Februar 2006 Wirtschaft

Die Karawane zieht weiter: ein chinesischer Transrapid

China hat nun seine eigene Magnetbahn. Über Jahre arbeitete eine kleine Forschungsgruppe an einem eigenen Magnetbahnkonzept unter Einbeziehung der Technologie der chinesischen Luftfahrtindustrie.

China hat nun seine eigene Magnetbahn. "Abgekupfert!", behaupten enttäuschte Deutsche, die sich um ein riesiges Geschäft betrogen sehen. Sie können dafür aber niemand anderen als sich selbst bzw. ihre rot-grünen Verhinderer verantwortlich machen.

Die Idee des berührungslosen Transports kam schon zu Beginn des Eisenbahnzeitalters auf, weil das Vorwärtskommen der Eisenbahn auf der Haftreibung zwischen dem Stahl des Rades und der Schiene beruhte und einen relativ großen Verschleiß mit sich brachte. Der Verschleiß wächst mit der Geschwindigkeit und führte z.B. dazu, daß die Geschwindigkeit des berühmten Schienenschnellzugs der Japaner auf unter 280 Km/h begrenzt wurde. Wenn der französische Schienenschnellzug zwischen Paris und Lyon seine Rekorde fuhr, die der Reibungsgrenze nahekamen, mußte hinterher auch der aufgewirbelte Schotter der Strecke wieder neu verfestigt werden.

Es kam schon früh zu Versuchen, reibungslose Verkehrssysteme zu entwickeln, wie z.B. 1864 ein Transportsystem auf einem Druckwasserpolster. Es wurde 1889 auf der Pariser Weltausstellung dem Publikum vorgeführt. 1923 entwickelte der deutsche Fabrikant Hermann Kemper das Prinzip des Linearmotors, der "elektromagnetischen Schwebebahn". Der Krieg unterbrach die Entwicklungsarbeiten, sie wurden erst in den 60er Jahren wieder aufgegriffen, als sich für die Zukunft des Straßenverkehrs ein nahender "Verkehrsinfarkt" abzuzeichnen begann.

Die Bundesregierung vergab deshalb 1969 den Forschungsauftrag zur Entwicklung einer Hochleistungsschnellbahn (HSB-Studie). In vielen Ländern wurde an ähnlichen Vorhaben gearbeitet. Als beste Lösung zeichnete sich dann der Transrapid ab. Schon 1974 konnten Personen auf der Hannovermesse in einem Prototyp des Transrapids einige hundert Meter fahren. Er wurde jahrzehntelang auf einer Versuchsanlage in Emsland getestet, dabei verbessert und brachte Deutschland gegenüber der ausländischen Konkurrenz zeitweise einen Entwicklungsvorsprung von rund zehn Jahren ein.

Doch die einsetzende Antitechnologiestimmung der Rot-Grünen ließ diese Entwicklung stagnieren. Eine unter der Regierung Kohl nach vielem Hängen und Würgen doch noch geplante Strecke zwischen Hamburg und Berlin wurde von Hartmut Mehdorn im Auftrag der Kohl ablösenden rot-grünen Regierung trotz erheblicher Vorarbeiten und Kosten wieder zu Fall gebracht. Seitdem wird von Ersatzstrecken in Deutschland nur noch geschwätzt.

Stattdessen meldeten die Chinesen Interesse an dem Projekt an. China unterhielt über Jahre eine relativ kleine Forschungsgruppe, die an einem eigenen Magnetbahnkonzept arbeitete, das eher für den Nahverkehr geeignet zu sein schien. Das war bekannt, weil sie auf vielen Kongressen zur Magnetbahntechnik ihre Entwicklungsarbeiten vortrug. Trotzdem wurden die Chinesen, wahrscheinlich um doppelte Entwicklungsarbeiten zu ersparen, mit dem Herstellerkonsortium des Transrapid handelseinig und bauten eine erste kommerzielle Strecke in Shanghai zwischen dem Flughafen Pudong und dem Bahnhof Longyang. Der Bau schritt schnell voran und die Bahn funktionierte zur vollen Zufriedenheit der Beteiligten.

Die Chinesen wollten nun ein wachsendes Transrapidnetz in China aufbauen und verhandelten über eine Verlängerung in die 160 Kilometer entfernte Stadt Hangzhou. Im Oktober hieß es aus Berlin, eine Entscheidung der Regierung in Peking stehe unmittelbar bevor. Bei den bekanntlich zähen Verhandlungen erhöhten das deutsche Transrapid-Konsortium, bestehend aus Siemens und ThyssenKrupp, gegenüber früheren Zusagen mehrmals ihre Forderungen, was auf chinesischer Seite als betrügerisches und verhöhnendes Geschäftsgebaren empfunden wurde. Das Projekt kam nicht zustande.

Vor allem Siemens hatte die chinesischen Bemühungen zum Bau einer konkurrierenden eigenen Magnetschnellbahn bisher wegen der technischen Schwierigkeiten als nicht ernstzunehmen abgetan. Aber Hochmut kommt früher oder später zu Fall. In der Zwischenzeit haben die chinesischen Entwicklungsteams nicht Däumchen gedreht, sondern ihre Arbeit fortgesetzt. Dabei waren sie erfolgreich.

Ist das verwunderlich? Die deutschen Geschäftsleute, ohne Rückhalt im eigenen Land, brauchten nur lang genug zu warten und herumzutricksen, um das zu erleben. Jetzt haben die Chinesen ein eigenes Konzept der Schnellbahn entwickelt und eine Magnetbahn gebaut, die leichter und "fortschrittlicher" sein soll als das deutsche Vorbild.

Man habe dabei nicht auf die "deutsche Technologie" zurückgegriffen, versicherte der verantwortliche Ingenieur stolz, als die China Aviation Industry Corporation (CAC) am Mittwoch in südwestchinesischen Chengdu die eigene Entwicklung der Öffentlichkeit vorstellte. "Alles ist chinesisch", betonte Chefingenieur Zheng Qihui. Es seien "keine deutsche Technologie" verwandt und auch keine deutschen Baupläne benutzt worden, versicherte er. Der Zug sei leichter als der deutsche Transrapid und "das Design viel fortschrittlicher".

Den Verdacht, urheberrechtlich geschützte deutsche Technologie für die Entwicklung benutzt zu haben, wies Zheng Qihui entschieden zurück: "Das ist ausgeschlossen. Die Bahn, die wir gebaut haben, ist ganz anders als die deutsche. Ich bin dafür verantwortlich. Im Grunde wußten wir nicht viel darüber, welche Technologie die deutsche Bahn hat." Der chinesische Zug sei im Rahmen eines staatlich geförderten Hochtechnologieprogramms unter Nutzung von Technologie aus der Luftfahrtindustrie entwickelt worden. Der Hochgeschwindigkeitszug soll Geschwindigkeiten bis zu 500 km/h erreichen. Peking will den Zug erstmals im Juli auf einer 1,7 km langen Versuchsstrecke in der Nähe von Shanghai testen.

Jetzt können wohl die letzten Fachleute bei Henschel in Kassel, wo der Transrapid gebaut wurde, entlassen werden, wenn es nicht wenigstens die EU schafft, doch noch eine angedachte Strecke von Rotterdam nach Hamburg oder zwischen Paris und Köln zu realisieren. Die übrigen geplanten Projekte, z.B. zwischen Los Angeles und Las Vegas, in Kanada und vor allem in Saudi-Arabien, werden die Deutschen wohl endgültig an die Chinesen verlieren - nicht etwa weil die billiger anbieten, sondern weil sie sich im eigenen Land mit der Magnetbahn zu fahren getrauen.

Dr. Helmut Böttiger