Stürzt die Tyrannei des Zweiten
Hauptsatzes der Thermodynamik!
Von Bruce Director
Aus dem, was wir eben von Lyn
[LaRouche] und auch in der Sitzung heute morgen gehört haben, ist deutlich
geworden, daß die Zukunft der Menschheit - ob wir in naher Zukunft ein
Massenaussterben erleben, oder ob wir eine neue Renaissance in Wissenschaft und
Kultur einleiten, die die Menschheit in ganz neue Bereiche vorstoßen läßt -,
daß dies von einem willentlichen Akt des menschlichen Geistes abhängt. Denn der
menschliche Geist ist eine reale Kraft im und über das Universum. Das war immer
die entscheidende Frage der Wissenschaft und ist bis heute die entscheidende
Frage geblieben.
Doch die Bevölkerung und die
Wissenschaftler sind zu dem Glauben konditioniert worden, es gäbe zwei
unterschiedliche Universen: ein geistiges Universum, das sich auf seine Weise
verhält, und das übrige Universum, das sich ganz anders verhält, und beide
seien nicht miteinander verbunden. Das ist ein klinisch verrückter Zustand,
denn Tatsache ist, daß der menschliche Geist eine wirksame Kraft im Universum
ist. Und die Verrücktheiten, die in unserer Kultur herrschen, wie die grüne
Bewegung oder der monetaristische Glauben an die Macht des Geldes, sind
Symptome dieser Geisteskrankheit, die das Grundmerkmal des Universums, nämlich
die wirkende Schöpferkraft des menschlichen Geistes, leugnet.
Die folgenden Redner und ich
wollen versuchen, diese Frage zu klären, damit man wirklich versteht, womit wir
es zu tun haben. Entscheidend ist dabei, einige falsche Vorstellungen
ausmerzen, die sich in der Wissenschaft und ganz allgemein in der Kultur
breitgemacht haben, deren Grundlage diese falsche Vorstellung ist, die
menschlichen Geistesfähigkeiten seien im Universum keine wirklich wirksame
Kraft.
Typisch hierfür ist eine Idee, die
im 19. Jahrhundert aufkam, die man heute den "Zweiten Hauptsatz der
Thermodynamik" nennt; viele Menschen heute kennen ihn gar nicht oder haben nur
eine vage Vorstellung davon. Die Idee war allerdings schon damals nicht neu,
sondern nur eine neue Variante eines alten Konzepts, die zum zentralen Dogma der
offiziellen Kultreligion des Britischen Empires wurde.
Sogar Menschen, die sich gar nicht
für den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik interessieren oder ihn nicht
kennen, halten oft eisern daran fest, weil sie fürchten, schon die Andeutung
eines Widerspruchs gegen die Grundannahmen dieses Zweiten Hauptsatzes der
Thermodynamik könnte alle möglichen Gegenreaktionen auslösen.
Der menschliche Geist als wirkende
Kraft im Universum

Abb.1: Die Zahl der lebenden Menschen stagnierte lange Zeit bei
einigen Hundert Millionen Menschen. Erst nach der großen Pestkatastrophe im
14. Jahrhundert kam es zu einem gewaltigen Anstieg der Weltbevölkerung - eine
Folge der Änderung des Denkens durch die Renaissance.
Beginnen wir jedoch damit, das
Universum so zu betrachten, wie es eigentlich ist. Was ist die tatsächliche
Wirkkraft des menschlichen Geistes im und über das Universum? Abbildung 1
zeigt die geschätzte Bevölkerungsentwicklung der Menschheit seit frühester
Zeit. Man sieht zunächst einen langsamen, aber stetigen Anstieg des
Bevölkerungswachstums. Gegen Ende des Schaubilds ist ein scharfer Rückgang
sichtbar, verbunden mit dem Schwarzen Tod um die Mitte des 14. Jahrhunderts,
und nach der Pest folgte dann ein gewaltiger, dramatischer Anstieg der
menschlichen Bevölkerung.
Was ist zu dieser Zeit geschehen?
Wir wissen natürlich, daß sich an der Biologie der menschlichen Fortpflanzung
in diesem Geschichtsabschnitt nichts geändert hat. Wenn man Boccaccio liest,
sieht man, daß sich die Menschen damals biologisch ganz genauso fortgepflanzt
haben wie heute. Die Veränderung fand im menschlichen Geist statt. Ausgelöst
wurde dies durch eine kleine Gruppe von Menschen in der Renaissance, änderte
sich die Macht des menschlichen Geistes im Universum. Insbesondere wurde die
aristotelische Vorstellung, daß das Universum im Grunde unveränderlich wäre,
verworfen.
Typisch ist die aristotelische
Kosmologie, die das Universum vom Standpunkt reiner Sinneswahrnehmung
betrachtet. Die Erde war der Mittelpunkt, und die Planeten und anderen Sterne
drehten sich um die Erde. Nach dieser Kosmologie auf Grundlage der
Sinneswahrnehmungen gibt es die Erde, auf der sich ständig alles verändert, und
je weiter man sich von ihr entfernt, verändern sich die Dinge immer weniger.
Und dieser Kosmologie zufolge ist die Erde das Unvollkommenste, weil sich dort
alles ändert, und je weiter man sich von ihr entfernt, wird alles immer weniger
veränderlich und damit immer vollkommener.
Das ist die Kosmologie eines
imperialen Gesellschaftssystems! Diese Kosmologie soll eine gesellschaftliche
Organisation rechtfertigen, die zum Ziel hat, jeden an seinem Platz zu
belassen, die Bevölkerung dumm zu halten und keine wissenschaftlichen
Entwicklungen und überhaupt nichts Neues zuzulassen. Diese Gesellschaftsform
stützte sich auf eine falsche Wissenschaft, die besagt, daß die imperiale
Gesellschaftsordnung genau der Ordnung des Universums entspricht, die man mit
den eigenen Augen sehen könne, nämlich einem unveränderlichen Universum.
Diese Überzeugung und diese
Gesellschaftsordnung führten schließlich in der Zeit der Pestseuchen zum
Bevölkerungskollaps. Die Reaktion darauf war eine Mobilisierung des
menschlichen Willens, der Geisteskräfte, angeführt von Nikolaus von Kues, der
Platons Werk erneuerte und erweiterte, um zu verdeutlichen, daß das Universum
nicht so war, wie man aufgrund der Sinneswahrnehmungen fälschlich meinte.
Vielmehr ist das Universum genauso organisiert wie der menschliche Geist. Der
Mensch ist zu neuen Entdeckungen in Wissenschaft und Kunst fähig, die unser
Wissen erweitern durch Dinge, die vorher unbekannt waren. Die Fähigkeit des
menschlichen Geistes, sich grundlegend zu verändern, ist etwas, was sich auch
im Universum insgesamt ausdrückt.
Kurz gesagt, statt der
Vorstellung, Vollkommenheit sei das Fehlen von Veränderung, ein Zustand ohne
irgendwelche Veränderung, versteht man unter wirklicher Vollkommenheit nun die
Fähigkeit des Universums zur Selbstvervollkommnung, was sich auch darin
ausdrückt, daß der menschliche Geist sich genauso vervollkommnen kann. Das ist
die Idee der "belehrten Unwissenheit" (Kues): daß der Menschen in der Lage ist,
immer weniger unwissend zu werden, und daß dies ein unendlicher Vorgang ist.
Als Folge davon wurde Aristoteles
aus der Wissenschaft verbannt, und es kam zu gesellschaftlichen Veränderungen,
die mit wichtigen Durchbrüchen in Wissenschaft und Kunst einhergingen, und das
zeigt sich wiederum in dem ungeheuren Bevölkerungswachstum. Offenbar hatten
diese Ideen eine Wirkkraft im und über das Universum.
Grüne werden natürlich behaupten,
das sei schlecht. Daß der Mensch seine Geisteskräfte einsetzte, um diese
existentielle Krise überwinden, sei schon damals ein Fehler gewesen, den man
nicht noch einmal machen dürfte. Wir sollten lieber zulassen, daß der
Bevölkerungsrückgang weitergeht.

Abb. 2: Die Steigerung der Bevölkerungsdichte setzte eine
entsprechende Steigerung der Energieflußdichte der menschlichen Gesellschaft
voraus, die sich in mehreren technologischen Sprüngen vollzog.

Abb. 3: Ein sehr ähnliches Muster der sprunghaften Steigerung der
Energieflußdichte finden wir auch in der Geschichte der Biosphäre, wo in den
Zeiten der sog. Massenextinktionen die Organismen mit geringeren
Energieflußdichten abgelöst wurden durch höher organisierte Organismen.
Bilder: NASA
(a)

(b)
(c)

(d)
Abb. 4a-d: Je nachdem, in welcher Wellenlänge man ihn betrachtet,
hat der Krebsnebel ein sehr unterschiedliches Erscheinungsbild: Aufnahmen im
Bereich des sichtbaren Lichtes (a), der Röntgenstrahlen (b), der
Infrarot-Strahlung (c) und der Radiowellen (d).
Bild: NASA

Abb. 5: Die Explosion der ältesten bekannten Supernova, RCW 86,
wurde in China schon im Jahr 185 n.Chr. beobachtet, wo sie acht Monate
lang am Himmel als „Gast-Stern“ mit bloßem Auge zu sehen war.
Die Bevölkerungszunahme, die wie
gesagt durch neue Entwicklungen in Wissenschaft und Kunst möglich wurde, drückt
sich in der Wirtschaft als zunehmende Macht des Menschen pro Kopf in der und
über die Natur aus. Ein direktes Maß dieser Fähigkeit ist die Zunahme der
Energieflußdichte. Die folgende von unserem Basement-Team erstellte Graphik (Abbildung
2) zeigt die Perioden der Einführung neuer Energiequellen.
Wenn man diese Abbildung mit der
Graphik zur Bevölkerungsentwicklung vergleicht, dann sieht man, daß die Zeiten
mit einem stetigen, aber relativ langsamen Bevölkerungswachstum mit den Phasen
zusammenfallen, wo die Menschheit von den gleichen Energiequellen abhängig war.
Seit der Renaissance aber ist der Mensch in der Lage, Energieformen mit einer immer
höheren Energieflußdichte und größerer Kraft pro Flächeneinheit zu erzeugen.
Diese höhere Energieflußdichte, die damit in der Wirtschaft zur Verfügung
steht, ermöglichte dann eine Bevölkerungszunahme.
Und wenn wir in Angriff nehmen,
was Herr LaRouche eben gefordert hat, nämlich, menschliches Leben bis zum Mars
und darüber hinaus zu verbreiten, dann müssen wir die Weltbevölkerung recht
dramatisch vergrößern, was wiederum eine Zunahme der Energieflußdichte
erfordert. Beides steht in unmittelbarer Beziehung zueinander. Und dieser
Zusammenhang zwischen Energie und Wirtschaftsleistung wird sehr wichtig sein,
wenn ich über den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik sprechen werde.
Die Energieflußdichte steigt!
Manchmal schleicht sich an dieser
Stelle ein Sophismus ein, wo es heißt, dieser Zusammenhang existiere zwar für
eine Volkswirtschaft, aber - so wenden die Grünen ein - insgesamt wirke die
menschliche Tätigkeit der natürlichen Tendenz des Universums entgegen. Außer
beim Menschen bewege sich das Universum in eine andere Richtung, in Richtung
eines Gleichgewichts und niedrigeren Seinszustands, nicht zu Wachstum und
Entwicklung oder einem höheren Organisationszustand.
Solche Grünen akzeptieren
vielleicht die Beweise für menschliche Entwicklung, behaupten aber, diese
verstoße gegen die natürliche Ordnung des Universums. Nichts könnte aber weiter
von der Wahrheit entfernt sein. Diese Graphik des Basement-Teams (Abbildung 3)
ist ein heuristisches Mittel zur Veranschaulichung der Beziehungen zwischen der
menschlichen Gesellschaft, der Biosphäre - also dem von nichtmenschlichen
Lebensformen beherrschten Teil der Atmosphäre - und dem unbelebten Bereich.
Alle drei Bereiche werden außerdem mit der steigenden Energiedichte in
Beziehung gesetzt. Die Untersuchungen, die Sky (Shields) und andere im
Basement-Team angestellt haben, zeigen ganz eindeutig, daß die Eigenschaften
von Lebensprozessen allgemein bereits vor dem Erscheinen des Menschen ganz
genau die gleichen Gesetzmäßigkeiten zeigten wie bei der späteren menschlichen
Entwicklung.
In der gesamten Evolution der
Lebewesen verlief die Entwicklung von niederen zu höheren Gattungen, die sich
in biologischer Hinsicht alle durch eine steigende Energieflußdichte
auszeichneten. Im Laufe dieser Entwicklung kam es jedoch regelmäßig zu
sogenannten Massenextinktionen (Artensterben) - hier sei nur an die Dinosaurier
erinnert, es gibt aber viele andere -, die stets jene Gattungen betrafen, die
ihre Energieflußdichte nicht erhöhen konnten. Sie konnten sich nicht mehr ernähren
und verschwanden deshalb.
Entgegen den Aussagen der Grünen
weist die Evolution von Lebewesen die gleichen Eigenschaften auf, die wir auch
von der menschlichen Entwicklung kennen. Das sollte uns als normale Menschen
nicht überraschen, einen Umweltfreak dürfte es aber überraschen. Der
Unterschied zwischen dem Menschen und anderen Lebensformen besteht darin, daß
der Mensch evolutionäre Veränderungen durch willentliche Geistesakte vollzieht,
wohingegen die anderen Gattungen keinen bewußten Einfluß auf ihre
Anpassungsfähigkeit haben. Nirgendwo in der gesamten evolutionären Entwicklung
hat es eine Situation gegeben, wo eine niedere Gattung mit geringerer
Energieflußdichte die Herrschaft über eine höhere Gattung übernommen hätte. Die
Evolution des Lebens verläuft unumkehrbar in Richtung zu höheren Organisationszuständen,
nicht zu niedrigeren.
Das ist nicht auf das Leben an
sich beschränkt. Auch bei Dingen, die man gewöhnlich als abiotisch (unbelebt)
bezeichnet, findet man genau den gleichen Prozeß. Ich würde zwar behaupten, daß
man im Grunde zwischen unbelebten, belebten und noetischen Prozessen nicht
streng unterscheiden kann, weil sie im Universum in ständiger Wechselwirkung
stehen, aber wenn man sich zum Beispiel astronomische Prozesse in weiter
Entfernung betrachtet, die nichts mit Leben zu tun zu haben bzw. nicht von
lebenden oder noetischen Prozessen bestimmt zu sein scheinen, sieht man
ebenfalls ähnliche Phänomene.
Ich habe nicht die Zeit, genauer
hierauf einzugehen, aber ich möchte Ihnen diese Bilder des Krebsnebels (Abbildung
4) zeigen, der zu den interessantesten Objekten am Himmel zählt. Die Bilder
sind in verschiedenen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums
aufgenommen worden, und man sieht, daß dasselbe Objekt ganz unterschiedlich
aussieht, wenn man es im optischen Bereich (Wellenlängen, für die unsere Augen
empfindlich sind), im Röntgen-, Infrarot- oder Radiobereich betrachtet - alles
Wellenlängen, auf die unser gewöhnlicher Sinnesapparat nicht reagiert,
zumindest nicht bewußt. In Wirklichkeit stehen wir mit diesen Wellenlängen
ebenfalls in Wechselwirkung, auch wenn wir das nicht als "Wahrnehmung"
bezeichnen würden, weil es nichts direkt mit unserem Auge zu tun hat.
Der Krebsnebel soll der Überrest
eines explodierenden Sterns sein, den chinesische Astronomen im 11. Jahrhundert
als großen hellen Fleck am Himmel bemerkten. Wenn dieser Stern sich an die
Grundsätze des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik halten würde, sollte er
nach der Explosion eigentlich in immer schwächere Ordnungszustände übergehen,
doch wie selbst diese einfachen Bilder zeigen, zerfällt er keineswegs, sondern
organisiert sich zu immer höheren Strukturen. Sky hat kürzlich sogar berichtet,
daß vom Krebsnebel im letzten Jahr extrem energiereiche Gammastrahlenblitze
ausgingen, die sich so schnell bildeten und wieder zerfielen, daß sie in keiner
Weise mit einem Prozeß in Richtung eines Gleichgewichtszustands in Zusammenhang
gebracht werden können.
Man sieht dies auch an anderen
Supernovas. Abbildung 5 zeigt die mutmaßlich älteste bekannte Supernova,
einen weiteren explodierten Stern, und man sieht, daß sich selbst lange, lange
Zeit nach einer riesigen Explosion immer noch neue Strukturen herausbilden.
Offensichtlich verstehen wir nicht, was sich wirklich dort abspielt, und zwar
u.a. deswegen, weil unser Blick auf diese Phänomene dadurch getrübt ist, daß
wir ihnen ein Bild des Universums im Sinne des Zweiten Hauptsatzes der
Thermodynamik überstülpen möchten, statt uns auf den Standpunkt zu stellen, daß
diese Strukturen in Wirklichkeit einem Universum entsprechen, das grundsätzlich
kreativ ist und sich zu höheren Organisations- und Seinszuständen entwickelt.
Wie konnte es soweit kommen, daß
trotz unwiderlegbarer Beweise für die auf Fortschritt und immer höhere
Entwicklungsstufen ausgerichteten Eigenschaften des Universums in öffentlichen
Diskussionen oder in Fachkonferenzen eine solche Einstellung auf Skepsis
trifft? Das geht hin bis zur Organisation unserer Gesellschaft, mit der grünen
Bewegung, die ich angesprochen habe, oder dem Finanzsystems mit seinen
ausgeklügelten Finanzinstrumenten wie Derivaten, Kreditausfallversicherungen
usw., die alle nur erfunden wurden, damit sich das Geldsystem den Prinzipien
des Gleichgewichts der Finanzströme fügt. Der Kollaps des Finanzsystems und der
Kollaps der Realwirtschaft unter dem Druck der grünen Bewegung zeigen jedoch,
daß das Universum jeden Versuch, einen Gleichgewichtszustand herzustellen, zunichte
machen wird. Wie kam es dazu, daß die Menschen so gehirngewaschen wurden, daß
sie ihre Gesellschaft nach Prinzipien organisieren, die der Funktionsweise des
Universums so vollkommen entgegengesetzt sind?
So kam es zum Zweiten Hauptsatz
der Thermodynamik
Ich möchte Ihnen kurz darstellen,
wie der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik eingeführt wurde. Wenn man sieht,
was für ein Schwindel er ist, ist man absolut überrascht, wie er eine derartige
Dominanz erreichen konnte.
Nach der Schwarzen Pest und in der
sich anschließend entwickelnden Renaissance entstanden, wie bereits erwähnt,
neue Ideen und Konzepte über das Universum, die im menschlichen Geist eine
wirksame Kraft im Universum sahen. Diese Sichtweise weitete sich immer weiter
aus, und infolgedessen steigerte der Mensch mit Hilfe der Technik seine Macht
in und über die Natur.
Entscheidend hierfür war
insbesondere das Wirken von Nikolaus von Kues, Johannes Kepler und auch von
Gottfried Wilhelm Leibniz, dessen Arbeiten zur Dynamik beschreiben, mit welchen
Mitteln der Mensch das physische Universum als Schöpfungsprozeß verstehen kann.
Sein Werk führte zur Entwicklung einer neuen Technik, die für die Wirtschaft
ganz entscheidend war - der Wärmekraftmaschine. Zum ersten Mal konnte der
Mensch damit Wärme als eine Form der Kraft benutzen.
Vor der Entwicklung der
Dampfmaschine Mitte des 17. Jahrhunderts basierte sämtliche
Wirtschaftstätigkeit auf tierischer oder menschlicher Muskelkraft, der
Schwerkraft oder Windkraft. Nun wurde auch die Wärme zu einer Kraftquelle.
Anfangs dachte man, die Wärme verhielte sich im Grunde ähnlich wie
beispielsweise die Schwerkraft - so wie ein Wasserrad eine Mühle antreibt, weil
das Wasser aufgrund der Schwerkraft nach unten fällt und das Rad in Bewegung
setzt. Die Wärme schien sich ähnlich zu verhalten, da sie vom Warmen zum Kalten
übergeht. So entstand ursprünglich die Vorstellung, die Wärmekraft entspringe
diesem Grundzustand, wo die Wärme vom Heißen zum Kalten übergeht.
Doch es gibt einen grundlegenden
Unterschied zwischen Wärme und dem eben angeführten Beispiel des Wasserrads.
Denn das Wasser fließt zwar nach unten, läßt sich aber auch wieder nach oben
transportieren, was natürlich das eigentliche Prinzip ist, warum ein Wasserrad
funktioniert. Die Wärme jedoch bewegt sich nur in eine Richtung - von warm zu
kalt. Um die Macht des Menschen über die Wirtschaft zu erhöhen, muß man also
immer leistungsstärkere Dampfmaschinen bauen und so die Energieflußdichte pro
Kopf steigern. Mit diesen Fragen setzte sich Leibniz auseinander, und darum
ging es auch bei den Studien von Sadi Carnot, Riemann, Dirichlet, Fourier und
anderen - nämlich, genau zu verstehen, um was es bei der Wärme eigentlich geht.
Wir haben heute nicht die Zeit, auf diese Art Frage genauer einzugehen; ich
möchte nur zeigen, wie diese Forschungsansätze mißbraucht wurden, um jene
Gehirnwäsche zu erzeugen, die sich heute in der grünen Bewegung und im
Monetarismus ausdrückt.
Dieser Prozeß begann in der Mitte
des 19. Jahrhunderts mit den Schriften von Lord Kelvin, dem früheren William
Thomson, der von Königin Viktoria wahrscheinlich deshalb zum 1. Baron Kelvin
ernannt wurde, weil er in seinen Schriften den Kern des späteren
religionsartigen Kults formuliert hatte. Thomson bzw. Lord Kelvin verfaßte
hierüber viele Schriften, darunter "Über eine allgemeine Tendenz in der Natur
zur Dissipation mechanischer Energie", worin er sagt: Weil sich alle Wirkungen,
sämtliche mechanische Energie im Universum letztlich in Wärme verwandelt und
sämtliche Wärme vom Warmen zum Kalten übergeht und damit einem Gleichgewicht
zustrebt, deswegen werde das Universum zwangsläufig in einem Wärmetod enden, wo
sämtliche Bewegung und alles andere aufhört.
Welche Bedeutung hat menschliches
Leben in einer solchen Vorstellung des Universums? Wo bleibt die menschliche
Geisteskraft? Der Mensch mag Erfindungen und Entdeckungen machen oder schöne
Kompositionen schaffen, aber nach Lord Kelvin wäre das alles letztlich
bedeutungslos, weil das Universum irgendwann im eigenen Wärmetod endet.
Das alles ist natürlich völlig unwissenschaftlich, und es
fiel Rudolf Clausius zu, sich eine wissenschaftlich strengere Theorie über den
Wärmetod des Universums einfallen zu lassen. Er schrieb ein Buch über Wärme und
Wärmekraftmaschinen, worin er Sadi Carnots Vorstellungen umarbeitete. Er befaßte
sich damit, wie in einer Maschine die Wärme verlorengeht, ohne daß man die
Wärmemenge in der Maschine ändert, und meinte, deshalb brauche man einen neuen
Energiebegriff. Dafür erfand er ein neues Wort "Entropie". Es sollte möglichst
ähnlich wie "Energie" klingen: Abgeleitet aus dem griechischen Wort für
Veränderung/Wendung "trope" und der Vorsilbe "en" ergab sich damit Entropie
("innere Veränderung"). Er behauptete, dies sei ein Maß für potentielle
Veränderung. Er gab dem auch einen mathematischen Ausdruck, wobei eine Zunahme
der Entropie einer Abnahme des Veränderungspotentials entspricht.
Das ist ein kleiner Trick in dem
Buch, aber am Ende seiner Ausführungen stellt er zwei völlig unbegründete
Behauptungen auf. Praktisch die letzten beiden Sätze seines Buchs über
Wärmekraftmaschinen lauten: "Die Energie des Universums ist konstant", und "Die
Entropie des Universums tendiert zu einem Maximum."
Auf welcher Grundlage stellt er
derartige Vermutungen über das Universum an, bloß anhand einer beschränkten Untersuchung
über Wärmekraftmaschinen? Das ist völlig absurd. Trotzdem entstand auf diese
Weise der nach wie vor gültige zentrale Lehrsatz einer Ersatzreligion. Deren
Anhänger beten das ständig wie eine Litanei herunter und glauben es; sie merken
nicht, daß eine solche Aussage über das Universum jeder Grundlage entbehrt.
Die Einführung der Wahrscheinlichkeit
Doch weil eine solche Aussage
jeder Grundlage entbehrte, mußte natürlich irgendeine andere Begründung her.
Warum tendiert Wärme immer zu einem Gleichgewicht? Was ist der Zweck dabei? Da
trat Ludwig Boltzmann auf den Plan.
Niemand konnte einen tatsächlichen
Kausalgrund angeben, etwa im Sinne von Leibniz' Begriff der geringsten Wirkung,
der Kettenlinie, oder einer Keplerschen Planetenbahn, die in Hinsicht auf die
wirkenden physikalischen Prinzipien eine Bahn der geringsten Wirkung ist. Es
gab keine derartige Formulierung, um dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik
eine Grundlage zu verschaffen.
Daher führte Boltzmann ein völlig
neues Verfahren in die Wissenschaft ein, welches auf der
Wahrscheinlichkeitsrechnung basierte. Aus Zeitgründen kann ich auch dies nicht
genauer ausführen, aber Boltzmann kam zu dem Schluß, daß seiner Mathematik
zufolge das Gleichgewicht ein wahrscheinlicherer Zustand sei als das Ungleichgewicht.
Das heißt, ein höherer Organisationszustand wird immer in einem niedrigeren
Organisationszustand übergehen, in welchem keine Veränderung mehr möglich ist,
und das Gleichgewicht ist der Zustand, wo sich nichts mehr verändern kann. Mehr
als Gleichgewicht ist nicht möglich! Wenn sich ein Gleichgewicht eingestellt
hat, ist das Ende erreicht.
Damit wurde die falsche
Vorstellung eingeführt, daß das Universum im Grunde dem Zufall überlassen ist,
d.h. alles, was im Universum geschieht, geschieht nur, weil es wahrscheinlicher
ist, als daß es nicht geschieht. Wie kann aber die Komposition von Beethovens
Neunter Sinfonie ein "wahrscheinlicheres Ereignis" sein als ihre
Nichtkomposition? Wie kann die Erschaffung eines großen Kunstwerks
wahrscheinlicher sein als seine Nichterschaffung?
Was ist mit dem Prozeß, den wir
gesehen haben: Daß sich die Menschheit durch neue wissenschaftliche
Entdeckungen weiterentwickelt - Entdeckungen, die allein durch ihr Entstehen
beweisen, daß alle bisherigen Vorstellungen über die Welt falsch gewesen sind?
Die Zukunft des Menschen beruht einzig auf dem ganz unwahrscheinlichen
Ereignis, daß jemand eine neue schöpferische Entdeckung macht, die beweist, daß
die Denkweise aller anderen falsch gewesen ist. Wie könnte man jemals daraus
ableiten, daß das Gleichgewicht der wahrscheinlichste Zustand sei?
Genau das ist aber die
Glaubensstruktur der grünen Bewegung: Alles, was der Mensch tut, störe das
"Gleichgewicht" der Natur, Natur und das Universum strebten immer irgendwie einem
Gleichgewichtszustand zu.
Das Akzeptieren solcher Lehren,
solcher Unwahrheiten wirkt sich nicht nur auf den Bau von Maschinen und auf
akademische Wissenschaftstheorien aus. Mit Hilfe dieser Irrlehren hat das
Britische Empire eine politische und gesellschaftliche Bewegung aufgebaut, die
mit dem zusammenpaßte, was sonst am Ende des 19. Jahrhunderts geschah. Es war
eine bewußt geförderte pessimistische Bewegung gegen die Ausbreitung des
Optimismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nach Lincolns Sieg über
die Konföderierten im amerikanischen Bürgerkrieg, als die USA sich als
kontinentale Wirtschaftsmacht etablierten und dieselben Ideen sich nach Europa,
besonders Deutschland und Rußland, und nach Japan verbreiteten.
Das ist das Potential, das wir
heute wieder verwirklichen müssen: die Entwicklung kontinentaler
Volkswirtschaften, indem wir durch Technik die Macht des Menschen über die
Natur steigern.
Das wollten die Briten
ausschalten, denn es war zweifellos eine Bedrohung für ihr imperiales System,
das immer ein Machtgleichgewicht, aber auch ein gesellschaftliches
Gleichgewicht zu erhalten versuchte. Insofern war die Einführung dieser
wissenschaftlichen Irrlehre ein wesentliches Element für den Erhalt der imperialen
Gesellschaftsstrukturen.
Das Ergebnis war vorhersagbar: Der
Versuch, ein solches Gleichgewicht gegen die besten Interessen der Menschheit
zu erzwingen, führte direkt in die Katastrophe, die wir heute den Ersten
Weltkrieg nennen.
Der Mensch folgt dem Moralgesetz,
nicht dem Zufall
Am Vorabend dieser Katastrophe hat
sich hier in Berlin keine geringere wissenschaftliche Größe als Max Planck
genau zu der von mir hier angesprochenen Frage geäußert. Am 3. August 1914, als
schon die Kriegstrommeln gerührt wurden, sprach er auf der Feier zum Gedächtnis
des Stifters der Friedrich-Wilhelms-Universität über die Absurdität, daß die
Wissenschaft ein universelles Gesetz akzeptieren könnte, das wir hier als den
Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik bezeichnet haben. Planck lieferte eine
gründliche Untersuchung der dem Zweiten Hauptsatz zugrundeliegenden Annahmen.
Ein Wissenschaftler, der sich eines bestimmten theoretischen Rahmens bedient,
müsse immer die Prämissen dieses theoretischen Rahmens verstehen, um Fehler zu
vermeiden.
Im Anschluß an seine exakte
Schilderung der Thermodynamik erklärte Planck, man könne keines dieser Konzepte
auf den Menschen anwenden, weil der Mensch vom Moralgesetz bestimmt ist.
Typisch für dieses Moralgesetz sei die Frage, was der Mensch mit seinem Leben
anfängt. Was ist mein unsterblicher Beitrag als sterblicher Mensch, nicht nur
für die Menschheit, sondern was kann ich beitragen, damit sich das ganze
Universum erweitert? Dafür wurden Planck und sein Kollege Albert Einstein, der
die gleiche Auffassung vertrat, vehement angegriffen, weil das Britische Empire
Druck machte, in die Zeiten vor der Schwarzen Pest zurückzukehren. Der Zweite
Hauptsatz der Thermodynamik war zum neuaristotelischen, unveränderbaren System
geworden, worin alles immer mehr einem Gleichgewichtszustand zustrebt.
Plancks nachdrückliche Forderung,
der Mensch und die Wissenschaft müsse vom Moralgesetz statt von falschen Dogmen
bestimmt werden, war das Gegenteil von dem, was sich in der damaligen
Wissenschaft abspielte. Typisch dafür war insbesondere die sogenannte
Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik, die ebenfalls davon ausging,
daß das Universum von seiner Grundnatur her zufällig und probabilistisch sei.
Planck sagte zu Beginn seine Rede
- man beachte, es war August 1914 - mit den Worten: "Wir wissen nicht, was der
nächste Morgen bringen wird." Wir befinden uns heute in einer sehr ähnlichen
Situation. Auch wir wissen nicht, ob etwas Schreckliches geschehen wird,
wodurch wir unser Vaterland verlieren. Eine Antwort darauf findet man aber
nicht, indem man sagt, daß das, was passieren wird, das wahrscheinlichste sein
wird. Das Wahrscheinlichste, das uns in den nächsten Wochen widerfahren wird,
ist unsere Auslöschung in einem Atomkrieg! Wenn man also meint, im Universum
sei das Wahrscheinlichste vorausbestimmt, so wird genau das eintreten!
Die menschliche Existenz beruht
somit offensichtlich nicht auf der größten Wahrscheinlichkeit, sondern auf dem
scheinbar Unwahrscheinlichsten, was aber auf moralischen Prinzipien fußt.
Meiner Ansicht nach bedeutet dies, daß die Wissenschaft eigentlich ein ganz
neues Konzept für ein anti-entropisches Potential entwickeln muß, ein
Potential, das als Grundeigenschaft des Menschen und des Universums eine
Tendenz zur Entwicklung von niedrigeren zu höheren Organisations- und
Seinszuständen, ein kreatives Prinzip, beschreibt.
Nebenbei sei hier kurz angemerkt,
daß der Begriff "Anti-Entropie" manchmal verwirrend erscheint, denn ich habe ja
selbst eben geschildert, daß Clausius' Entropiebegriff ein unwahres Konzept
ist. Warum sollte man dann sagen, daß das Universum in Wirklichkeit nicht das
ist, was es nicht ist? Dadurch entsteht eine gewisse Verwirrung, wenn man von
"Anti-Entropie" spricht. Doch da das Konzept von Entropie und der Zunahme der
Entropie so tief verwurzelt ist, ist es ganz entscheidend, die Frage auch in
diesem Rahmen so darzustellen. Irgendwann brauchen wir jedoch einen positiven
Begriff, der Kreativität tatsächlich wissenschaftlich definiert. Ich schlage
dafür den Begriff "Dynatropie" vor, für dynamische Veränderung. Warten wir es ab,
ob er Fuß fassen wird.
Das bedeutet jedoch, daß wir auch
einen neuen Potentialbegriff brauchen, mit der Eigenschaft, daß es neue
Potentiale erzeugen kann. Darüber gäbe es viel zu sagen - aber um diese
Vorstellung in diesem Zusammenhang zu verdeutlichen, überlegen wir am besten,
wie der menschliche Geist arbeitet.
Menschliche Kreativität
Das aufschlußreichste Beispiel
hierfür ist meines Erachtens Platons Menon-Dialog, worin Platon mit
Menon, der ein wenig oligarchisch denkt, über das Wesen des Menschen diskutiert.
Platon argumentiert, die Natur des Menschen sei im wesentlichen kreativ; er
könne stets neue Dinge entdecken, sogar in sich selbst. Entdeckungen zu machen,
sei eine dem menschlichen Geist innewohnende Eigenschaft. Der Mensch könne
etwas völlig Neues schaffen, das sich dann weiter verändert.
Er führt in diesem Zusammenhang
das Beispiel des kleinen Sklavenjungen an, dem er beibringt, wie man ein
Quadrat verdoppelt. Er will zeigen, daß der Sklavenjunge selbst entdecken kann,
wie man ein Quadrat verdoppelt, ohne daß er es ihm erklärt, sondern nur, indem
er ihm Fragen stellt. Sie kennen wahrscheinlich diese Geschichte, wie der
Sklavenjunge nur, indem ihm Fragen gestellt werden, das Quadrat verdoppelt,
worüber er sich selbst sehr wundert, aber auch Menon, der gedacht hatte, der
Junge wäre zu dumm, um eines der wichtigsten Prinzipien der damaligen
Wissenschaft jemals zu lernen.
Was war aber dabei die eigentliche
Entdeckung? Es war im Grunde nicht die Entdeckung, wie man ein Quadrat
verdoppelt. Das hat der Sklavenjunge ja geschafft. Aber die eigentliche
Entdeckung war die, wie der menschliche Geist funktioniert. Die große
Entdeckung war, daß der Sklavenjunge bewiesen hat, daß er fähig war, sich zu
verändern und etwas zu werden, was er vorher nicht gewesen war. Dieser Vorgang,
der sich vor Menons Augen abspielte, veränderte auch Menon selbst, weil ihm
klar wurde, daß sein Menschenbild falsch war. Letztlich veränderte sich bei
Menon dann doch nichts, aber das ist eine andere Geschichte.
An diesem Beispiel und an der
menschlichen Kreativität generell wird deutlich, daß es im menschlichen Geist
eine Art anti-entropisches Potential gibt. Die neue Entdeckung ist noch nicht
im Kopf drin, bevor sie entdeckt ist, aber sie ist das Ergebnis eines
Potentials im Menschen, nicht ewig wie gewohnt fortzufahren, sondern völlig
Neues zu schaffen. Wichtig dabei ist, wie Herr LaRouche stets betont hat, daß
sich so etwas nicht einfach im Denken eines einzelnen abspielt, sondern daß
solche Entdeckungen einzelner Menschen nur im Rahmen einer menschlichen Kultur
möglich sind, die sich über vergangene, gegenwärtige und zukünftige
Generationen erstreckt.
Es herrscht also eine Art harmonische Wechselwirkung
zwischen den schöpferischen Geistesfähigkeiten eines Individuums und der Kultur
insgesamt über viele Generationen hinweg. Wir nehmen schöpferische Entdeckungen
nicht durch Osmose in uns auf, sondern indem wir diese Entdeckungen in unserem
Geist replizieren, und wir tragen eigene schöpferische Entdeckungen der Kultur
bei. Dabei erfolgt die geistige Wirkung des Individuums auf das Universum nicht
direkt, sondern nur durch die Entwicklung seiner Kultur. Somit steht die
menschliche Kultur in ihrer Entwicklung zu immer höheren Stufen der Erkenntnis
des Menschen und des Universums für das Konzept eines anti-entropischen
Potentialfeldes.
Meiner Ansicht nach kamen die
größten wissenschaftlichen Fortschritte in diese Richtung durch LaRouches
Arbeiten und Durchbrüchen in der Wissenschaft der physischen Ökonomie, die das
Fundament und das Konzept für das schufen, was ich heute ein anti-entropisches
Potentialfeld nenne. Die Ursprünge davon finden sich jedoch bei Nikolaus von
Kues, insbesondere in zwei Werken, in denen er sich über die Frage des
Potentials äußert. Das eine heißt De Possest, ein Wort, das er aus dem
lateinischen posse (können) und est (ist) ableitete. Ein späteres Werk nannte
er Die höchste Stufe der Betrachtung, worin er sich auf "die Idee des
Potentials an sich" bezieht. Cusa sagt, nicht im Ding, sondern im Potential
liegt das ontologische Sein, die Realität.
Als Beispiel führt er das Leben
an. Lebewesen existieren, deshalb gibt es Leben, aber das Leben allein erklärt
nicht seine eigene Existenz. Was die Existenz von Leben erklärt, ist, daß es im
Universum die Möglichkeit für Leben gibt. Solche Potentiale wie das Potential
für Leben nennt er deshalb "Potentiale mit Hinzufügungen". Doch das wichtigste,
die höchste Stufe der Betrachtung sei das, was er das Potential an sich nennt -
das Potential, das ein Potential möglich macht. Warum leben wir in einem
Universum, in dem es möglich ist, Dinge zu ermöglichen? Wenn man an die Macht
des menschlichen Geistes denkt, so erkennt man, daß es genau das ist, was der
menschliche Geist leistet.
Wenn man von dieser Natur des
menschlichen Geistes ausgeht, kann man von diesem Standpunkt beginnen, ein
wirkliches, mitteilbares Konzept eines anti-entropischen Potentialfeldes
herzustellen. Wie LaRouche jedoch betont, stellt sich dabei das Problem, wie
man eine solche Idee ausdrücken kann. Denn unsere gesamte Sprache, so geschickt
man sich auch anstellt, basiert auf Sinneswahrnehmung. Die eigene Sprache, d.h.
alle Wörter und alle Konzepte, die man benutzt, sind mit irgendeinem Gegenstand
oder Vorgang verknüpft, den man über die Sinneswahrnehmung kennt. Bei bestimmten
abstrakten Konzepten wie Gerechtigkeit, Wahrheit oder Liebe merkt man, daß
dafür die direkte Sprache nicht ausreicht, sondern daß man Metaphern braucht,
um solche Ideen auszudrücken. Und wir haben es den Dichtern und Künstlern zu
verdanken, daß sie Ausdrucksformen entwickelt haben, mit denen wir Konzepte,
die ganz außerhalb des Bereichs der Sinneswahrnehmung liegen, vermitteln
können.
Das gleiche gilt jedoch auch für
den Bereich der Wissenschaft, obwohl man meint, es dort mit konkreten Dingen -
Dingen aus dem Bereich der Sinneswahrnehmung - zu tun zu haben, wie z.B.
Supernovae oder Lebewesen. Auch in dieser Frage war LaRouche immer provokativ,
wobei hoffentlich jeder zu schätzen weiß, wie provokativ, aber auch wie
wahrhaftig er ist, was bis in die siebziger Jahre zurückreicht, als LaRouche
ein Papier schrieb mit dem Titel "Poesie muß in der Wissenschaft die Mathematik
ablösen".
Um das Konzept eines
anti-entropischen Potentialfeldes auszudrücken, muß man deshalb das Prinzip der
Metapher benutzen, wie es die großen Wissenschaftler getan haben.
Anti-entropisches Potential
Das Potentialfeld, das wir
beschreiben wollen, hat das Potential, einen vorher nicht existierenden Zustand
zu schaffen, einen notwendigen höheren Organisations- und Seinszustand. Diesem
anti-entropischen Potentialfeld muß also eine Kraft innewohnen - dieselbe
Kraft, die wir mit der Leidenschaft verbinden, die wir heute aufbringen müssen,
um den festen Entschluß zu fassen, die Menschheit nicht aussterben zu lassen.
Wir alle, die wir hier in diesem Raum sitzen, können uns einig sein, daß es
besser ist, wenn Menschen zum Mars fliegen und die Menschheit sich
weiterentwickelt, anstatt in den nächsten drei Wochen ausgelöscht zu werden,
aber ohne die Leidenschaft, das auch Wirklichkeit werden zu lassen, wird eher
das Wahrscheinliche und nicht unbedingt das Unwahrscheinliche eintreten.
Unsere Vorstellung eines
anti-entropischen Potentialfeldes muß somit von Leidenschaft geprägt sein, und
unsere Wissenschaft muß fähig sein, diese Frage von Leidenschaft und Kraft zu
behandeln. Und da dies eine notwendige Transformation ist, muß das
anti-entropische Potentialfeld einen Druck in Richtung auf höhere
Organisationszustände des Seins ausüben. Das wird auch an der Frage der
Evolution deutlich.
Damit verbunden ist auch eine Art
Spannung, ein Widerstand des anti-entropischen Potentialfeldes gegen jedes
Bemühen, Entropie zu schaffen und zu erhöhen. Die Grundeigenschaft des
Universums ist nicht, daß die Entropie zunimmt, sondern daß sie im Gegenteil
abnimmt, und es entsteht sofort eine Spannung, wenn versucht wird, die Entropie
zu erhöhen.
Die von mir hier dargestellte
Perspektive, die wir weiterentwickeln müssen, ist offensichtlich recht
schwierig, und ich behaupte nicht, das Problem gelöst zu haben. Aber ich denke,
wenn ich es auf diese Weise äußere, läßt sich vielleicht ein wissenschaftlicher
Ansatz finden, um das Problem zu lösen.
Ich möchte hier nur kurz einige
Konzepte ansprechen, die in meinen Augen hierfür geeignet sind, und dabei
sollten wir wahrscheinlich auf die Person schauen, die am besten die Idee
verkörpert, die Mathematik durch Poesie abzulösen - Bernhard Riemann. Er hat in
allen seinen Arbeiten gezeigt, daß jeder Versuch, das menschliche Denken durch
deduktive Mathematik auszudrücken, scheitern muß, und daß sämtliche deduktiven
mathematischen Systeme völlig wertlos sind.
Seine grundlegende Arbeit, die er
hierüber schrieb, die Theorie der Abelschen Funktionen, ist leider zu
fachspezifisch, um sie hier darzustellen. In diesem Papier entwickelt Riemann
die Idee mehrfach zusammenhängender Flächen (Konnektivität), um damit die
Entwicklung eines Systems von einem niedrigen zu einem höheren Zustand, die
Entwicklung eines Potentials von einem niedrigen zu einem höheren
Potentialzustand auszudrücken.
Man sieht dies im noetischen
Bereich, dem Bereich der menschlichen Kultur. Das heißt, wenn das menschliche
Wissen über die Generationen durch die Entdeckung neuer wissenschaftlicher und
künstlerischer Prinzipien anwächst, vermehrt sich die Konnektivität zwischen
dem einzelnen Menschen, der Menschheit und dem Universum insgesamt.

Abb. 6: Karte der möglichen zukünftigen Entwicklung der Arktis
Man sieht dies auch am Beispiel
der Wirtschaft. Anhand dieser Karte der arktischen Entwicklung (Abbildung 6),
die wohl auch von Sky (Shields) stammt, sollten wir uns einfach die Beziehungen
in der Wirtschaft vorstellen, bezogen auf den Zustand der Welt heute und den,
wohin sie sich entwickelt. Was ist beispielsweise die Beziehung zwischen Tierra
del Fuego und Shanghai? Was ist die Beziehung zwischen Berlin und Vietnam? Man
kann sich die verschiedensten Verbindungen vorstellen: Seetransport,
Lufttransport, Warenaustausch, unterschiedliche Arbeitsbedingungen usw. Was
wäre aber, wenn wir die Welt einmal ganz anders betrachten und an die
Pionierbereiche der Wirtschaftsentwicklung für die Zukunft der Menschheit
denken?
Am besten wird dies an dem
Programm für die arktische Entwicklung deutlich. Wenn man diese Region des
Planeten betrachtet, ist sie derzeit ziemlich öde und leer. Doch wenn man die
Erde vom Nordpol aus betrachtet, sieht man, daß da vieles zusammenkommt. Aus
dieser Sicht wird deutlich, daß Länder, die man sich weit entfernt voneinander
vorstellt, eigentlich enge Nachbarn sind. Wenn zum Beispiel ein Tunnel unter
der Beringstraße mit entsprechenden Schnellbahnverbindungen gebaut wird, ändert
sich die Konnektivität des gesamten Planeten, die Konnektivität der Menschheit.
Wir schaffen einen höheren Entwicklungszustand, den es bisher nicht gegeben
hat.
Das ist, wie gesagt, nur der
Anfang dessen, wohin sich die Wissenschaft orientieren muß. Der Zweite
Hauptsatz der Thermodynamik muß weg, und wir müssen dafür sorgen, daß sich die
kreativen Köpfe in der Wissenschaft an die Arbeit machen und das Konzept eines
anti-entropischen Potentialfeldes entwickeln. Um Riemanns Formulierung in
seiner großartigen Habilitationsschrift etwas abzuwandeln: Dies führt hinüber
in das Gebiet der Politik, und die heutige Veranlassung verlangt nachdrücklich,
dieses zu betreten.