, Scheich Chalifa bin Zayed al-Nahyan, über die bisherigen Fortschritte der Studie unterrichtet worden. Atiyyah sagte, das Treffen habe der Vorbereitung des bevorstehenden GCC-Gipfels gedient.

Im Jemen äußerte die Regierung unmittelbar nach Bekanntwerden der Initiative des GCC im Dezember 2006 ihre Unterstützung. Am 29. Dezember wurde Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh zitiert: „Wir im Jemen unterstützen die Entscheidung des Golf-Kooperationsrates... Der Jemen ist bereit und daran interessiert, sich an solch einem Programm zu beteiligen.

Schon jetzt machen eine Reihe von Nuklearprojekten Fortschritte.

König Abdullah II. von Jordanien sagte Anfang April, Jordanien müsse „den Transfer und die Einrichtung von Kerntechnik als Alternative zum Ölimport zur Stromerzeugung und Wasserentsalzung sicherstellen“. Jordanien importiert 95% seiner Energie, und gehört zu den zehn wasserärmsten Nationen der Welt. Es hofft, bis 2015 ein Kernkraftwerk in Betrieb nehmen zu können. Nach Angaben der Rohstoffbehörde hat Jordanien „Zehntausende Tonnen“ Uranreserven, die in Kernkraftwerken genutzt werden könnten. Am 15. April sagte IAEA-Chef Mohamed El-Baradei nach Gesprächen mit König Abdullah, die IAEA sei „bereit, Jordanien bei der Nutzung der Nuklearenergie zu friedlichen Zwecken zu helfen.“

Schon seit Jahrzehnten, noch während der amerikanischen Initiative „Atome für den Frieden“ in den fünfziger Jahren, ist selbst den ölreichen Staaten des Nahen Ostens bewußt, daß der Reichtum ihres Bodens begrenzt und ein Einstieg in die Nutzung der Kernenergie die einzige Zukunftsperspektive ist. In Saudi-Arabien soll bereits im Februar eine Reihe von Vereinbarungen zwischen dem russischen Präsidenten Putin und dem saudischen König Abdullah unterzeichnet worden sein, darunter auch Abkommen über die Zusammenarbeit in der zivilen Kerntechnik. Offenbar will sich Saudi-Arabien neben dem Bündnis mit Großbritannien und den USA auch andere Optionen offenhalten.

Entwicklungspläne in Afrika Die einzigen Kernkraftwerke auf dem afrikanischen Kontinent sind die beiden Blöcke des Kernkraftwerks Koeberg bei Kapstadt in Südafrika. Im Land finden jedoch wichtige Entwicklungsarbeiten am Hochtemperatur-Kugelhaufenreaktor (PBMR), der vierten Generation der Kerntechnik, statt. Anderswo in Afrika wurden erste Schritte zur Nutzung der Kerntechnik bisher vereitelt. 1964 wollte der damalige Präsident Ghanas, Kwame Nkrumah, ein Kernkraftwerk bauen, aber das Projekt wurde nach seinem Sturz 1966 aufgegeben.

Nun erwacht das Interesse für die Kernkraft wieder. Angolas Wissenschafts- und Technologieminister Joao Baptista Ngandajina sagte kürzlich, sein Land habe „Engpässe in der Stromproduktion, warum sollten wir nicht über Projekte nachdenken, um künftig Strom aus nuklearen Quellen zu produzieren? Wir wollen hier eine wissenschaftliche Entwicklung beginnen, die für die Kernenergie erforderlich ist: Ausbildung der Mitarbeiter, Entwicklung von Projekten, die die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes unterstützen.“ Angola bereite derzeit ein Kernenergie-Gesetz vor, um Forschungsprojekte und die Ausbildung von Kerntechnikern zu fördern. Dieses Gesetz sei Teil eines Planes, in Angola mit Unterstützung Chinas Kernkraftwerke zu bauen, berichtete der staatliche Nachrichtendienst Macauhub Today.

Ngandajina sagte, der Schwerpunkt werde zunächst auf Forschung und Entwicklung der Kerntechnik liegen, während gleichzeitig über die Agostinho-Neto-Universität, die ein Kerntechniklabor betreibt, zivile Projekte gefördert werden sollen. Er wies auch auf die Möglichkeiten hin, die diese Technologie für die Ärzteausbildung am Nationalen Onkologischen Zentrum, für die Bekämpfung von Tierkrankheiten, von Malaria und anderen Seuchen biete.

In Namibia und anderen Nationen, in denen es Uranvorkommen gibt, laufen bilaterale Verhandlungen mit Rußland, um diese Vorkommen gemeinsam zu entwickeln. Als Gegenleistung will Rußland diesen Ländern erste modulare Kernkraftwerke liefern.

Südamerika: Nein zum IWF, Ja zur Kernkraft!

Nach jahrzehntelanger Erpressung, Nötigung und Bedrohung durch die Vereinigten Staaten und die kernkraftfeindlichen Malthusianer, ihre Nuklearprogramme aufzugeben, geht jetzt eine wachsende Zahl von Nationen Südamerikas daran, die Geldwechsler der Internationalen Finanzinstitutionen aus ihren Ländern zu vertreiben und ihre Nuklearprogramme neu zu beleben.

Ende 2006 erklärte Argentiniens Präsident Nestor Kirchner, der sein Land wieder zur wirtschaftlichen Vernunft zurückgeführt hat, indem er den IWF aus dem Land warf, Argentinien werde sein Kernkraftwerk Atucha II, dessen Bau vor 20 Jahren eingestellt wurde, bis 2010 fertigstellen. Im gleichen Jahr werde man mit dem Bau eines vierten Kernkraftwerks beginnen.

Argentiniens Planungsminister Julio de Vido ist zudem zuversichtlich, daß „in den kommen den 25 Jahren“ 5000 MW Strom „aus Kernkraftwerken kommen müssen“. Die Kerntechnik des Landes ist auch auf den Export ausgerichtet. Ende April wurde in Australien ein von Argentinien gebauter 20-MW-Leichtwasserreaktor in Betrieb genommen, der dazu dient, Radioisotope für Medizin und Forschung zu erzeugen. De Vido erklärte bei dieser Gelegenheit, dieser in Argentinien entwickelte und standardisierte CAREM-Reaktor sei ideal für Entwicklungsländer. Argentinien hat auch Reaktoren eigener Bauart an Algerien und Ägypten geliefert.

Das argentinische CAREM-Projekt begann in den achtziger Jahren, um kleine Reaktoren (mit bis zu 300 MW Leistung) für den Export zu entwickeln. Teil des Projektes war die Ausbildung der notwendigen Fachkräfte. Nun wurde das Projekt, nachdem es 20 Jahre lang auf Eis lag, wiederbelebt. Die erste Generation des CAREM-Reaktors hat eine Leistung von 25 MW, spätere Versionen sollen 100-300 MW erreichen.

Nachdem außerdem Brasilien erklärte, daß es eigene nukleare Anreicherungstechniken entwickeln wolle, überlegen nun auch andere Nationen des südamerikanischen Kontinents den Einstieg in die Kerntechnik. Am 30. April berichtete Dow Jones, Venezuelas Präsident Hugo Chavez habe bei einem Energiegipfel mit anderen Präsidenten aus der Region seinem kolumbianischen Kollegen Alvaro Uribe gesagt: „Argentinien hat auch Kernkraftwerke, nicht wahr? Ich glaube, sie exportieren sie sogar. Ich hoffe, sie exportieren ein kleines Kernkraftwerk, das wir an der Grenze errichten können.“

Venezuela erwog schon 2005 eine Zusammenarbeit mit Argentinien und Brasilien beim Bau eines Forschungsreaktors. Jetzt ist es am CAREM-Reaktor als attraktive Alternative zur kommerziellen Stromproduktion interessiert, obwohl das Land die größten Öl- und Erdgasreserven des Kontinents hat.

Mitte März fand in Santiago de Chile eine Konferenz über die Kernkraft statt. Sebastian Bernstein, ein chilenischer Energieberater, sagte bei dieser Gelegenheit: „Die Kernenergie ist eindeutig eine Option. Die Kosten des Projektes wären konkurrenzfähig.“ Auch wenn die chilenische Regierung unter Präsidentin Bachelet sich bisher nicht zum Einstieg in die Kernkraft entschieden hat, ist die Debatte eröffnet, und die Regierung hat versprochen, eine Kommission zur Untersuchung nuklearer Optionen eingesetzt.

Mexiko - die bisher dritte Nuklearnation des Kontinents - beschloß vor zwei Jahren, mit entsprechenden Investitionen die Kernkraftwerke in Laguna Verde aufzurüsten. Wenn es tatsächlich zum Bau neuer Kernkraftwerke kommen sollte, muß das Land allerdings mit den Finanzheuschrecken brechen, damit die notwendigen großen Investitionen möglich werden.

Westeuropas Rückkehr zur Kernkraft

Sogar Westeuropa, wo wie in den USA die Hysterie nach dem Atomunfall von Tschernobyl zum Untergang fast der gesamten Nuklearindustrie führte, ist dabei, seine „Denkpause“ zu beenden. In Deutschland setzt sich die LaRouche-Jugendbewegung dafür ein, die verrückte Entscheidung zur schrittweisen Stillegung aller Kernkraftwerke rückgängig zu machen. Frankreich, das mit 78% den höchsten Nuklearanteil an der Stromproduktion weltweit hat, will in den Neubau von Kernkraftwerken einsteigen. Auch in Großbritannien sehen immer mehr Politiker kein Alternative zum Ersatz der alternden britischen Kernkraftwerke durch den Bau neuer Reaktoren.

Eine überraschende Entscheidung in Italien zeigt das Potential für eine solche Wende in ganz Europa. Mitte Mai brach der Industrieausschuß des italienischen Senats mit der Ausstiegspolitik, die seit 1986 verfolgt wurde, und stimmte für den Bau von Kernkraftwerken. Es wurden zwei Zusätze in ein Gesetz über die Liberalisierung der Energiemärkte eingefügt, Einer verlangt, die kerntechnische Forschung zu fördern und der andere fordert die Regierung auf, für den Bau neuer Kernkraftwerke zu sorgen. Das neue Gesetz bedeutet eine deutliche Wende gegenüber der bisherigen Politik, die den staatlichen Stromversorgungsunternehmen ENEL und ENI nur im Ausland Investitionen in die Forschung und den Bau von Kernkraftwerken erlaubte. Die Zusätze wurden von der gesamten Opposition und einigen Mitgliedern der Mitte-Links-Allianz, darunter deren Sprecher Antonello Cabras (DS) unterstützt, und werden demnächst dem Plenum des Senats vorgelegt, wo es zu einer ähnlichen parteiübergreifenden Abstimmung kommen könnte. Es dürfte schwieriger sein, ein solches Ergebnis auch in der Deputiertenkammer zu erreichen, wo die Zahl der Kernkraftgegner größer ist. Das ganze Verfahren wird sich noch wochenlang hinziehen, aber es wurde ein wichtiges Signal gesetzt.

Auch Skandinavien, das bisher für den Ausstieg war, vollzieht eine Wende, angeführt von Finnland, das derzeit ein neues Kernkraftwerk baut.

Und die USA?

Und was ist mit dem schlafenden Giganten USA, wo seit Jahren fast ein Viertel aller Kernkraftwerke der Welt betrieben werden? Mehr als ein Dutzend Stromversorger haben zwar Interesse am Bau von Kernkraftwerken gezeigt und einige haben sogar schon erste Planungsschritte für 30 weitere Kernkraftwerke eingeleitet, doch noch hat sich niemand konkret auf den Bau eines neuen Reaktors festgelegt. In den USA herrscht akuter Mangel an ausreichend qualifizierten Fachkräften für den Bau und Betrieb von Kernkraftwerken, und die zivilen Kernforschungsprogramme schreiten im Schneckentempo voran, wenn überhaupt. Dank der aggressiven Außenpolitik der Regierung Bush-Cheney sind immer weniger Nationen - auch traditionelle Verbündete der USA - bereit, ihre wirtschaftliche Zukunft in die Hände der USA zu legen.

In aller Welt setzen Länder auf eine hochtechnologische Zukunft mit Kernenergie, angeführt von Rußland, China und Indien, doch die USA (und auch Deutschland) machen bisher keine Anstalten, dem zu folgen.