Eurasische Integration als Überlebenschance in der globalen Wirtschaftskrise
Natalia Witrenko, Doktor der Wirtschaftswissenschaften und
Vorsitzende der Progressiven Sozialistischen Partei und der Eurasischen
Volksallianz der Ukraine, sprach auf der Konferenz des Schiller-Instituts am
13.-14. April.
Liebe Konferenzteilnehmer! Wir Menschen unterschiedlichen Glaubens und
unterschiedlicher politischer Ansichten, Repräsentanten verschiedener Länder
und Kontinente, haben eines gemeinsam: Unsere Sorge um das Schicksal der
Menschheit. Wir können vor unseren Augen sehen, wie das Fundament der
menschlichen Existenz, die Weltwirtschaft, zerstört wird.
Damit die Weltwirtschaft vernünftig funktionieren kann, müssen bestimmte
Grundsätze befolgt werden:
1. Das Geld sollte in der Welt dem Austausch von Gütern entsprechen und
sollte der Bewegung von Werten als Umsetzung der Beziehungen zwischen Ländern
dienen.
2. Das Weltfinanzsystem sollte entsprechend der Funktion des Geldes auf der
Welt verschiedenartigen Beziehungen zwischen den Ländern dienen, wie
Kapitalflüssen, Investitionen, Anleihen und Subventionen, dem Außenhandel mit
Gütern und Dienstleistungen usw. Diese Beziehungen sollten vor allem die
Modernisierung bestehender und die Schaffung neuer produktiver Kapazitäten
fördern.
3. Das weltweite Bankensystem sollte die effektive Nutzung der
Kreditressourcen und die Entwicklung der Produktion in jedem Land fördern.
4. Der Welthandel sollte eine wirksame weltweite Arbeitsteilung und den für
beide Seiten nützlichen Warenaustausch zwischen den Ländern fördern.
Die katastrophale Verschärfung der Weltkrise ist mit der Verzerrung dieser
Grundfunktionen in allen Kategorien verbunden.
Erstens diente der US-Dollar seit 1944 als Weltwährung. Nach 1971 verlor er
seine Deckung durch reale Produkte oder Gold und war seither kein reales Maß
für den Wert von Gütern und Dienstleistungen mehr. Das Drucken von Dollars
liegt ganz in der Hand des Federal-Reserve-Systems, einer privaten
Organisation, und die Weltgemeinschaft hat keinerlei Einfluß darauf. Dadurch
hat sich eine Dollar-Pyramide aufgebaut, die zwangsläufig kollabieren und die
gesamte Weltwirtschaft mit sich reißen wird.
Zweitens, anstatt Anreize für die Realwirtschaft zu geben, hat das jetzige
Weltfinanzsystem zum Entstehen eines riesigen fiktiven Geldmarktes geführt.
Milliardenströme von Dollar bestimmen, ob Marktpreise steigen oder fallen, und
dadurch können nicht nur einzelne Firmen oder Industriebereiche, sondern sogar
ganze Länder ausgelöscht werden. Länder und Regierungen, die dabei nicht
mitmachen wollen, werden mit finanzieller Kriegführung überzogen.
Offshore-Zonen wurden eingerichtet, wohin Billionen von Dollar an Kapital am
Fiskus vorbei verschoben werden; den Volkswirtschaften entgehen damit die
Mittel zum Wachstum. Die Kreditvergabe durch den IWF ist an strenge Auflagen
gekoppelt und läßt die Länder noch weiter in der Verschuldung versinken.
Drittens, das Weltbankensystem hat sich in eine kriminelle Vereinigung
verwandelt, die der Realwirtschaft das Blut entzieht, die Regierungen
paralysiert und die Bevölkerung ganzer Länder ausraubt, nur damit jene, die
das Bankkapital besitzen, Superprofite einstreichen können. Das
Bankengeheimnis dient dabei als Bastion, um solche Aktivitäten zu schützen.
Die regelmäßige Ausschüttung astronomischer Bonuszahlungen ist zur
akzeptierten Norm geworden, während die internationale Gemeinschaft und die
nationalen Regierungen keinerlei Aufsicht über die Aktivitäten der Banken mehr
ausüben können. Billiarden von Dollar an Derivaten wirken wie eine Boa
Constrictor auf die Weltwirtschaft, wodurch diese letztlich kollabieren
wird.
Viertens und letztens, das bestehende Welthandelssystem, auch „Freihandel“
oder Liberalisierung genannt, dient nur dazu, die Märkte von Ländern in der
Zweiten und Dritten Welt zu öffnen, damit sich transnationale Konzerne ihrer
bemächtigen können. Die Rohstoffe in den peripheren Ländern werden von den
führenden Ländern in Besitz genommen. Das läßt ganze Volkswirtschaften
bankrott gehen und soziale Probleme anwachsen.
Wenn die Fundamente der Weltwirtschaft zerstört werden, entsteht daraus
zwangsläufig eine Krise mit Chaos und Instabilität, Kriegen, Seuchen,
Katastrophen, Massensterben von Bevölkerungen und der Zerstörung von
Volkswirtschaften und der nationalen Souveränität. Die Vernichtung von
Volkswirtschaften ist ein unvermeidlicher Teil der Globalisierung, um eine
neue globale Weltordnung zu errichten. Die Mechanismen der Globalisierung
verlaufen über den Weltwährungsfonds (IWF), die Welthandelsorganisation (WTO),
die Weltbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung
(EBRD).
Die Ukraine als Opfer der Globalisierung
Ein dramatisches Beispiel ist die Ukraine. Ich möchte Ihnen diese
Katastrophe in Zahlen aus den letzten 20 Jahren vorführen.
Sechs Monate nach ihrer Unabhängigkeitserklärung trat die Ukraine am 3.
Juni 1992 dem IWF bei, erhielt erste Kredite und akzeptierte die Auflagen.
1995 kam Lyndon LaRouche auf unsere Einladung in die Ukraine, ebenso Helga
Zepp-LaRouche und andere Vertreter des Schiller-Instituts. LaRouche kam mit
dem ukrainischen Parlamentspräsidenten Alexander Moroz zusammen; er traf sich
mit Abgeordneten der Sozialistischen Partei; er traf sich mit Wissenschaftlern
und Ökonomen und sagte ihnen, was getan und was unterlassen werden sollte,
sowie welche Reformen erforderlich seien, um eine Erholung und Renaissance der
Wirtschaft zu bewirken.
LaRouche strahlt eine Liebe für die Menschheit aus; der IWF hingegen kam
mit Dollars und bestach Politiker, Beamte und Abgeordnete. Anstatt auf
LaRouche zu hören, begann die Ukraine somit alles zu tun, was der IWF
verlangte: Deregulierung, Privatisierung und „makroökonomische
Stabilisierung“.
Was bedeutete Deregulierung? Das bedeutete einen gleitenden Wechselkurs,
während alle staatlichen und Handelsbanken freigesetzt wurden und sich alleine
durchschlagen mußten. Dann folgte die Privatisierung, wodurch die im Grunde
gesamte Wirtschaft für ein paar Peanuts versteigert wurde - die
Landwirtschaftskollektive, die Industriebetriebe usw. Makroökonomisch sank die
Ukraine zu einem Billiglohnland herab, wobei auch die Sozialleistungen gekürzt
und die Subventionen für Mieten und Versorgungsbetriebe gestrichen wurden.
2008 trat die Ukraine der WTO bei, mit ähnlichen Ergebnissen, angefangen
mit dem Niedergang der realen Produktion in der Ukraine.
In Abbildung 1 sieht man, wie in den zwei Jahrzehnten von 1991 bis
2012 das BIP und die Produktionsleistung in wichtigen Industriebereichen sank.
Ich sage gleich noch etwas über das BIP, doch schauen wir uns erst einmal die
zweite Spalte an, die Stromproduktion: Sie sank um 35%. Die Erzeugung von
Walzstahl sank um mehr als die Hälfte. 2012 betrug die Produktion von
Traktoren nur noch 5% von dem, was sie 1990 einmal war - und das in einem
Land, das über 20% der Schwarzerde weltweit verfügt und in dem ein Drittel der
Bevölkerung auf dem Lande lebt. Die Werkzeugmaschinenindustrie brach praktisch
völlig zusammen, obgleich die Ukraine zuvor über 16 große
Werkzeugmaschinenbetriebe verfügte, die 1990 noch 37.000 Werkzeugmaschinen
produzierten. Jetzt sind davon nur noch drei übrig, die sich kaum mehr über
Wasser halten können, und sie produzieren nur noch 40 Werkzeugmaschinen im
Jahr.
Grafiken: Natalja Witrenko
Abb.1: Rückgang der Wirtschaftsleistung in ausgewählten Sektoren der
Wirtschaft in der Ukraine bis 2012 als Prozentsatz des Vergleichswerts von
1990 (100%)
Abb. 2: Die Zahl der Beschäftigten in der Wissenschaft in der Ukraine 2012
ist gegenüber 1990 auf die Hälfte gesunken (50%), die Zahl der Wissenschaftler
und der Beschäftigten in innovativen Wirtschaftsbereichen auf ein Drittel
(33%)
Abb. 3: Die Bevölkerung der Ukraine ist von 52,1 Millionen Menschen auf nur
noch 38,6 gesunken. 7 Millionen Ukrainer sind in den letzten 20 Jahren ins
Ausland gegangen
Von 50.000 privatisierten Betrieben hörten 49% auf zu bestehen. Sie wurden
geschlossen. 1990 war der Maschinenbau der Kernbereich der ukrainischen
Wirtschaft. Es gab 360 Maschinenbaubetriebe, die in 20 spezialisierten
Industriesparten tätig waren. Die Ukraine hatte einen modernen
militär-industriellen Sektor, Maschinenbaubetriebe für die Schwerindustrie und
die Kraftwerksindustrie, Raketenbau, eine Luftfahrtindustrie, Schiffbau,
Auto-, Lokomotiven-, Traktoren- und Werkzeugmaschinenbau. Der Maschinenbau
machte 31% des BIP aus, was die Ukraine zu einem der zehn führenden Länder in
der Welt machte.
Die Ukraine repräsentierte 2% des weltweiten BIP und lag 11% über dem
weltweiten Durchschnitt des Pro-Kopf-BIP. 2012 produzierte die Ukraine nur
noch 0,2% des weltweiten BIP. Pro Kopf liegen wir 40% unter dem weltweiten
Durchschnitt und noch unterhalb von Namibia.
Die Basis, auf der die ukrainische Wirtschaft wächst, ist Wissenschaft. Wir
waren immer stolz auf die sowjetische Wissenschaft und insbesondere auf die
ukrainische Wissenschaft. Was die Stärke unseres Wissenschaftsbereiches
angeht, standen wir einmal an 7. Stelle in der Welt, doch in Abbildung
2 sieht man die Zerstörung der ukrainischen Wissenschaft. Folgendes hat
die ukrainische Wissenschaft in den letzten 20 Jahren durchgemacht. Es haben
einmal 500.000 Menschen in der Wissenschaft gearbeitet. Die Begabtesten haben
das Land verlassen - Zehntausende. Hunderttausende von Wissenschaftlern
landeten auf der Straße; sie betätigten sich als Kleinsthändler, verkauften
Sachen auf den Flohmärkten, arbeiteten in ihren Schrebergärten oder gingen in
den Ruhestand. Hunderttausende junge Leute, die Wissenschaftler werden
wollten, konnten es nicht. Man sieht, daß sich die Zahl der Menschen, die im
System der Nationalen Akademie der Wissenschaften beschäftigt sind, um 50%
zurückgegangen ist. Und dann die Gesamtzahl der Wissenschaftler. Sie beträgt
nur ein Drittel gegenüber früher. Die Zahl der Beschäftigten in innovativen
Industriebereichen liegt bei etwa einem Drittel des früheren Stands. Die
Forschung in den technischen Wissenschaften beträgt noch 28% von früher. Und
die Zahl industrienaher Forschungsinstitute ist nur noch 9,5% von früher. Die
Einführung und Umsetzung neuer Technologien erfolgt nur noch bei 7,6% der Rate
von 1990. Es sei festgestellt, daß diese Zerstörung der Wissenschaft ebenfalls
bedeutet, daß der Anteil von Firmen, die innovative Forschung betreiben, nur
noch 28% von früher beträgt. Der Anteil des BIP-Wachstums, der auf neue
Technologien zurückgeht, beträgt in der Ukraine nur noch 0,7% gegenüber 60-90%
in den Industrieländern.
Das ist ein Skandal, eine Schande für die Ukraine!
In den Jahren der „Unabhängigkeit“ hat die Ukraine 12 Mio. Arbeitsplätze
verloren. Nach Darstellung der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) ist
unsere Arbeitslosigkeit etwa 10%, aber das ist nicht das gesamte Bild, sondern
nur die Spitze des Eisberges. Sie liegt viel höher.
Was sich in der Ukraine in diesen Jahren angehäuft hat, sind
Auslandsschulden. Wir haben jetzt eine direkte ausländische Staatsverschuldung
von 24,5 Mrd. $ oder das Doppelte der Gold- und Devisenreserven des Landes,
und unsere gesamte Auslandsverschuldung nähert sich 80% des BIP.
Das Schlimmste daran ist, daß die Bevölkerung aufgrund des
Wirtschaftskollapses verarmt. Der Mindestlohn in der Ukraine beträgt 118 € im
Monat. Die Mindestrente ist 86 € im Monat. Aber wir leben nicht in Afrika. Das
Klima ist bei uns ziemlich kalt: Man muß heizen, man muß warme Kleidung haben
usw. Diese Beträge sind für Mitteleuropa absolut untragbar. Sie sind nur ein
Drittel von dem, was man zum Leben braucht. Der für den Mindestlohn
festgelegte Betrag führt direkt zum Tod vieler Menschen und zum Abbau der
Bodenschätze. Der Anteil der Löhne bei der Wertschöpfung ist in der Ukraine im
Schnitt nur 6,3%, verglichen mit 40% in der EU. 80% der Bevölkerung lebt
unterhalb der Armutsgrenze.
Angestiegen sind die Drogenabhängigkeit, der Alkoholkonsum, die extreme
Ausbeutung der Arbeiter, der psychologische Streß, die Kriminalität und die
Umweltbelastung. Das sind die Hauptfaktoren für die gesunkene Lebensqualität
für die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung. Unsere durchschnittliche
Lebenserwartung ist von 71 auf 68,8 Jahre gesunken und liegt 15 Jahre unter
dem europäischen Durchschnitt. Männer leben im Schnitt nur 62 Jahre, dennoch
hat sich die Ukraine den IWF-Forderungen nach einer Rentenreform gebeugt,
wonach das Renteneintrittsalter für Frauen von 55 auf 60 Jahre und für Männer
auf bis zu 62 Jahre in einigen Berufsgruppen heraufgesetzt wurde.
Abbildung 3 zeigt die Veränderungen in der Bevölkerungszahl. Daran
wird deutlich, worüber Lyndon LaRouche in bezug auf bewußten Völkermord
sprach.
1990 gab es 52,1 Mio. Einwohner in der Ukraine. Nominell haben wir jetzt,
2012, 45,6 Mio. Aber weitere 7 Mio. haben das Land verlassen und leben aus
wirtschaftlichen Gründen im Ausland und sind somit nicht mehr in der Ukraine.
Sie leben jetzt in Rußland, weil sie in der Ukraine keine Arbeit mehr gefunden
haben. Aus diesem Grund steht die Ukraine heute auch an der Weltspitze, was
Drogenabhängigkeit und Alkoholismus unter Jugendlichen angeht.
Wir hatten einmal Aus den 52 Mio. Einwohner, die wir einmal hatten sind,
heute nominell 45,6 Mio. geworden. Doch tatsächlich haben wir nur 39 Mio.
Einwohner. Im Großen Patriotischen Krieg, dem Zweiten Weltkrieg, verlor die
Ukraine 5,5 Mio. Menschen, und 2 Mio. mußten für Deutschland Zwangsarbeit
leisten. Insgesamt verloren wir 7,5 Mio. Menschen während des Krieges. Während
der letzten 20 Jahre Reform sind 6,5 Mio. gestorben und 7 Mio. sind
abgewandert, d.h. fast 14 Mio. Das ist fast doppelt soviel wie die Verluste
während des Krieges.
Der weiße Bereich zeigt als Extrapolation, wie groß die ukrainische
Bevölkerung ohne die massiven Zerstörungen gewesen wäre. Hätte sich das
langsame Wachstum zwischen 1970 und 1990 mit Vollbeschäftigung, kostenloser
Bildung und kostenloser Gesundheitsversorgung fortgesetzt, wäre unsere
Bevölkerung jetzt 56,6 Mio., d.h. fast 57 Mio. Somit hat unser Land ein
Drittel seiner Bevölkerung verloren! Das ist ein Verbrechen, das ist
tatsächlich eine Politik des Völkermordes.
Infolgedessen nähert sich die Ukraine wie andere Ländern auch der
gefährlichen Grenze zum totalen Wirtschaftskollaps, sozialer Explosion,
ständiger politischer Umstürze, Verlust der Souveränität, Chaos und der Gefahr
eines Bürgerkrieges.
Rettung durch regionale Integration
Der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz sagte im Februar diesen Jahres, man
könne von der Gruppe der 7 oder der Gruppe der 8 oder der Gruppe der 20
sprechen, doch in Wirklichkeit sei alles eine Gruppe der null, ein großes
Nichts. Dem stimme ich zu. Die führenden Länder der Welt haben sich als völlig
unfähig erwiesen, Vorschläge zur Rettung der Menschheit zu unterbreiten. Dabei
sehen wir das Erbeben der Weltwirtschaft, die menschenfeindliche Natur des
britischen Wirtschaftsmodells und die Unfähigkeit der führenden Länder, die
Menschheit vor dem Tod von Milliarden Menschen zu bewahren.
Was muß die Menschheit somit tun? Die Menschheit kann sich nicht auf den
Humanismus und die Uneigennützigkeit der führenden kapitalistischen Länder
verlassen, sondern muß lokale Allianzen und eine regionale Integration
anstreben. Dieser Versuch wird angetrieben durch die ungeheure Schuldenkrise
der führenden Volkswirtschaften, der EU und der USA.
Für einen integrativen Ansatz in der Weltwirtschaft gibt es heute keine
Alternative. Nur wirtschaftliche Verbünde mit 250-300 Mio. Bewohnern können
unter den heutigen Bedingungen überleben. Regionale Allianzen können Anreize
für eigene Binnenmärkte schaffen, ihre eigene Produktion steigern,
Modernisierung bewirken, neue Technologien einführen, für ein stabiles
Beschäftigungswachstum sorgen und die Lebensqualität und die Lebenserwartung
erhöhen.
Dr. Galloni hat uns eine hervorragende Perspektive für regionale
Integration in Europa aufgezeigt. Andere Teilnehmer aus Argentinien hatten
ähnliche Ideen, die drauf basieren, daß Länder ihre Anstrengungen bündeln, wie
LaRouche es vorgeschlagen hat. Je mehr regionale Integration wir haben, desto
besser können wir die Länder vor den Fehlern des heutigen Wirtschaftssystems
schützen.
Wir brauchen deshalb globale Reformen, um die vier von mir eingangs
erwähnten Kategorien normal aufeinander abzustimmen.
1. Wir brauchen regionale Währungen, die durch die reale Produktion und
Gold gestützt werden. Wir brauchen Souveränität in der Währungspolitik und
eine Wiedereinführung von Devisenkontrollen. Geld darf nur gedruckt werden,
wenn damit realwirtschaftliches Wachstum gefördert wird.
2. Wir brauchen ein regionales Finanzsystem, welches die Zusammenarbeit
zwischen den Ländern auf ein qualitativ neues Niveau der Partnerschaft und
gegenseitigen Hilfe hebt. Wir brauchen unsere eigenen Quellen des Geldumlaufs
und sogenannter langfristiger Gelder für unsere Volkswirtschaften. Die
derzeitigen Märkte sind als Investitionseinrichtungen absolut inakzeptabel.
Der Dow Jones, der NASDAQ und entsprechende Börsenbarometer sollten zugunsten
unserer eigenen Ratingagenturen abgeschafft werden, um eine wirkliche
Bewertung von Kreditrisiken vornehmen zu können. Hedgefonds und Offshorezonen
müssen weg. Mit der Steuerpolitik der integrierten Volkswirtschaften müssen
Arbeitsplätze in der Realwirtschaft geschaffen werden, usw.
3. Das Bankensystem muß reformiert werden, um eine Bankentrennung
entsprechend dem Glass-Steagall-Modell zu ermöglichen, spekulatives Kapital
abzuschreiben und leistungsstarke Kreditlinien für langfristige Investitionen
in kapitalintensive Infrastrukturprojekte zu schaffen. Das Bankgeheimnis
gehört abgeschafft, und wir brauchen volle Transparenz der Tätigkeit von
Nationalbanken in jedem Land. Außerdem müssen sich Länder zusammenschließen,
um Aufsicht über die Zentralbanken regionaler Allianzen auszuüben. Ebenfalls
erforderlich ist die Schaffung regionaler Entwicklungsbanken zur Finanzierung
großer Gemeinschaftsprojekte.
4. Wir müssen uns an die Worte Hamiltons erinnern: Protektionismus ist eine
Notwendigkeit. Hamilton sagte, ein Nationalbanksystem und
Handelsprotektionismus seien Mittel, um die Binnenmärkte zu schützen. Die
Deregulierung des interregionalen Handels sollte nur zugelassen werden, wenn
dadurch die Entwicklung von Industrie und Infrastruktur in jedem Land
gefördert wird. Deswegen brauchen wir eine neue Qualität der internationalen
Wirtschaftskooperation auf Grundlage der Prinzipien von
Produktionspartnerschaft und technologischer Kooperation als Alternative zum
Freihandel. Für die wirtschaftliche Entwicklung souveräner Nationalstaaten muß
Chancengleichheit hergestellt werden.
Die nationale Souveränität läßt sich erreichen, wenn wir die Rolle des
Staates in der Wirtschaft stärken. Wir haben gestern eine Diskussion über
schwache Regierungen geführt. Schwache Regierungen in den einzelnen Ländern
ist der Traum der englischen Königin und ihres Machers Barack Obama. Wenn aber
Reformen zur Modernisierung der Produktion und zur Einführung neuer
Technologien durchgesetzt werden sollen, sind dafür starke Regierungen
erforderlich. Herr Kotegawa nannte dies einen Krieg, und wir müssen diesen
Krieg gewinnen. Stellen Sie sich einen wehleidigen Nichtsnutz wie zum Beispiel
Gorbatschow vor: Hätte der den Zweiten Weltkrieg gewonnen? Nur eine starke
sowjetische Regierung erzwang den Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg und rettete
die Menschheit vor dem Faschismus. Darunter versteht man eine starke Führung
und eine starke Regierung.
Das ist meine Sicht, wie man radikale Änderungen in der Weltwirtschaft
durch regionale Integration erreichen kann.
Die Ukraine und die Eurasische Union
Ich möchte zum Schluß noch etwas zu den Aussichten der Ukraine in der
Eurasischen Union sagen. Für uns wäre es eine einzigartige Chance, das Land zu
retten, wenn wir der Zollunion mit Rußland, Weißrußland und Kasachstan und der
neuen Eurasischen Union beiträten. Es war für die Führungen dieser drei Länder
eine objektive Notwendigkeit, diesen gemeinsamen Markt zu bilden und ihre
produktiven Kapazitäten zu vereinigen. Wäre das nicht geschehen, hätte sich
der globale Kampf um die Ressourcen vom Nahen zum Fernen Osten verlagert und
hätte gesamt Eurasien betroffen. In diesem Gebiet sind wir durch eine
gemeinsame Kultur vereint.
Die Integration mit Rußland ist der Ausweg für die Ukraine, Weißrußland und
Kasachstan. Weißrußland hat sich organisch in diese Richtung bewegt, während
die Ukraine all die Jahre ihrer sogenannten Unabhängigkeit von Washington und
Brüssel gesteuert wurde, und das hindert die ukrainische Regierung daran, sich
für die Integration zu entscheiden, die einzige Politik, die vom
wirtschaftlichen und zivilisatorischen Standpunkt Sinn macht: Der Zollunion
und dem einheitlichen Wirtschaftsraum mit Rußland, Weißrußland und Kasachstan
beitreten.
Im Gegenteil, die ukrainischen Behörden haben eine Politik der
Euro-Integration, einer Freihandelszone mit der EU und eines Nato-Beitritts
angekündigt. Für die Ukraine - für unsere Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und
politische Stabilität - ist dies eine Sackgasse und eine ruinöse Perspektive.
Nach Erkenntnissen des Nationalen Vorhersageinstituts der Ukrainischen
Akademie der Wissenschaften würde eine Freihandelszone mit der EU zu einem
Rückgang des ukrainischen BIP führen, da unsere einheimische Produktion aus
den Märkten gedrängt würde.
Unsere Energiekosten pro Einheit BIP ist das Vierfache des
EU-Durchschnitts, so daß unsere Betriebe unter diesen Bedingungen einfach
bankrott gingen. Die Ukraine hätte nach einem EU-Beitritt mehr Probleme als
Zypern, Griechenland, Spanien, Italien oder Portugal heute. Wenn die Ukraine
jedoch der Eurasischen Zollunion beiträte, erhöhte sich das BIP um etwa
1,5-6%. Das hat Präsident Putin im letzten Monat Präsident Janukowitsch
mitgeteilt. Das Institut für Wirtschaftsprognosen der Russischen Akademie der
Wissenschaften hat berechnet, daß die ukrainische Wirtschaft nach einem
Beitritt zur Zollunion einen Gewinn von 7 Mrd. $ jährlich erzielen werde, und
ihre Exporte würden um 60% oder 9 Mrd. $ jährlich steigen.
Wenn genügend Zeit wäre, könnte man analysieren, welche Vorteile sich für
die Ukraine in jedem einzelnen Sektor ergäben, wenn wir der Eurasischen
Zollunion beiträten. Das Komitee für Fragen der Wirtschaftszusammenarbeit
zwischen Ukraine und Rußland hat Input-Output-Berechnungen mit 2008 als
Ausgangsjahr angestellt, um die direkten und indirekten Auswirkungen einer
solchen Zusammenarbeit zu bewerten. Bei allen Berechnungen würden die
Industrieproduktion und das BIP ansteigen. Insbesondere würde der Maschinenbau
zulegen, der stets der Kernbereich des ukrainischen BIP gewesen ist. Früher
kamen 31% des BIP vom industriellen Maschinenbau. Wenn wir uns Rußland und den
anderen anschließen, bedeutete dies einen Auftragsanstieg für unsere
Industrie.
2011 fand eine Konferenz über die ukrainischen Aussichten einer eurasischen
Integration statt, auf der auch Sergej Glasjew, damals Sekretär der Zollunion,
gesprochen hat. Er sagte, die Bestrebungen der Ukraine, der EU beizutreten,
würden das BIP-Wachstum schwer beeinträchtigen und die Wirtschaftsstruktur
schädigen, während die Ukraine zu einem Pool von Billigarbeit verkäme und
seine wirtschaftliche Souveränität einbüßte. Wenn die Ukraine jedoch dem
eurasischen Wirtschaftsraum beiträte, so Glasjew, wäre dies makroökonomisch
vorteilhaft und würde das BIP in den nächsten 10 Jahren um 200 Mrd.$ ansteigen
lassen und die ukrainische Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen. Glasjew
sagte: „Ein Beitritt zur Zollunion verletzt die Souveränität ihrer
Mitgliedsländer kein bißchen.“
Ich möchte hervorheben, daß ein Beitritt der Ukraine zur Zollunion und
später der Eurasischen Union dem Land Zugang zu umfangreichen
Investitionsressourcen zur Schaffung großer Infrastrukturprojekte eröffnete.
Uns steht kein anderer Weg offen. Die Ukraine in die von Rußland und anderen
postsowjetischen Ländern geschaffene Eurasische Union zu integrieren, ist die
einzige Möglichkeit für die Ukraine, ihre Eigenstaatlichkeit zu bewahren, die
Volkswirtschaft auf ein neues qualitatives Niveau zu heben, den
zivilisatorischen Weg unseres Volkes zu erhalten und das Land vor
Destabilisierung, einem faschistischen Umsturz und einem Bürgerkrieg zu
bewahren.
In der Diskussionsrunde gestern kam das Thema Liebe auf - was man unter
Liebe für seine Familie, für sein Land und für die gesamte Erde versteht.
Aggression ist bösartig, Hunger ist bösartig, Dollarpyramiden,
Finanzspekulation und die Diktatur des Britischen Empire sind bösartig! Wir
müssen uns mit Hilfe der Liebe gegen das Böse verteidigen. Deswegen wünsche
ich uns allen Erfolg bei dieser edlen Aufgabe, die Liebe zu bewahren. Mögen
Lyndon und Helga LaRouche noch viele Jahre haben, um mit Liebe für die
Menschheit für diese Lösungen zu arbeiten.
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