Wie der IWF und die Weltbank versuchen, den neuen Suezkanal zu verhindern
Prof. Mohamed Al Ibrahim, Port Said (Ägypten), ist Leiter
des Instituts für Transport und Logistik und Vorsitzender der Akademie der
Wissenschaften und Technik der Arabischen Liga; sein Vortrag wurde von seiner
Tochter Raghda Ibrahim verlesen.
Verehrte Teilnehmer, es ist mir eine Ehre, an dieser Konferenz
stellvertretend für meinen Vater, Professor Ibrahim, teilzunehmen, um die
Rolle der internationalen Finanzinstitutionen bei der Realisierung der
Suezkanalzone darzustellen. Die internationalen Finanzinstitutionen müssen
eine zuverlässige Rolle bei der Finanzierung der Entwicklungsbedürfnisse von
Nationen spielen.
Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) haben eine
integrierte Rolle: die Weltbank finanziert langfristige Projekte, die
strukturelle Veränderungen bewirken sollen, während der IWF sich auf die
Finanzierung kurzfristiger Zahlungsbilanzdefizite konzentriert.
In dieser Situation stellt sich die folgende Frage: In welchem Maße helfen
die internationalen Finanzinstitutionen Entwicklungsländern, ihre Megaprojekte
nach Art des Suezkanalprojekts zu entwickeln?
Diese Frage läßt sich beantworten, indem man sich mit zwei Hauptpunkten
beschäftigt: erstens dem Suezkanalprojekt, und zweitens der Analyse des
Verhaltens von Weltbank und IWF gegenüber Entwicklungsländern.

Abb. 1: Der Suezkanal und seine Erweiterung
I.
Um mit dem Suezkanalprojekt anzufangen (Abbildung 1): Das
Suezkanalprojekt teilt sich in zwei komplementäre Projekte: erstens die
Erweiterung des Suezkanals, in Form einer teilweisen Verdoppelung des Kanals,
und zweitens das Entwicklungsprojekt der Kanalzone.
Der erste Teil, d.h. die Verdoppelung des Kanals, hat eine Ausweitung des
Kanals auf einer Länge von 72 km [teils Ausbau, teils eine neue Fahrrinne] und
eine Vertiefung auf 20 m zum Ziel. Diese Vergrößerung wird es ermöglichen, daß
Schiffe gleichzeitig in beide Richtungen fahren, statt 49 lassen sich 97
Schiffe täglich bewältigen. Zudem verkürzt sich die Wartezeit der Schiffe.
Daneben planen wir den Bau von sechs Tunneln unter dem Suezkanal in den
Hafenstädten Ismailia und Port Said. Jede der Städte wird zwei neue
Straßentunnel und einen Eisenbahntunnel haben.
Die geschätzten jährlichen Einnahmen des Projekts betragen 13 Mrd. Dollar,
während die Ausgaben nur 66 Mrd. Ägyptische Pfund, das entspricht weniger als
10 Mrd. Dollar, betragen.
Der zweite Teil des Projekts ist die Suezkanal-Logistikzone. Es handelt
sich um drei Zonen, die sich im Bau befinden, nämlich in Port Said, Isamailia
und Suez, wo verschiedene Logistikaktivitäten entwickelt werden, wie
Industriegebiete, Verteilzentren, Bankgeschäfte, Callcenter usw. Hinzu kommen
Industriezonen sowie Landwirtschaft und Fischzucht.
Durch die Entwicklung dieser Aktivitäten wird Ägypten von der
Diversifizierung der Wirtschaftsaktivität profitieren, die
Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und ein regional ausgeglicheneres Wachstum
fördern. Darüber hinaus wird dieses Projekt dazu beitragen, die
Arbeitslosigkeit im Handel abzubauen und den Lebensstandard zu erhöhen.
II.
Der zweite Teil ist die Analyse des Verhaltens der Weltbank und des IWF
gegenüber den Entwicklungsländern.
Die meisten Entwicklungsländer haben ein Ungleichgewicht in ihrer
Zahlungsbilanz; daher müssen sie eine Quelle von außen finden, um ihre
Defizite auszugleichen.
Die Krise der Auslandsschulden verkomplizierte sich vor allem aus zweierlei
Ursachen, interne Ursachen und externe Ursachen: externe Ursachen wie die
Vermarktung ausländischer Kredite, protektionistische Tendenzen in
Industrieländern, Anstieg der realen Zinssätze; die internen wiederum sind
Schwäche des Produktionssystems, Scheitern von Industrialisierungsstrategien
und Handelspolitik.
Die Experten von IWF und Weltbank beschäftigen sich nur mit den internen
Ursachen, die externen scheinen sie zu ignorieren. So diagnostizieren sie die
Schuldenkrise der Entwicklungsländer als Resultat einer expansionistischen
Fiskal- und Währungspolitik, der Mittelverteilung unter Kontrolle des
öffentlichen Sektors sowie staatlicher Interventionen in die Preise
[Subventionen], was zu Preisverzerrungen führt.
Auf der Grundlage dieser Diagnose kamen die Experten zu dem Schluß, daß die
Auslandsschuldenkrise ein internes Problem sei und die externen Ursachen eine
Folge hiervon seien; die Entwicklungsländer müßten diese externen Ursachen
einfach akzeptieren.
Die Strategien von IWF und Weltbank im Umgang mit im Ausland verschuldeten
Ländern stützen sich auf zwei Programme: erstens Stabilisierungsprogramme,
hinter denen der IWF steht, und zweitens die Strukturanpassungsprogramme,
hinter denen die Weltbank steht. Beim Stabilisierungsprogramm steht die
[Währungs-]Abwertung im Mittelpunkt, während beim Strukturanpassungsprogramm
der Abbau des öffentlichen Sektors im Mittelpunkt steht.
Beide Programme sind also hinsichtlich der Strategien und Ziele integriert.
Die Ziele beider Programme sind erstens das Garantieren der Gläubigerrechte
und zweitens das Umsetzen der neuen internationalen Arbeitsteilung.
Wie lassen sich diese Ziele realisieren? Der Standpunkt der IWF-Experten
ist: Abwertung führt zu mehr Exporten und zu weniger Importen, deshalb läßt
sich die Zahlungsbilanz leicht handhaben und die Auslandsverschuldung
loswerden.
Aber Abwertung wird nicht zur Steigerung der Exporte führen, wenn es keine
Preisflexibilität bei der Nachfrage nach Exporten gibt - die Preise müssen
flexibel sein, damit die Zunahme der Exportrate größer ist als die
Abwertungsrate. Zweitens muß die Flexibilität des Exportangebots groß genug
sein, um die potentielle Nachfragesteigerung zu befriedigen. Schließlich muß
der Inlandspreis konstant sein.
Hinzu kommt, daß die Abwertung nicht zum Rückgang der Importe führen wird,
solange nicht die Nachfrage flexibel ist und die Importpreise in Devisen
gemessen konstant bleiben.
Alle diese Bedingungen lassen sich in Entwicklungsländern und in Ägypten
nicht realisieren. Warum bestehen die IWF-Experten dann trotzdem darauf, die
Auslandsschuldenkrise durch Abwertung zu lösen?
Weil das Stabilisierungsprogramm das Finanzproblem des öffentlichen Sektors
verkomplizieren wird und dem öffentlichen Sektor verfügbare finanzielle Mittel
entzogen und dem privaten Sektor überlassen werden, der als effizienter
gilt.
Das Finanzierungsproblem im öffentlichen Sektor wird sich also durch die
Abwertung verschärfen. Der öffentliche Sektor kann es sich dann nicht leisten,
die laufenden Ausgaben und Investitionen zu finanzieren.
Auf der anderen Seite führt das von der Weltbank betriebene
Strukturanpassungsprogramm zur Einstellung von Subventionen im öffentlichen
Sektor, um Marktmechanismen anzuwenden. Die Preise der Importe und Exporte des
öffentlichen Sektors werden auf das internationale Maß ansteigen, dann wird
der öffentliche Sektor nach kommerziellen Rentabilitätskriterien bewertet und
die meisten Unternehmen des öffentlichen Sektors werden als gescheitert
eingestuft.
Die Weltbank bewegt die Regierung dazu, den öffentlichen Sektor zu
privatisieren. Da der örtliche private Sektor es sich nicht leisten kann, die
Besitzwerte des öffentlichen Sektors zu kaufen, rät sie den
Entwicklungsländern zu Tauschgeschäften von Schulden gegen Besitzanteile
[Aktien].
Das ist der Grund, warum sie auf der Abwertung der Währungen der
Entwicklungsländer bestehen: weil dies dazu führt, daß die Gläubiger mehr
Anteile gegen ihre Kredite erwerben können.
Man kann daher zu dem Schluß gelangen, daß IWF und Weltbank als Agenten der
Gläubiger zu betrachten sind, und sie versuchen, die Idee der Globalisierung
durch die Kontrolle über den öffentlichen Sektor durchzusetzen.
Die Schlußfolgerung: Ägypten verließ sich zur Finanzierung des ersten Teils
des Projekts, also den Neuen Suezkanal, auf einheimische Quellen, und es
herrscht ein Bedarf an ausländischen Direktinvestitionen und Hilfe
internationaler Finanzinstitutionen zur Finanzierung des zweiten Teils des
Projekts, nämlich der Entwicklung der Suezkanalzone.
Schließlich muß die Weltbank das Infrastrukturprojekt direkt finanzieren
und dessen Finanzierung unterstützen.
Ich danke Ihnen.
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