21. März 2012 •
„Ich widme diese Botschaft allen Verrückten. Allen, die die
Dinge anders sehen. Man kann sie zitieren. Anderer Meinung sein. Man kann sie
verherrlichen oder herabsetzen, aber eines kann man nicht tun - sie ignorieren.
Denn sie können etwas verändern... Und auch wenn einige sie als verrückt
bezeichnen, ich sehe ihr Genie. Denn nur wer so verrückt ist, zu glauben, daß
er die Welt ändern kann, wird sie wirklich ändern.“ - Mahatma Gandhi
* * *
Ich grüße Sie alle! Zunächst einmal möchte ich dem
Schiller-Institut für diese Gelegenheit danken. Ich denke, angesichts der
Gefahren, vor denen wir in dieser Zeit stehen, ist es wichtig, daß ich Ihnen
die Geschichte der italienischen Taxifahrer in den letzten drei Monaten
erzähle, als ein Symbol für einen Prozeß des Widerstands - wie ich der Financial
Times erklären konnte - der arbeitenden Bevölkerung gegen die Spekulation.
Tatsächlich ist dies eine erste Idee, auf die wir uns
konzentrieren können, wenn wir verstehen wollen, welche Phase der Geschichte
wir durchleben und wo wir Lösungen finden können, damit wir sie zu einem Erfolg
für die ganze Menschheit machen. Wir erleben einen Kampf zwischen Spekulation
und Arbeit, zwischen dem Empire und den Nationalstaaten, und damit zwischen
denen, die sich wie Parasiten verhalten, und denen, die die eigentliche Natur
des Menschen mit seiner besonderen sozialen Funktion zum Ausdruck bringen.
Arbeit gegen Spekulation! Nationen gegen Imperien! Und nicht, wie man heute
sagt, Arbeiter gegen Konsumenten, oder Arbeitnehmer gegen Kapitalisten! Nicht
Italien gegen Deutschland! Keinen Kampf der Kulturen, wie ihn Prof. Samuel
Huntington vorschlägt. Und daher auch kein Kampf des Westens gegen die
islamische Welt!
Der Kampf ist der zwischen der Finanzspekulation und der
produktiven Arbeit - zwischen denen, die ein imperiales Konzept der
Gesellschaftsordnung haben, und denen, die ein republikanisches Konzept auf der
Grundlage von Nationalstaaten haben. Der Kampf ist der zwischen denen, die ein
optimistisches Menschenbild haben und an die höchsten geistigen und
schöpferischen Fähigkeiten des Menschen glauben, wie es uns die
jüdisch-christliche Tradition lehrt - vom 13. Jahrhundert v. Chr., über
Sokrates und Platon, den hl. Augustinus, die Florentiner Renaissance, Leibniz,
Schiller bis hin zu Martin Luther King und Lyndon LaRouche heute -, und auf der
anderen Seite jenen, die ein pessimistisches Menschenbild haben, eine
Hobbessche Sicht, wonach eine Oligarchie angeblicher „Erleuchteter“ die Masse
im Zaum halten muß, das genaue Gegenteil einer prometheischen Sicht. Ich denke
dabei an den derzeitigen italienischen Premierminister Mario Monti oder die
Ministerin Fornero, die Leute, die von den italienischen Bürgern Opfer und
Einschränkungen fordern, während für sie selbst als die „Erleuchteten“ und für
ihre Verwandten die Regeln genau das Gegenteil sein können.
Angriff der Spekulation
In Italien ist der Prozeß, den Lyndon LaRouche seit
Jahrzehnten beschreibt, offen sichtbar: Spekulative Prozesse beherrschen das
Leben der Menschen, die Wirtschaft, die Nationalstaaten und die Demokratie. In
Italien wurde das alles offensichtlich, als eine gewählte Regierung mit einer
Serie spekulativer Angriffe gestürzt wurde, was es der Finanzoligarchie
erlaubte, ihre Leute an die Spitze der Regierung und der wichtigsten
Ministerien zu stellen. Auch wenn die Methoden im einzelnen verschieden waren,
ist der Rahmen derselbe: So erleben wir nun die zweite Phase dessen, was man in
Italien die „Britannia“-Operation nennt, nach der ersten Phase damals 1992.
Wir alle wissen, daß damals beim ersten Mal George Soros
eine wichtige Rolle bei der Zerschlagung des Europäischen Währungssystems (EWS)
und der Abwertung der italienischen Währung, der Lira, spielte, was die
Übernahme der staatlichen Industrien und staatlichen Banken durch private
nationale und internationale Geldpotentaten erleichterte. Heute gibt es noch
keinen konkreten Namen, mit dem man die zweite Phase identifizieren kann -
obwohl es sehr wahrscheinlich ist, daß George Soros auch diesmal eine wichtige
Rolle spielte -, aber wir wissen, daß hinter all dem das Britische Empire
steht, das eine Strategie der Zerstörung der Nationalstaaten und der
Reduzierung der Weltbevölkerung verfolgt.
In Hinsicht auf den letzteren Punkt sagt uns der Geruch des
Krieges aus Syrien und dem Iran, als der Zünder eines größeren Konfliktes, an
dem Rußland und China beteiligt wären, daß die malthusianischen Pläne des
Prinzen Philip von Edinburgh sehr schnell wahr werden könnten. Aber wir haben
eine historische Chance, all das zu verhindern und wieder eine wirkliche
Perspektive der Entwicklung für den gesamten Planeten herzustellen. Wir werden
auf diesen Punkt noch zurückkommen.
Massenstreik
In Italien brach nach der Ankündigung der ersten Maßnahmen
der Regierung Monti ein Massenstreik aus, der sich bereits in verschiedenen Teilen
der westlichen Welt zeigt und der in Nordafrika zum Sturz von Regierungen
führte, wenn auch ohne eine strategische, positive Lösung für die betroffene
Bevölkerung.
Mit seinem Dekret „Wachse Italien!“ wollte Monti der
Finanzoligarchie ganze Märkte ausliefern. Den Bürgern sagte er, es sei
notwendig, um für wirtschaftliche Entwicklung, niedrigere Preise und neue
Arbeitsplätze zu sorgen. Wer jedoch nicht mehr an Märchen glaubt, der erkannte,
daß es dasselbe alte Freihandelssystem ist, das Friedrich List „die Leiter
wegstoßen“ nannte, indem es alle Regeln des Marktes beseitigt und ganze
Wirtschaftssektoren den stärksten Finanzinteressen ausliefert, die sie
schließlich vollkommen beherrschen.
Tatsächlich müssen wir gar nicht auf Beispiele aus dem 19.
Jahrhundert zurückgreifen, das auch in Italien berühmt ist für den Kampf
zwischen dem republikanischen Widerstand und dem Britischen Empire - dem Empire
der Liberalisierung. Auch in letzter Zeit gab es zahlreiche Lehrbeispiele
dafür: aus den Liberalisierungs- und Deregulierungsmaßnahmen, die 1998 im
Einzelhandel eingeführt wurden, im Immobiliensektor 1992 und bei den
Lastwagenfahrern schon in den achtziger Jahren. In allen diesen Fällen der „noblen“
Liberalisierung der Märkte war das Ergebnis das gleiche: Konzentration der
Sektoren in einigen wenigen beherrschenden Händen, unsichere Arbeitsverhältnisse
und schlechtere Qualität des Wirtschaftsprozesses.
Deshalb habe ich, als ich auf den Seiten der Financial
Times las, der „Widerstand der [bösen] Unternehmen“ hindere den „Robin
Hood“ Monti, sofort reagiert und betonte, daß es in Wirklichkeit ein Fall
echten demokratischen Widerstands der Arbeitskräfte ist - Taxifahrer,
Zeitungsverkäufer, Apotheker, Ladenbesitzer, Selbständige etc. -, die einfach
nur völlig legitim ihre Arbeit verteidigen, um nicht der Gnade der Finanzhaie
ausgeliefert zu sein, denen seit Beginn der Finanzkrise im August 2007 die Luft
ausgeht und die daher verzweifelt nach neuem Besitz greifen.
Die Regierung begann zur Verwirrung eine Kampagne gegen
diese Arbeitskräfte, sie stellte sie als privilegierte Minderheit dar, die
schuld an der Krise in Italien wäre. Auch wenn es nicht ausdrücklich so
formuliert wurde, war das die Botschaft, die die Medien dem kollektiven Denken
der italienischen Bevölkerung einhämmerten. Das führte zu dem Massenstreik, der
meiner Einschätzung nach weitergeht, auch wenn er nach außen hin weniger in
Erscheinung tritt.
Was wir dank des Verbandes Uritaxi, dessen Mitglied ich bin,
mit voller Rückendeckung des nationalen Vorsitzenden Loreno Bittarelli
organisiert haben, kann man als eine „Operation Wahrheit“ bezeichnen. Wir
produzierten Tausende von Flugblättern, in denen wir die wahren Ziele Montis und
seiner Liberalisierung sowie die tatsächlichen Preise und die Qualität der
italienischen Taxidienste darstellten, und wir versorgten sämtliche Taxis in
Italien und andere mit diesen Flugblättern. Wir nutzten dann die Macht der
sozialen Netzwerke und der Mund-zu-Mund-Propaganda als Gegengewicht zu den
Massenmedien, die uns buchstäblich ausgrenzten. Es gab sogar etliche Talkshows
zur besten Sendezeit, in denen über die Taxifahrer oder andere Arbeitergruppen
gesprochen wurde, ohne daß Vertreter dieser Berufe darauf antworten durften.
Aber dank der „Operation Wahrheit“ erkannten die Massenmedien, daß auch die
arbeitenden Menschen ein Recht haben, in ihren Sendungen zu Wort zu kommen,
sodaß unsere Ansichten schließlich sogar im Sprachrohr der Finanzoligarchie selbst,
der Financial Times, veröffentlicht wurden.
Glass-Steagall-Kampagne
Als es uns gelang, uns an die allgemeine Öffentlichkeit zu
wenden, legten wir nach und griffen die Rolle der Spekulation in der
derzeitigen Krise öffentlich an, und sprachen über Glass-Steagall, über die
Rolle von Lyndon LaRouche und über die Notwendigkeit, den Liberalismus von Adam
Smith zu besiegen und Franklin Roosevelt wiederzuentdecken.
In ähnlicher Weise kamen auch die Apotheker, die
Zeitungsverkäufer und andere in Bewegung. Nach und nach wuchs die
Widerstandsbewegung, dieser Massenstreik, bis zu dem Punkt, daß inzwischen
nicht nur diejenigen daran beteiligt sind, die unmittelbar vom dem Dekret
„Wachse Italien“ betroffen sind, sondern alle, die in irgendeiner Weise unter
Montis „Blut, Schweiß-und-Tränen“-Maßnahmen leiden, insbesondere wegen der
Zusatzsteuer auf Treibstoffe. Deshalb gingen die Lastwagenfahrer, die Fischer
und die Landwirte auf die Straßen und blockierten sogar Teile des
Autobahnnetzes. Im Süden - einer Region, die sehr arm ist und deshalb noch
stärker unter Montis Maßnahmen leidet - gab es eine Mobilisierung der gesamten
Bevölkerung, die von Sizilien ausging und schließlich auch andere Regionen
erfaßte, die gegen die Regierung protestierten.
Heute ist sich die Bevölkerung Italiens der Tatsache
bewußter, daß diese Krise durch die Spekulation der großen Investmentbanken
herbeigeführt wurde. Bewußter, aber natürlich noch lange nicht bewußt genug!
Aber wenn es uns gelingt, die Einführung des
Glass-Steagall-Standards durchzusetzen, der die Investmentbanken von den
Geschäftsbanken trennt, dann haben wir die Gefahr eines Dritten Weltkriegs
abgewendet. Der Anlaß für die Provokationen der westlichen Diplomatie in
Gebieten der Welt, die sie nicht beherrschen, sondern sich im Einflußbereich
Rußlands und Chinas befinden, würde beseitigt.
In der Kampagne für die Wiedereinführung von Glass-Steagall
stehen die LaRouche-Bewegung in Italien, Movisol, und das Komitee NoBigBanks.it
an vorderster Front. Der Movisol-Generalsekretär Andrew Spannaus hat direkt mit
Senator Oskar Peterlini den Antrag für die Erneuerung von Glass-Steagall
ausgearbeitet. Wenn Italien das tut, würde dieses Beispiel viele andere Länder
ermutigen.
Wir müssen daran glauben, daß es möglich ist, den Gang der
Geschichte zu verändern. Die Hunderte von Aktivisten, die hier versammelt sind,
können entscheidend sein für diese Änderung der Geschichte, und dafür, das Jahr
2012 statt zu einem Jahr einer Tragödie - wie es eine beliebte Strömung
behauptet, die sich auf die Prophezeiungen der Maya beruft - zu einem Jahr der
kulturellen Revolution und der Entwicklung für die ganze Menschheit zu machen.
Wir müssen Toren sein, wie es Gandhi sagt und wie es Erasmus
von Rotterdam sagt! Es wird uns gelingen, den Gang der Geschichte zu ändern!
Wir müssen daran glauben, daß wir das können, und müssen den Gang der
Geschichte ändern! Das wird der größte Akt der Liebe sein, den wir für unsere
Nächsten tun können.
Am Tag vor seinem Tode schrieb Franklin Delano Roosevelt:
„Die einzige Grenze für die Realisierung des Morgen sind die Zweifel von heute.
Gehen wir voran mit großer, aktiver Zuversicht.“