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Friedrich Schiller




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"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

     Konferenz in Paris, Juni 2015   

Wie der IWF und die Weltbank versuchen, den neuen Suezkanal zu verhindern

Prof. Mohamed Al Ibrahim, Port Said (Ägypten), ist Leiter des Instituts für Transport und Logistik und Vorsitzender der Akademie der Wissenschaften und Technik der Arabischen Liga; sein Vortrag wurde von seiner Tochter Raghda Ibrahim verlesen.

Verehrte Teilnehmer, es ist mir eine Ehre, an dieser Konferenz stellvertretend für meinen Vater, Professor Ibrahim, teilzunehmen, um die Rolle der internationalen Finanzinstitutionen bei der Realisierung der Suezkanalzone darzustellen. Die internationalen Finanzinstitutionen müssen eine zuverlässige Rolle bei der Finanzierung der Entwicklungsbedürfnisse von Nationen spielen.

Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) haben eine integrierte Rolle: die Weltbank finanziert langfristige Projekte, die strukturelle Veränderungen bewirken sollen, während der IWF sich auf die Finanzierung kurzfristiger Zahlungsbilanzdefizite konzentriert.

In dieser Situation stellt sich die folgende Frage: In welchem Maße helfen die internationalen Finanzinstitutionen Entwicklungsländern, ihre Megaprojekte nach Art des Suezkanalprojekts zu entwickeln?

Diese Frage läßt sich beantworten, indem man sich mit zwei Hauptpunkten beschäftigt: erstens dem Suezkanalprojekt, und zweitens der Analyse des Verhaltens von Weltbank und IWF gegenüber Entwicklungsländern.

Abb. 1: Der Suezkanal und seine Erweiterung

I.

Um mit dem Suezkanalprojekt anzufangen (Abbildung 1): Das Suezkanalprojekt teilt sich in zwei komplementäre Projekte: erstens die Erweiterung des Suezkanals, in Form einer teilweisen Verdoppelung des Kanals, und zweitens das Entwicklungsprojekt der Kanalzone.

Der erste Teil, d.h. die Verdoppelung des Kanals, hat eine Ausweitung des Kanals auf einer Länge von 72 km [teils Ausbau, teils eine neue Fahrrinne] und eine Vertiefung auf 20 m zum Ziel. Diese Vergrößerung wird es ermöglichen, daß Schiffe gleichzeitig in beide Richtungen fahren, statt 49 lassen sich 97 Schiffe täglich bewältigen. Zudem verkürzt sich die Wartezeit der Schiffe.

Daneben planen wir den Bau von sechs Tunneln unter dem Suezkanal in den Hafenstädten Ismailia und Port Said. Jede der Städte wird zwei neue Straßentunnel und einen Eisenbahntunnel haben.

Die geschätzten jährlichen Einnahmen des Projekts betragen 13 Mrd. Dollar, während die Ausgaben nur 66 Mrd. Ägyptische Pfund, das entspricht weniger als 10 Mrd. Dollar, betragen.

Der zweite Teil des Projekts ist die Suezkanal-Logistikzone. Es handelt sich um drei Zonen, die sich im Bau befinden, nämlich in Port Said, Isamailia und Suez, wo verschiedene Logistikaktivitäten entwickelt werden, wie Industriegebiete, Verteilzentren, Bankgeschäfte, Callcenter usw. Hinzu kommen Industriezonen sowie Landwirtschaft und Fischzucht.

Durch die Entwicklung dieser Aktivitäten wird Ägypten von der Diversifizierung der Wirtschaftsaktivität profitieren, die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und ein regional ausgeglicheneres Wachstum fördern. Darüber hinaus wird dieses Projekt dazu beitragen, die Arbeitslosigkeit im Handel abzubauen und den Lebensstandard zu erhöhen.

II.

Der zweite Teil ist die Analyse des Verhaltens der Weltbank und des IWF gegenüber den Entwicklungsländern.

Die meisten Entwicklungsländer haben ein Ungleichgewicht in ihrer Zahlungsbilanz; daher müssen sie eine Quelle von außen finden, um ihre Defizite auszugleichen.

Die Krise der Auslandsschulden verkomplizierte sich vor allem aus zweierlei Ursachen, interne Ursachen und externe Ursachen: externe Ursachen wie die Vermarktung ausländischer Kredite, protektionistische Tendenzen in Industrieländern, Anstieg der realen Zinssätze; die internen wiederum sind Schwäche des Produktionssystems, Scheitern von Industrialisierungsstrategien und Handelspolitik.

Die Experten von IWF und Weltbank beschäftigen sich nur mit den internen Ursachen, die externen scheinen sie zu ignorieren. So diagnostizieren sie die Schuldenkrise der Entwicklungsländer als Resultat einer expansionistischen Fiskal- und Währungspolitik, der Mittelverteilung unter Kontrolle des öffentlichen Sektors sowie staatlicher Interventionen in die Preise [Subventionen], was zu Preisverzerrungen führt.

Auf der Grundlage dieser Diagnose kamen die Experten zu dem Schluß, daß die Auslandsschuldenkrise ein internes Problem sei und die externen Ursachen eine Folge hiervon seien; die Entwicklungsländer müßten diese externen Ursachen einfach akzeptieren.

Die Strategien von IWF und Weltbank im Umgang mit im Ausland verschuldeten Ländern stützen sich auf zwei Programme: erstens Stabilisierungsprogramme, hinter denen der IWF steht, und zweitens die Strukturanpassungsprogramme, hinter denen die Weltbank steht. Beim Stabilisierungsprogramm steht die [Währungs-]Abwertung im Mittelpunkt, während beim Strukturanpassungsprogramm der Abbau des öffentlichen Sektors im Mittelpunkt steht.

Beide Programme sind also hinsichtlich der Strategien und Ziele integriert. Die Ziele beider Programme sind erstens das Garantieren der Gläubigerrechte und zweitens das Umsetzen der neuen internationalen Arbeitsteilung.

Wie lassen sich diese Ziele realisieren? Der Standpunkt der IWF-Experten ist: Abwertung führt zu mehr Exporten und zu weniger Importen, deshalb läßt sich die Zahlungsbilanz leicht handhaben und die Auslandsverschuldung loswerden.

Aber Abwertung wird nicht zur Steigerung der Exporte führen, wenn es keine Preisflexibilität bei der Nachfrage nach Exporten gibt - die Preise müssen flexibel sein, damit die Zunahme der Exportrate größer ist als die Abwertungsrate. Zweitens muß die Flexibilität des Exportangebots groß genug sein, um die potentielle Nachfragesteigerung zu befriedigen. Schließlich muß der Inlandspreis konstant sein.

Hinzu kommt, daß die Abwertung nicht zum Rückgang der Importe führen wird, solange nicht die Nachfrage flexibel ist und die Importpreise in Devisen gemessen konstant bleiben.

Alle diese Bedingungen lassen sich in Entwicklungsländern und in Ägypten nicht realisieren. Warum bestehen die IWF-Experten dann trotzdem darauf, die Auslandsschuldenkrise durch Abwertung zu lösen?

Weil das Stabilisierungsprogramm das Finanzproblem des öffentlichen Sektors verkomplizieren wird und dem öffentlichen Sektor verfügbare finanzielle Mittel entzogen und dem privaten Sektor überlassen werden, der als effizienter gilt.

Das Finanzierungsproblem im öffentlichen Sektor wird sich also durch die Abwertung verschärfen. Der öffentliche Sektor kann es sich dann nicht leisten, die laufenden Ausgaben und Investitionen zu finanzieren.

Auf der anderen Seite führt das von der Weltbank betriebene Strukturanpassungsprogramm zur Einstellung von Subventionen im öffentlichen Sektor, um Marktmechanismen anzuwenden. Die Preise der Importe und Exporte des öffentlichen Sektors werden auf das internationale Maß ansteigen, dann wird der öffentliche Sektor nach kommerziellen Rentabilitätskriterien bewertet und die meisten Unternehmen des öffentlichen Sektors werden als gescheitert eingestuft.

Die Weltbank bewegt die Regierung dazu, den öffentlichen Sektor zu privatisieren. Da der örtliche private Sektor es sich nicht leisten kann, die Besitzwerte des öffentlichen Sektors zu kaufen, rät sie den Entwicklungsländern zu Tauschgeschäften von Schulden gegen Besitzanteile [Aktien].

Das ist der Grund, warum sie auf der Abwertung der Währungen der Entwicklungsländer bestehen: weil dies dazu führt, daß die Gläubiger mehr Anteile gegen ihre Kredite erwerben können.

Man kann daher zu dem Schluß gelangen, daß IWF und Weltbank als Agenten der Gläubiger zu betrachten sind, und sie versuchen, die Idee der Globalisierung durch die Kontrolle über den öffentlichen Sektor durchzusetzen.

Die Schlußfolgerung: Ägypten verließ sich zur Finanzierung des ersten Teils des Projekts, also den Neuen Suezkanal, auf einheimische Quellen, und es herrscht ein Bedarf an ausländischen Direktinvestitionen und Hilfe internationaler Finanzinstitutionen zur Finanzierung des zweiten Teils des Projekts, nämlich der Entwicklung der Suezkanalzone.

Schließlich muß die Weltbank das Infrastrukturprojekt direkt finanzieren und dessen Finanzierung unterstützen.

Ich danke Ihnen.