Friedrich Schiller Denkmal
Friedrich Schiller



Hauptseite
       

Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Nur die Kernkraft kann den Energiebedarf der Welt decken

Von Henri Safa

Prof. Dr. Henri Safa ist ein französischer Nuklearwissenschaftler, Autor und internationaler Experte für Energiedichte, Kerntechnik und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Nuklearabteilung der französischen Kommission für atomare und alternative Energie (CEA). Er eröffnete am 13. April mit der folgenden Rede die Vortragsrunde zum Thema „Energiesicherheit für das 21. Jahrhundert“ bei der Frankfurter Konferenz des Schiller-Instituts.

Guten Tag. Ich möchte Ihnen heute Nachmittag gerne zeigen, warum die Kernkraft langfristig gesehen wirklich unvermeidbar scheint.

Erstens: Wenn wir von einer historischen Perspektive ausgehen, dann weiß man, daß Energie für die Menschheit schon immer wichtig war, und wir haben schon vor sehr langer Zeit angefangen, Biomasse zu nützen. Biomasse war die erste Energiequelle, die wir sehr, sehr lange Zeit genutzt haben. Seit die Kohle im 17. Jahrhundert in England entdeckt wurde, hat sie unsere Welt wirklich verändert, denn sie führte zur industriellen Revolution, die es ab dem 18. Jahrhundert gab. Und danach kam, im 19. Jahrhundert, natürlich die Entdeckung des Öls, die zu dem gewaltigen Wachstum führte, das wir weltweit im 20. Jahrhundert erlebten, und was den Transport weltweit sehr erleichtert hat.

Danach, 1956, kam dann die Verflüssigung von Gas, die ebenfalls eine große Steigerung ermöglichte, die wir heute bei der Ausweitung des Energieverbrauchs sehen.

Als wir bei den Niagara-Fällen anfingen, die Elektrizität zu nutzen, war dies gleichzeitig eine erstaunliche Nutzung des Energietransports über große Entfernungen, man konnte sie leicht, bloß über einen dünnen Draht - einen dünnen Kupferdraht - übertragen.

Und jeder weiß, daß Enrico Fermi 1942 seinen ersten Atommeiler im Stadion von Chicago gebaut hat, und es war damals sehr erstaunlich, daß er erstmals Energie aus Uran gewinnen konnte. Und das wurde im späten 20. Jahrhundert ausgeweitet.


Abb. 1: Energieumwandlung: Joules Experiment

Energie verschwindet nicht

Nun bloß einige grundlegende Zahlen zu den Energiemengen, die man kennen sollte, wenn man darüber redet. Die Einheit ist natürlich ein Joule (J), aber die üblichere Einheit sind Kilowattstunden (kWh), das ist die, die wir jeden Tag verwenden. Und eine Kilowattstunde - bloß um die Dinge in Perspektive zu setzen - ist 40% von dem, was wir täglich essen, um einen menschlichen Körper zu ernähren, aber man kann damit ein Auto nur einen Kilometer weit fahren. Wenn wir beispielsweise losfahren, um ein Baguette beim Bäcker zu holen, dann bewegen wir etwa eine Tonne Metall über mehrere Kilometer, bloß um ein 250 Gramm schweres Baguette zu bekommen. Ein Punkt, den ich hier betonen wollte, ist die Effizienz unserer Energiequellen. Und das ist sehr wichtig.

Etwas anderes, worüber über die Jahrhunderte diskutiert wurde, insbesondere bei James Joule, ist, daß Energie tatsächlich nicht aus dem Nichts entsteht (Abbildung 1). Man wandelt lediglich Energie aus einer Energieform in eine andere um. Energie verschwindet also nicht. Energie ist eine konservative physikalische Einheit, und wenn wir Energie „verbrauchen“, dann verwandeln wir nur eine Form der Energie in eine andere. Und das hat Joule mit diesem kleinen Apparat hier gezeigt, wo eine kleine Masse mit der Schwerkraft fällt und diese kleine Masse über eine Schraube mit einem Behälter verbunden ist, der im Wasser rotiert. Er zeigte, daß die Gravitationsenergie in Wärmeenergie im Wasser umgewandelt wird. Und er maß die Temperatur und auf diese Weise stellte er fest, daß wir 4,4 J an Wärme benötigen, um ein Gramm Wasser um ein Grad zu erhitzen.

Seither ging es immer darum, Energie aus einer Form in eine andere umzuwandeln, und wir haben eine Menge Technologien entwickelt, um Energie aus einer Form in eine andere umzuwandeln. Da gibt es natürlich Wärmeenergie, es gibt chemische Energie, elektrische Energie, mechanische Energie, Strahlungsenergie, Kernenergie und hydraulische Energie.

Wenn man beispielweise zur Beleuchtung eine Lampe verwendet, dann leitet man elektrische Energie durch einen Widerstand, man erhitzt diesen Widerstand und wandelt sie in thermische Energie um, und wenn diese thermische Energie eine ausreichend hohe Temperatur erreicht, dann erhält man Strahlungsenergie. Man geht also von einer Energieform zu einer anderen über und von dieser zu einer dritten.

Wenn man das tut, dann beträgt die Gesamteffizienz beim Übergang von elektrischer Energie zu Strahlungsenergie nur 2%. Das bedeutet, daß wir bei diesem Prozeß 98% der Energie verlieren! Und deshalb ist es wichtig, daß der Prozeß effizient ist.

Wenn man Kernenergie nutzt, dann geht man von einem nuklearen Material aus und erzeugt durch die Kernspaltung Wärmeenergie, heizt damit Wasser auf (Dampf), das durch eine Turbine geleitet wird (mechanische Energie) und verwandelt sie in einem Wechselstromgenerator in elektrische Energie. Man verwandelt also diese vier Formen der Energie in elektrische Energie.


Abb. 2: Energiegehalt von Brennstoffen (Wh/kg)



Abb. 3: Weltweiter Primärenergieverbrauch nach Energieträgern, in Megatonnen Erdöl-Äquivalent (Mtoe)



Abb. 4: Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen dem Entwicklungsstand eines Landes (Human Development Index, HDI, senkrechte Achse) und dem Energieverbrauch pro Kopf des betreffenden Landes (waagrechte Achse, toe/Kopf)

Energiedichte

Die andere wichtige Frage ist hier die Energiedichte. Als wir die Kohle entdeckten, war die Kohle sehr interessant - warum? Weil ihre Energiedichte doppelt so groß ist wie die von Biomasse. Das machte es möglich, genug Kohle in den Zug zu laden, um die Lokomotive anzutreiben. Und als wir Öl und Gas entdeckten, was die größte Energiedichte hat, die wir bei chemischer Energie auf der Erde kennen, wurde das sogar noch mehr genutzt und war noch begehrter, weil die Energiedichte dreimal so groß ist wie bei Biomasse.

Und für uns hier ist wichtig zu sehen, daß sie beim Uran - weil es sich da um Kernbindungskräfte handelt - noch 100.000 mal dichter ist als beim Erdöl (Abbildung 2).

Aus dieser Tatsache wird meines Erachtens klar, daß wir diese enorme Energiedichte nutzen müssen. Dieser Faktor 100.000 ist sehr wichtig für uns, weil wir eine sehr geringe Masse der Erde verwenden können, um die gleiche Menge Energie wie bei der Verbrennung von Öl zu erhalten. Behalten Sie diese Zahl 100.000 im Kopf. Diese schlichte Tatsache deutet darauf hin, daß die Menschen die Kernkraft in der Zukunft als ihre wichtigste Energiequelle nutzen werden.

Wenn wir nun den weltweiten Energieverbrauch betrachten, sehen wir, daß der Energieverbrauch auf der Erde enorm angestiegen ist - zunächst einmal, weil die Bevölkerung gewachsen ist, aber auch Wohlstand und Wirtschaftswachstum verlangen mehr Energie. Wichtig ist bei diesen Zahlen, daß wir, wenn neue Energiequellen entdeckt werden, die anderen Energiequellen nicht einfach hinter uns lassen; Energiequellen wurden noch nie verdrängt, wie haben vielmehr zu dem, was wir bereits kannten, mehr und mehr Energie hinzugefügt.

Sie sehen, daß auch heute noch die Nutzung von Biomasse, der ältesten Energiequelle der Menschheit, immer noch wächst. Kohle wächst immer noch - auch Öl. Und Sie sehen übrigens auch, daß die erneuerbaren Energiequellen weniger als 1% ausmachen.

Alle diese Formen der Energie wachsen weiter und die Menschen haben eine immer größere Nachfrage nach Energie. Warum? Weil Energie und Wachstum sehr eng miteinander zusammenhängen. Es kann keine menschliche Entwicklung geben ohne Energie. Es ist klar: Wenn ein Land sich entwickeln will, dann braucht es dazu genug Energie pro Kopf, um sich entwickeln zu können, um auf der richtigen Seite dieser Kurve zu sein (Abbildung 4) - die rechte Seite sind die entwickelten Länder.

Viele Länder müssen sich in der Zukunft auf das Niveau der wohlhabendsten Länder entwickeln, und wir brauchen mindestens 4 t Öl-Äquivalent (toe) pro Kopf, um uns genug entwickeln zu können. Das bedeutet, daß wir schon jetzt vorhersehen können, daß der weltweite Energieverbrauch sich in der Zukunft noch ausweiten wird.

Wenn wir also mehr Energie brauchen, woher können wir diese Energie auf der Erde bekommen? Wie Sie wissen, gibt es fossile Energieträger, wie wir eben schon besprochen haben - Kohle, Erdöl, Erdgas -, und es gibt erneuerbare Energien - Wasserkraft, Wind, Solar, Biomasse, Erdwärme. Die meisten Erneuerbaren - außer der Erdwärme - beruhen auf der Sonneneinstrahlung. Und es gibt die Kernenergie, die zu Beginn der Entstehung der Erde gebildet wurde, als das Uran von Anfang an in die Erdkruste eingebaut wurde.

Es hat lange Zeit gedauert, bis diese fossilen Brennstoffe entstanden waren - Hunderte von Millionen Jahren. Dies sind diffuse und vorübergehende Energiequellen. Wir brauchen also etwas, was ausreichend lange als Ressource dienen kann, und wir brauchen etwas, was nicht so vorübergehend und diffus ist, sondern genug Energiedichte hat, um genug Kraft zu liefern.

Wenn wir die gegenwärtigen Ressourcen der Welt betrachten - das sind im Wesentlichen Öl- und Gasvorkommen - und noch die nachgewiesenen Reserven hinzunehmen, dann werden sie wahrscheinlich noch ein paar Jahrhunderte lang reichen. Das bedeutet, daß sie schon im kommenden Jahrhundert sehr, sehr teuer sein werden, weil sie knapp sind. Wir müssen immer tiefer ins Meer hinabsteigen, um Zugang zu diesen Ressourcen zu erhalten.

Kohle ist noch etwas reichlicher vorhanden, wir haben mehr Kohle auf der Erde als Öl oder Gas. Kohle wird sehr ausgiebig genutzt werden, und es ist heute beispielsweise die Ressource, die in China genutzt wird - der grundlegende Rohstoff in den meisten Ländern ist heute die Kohle. Und wenn wir Uran verwenden, so wie wir es in den heutigen Reaktoren verwenden, dann haben wir nur für etwa 300 bis 400 Jahre Vorräte. Das bedeutet, daß man, wenn man die Kernenergie länger nutzen will, neue Reaktortypen braucht, um genug Ressourcen zu haben, damit sie länger halten als es heute möglich ist.


Abb. 5: Vorteile der hohen Energiedichte


Speicherung von Energie ...


Abb. 6: ...durch ein Pumpspeicherkraftwerk...



Abb. 7: ... und andere Speicher: Thermische Speicher, Chemische Speicher, Brennstoffzellen



Abb. 8: Kosten verschiedener Methoden zur Speicherung von Elektrizität: Bei den meisten verfügbaren Speichermethoden (abgesehen von den Pumpspeicherkraftwerken, PSH, oben links) sind die Energiemengen gering und die Kosten hoch



Abb. 9: In einem Kernkraftwerk der heute üblichen Bauart wird nur ein Drittel der Energie in Strom umgewandelt, zwei Drittel gehen verloren



Abb. 10: Das Kernkraftwerk Nogent-sur-Seine. Ein großer Teil der in Kraftwerken erzeugten Wärme wird heute als Abwärme ungenutzt in die Umwelt abgegeben



Abb. 11: Bei ausschließlicher Nutzung der jetzt üblichen Kernkraftwerkstypen (v.a. Leichtwasserreaktoren) wären die jetzt bekannten, wirtschaftlich nutzbaren Uranvorkommen um 2030 aufgebraucht, die vermuteten Uranvorkommen um 2060 (obere Kurve). Mit dem Einsatz von Schnellen Brütern reichen die Uranvorkommen länger, bei einem baldigen Einsatz (ab 2030, untere Kurve) sogar Jahrtausende

Nur ein paar Worte über die Uranvorkommen (Abbildung 5). Aufgrund dieses Faktors von 100.000, von dem ich gesprochen habe, liefert dieses kleine nukleare Pellet von nur sieben Gramm Gewicht, das wir in den Reaktor laden, soviel Energie wie fünf Fässer Erdöl. Das bedeutet, daß wir nur sehr geringe Mengen an Rohstoffen brauchen, um die gleiche Energiemenge zu erhalten. Dieser Faktor 100.000 ist also sehr wichtig vom Standpunkt der Ressourcen, die uns auf der Erde zugänglich sind.

Energieunabhängigkeit, geringe Kosten, geringe Abfallmengen und geringe Wirkung auf die Umwelt: über das alles können wir später vielleicht noch ausführlicher sprechen.

Zukunftsaussichten

Was sind nun die Aussichten für die Zukunft - kurzfristig und langfristig? Kurzfristig müssen wir in eine neue Ära eintreten, in der wir die Energienutzung gegenüber heute verändern müssen. Und einige Energieregeln können den Energieverbrauch auf der Erde vollkommen verändern.

Die erste davon ist die Speicherung von Energie - sehr wichtig. Wir wissen heute noch nicht, wie man Elektrizität aufbewahren kann, und deswegen müssen wir den Strom dann erzeugen, wenn wir ihn verbrauchen, und das bedeutet sehr strenge Anforderungen für die Stromerzeugung.

Der zweite Aspekt, der die Lage gründlich verändern wird, den ich hier erwähnen will, ist die Nutzung der Abwärme aus unseren Kraftwerken - und da ist sehr viel Wärme, die man zurückgewinnen kann.

Das dritte ist die Stromverteilung und das vierte sind die längerfristigen nachhaltigen Energiequellen der Zukunft.

Der einzige große Speicher für Elektrizität - ich spreche hier nur über die Speicherung von Terrawattstunden, nicht über die kleine Batterie ihres Computers, die nur 112 Watt speichern kann - sind Pumpspeicher-Kraftwerke (Abbildung 6): Wenn man zuviel Strom hat, kann man das Wasser in den oberen Teil des Speichers pumpen, und wenn man ihn nutzen will, dann läßt man es einfach durch sein mechanisches Gewicht wieder herunterlaufen. Das geht aber natürlich nur in Ländern, in denen es Berge gibt. Anderswo ist das sehr schwierig.

Andere Formen der Stromspeicherung sind die Speicherung von Druckluft im Untergrund, Schwungräder - man läßt die Räder sich einfach mit hoher Geschwindigkeit drehen und versucht dann, die Energie zurückzugewinnen -, natürlich Batterien sowie supraleitende magnetische Energiespeicher. Das alles wird derzeit in den Forschungslabors studiert, aber nichts davon ist nutzbar für große Energie- und Strommengen.

Andere Formen der Speicherung von Energie (Abbildung 7): Thermische Speicherung - hier sehen Sie ein Haus bzw. einen Gebäudekomplex, in dem man im Sommer Energie speichern und im Winter nutzen kann. Es gibt chemische Speicher - das beste Beispiel dafür ist der Tank in ihrem Auto. Und es gibt die Speicherung von Wasserstoff in Brennstoffzellen.

Aber man muß die konkreten Zahlen für alle diese Formen der Speicherung sehen, denn wir brauchen genug Kraft in diesen Speichern (Abbildung 8). Man will hier im oberen Bereich im Bereich von 100 MW liegen und man will, daß dieser Speicher nicht sehr teuer ist. Bei den meisten verfügbaren Speichermethoden sind die Energiemengen gering und Kosten hoch, da ist also noch viel Arbeit zu leisten, damit die Kosten dieser Speicherformen in den Bereich der übrigen gelangen. Das ist die Herausforderung für die kommenden 30 Jahre.

Rückgewinnung von Wärme

Die zweite Aufgabe ist die Rückgewinnung der Abwärme aus den Kraftwerken. Warum?

Ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß wir lediglich eine Energieform in eine andere umwandeln, wenn man in einem Kraftwerk elektrischen Strom erzeugt. Hier ist z.B. ein Kernkraftwerk (Abbildung 9): Wenn man das Wasser des Primärkreislaufs im Reaktorkern aufheizt und die Wärme dann in elektrischen Strom umwandelt, wird nur ein Drittel der freigesetzten Energie in Elektrizität umgewandelt. Zwei Drittel gehen einfach verloren und werden in die Umwelt freigesetzt, und dann heizen sie die Vögel oder die Fische. Und das ist nicht so gut. Ein Beispiel hierfür ist unser Kernreaktor in Nogent-sur-Seine (Abbildung 10). Sie sehen, daß eine Menge Wärme in die Atmosphäre gelangt.

Was kann man also tun? Wir können etwas im System des sekundären Kühlkreislaufs des Reaktors ändern, um diese Wärme zurückzugewinnen, und können diese Wärme dann benutzen, um Städte zu heizen.

Das Problem ist, daß die Kernkraftwerke normalerweise weit von den Städten entfernt gebaut werden. Die Aufgabe ist also, Wärme über große Distanzen - oft Hunderte von Kilometern - von den Kernkraftwerken in die Städte zu leiten. Und das ist heute mit sehr geringen Verlusten möglich. Wir können eine Fernwärmeleitung über 150 km mit weniger als 2% Wärmeverlust nutzen, und wir haben Programme, mit denen wir versuchen können, z.B. die Abwärme des Kernkraftwerks Nogent-sur-Seine zurückzugewinnen und nach Paris zu leiten - das ist 120 km entfernt. Paris hat bereits ein Fernwärmenetz, das das größte in Frankreich ist, und es besteht schon seit fast 100 Jahren. Es begann mit den Zügen im Gare de Lyon, wo man versuchte, den Dampf in Gare de Lyon aufzuheizen, und das gibt es immer noch. Es arbeitet immer noch. Die Wärme kommt aus dem Kohlekraftwerk in Saint Ouen oder aus Gaskraftwerken. Und wenn man die Abwärme von Kernreaktoren nutzen kann, dann spart man eine Menge Ressourcen und eine Menge Geld.

Transport und Nachhaltigkeit

Die dritte Herausforderung ist die Elektrifizierung des Verkehrs. Warum den Verkehr elektrifizieren? Was ist der Vorteil?

Wenn man einen Verbrennungsmotor verwendet, hat man einen Wirkungsgrad des Motors von 33% und nur 20% werden in die Bewegung des Fahrzeugs umgesetzt. Das bedeutet, daß man pro Kilometer und Stunde 600 Watt verliert. Nimmt man ein elektrisches Auto, verliert man nur 200 Watt pro Kilometer, weil der Elektromotor einen Wirkungsgrad von 90% hat. Das bedeutet, daß man für die gleiche Bewegung nur ein Drittel der Energie benötigt, und man hat überhaupt keine Kohlendioxid-Emissionen.

Die vierte Herausforderung ist die langfristige Nachhaltigkeit der Kernkraft, und die Nachhaltigkeit treibt die Entwicklung neuer Reaktorsysteme voran, in denen wir die Uranvorkommen viel effizienter nützen können, als wir es heute tun: 50mal so effizient.

Wie kann dies geschehen? Dies sind die Uranvorkommen, die wir heute zum jeweiligen Preis nützen können (Abbildung 11). Wenn wir die gegenwärtigen Kernreaktoren weiterverwenden, dann werden wir nur unser Uran verbrauchen. Und Sie sehen, daß wir in 50 Jahren das Maximum der Ressourcen erreicht haben werden, die wir zum gegebenen Preis nützen können. Wir müssen also etwas tun, um zu neuen Kernreaktoren zu wechseln, die wir als Schnelle Brüter bezeichnen. Wenn wir sie frühzeitig einführen, können wir für sehr lange Zeit genug Energie aus diesen Schnellen Brütern erhalten. Und wenn ich sage, für sehr lange Zeit, dann meine ich Zehntausende von Jahren. Es ist also ein viel längerer Zeitraum als bei den jetzigen Kernreaktoren.

Für einen Schnellen Brüter brauchen wir als Rohstoff nur acht Tonnen abgereichertes Uran, verglichen mit 200 Tonnen natürliches Uran, das in den heutigen Reaktoren verwendet wird. Das bedeutet, daß wir daraus einen großen Zuwachs an Nachhaltigkeit für die Reaktoren gewinnen. Und schon das allein rechtfertigt auf lange Sicht die Entwicklung dieser neuen Kernreaktoren.

Es gibt ein Internationales Forum für die Vierte Generation der Kerntechnik (International Generation IV Forum), das wir im Jahr 2000 gegründet haben; dort haben wir sechs verschiedene Typen für Schnelle Reaktoren der Zukunft ausgewählt: der Schnelle Natrium-Reaktor, der Schnelle Blei-Reaktor, der Schnelle Gas-Reaktor, der Hochtemperatur-Reaktor, der überkritische Wasserreaktor und der Flüssigsalzreaktor. Ich denke, Sie werden über einen dieser Typen, den Flüssigsalz-Reaktor, gleich noch etwas mehr erfahren.

Heute arbeiten wir in Frankreich, im wesentlichen in der CEA (Kommission für atomare und alternative Energie), an zwei dieser Reaktortypen: dem Schnellen Natrium-Reaktor, weil wir damit eine Menge Erfahrung haben - wir haben 30 Jahre Erfahrung im Bau von Schnellen Natrium-Reaktoren - und dem Schnellen Gas-Reaktor, der eine größere Herausforderung ist, weil es ein auf Helium beruhender Schneller Reaktor ist, den wir bisher noch nie gebaut haben. Hier sehen Sie zwei Prototypen des Schnellen Natrium-Reaktors, die wir in den nächsten zehn Jahren in Frankreich bauen werden.

Zusammenfassend sei gesagt: Die Energiedichte ist die Schlüsselfrage für die Nutzung künftiger Energiequellen auf der Erde. Wir brauchen natürlich Energie, denn wir brauchen Wirtschaftswachstum. Beides hängt eng miteinander zusammen. Die Änderungen, die wir in den kommenden 30 Jahren sehen werden, sind die Speicherung von Elektrizität, die Rückgewinnung der Abwärme aus Kraftwerken und die Elektrifizierung des Verkehrs. Und auf lange Sicht würde ich sagen, Kernreaktoren sind unvermeidlich.