Die destruktiven Folgen von religiösem Extremismus
Von Norton Mezvinsky
Prof. Norton Mezvinsky ist Präsident des Internationalen Rates
für Nahoststudien in Washington, D.C. und Prof. em. der Central Connecticut
State University. Den folgenden Vortrag hielt er am 26. Januar in New York auf
der Konferenz des Schiller-Instituts „Ein neues Paradigma zur Rettung der
Menschheit“.
Ich danke dem Schiller-Institut für die Einladung, an dieser Konferenz
teilzunehmen. Ich habe die Reden von Helga Zepp-LaRouche und Bruce Fein
unmittelbar vor meinem Vortrag aufmerksam verfolgt und ich habe die Beiträge
der vorhergehenden Schiller-Institut-Konferenz in Deutschland gelesen, so daß
ich sehr wohl verstehe und nachdrücklich begrüße, daß wir einen
Paradigmawandel in unserer Welt brauchen, um weiteres Chaos und Verderben zu
verhindern und die Zivilisation weiterzuentwickeln.
Auch wenn viele Leute glauben, mit dem Alter werde man immer
pessimistischer, so fühle ich mich, nachdem ich vor kurzem 80 geworden bin,
nicht nur jünger, sondern auch zunehmend optimistischer. [Applaus] Nach diesem
Applaus möchte ich allerdings sagen, daß das, was ich Ihnen heute vorzutragen
versuche, vielleicht im Widerspruch zu meiner Äußerung über den Optimismus zu
stehen scheint - besonders auch zu dem, was Helga Zepp-LaRouche, die ich
besonders achte, heute vorgetragen hat.
Mein Schwerpunkt wird der sogenannte Nahe Osten sein, genauer gesagt
Südwestasien und Nordafrika. Der Nahe Osten, so wie ich diesen Begriff
verwende, bedeutet natürlich die arabischen Nationalstaaten und der Staat
Israel. Meine These ist, daß ein sich aus menschlicher und wirtschaftlicher
Entwicklung ergebender Paradigmawandel, wie er von Hussein Askary auf der
jüngsten Schiller-Institut-Konferenz in Deutschland und besonders auch heute
von Helga Zepp-LaRouche vorgeschlagen wurde, in absehbarer Zukunft massiv
behindert, wenn nicht sogar blockiert wird, wenn nicht der sich ausweitende
religiöse Extremismus auf verschiedenen Seiten rückgängig gemacht wird,
zumindest was viele seiner unterschiedlichen Aspekte angeht.
Ich sage das nicht als Gegner der Religion im allgemeinen, sondern vielmehr
als jemand, der viele religiöse Grundsätze sehr hochschätzt, und auch als
jemand, der Mitglied einer chassidisch-jüdischen Gemeinde der Lubawitscher
ist, die ich als deren Mitglied alles in allem für eine extreme Kategorie
halte.
In den wenigen Minuten, die mir für meinen Vortrag zur Verfügung stehen,
kann ich bestenfalls einige allgemeine Aussagen machen, die hoffentlich
ernsthaft bedacht werden und weitere Diskussionen auslösen mögen.
Islamische Extremisten
Es ist leider nicht schwierig, die negativen Seiten - und das ist sicher
untertrieben - des religiösen Extremismus zu benennen. Gewalttätige
Extremisten, die zuallererst im Zusammenhang mit ihrer Auslegung des Islam und
auch unter ihren eigenen Bannern des Islam, so falsch sie auch sein mögen,
Terrorakte begehen, töten und verwunden Menschen und zerstören deren
Lebensgrundlage. Das war nicht nur in jüngster und allerjüngster Zeit im Nahen
Osten der Fall, das ist auch heute der Fall von Jemen bis Algerien, im Irak,
Libyen und andernorts, und nicht nur die Zahl dieser extremen Militanten,
sondern auch die Zahl ihrer Taten nimmt zu.
Geht man über den Nahen Osten hinaus, nach Afghanistan, Pakistan und Mali,
so sieht man ebenfalls mehr gewalttätige Aktionen, Terrorismus, mehr Tote,
mehr Verwundete und mehr Zerstörung, was sicherlich jede positive Entwicklung,
jede Planung und wirtschaftliche Entwicklung erschwert.
Die schlimmste Lage im Nahen Osten ist derzeit, wie Sie alle wissen, in
Syrien. In Syrien wächst die Al-Kaida derzeit am schnellsten. Diese
Terrorgruppe, die den Decknamen Jabhat al-Nusra al-Kaida benutzt, ist
wahrscheinlich das bösartigste Element in der Opposition zu der brutalen
Diktatur von al-Assad geworden. Für Al-Kaida sind Assad und die Alawiten ein
gutes Ziel, da viele sunnitische Moslems glauben, die Alawiten seien eine
spalterische Sekte des Islam, die unterdrückt werden müsse. Dschihadistische
Webseiten sind jeden Tag voller Meldungen, daß wieder neue Al-Kaida-Märtyrer
aus vielen Ländern gestorben seien, aber weitere aus Saudi-Arabien, Pakistan,
Bangladesch und anderswoher nach Syrien kämen.
Je länger der Krieg anhält, desto mehr wird Al-Kaida von dem Chaos und der
religiösen Polarisierung profitieren. Die Zahl der Toten im syrischen
Bürgerkrieg liegt inzwischen weit über 60.000 - vielleicht bis zu 70.000. Die
Zahl der Vertriebenen und Flüchtlinge wird auf viele Millionen geschätzt, in
einem Land, das eine Bevölkerung von 21 Millionen hatte, als der Krieg vor
zwei Jahren ausbrach. Die Lage verschlimmert sich jeden Tag.
Sollte das Assad-Regime kollabieren, werden die extremen Militanten wohl
noch weiter in Syrien Fuß fassen. Und das wäre natürlich ein großes
Problem.
Ägypten, das größte arabische Land, ist ein anderer Fall. Erst gestern gab
es besonders in den Straßen Kairos wieder Demonstrationen und einige
Gewalttätigkeiten, denn viele Ägypter, die eine Revolution eingeleitet hatten,
reagieren gegen die Islamisten in der Regierung, von denen die Menschen auf
der Straße die durchaus gerechtfertigte und wahrscheinlich korrekte Ansicht
haben, daß sie eine Version des islamischen Rechts durchzusetzen versucht, die
jeden positiven Fortschritt und den Aufbau einer neuen, demokratischeren
Regierung und einer besseren Wirtschaft und Gesellschaft verhindert.
Die positive Entwicklung ist in Ägypten zum Stillstand gekommen. Wenn
überhaupt, bewegt sich dieses große, aber arme Land rückwärts.
Es sollte kein Zweifel daran bestehen, daß Regierungen und Einzelpersonen
aus Ländern außerhalb des Nahen Ostens der Zunahme des religiösen Extremismus
und der wachsenden Zahl von Militanten im arabischen Nahen Osten Vorschub
geleistet haben. Zu diesen Ländern gehören neben den Vereinigten Staaten
Großbritannien, Frankreich, Rußland, Iran und China.
Aufeinanderfolgende amerikanische Regierungen haben durch ihr Vorgehen
häufig die bereits schlechte Lage im Nahen Osten weiter verschlechtert. Der
Irak ist hierfür freilich eines der besten Beispiele.
Auf jeden Fall ist es viel einfacher, das Problem des arabischen religiösen
Extremismus zu rechtfertigen, als etwas vorzuschlagen, was die Lage ändern
könnte. Prof. John Olin IV. von der University of Virginia hat einen
interessanten Kommentar geschrieben, der am 6. Januar, also erst vor wenigen
Tagen in der New York Times erschienen ist, worin er meint, der
Islamismus werde sich im arabischen Nahen Osten und anderswo durchsetzen, denn
er sei der tiefste und breiteste Kanal, in den sich der heutige Unmut in der
arabischen Welt ergießen könnte. Aus Olins Sicht bietet der Islamismus,
besonders die weniger gewalttätige Form, wie sie die Moslem-Bruderschaft in
Ägypten vertritt, eine kohärente Betrachtung von allem, was die muslimische
Gesellschaft quält und wo der Ausweg liegt.
Durch den Arabischen Frühling ist der Islamismus keineswegs überflüssig
geworden, wie es die Vorhersage einiger Experten war, sondern hat sogar noch
an Glaubwürdigkeit gewonnen. Die Islamisten haben nämlich schon seit langem
jene korrupten Regimes verurteilt, deren Sturz ihrer Meinung nach
vorherbestimmt war. Die Unterstützung von korrupten Regimes durch die
Vereinigten Staaten und andere Länder hat neben den von Bruce Fein erwähnten
spezifischen amerikanischen Militäraktionen bekanntermaßen zu zahllosen Opfern
und großen Schäden unter der Zivilbevölkerung geführt. Das hat natürlich das
Wachstum und die Ausweitung des extremen und militanten Islamismus gefördert.
Daß solche Unterstützungsaktionen aufhören, ist unbedingt notwendig.
Jüdischer religiöser Extremismus
In meinem weiteren Vortrag möchte ich mich nun einer weiteren und anderen
Richtung des religiösen Extremismus im Nahen Osten zuwenden, die den positiven
Fortschritt behindert und weitere Unordnung und Zerstörung befürchten läßt.
Das ist ein religiöser Extremismus, den ich persönlich sehr gut kenne. Ich
habe fast mein ganzes Leben lang teilweise in dessen Umfeld, sogar in
Opposition zu ihm gelebt. Ich spreche hier vom jüdischen religiösen
Extremismus.
Ich betone, daß dieser jüdische religiöse Extremismus nur von einigen der
zahlreichen Interpretationen des Judaismus abstammt und tatsächlich von einer
Mehrheit der Juden abgelehnt wird. Der jüdische religiöse Extremismus ist
dennoch einflußreich und gefährlich, vor allem im Kontext des
palästinensisch-israelischen bzw. arabisch-israelischen Konflikts, der, wie
Sie sicherlich wissen, den Frieden und positive Fortschritte im Nahen Osten
bedroht und zeitweise hintertrieben hat. Dieser Konflikt hat zu Kriegen,
Todesopfern auf vielen Seiten, zu Zerstörung, Enteignung von Land, anhaltender
Unterdrückung der einheimischen palästinensischen Bevölkerung durch den Staat
Israel und fehlender Sicherheit für die israelischen Juden geführt.
Die jüdischen religiösen Extremisten, von denen ich hier spreche, sind
ultraorthodoxe Juden, deren Ansichten und Positionen sicherlich auf dem
traditionellen Judaismus gründen. Zahlreiche andere orthodoxe Juden, die
einige Punkte ablehnen mögen, und viele andere Juden, die weder orthodox noch
überhaupt religiös sind, unterstützen viele Positionen und Aktionen dieser
Leute. Andere Juden, selbst einige andere ultraorthodoxe Juden innerhalb und
außerhalb des Staates Israel, lehnen die Positionen und Aktionen der
ultraorthodoxen Juden ab, von denen ich hier spreche.
Diese ultraorthodoxen Juden gehören entweder selbst zu den militantesten
jüdischen Siedlern auf der Westbank oder unterstützen diese nachdrücklich.
Diese Siedler werden von der jetzigen israelischen Regierung unterstützt und
gedeckt und hatten auch die Unterstützung früherer israelischer Regierungen.
Die Position oder besser der Glaube, auf den die ultraorthodoxen Juden ihre
manchmal gewalttätigen Aktionen gründen, besteht darin, daß das gesamte Gebiet
des heutigen Israels sowie einige angrenzende Gebiete das Heilige Land sind,
das Gott den Juden versprochen hat. Sie wollen die jüdischen Siedlungen auf
das Gebiet der Westbank ausdehnen, notfalls auch mit Gewalt.
Das ist zweifellos ihr Glaube, und das ist eine theologische Frage, auf die
ich jetzt etwas näher eingehen will. Denn in gewisser Weise spielt die
Theologie hierbei eine schrecklich wichtige Rolle.
Die Ideen, die diese Leute haben, sind nicht nur von dieser Welt. Diese
Ideen bilden einen tiefen Glauben. Das bezieht sich auf die Juden, aber ich
bin sicher, daß Gruppierungen in anderen Religionen leider ganz ähnliche
Ansichten haben.
Angefangen mit der nachbiblischen Literatur vertritt das traditionelle
Judentum die Vorstellung, daß Gottes Auserwählung des jüdischen Volks „ein
kosmischer Akt war, der den Juden Überlegenheit verliehen hat.“ Im Mittelalter
wurde dieses Konzept eher in traditionellen judaischen Theologietexten
abgehandelt. Im Rahmen des dualistischen Kabbala-Verständnisses mit seiner
Unterscheidung zwischen Heiligkeit und Unreinheit wurden Nichtjuden häufig als
Teil der anderen Seite dargestellt. Das dualistische Konzept einer
Unterscheidung zwischen der göttlichen Seele des Juden und der tierähnlichen
Seele der Heiden wurde zu einem maßgeblichen Element dieser Literatur.
Rabbi Menachem Schneerson, das Oberhaupt der chassidischen
Lubawitscher-Juden, einer deren Gemeinden ich, wie bereits gesagt, angehöre,
erweiterte diese Unterscheidung zwischen Juden und Nichtjuden noch, was
allerdings nicht meine Auffassung ist. Was er sagte, repräsentiert nicht nur
diese eine Gruppierung ultraorthodoxer Juden, sondern findet sich in der
Grundlage des traditionellen Judentums. Er bezog sich auf eine Stelle aus dem
Buch Tanja, das für die ultraorthodoxen Juden wie eine Heilige Schrift
ist, und sagte: „Es gibt einen qualitativen Unterschied zwischen der Seele des
Juden und der Seele aller anderen Ethnien. Letztere besitzen eine Tierseele,
die sich in der linken Herzkammer befindet, während ersterer mit der
göttlichen Seele ausgestattet ist, dem Funken, der vom Licht des ewigen Gottes
ausgeht, und diese befindet sich im Gehirn sowie in der rechten
Herzkammer.“
Ein anderer Rabbi, der als Sprecher für diese Leute auftritt, Yitzchak
Ginsberg, hat einige dieser theologischen Ansätze weiterentwickelt. Zum
Beispiel: „Der Heide ist geschaffen, aber der Jude ist Teil der Gottheit
selbst.“ Leider im Kontext des traditionellen Judentums behauptet er, daß die
Juden das auserwählte Volk und im Abbild Gottes geschaffen seien, die Heiden
hingegen diesen Status nicht hätten und deshalb im Grunde als Untermenschen
angesehen werden müßten.
Entsprechend gilt zum Beispiel das Gebot „Du sollst nicht töten“ nicht,
wenn man einen Heiden umbringt, denn das „Du sollst nicht töten“ bezieht sich
auf die Tötung eines Menschen, während für Ginsberg und viele andere
ultraorthodoxe Juden die Heiden keine Menschen darstellen.
Um es noch einmal zu sagen: Diese Art Theologie ist sicherlich nicht die
Theologie der Mehrheit der Juden. Wenn man Israel nimmt, so sind dort
schätzungsweise etwa 75% der Juden nicht religiös und keinesfalls
traditionelle Juden, die an eine solche ultraorthodoxe Theologie glauben. Doch
selbst säkulare Israelis - nicht alle, aber ein Gutteil davon - unterstützen
nach wie vor die Aktivitäten der Ultraorthodoxen, die dadurch erheblich mehr
Einfluß in der israelischen Regierung haben und auf das, was Israel tut, als
sie vom Standpunkt ihrer Anzahl eigentlich haben sollten.
Das ist nicht nur heute so, das ist schon länger der Fall.
Christliche Zionisten
Ich gehe damit auf eine Begleitgruppe der Ultraorthodoxen außerhalb des
Judentums über, die evangelikalen christlichen Zionisten in den Vereinigten
Staaten. Sie haben keineswegs die gleiche Theologie, aber ihre Theologie ist
aus meiner Sicht genauso schrecklich, und deswegen unterstützen sie voll und
ganz den Staat Israel. Wie einige von Ihnen sicherlich wissen, glauben sie,
daß die Juden vor der Wiederkunft Jesu entweder die volle Kontrolle über das
Heilige Land haben müßten oder, wie einige dieser christlichen Zionisten
glauben, die einzigen Bewohner des Heiligen Landes sein sollten.
Deswegen stellen sie sich voll hinter den Staat Israel, und es gibt sie in
großer Zahl, wobei die Schätzungen jedoch sehr unterschiedlich sind. In einem
Editorial der New York Times wurde kürzlich festgestellt, daß sich die
Zahl der evangelikalen christlichen Zionisten in den Vereinigten Staaten auf
20 Millionen belaufe - das sind sehr viele. Meine Nachforschungen haben
ergeben, daß es wahrscheinlich doppelt so viele evangelikale christliche
Zionisten gibt. Sie haben eine der stärksten Lobbygruppen in diesem Land
aufgebaut. Meiner Ansicht nach ist ihre Lobby vom Einfluß her mindestens
genauso effektiv wie die sogenannte Israel-Lobby unter Führung von AIPAC in
Washington. Hauptsächlich wegen ihrer Anzahl und weil sogar einige
Kongreßabgeordnete zu der Gruppe gehören, sind sie in vielerlei Hinsicht sogar
noch effektiver.
Ihre Theologie ist etwas, an das sie felsenfest glauben. Ich möchte nur ein
Beispiel nennen. Als ich vor drei Jahren in Israel war, um einige
Nachforschungen über den christlichen Zionismus anzustellen, suchte ich
zunächst meine Verwandten auf, die zu den rechtesten israelischen Juden
gehören, die man finden kann. Wie betrachten sie mich, da ich mein gesamtes
Erwachsenenleben lang ein Antizionist gewesen bin? Ich werde es Ihnen sagen.
Sie sagen: „Norton ist ein guter jüdischer Junge (sie nennen mich immer noch
einen Jungen, obwohl ich jetzt 80 bin) aus einer guten jüdischen Familie und
einem guten jüdischen Herz. Er hat nur ein paar falsche Ideen. Was ist schon
dabei?“
Ich wohne bei ihnen einige Zeit, wenn ich nach Israel fahre. Ich fragte
sie, was sie über die christlichen Zionisten dächten, denn spätestens seit den
1990er Jahren hat sich jeder israelische Ministerpräsident öffentlich
hingestellt und gesagt, sie seien „unsere besten Freunde auf der Welt“. Daran
ist übrigens ganz viel wahr, denn sie sind die einflußreichste Lobby in den
Vereinigten Staaten. Das ist für den Staat Israel extrem wichtig und auch für
die Unterdrückung, die dieser Staat gegenüber den Palästinensern ausübt.
Gegenüber meinen Freunden und Verwandten sagte ich dann, ihr müßt ja ihre
Ideologie kennen, denn in ihrer Theologie glauben sie, daß vor der Wiederkunft
des Herrn erst der Antichrist erscheint, und dann werden die meisten, die sich
Christen nennen, und andere dem Antichristen folgen und es wird zum Armageddon
kommen. Was ist Armageddon? Die Mutter aller Holocausts, dem alle diese Leute
zum Opfer fallen werden. Die christlichen Zionisten mit einer oder zwei
Ausnahmen sagen, daß im Armageddon auch alle außer 144.000 Juden getötet
werden. Sie setzen sich für alle diese Juden ein - nach der letzten Zählung
gibt es 5,7 Mio. Juden im Staat Israel, vielleicht 15 Mio. weltweit. Aber nach
ihrer Auffassung werden nur 144.000 gerettet.
Woher kommt diese Zahl? Sie sagen, sie kommt aus dem Buch der Offenbarung.
Ich konnte sie im Buch der Offenbarung nicht finden, aber ich weiß, daß sie
sich darauf beziehen. Sie nehmen die 12 Stämme, multiplizieren sie mit 12, was
144 ergibt, und hängen noch drei Nullen dran.
Die Antwort, die ich von meinen Verwandten erhielt, ist die gleiche, die
man von fast jedem israelischen Juden erhält - deswegen war ich nicht
überrascht, aber ich wollte sie von ihnen selbst hören. Sie sagten, sie
hielten diese Theologie für unsinnig. Aber, wie einer meiner Onkel sagte, wir
sind ja Machiavellisten! Man denke nur an all die Hilfe, die sie uns geben. So
muß man das wohl verstehen.
Ich suchte auch drei verschiedene, aber im Grunde eng verbundene Gruppen
christlicher Zionisten auf, die damals gerade in Israel waren. Sie halten sich
für eine Zeitlang dort auf, einen Monat, zwei Monate, sechs Monate. Ich
stellte den drei Gruppen die gleiche Frage, ob sie nicht wissen müßten, was
die israelischen Juden, auch Leute in der Regierung, von ihrer Theologie
hielten. Einer ihrer Anführer sagte auf meine Frage, bevor ich selbst das Wort
benutzte, das ich von meinen Verwandten kannte, daß sie sehr wohl wüßten, daß
man ihre Theologie für unsinnig hielte. Aber man unterstützte sie nicht, weil
man Befehle von ihnen bekomme. Die Befehle kämen von dort [zeigte zum Himmel].
Ich will damit sagen, es ist ein riesiges Problem, wenn man Gruppen von
Leuten hat, seien sie Moslems, Juden oder Christen - von anderen Religionen
einmal abgesehen, weil ich mich hier nur mit diesen drei Religionsgruppen
befassen will -, die aufrichtig glauben, sie hätten das Wort Gottes und daß
alles, was sie tun, von Gott komme. Ich möchte nicht sagen, daß mich das für
die Zukunft pessimistisch stimmt, aber es bremst doch meinen Optimismus
sehr.
Ich möchte mit einer Bemerkung schließen, die sich an das anschließt, was
Bruce Fein am Ende sagte - ich glaube bei der Beantwortung einer Frage. Er
sagte, das Wichtigste sei die Erziehung und man müsse sich für die Vermehrung
des Wissens einsetzen. Das will ich ebenfalls hervorheben. Ich kann sagen, daß
man selbst bei so strenggläubigen Leuten, wie ich sie - vielleicht zu kurz -
beschrieben habe, zumindest einige Fragezeichen im Denken hinterlassen kann,
wenn man sich mit ihnen hinsetzt und sie mit diesen Fragen konfrontiert. Das
ist jedenfalls meine Erfahrung.
Ich möchte noch eines hinzufügen, dem Bruce Fein und der Rest von Ihnen
sicherlich zustimmen werden. Wenn es darum geht, Fragezeichen im Denken der
Menschen zu hinterlassen und so ihr Wissen zu vergrößern, sollte der
Schwerpunkt auf der jüngeren Generation liegen. Besonders in diesen Tagen und
dieser Zeit, die eine ganz andere Zeit ist als noch in der gar nicht so fernen
Vergangenheit, liegt die Hoffnung auf der jüngeren Generation.
Vielen Dank.
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