März 2005 Neues Bretton Woods

Italiens Parlament diskutiert über Neues Bretton Woods

Der italienische Abgeordnete Mario Lettieri forderte in einer Eingabe die Regierung in Rom auf, sich international für eine neue Finanzarchitektur einzusetzen. In seiner Rede bezog sich Lettieri namentlich auf den amerikanischen Politiker Lyndon LaRouche als Initiator und Unterstützer der Kampagne für ein Neues Bretton Woods auf internationaler Ebene.

Am 14. März begann im italienischen Abgeordnetenhaus, einer der beiden Kammern des italienischen Parlaments, die Debatte über den Antrag des Abgeordneten Mario Lettieri, in dem die Regierung aufgefordert wird, sich international für eine Konferenz für ein Neues Bretton Woods einzusetzen, um die Systemkrise der Weltwirtschaft zu überwinden.

Der Antrag war bereits im Februar 2004 eingereicht worden und hatte die Unterstützung von etwa 50 Abgeordneten aus allen Fraktionen erhalten. Neben Vertretern der Opposition hatten sich auch Abgeordnete der Regierungsparteien angeschlossen.

Die Bedeutung dieses Vorgangs liegt darin, daß es sich hier um einen offiziellen parlamentarischen Akt eines Mitgliedslandes der Siebener-Gruppe und Gründungsmitglieds der Europäischen Union handelt, das damit praktisch die Dringlichkeit und Notwendigkeit einer neuen internationalen Finanzarchitektur auf die Tagesordnung setzt und ein direktes Handeln der Regierung und Staatsführung fordert, das sich an den Absichten des Bretton-Woods-Systems von 1944 orientieren müsse.

In seiner Rede nannte Lettieri ausdrücklich den amerikanischen Politiker Lyndon LaRouche als Initiator und Unterstützer der Kampagne für ein neues Bretton Woods auf internationaler Ebene. (Sie finden Lettieris Rede im Wortlaut hier.)

Mario Lettieri gehört der Partei Margherita an, einer landesweiten Organisation, die sich der Soziallehre der Katholischen Kirche und dem Denken Papst Johannes Pauls II. verpflichtet fühlt. Lettieri stammt ursprünglich aus der Region Basilicata südlich von Neapel und steht für eine intellektuelle Elite des Mezzogiorno, die für die Entwicklung der südlichen Regionen Italiens kämpft. Als Sekretär des Finanzausschusses des Parlamentes stand er mit an der Spitze des Kampfes gegen Spekulation und die Arroganz der Banken und setzte sich gleichzeitig dafür ein, Italien in ein Bündnis für Entwicklung und Zusammenarbeit mit Ländern der Dritten Welt einzubinden.

Die Partei Margherita steht in der Tradition des italienischen Staatsmanns Aldo Moro, der von Henry Kissinger zum Feind erklärt und später von den Roten Brigaden entführt und ermordet wurde. Auch der frühere Ministerpräsident Giulio Andreotti gehört der Partei an, und der frühere EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, Chef der Linksopposition, die bei den kommenden Wahlen als Wahlbündnis antreten wird, steht der Partei nahe.

Bereits seit einigen Jahren stehen italienische Abgeordnete regelmäßig in Verbindung mit der LaRouche-Bewegung und haben schon zahlreiche Initiativen für ein Neues Bretton Woods ergriffen. Die besondere Sensibilität vieler italienischer Politiker für diese Fragen von Wirtschaft und Entwicklung hängen sicher mit der Entschlossenheit zusammen, mit der sich Papst Johannes Paul II. für wirtschaftliche Gerechtigkeit und eine neue Weltwirtschaftsordnung einsetzt, wie dies u.a. in seiner Unterstützung für ein umfassendes Schuldenmoratorium für die armen Länder im Jubiläumsjahr 2000 zum Ausdruck kam.

Als der Antrag im Februar 2004 im Parlament eingebracht wurde, befand sich Italien gerade inmitten des größten Firmenzusammenbruchs seiner Geschichte. Der große agro-industrielle Konzern Parmalat hatte sich in den letzen Jahren immer mehr in Finanzskandale verstrickt und stand damit beispielhaft für die Systemkrise, die das gesamte Bankwesen ergriffen hat und von der auch die großen internationalen Banken wie JP Morgan und Bank of America betroffen waren. Dieser Firmenzusammenbruch sowie die Zahlungsunfähigkeitskrise bei argentinischen Staatsanleihen hatten in Italien mehr als eine Million Familien in Mitleidenschaft gezogen. Erst jüngst ließen sich 100 000 kleine und mittlere Unternehmen in fragwürdige Derivatgeschäfte hineinziehen, was Verluste in Milliardenhöhe und die Gefahr zahlreicher Insolvenzen und Entlassungen heraufbeschwor.

Bei der Vorbereitung seines Antrags und auch bei der Parlamentsdebatte arbeitete Lettieri mit Paolo Raimondi, dem Vorsitzenden der italienischen Bürgerrechtsbewegung Movimento Solidarietà (movisol.org) zusammen. In der Vergangenheit hatte bereits Senator Oskar Peterlini ähnliche Eingaben im Senat eingebracht. Mehr als 20 Senatoren, darunter auch Giulio Andreotti, hatten seinen Vorstoß unterstützt. Die Diskussion jetzt im Abgeordnetenhaus könnte auch die Debatte im Senat neu entfachen.

Am 14. März sprach gleich nach Lettieri die Abgeordnete Paola Mariani von den Linksdemokraten (DS), die Mitglied des Ausschusses für europäische Angelegenheiten ist. Sie unterstützte die Eingabe und kritisierte insbesondere das negative Wirken des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Entwicklungssektor und in der Argentinienkrise. Die DS, die von Piero Fassino und Massimo D'Alema geleitet wird, ist die wichtigste Oppositionspartei.

Auch der Abgeordnete Sandro Del Mastro Delle Vedove von der konservativen Alleanza Nazionale, deren Vorsitzender Gianfranco Fini Außenminister in der derzeitigen Regierung ist, befürwortete die Eingabe. Del Mastro, der den Ausschüssen für Kultur und Verkehr angehört, verwies besonders auf die Risiken einer Systemkrise und auf die Gefährdung der Weltwirtschaft durch die Dollarkrise, die von einem von Spekulation und Verschuldung geprägten Amerika ausgehe. In den vergangenen Monaten hatte er zahlreiche Regierungsanfragen zu einzelnen Aspekten der Finanzkrise wie die Rolle des IWF im Zusammenhang mit der Argentinienkrise gestellt. Seine Unterstützung signalisiert, daß sich überparteilicher Widerstand gegen die neoliberale Freimarktideologie formiert, die sich in allen Bereichen der Gesellschaft eingenistet hat.

Die Gegenseite reagierte aufgeschreckt mit einer "Gegeneingabe", die der Abgeordnete Antonio Leone aus Berlusconis Forza Italia einbrachte. Darin werden allgemein die negativen Auswirkungen von Bankrotten und Zahlungsunfähigkeiten auf den Markt beklagt und die Regierung aufgefordert, mit "ihrer guten Arbeit" fortzufahren und sich international für den "Schutz der Finanzmärkte und der Anleger" einzusetzen.

Mit diesem Antrag sollte in der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt werden, beiden Eingaben ginge es eigentlich um die gleiche Sache - um so Lettieris Vorstoß das Wasser abzugraben.

Aber Mario Lettieri bestand darauf, daß seine Eingabe als offizielles Dokument in die Parlamentsakten aufgenommen wird, selbst wenn es nur eine Minderheit unterstützen würde. Am 17. März reichte er mit einem weiteren Abgeordneten eine geringfügig veränderte Fassung ein, die das verheerende Ausmaß der Systemkrise und deren Folgen für die Realwirtschaft hervorhob.

Inzwischen wurde die Debatte vertagt, u.a. weil die Debatte über den Einsatz italienischer Soldaten im Irak dazwischenkam. Wie der Parlamentspräsident mitteilte, haben sich die Fraktionschefs darauf verständigt, die Debatte über Lettieris Eingabe zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen.



Zurück zum Seitenanfang