Den Kampf um Glass-Steagall gewinnen
Von Andrea Boland
Andrea Boland ist Landtagsabgeordnete der Demokratischen Partei
im US-Bundesstaat Maine. Sie sprach bei der Konferenz des Schiller-Instituts
über den Kampf für die Rückkehr zum Glass-Steagall-Trennbankensystem.
Ich habe den Kampf für Glass-Steagall in meinem Landtag kennengelernt: Wir
beschlossen eine Resolution, die den Kongreß und den Präsidenten der
Vereinigten Staaten daran erinnert, das Glass-Steagall-Gesetz wieder
einzuführen. Ich wußte ein wenig darüber. Jedenfalls kann ich mich noch
lebhaft daran erinnern, wie ich die Neuigkeit hörte, daß es abgeschafft wurde.
Ich erinnere mich, wie ich das in den Nachrichten hörte. Ich wachte morgens
auf und sagte zu mir: „Was um Himmels willen machen die da?“ Seltsamerweise
habe ich diesen Augenblick nicht mehr vergessen.
Und dann war ich bei einer Konferenz in Atlanta, der Nationalen
Landtagskonferenz, wegen eines anderen Themas. Dort wollte ich mich in einem
anderen Ausschuß auch für Glass-Steagall einsetzen (siehe Neue Solidarität
35/2013). Aber es kam anders. Die Landessenatorin aus Delaware, die dort
war, um eine Resolution für die Wiedereinführung von Glass-Steagall
vorzustellen - es ist die größte gemeinsame Konferenz von Landtagen im Land -;
diese Senatorin, die sich einige Zeit lang mit viel Mut und Entschlossenheit
den Banken entgegengestellt hatte, beugte sich dort in Atlanta schließlich
deren Druck. Und aus irgendeinem Grund sah man in mir jemanden, der dieses
Banner weitertragen könnte.
Was ich tat - mit Freuden. Ich habe mich in Maine schon mit anderen großen
Wirtschaftszweigen angelegt, das war also nichts neues, und ich wußte, daß es
wichtig war. Interessant ist, daß das eine sehr ausgewogene Resolution war -
ich würde sagen, sie war gemäßigt. Und ich wußte, daß auch andere da waren,
die mich unterstützen würden, denn das ganze war ziemlich gut organisiert.
So haben wir es also gemacht, aber mir fiel auf, daß sehr viele Abgeordnete
nicht für die Sache einstanden. Das war sehr beunruhigend, aber es war auch
ein Anzeichen dafür, wie mächtig die Lobbyisten sind, die für die Leute
arbeiten, die wir heute die „Bankster“ nennen. Es war schon ungewöhnlich, und
es war beunruhigend, doch glücklicherweise blieben alle meine Kollegen aus
Maine auf meiner Seite.
Damit fing es an, daß ich mir tiefergehende Gedanken über diese Sache
machte. Sicherlich hatte ich die Folgen im Landtag schon gesehen, denn wir
haben unsere Verpflichtungen für Renten und Gesundheitswesen und für
staatliche Hilfe für die Ärmsten mehr und mehr aufgegeben, weil wir merkten,
daß wir einfach nicht die Dollars dafür hatten und auch nicht auftreiben
konnten.
Dazu kamen Probleme mit der Wirtschaftsentwicklung: Wir hatten nicht die
Straßen, die wir eigentlich gebraucht hätten. Natürlich ist Maine in der
Hinsicht ein ganz besonders schwieriger Ort - es hat eine kleine Bevölkerung
und viele, viele Meilen Straßen.
Derivate oder Bahnstrecken
Jedenfalls habe ich gerne die Einladung angenommen, zu Ihnen zu sprechen
und Ihnen einiges mitzuteilen, was ich heute weiß - nämlich, daß wir einfach
Hunderte von Milliarden oder Billionen Dollar davon entfernt sind, eine
erfolgreiche Gesellschaft zu sein. Und das Geld, das für Dinge wie Derivate
und für hypothekengedeckte Wertpapiere, die immer wieder hin und her gehandelt
werden, ausgegeben wird, das fehlt uns für die notwendigsten Dinge, die wir in
unserer Gesellschaft brauchen.
China hat allein in den letzten paar Jahren 12.000 Meilen Eisenbahnstrecken
gebaut, aber wir [in den USA] nicht eine einzige! Rußland und China schließen
Abkommen über den Bau von Eisenbahntunnels von Sibirien nach Alaska, aber wir
haben keine Pläne für einen Anschluß an diese Strecken, wo sie in den
Vereinigten Staaten ankommen. Der Südwesten der USA leidet unter schrecklichen
Dürrezuständen, und das gefährdet unsere Nahrungsmittelversorgung, aber es
gibt seit 50 Jahren keine bedeutenden neuen Wasserprojekte. Kalifornien hat
200.000 Hektar Farmland stillgelegt und der Viehbestand ist der niedrigste
seit 65 Jahren!
Einige dieser großen Probleme wurden überhaupt nicht angepackt. Das
Problem, über das ich verhandelte, als ich damals in Atlanta war und auf die
LaRouche-Gruppe traf, war die Sicherung unseres Stromnetzes vor extremen
Sonnenstürmen und vor elektromagnetischen Pulswaffen anderer Nationen und
Angriffsmitteln von Terroristen. Ein einziger Schlag von der Sonne, der 100%
möglich ist und jederzeit passieren kann - das ist quasi schon überfällig -,
könnte unser gesamtes nationales Stromnetz ausschalten, und es würde monate-
oder gar jahrelang ausfallen, und wir haben keinen Ersatz für die großen
Transformatoren, von denen das Netz abhängig ist. Wir haben solche Projekte
liegen lassen.
Ich setze mich seit Jahren dafür ein, daß der US-Kongreß sich darum
kümmert, aber immerhin kann ich mit Freuden verkünden, daß das Gesetz in Maine
beschlossen wurde! Es wird noch ein kleiner Kampf sein, sicherzustellen, daß
die Versorgungsunternehmen diesen Schutz wirklich schaffen. Aber entscheidend
ist, jedenfalls in diesem Fall, daß ich etwas mehr darüber weiß, wie die
Infrastruktur ignoriert wurde und daß offensichtliche Lösungen nicht
verwirklicht werden. Dabei sind das auch kostengünstige Lösungen: Die
Sicherheitsmaßnahmen, von denen wir sprechen, würden einen durchschnittlichen
Haushalt nur 4-5 Jahre lang höchstens 2 Dollar jährlich kosten, um uns vor der
totalen Zerstörung durch einen solchen Zwischenfall zu schützen.
Nun haben wir das Problem, daß die Geschäftsbanken und Investmentbanken
alles machen dürfen, was sie früher getrennt machten. Und offenbar haben sie
beide zum anderen herübergeschaut und meinten, im Hof des andern sähe das Gras
grüner aus, und so haben beide zusammen den ganzen Hof verdorben. Jetzt haben
wir Banken, die zocken, statt in Dinge wie Infrastruktur,
Wirtschaftsentwicklung, „Main Street statt Wall Street“ zu investieren. Und es
bleibt an uns hängen, sie zu retten, was wir mit Abermilliarden im Monat
tun.
Und das Kuriose bei dem ganzen ist, wie ich inzwischen begriffen habe, daß
sie, obwohl wir sie finanziell gerettet haben, ihre Verluste gar nicht
abschreiben. Sie stecken den Verlust nicht ein. Sie behalten die Werte in
ihren Büchern und lassen damit den Rest des Landes, den Durchschnittsbürger in
dem Glauben, der Zustand der Banken sei besser, als er ist. Es hat sogar den
Anschein, als sei ihr Besitz in den letzten fünf Jahren um etwa 30% gewachsen.
Das sind künstlich überhöhte Werte. Sie werden künstlich hoch gehalten, damit
unsereins sich keine Sorgen macht und meint, unser Geld wäre bei ihnen sicher
aufgehoben.
Etwas anderes, was mir aufgefallen ist, als ich gerade Wahlkampf machte und
in Maine durch die Ortschaften fuhr: Es gibt so viele verlassene Wohnhäuser.
Sie stehen leer, und das schon lange, die Nachbarn wissen das. Egal ob die
Häuser zwangsgeräumt wurden oder die Leute ausgezogen sind, sie stehen
jedenfalls leer. Und da wurde mir noch etwas besser klar, worum es bei der
Bankenkrise ging. Denn man fragt sich: Warum vermieten die Banken nicht
wenigstens diese Häuser an die verarmten früheren Eigentümer oder an andere,
zu einem annehmbaren Preis? Vielleicht ist es ja zu ihrem Vorteil, wenn sie
die Häuser leerstehen lassen und weiter zum alten Wert bilanzieren, als zu
ihrem wahren Wert unter den Umständen der Depression? Das ganze ist ziemlich
zynisch, und im Grunde ist das mehr, als man ertragen kann, wenn man sich das
von einem Ort zum nächsten so anschaut.
Der Bail-in ist da
Wir machen uns große Sorgen darüber, daß wir diese Banken, die dermaßen von
der realen Welt abgekoppelt sind, mit Steuergeldern retten müssen (Bail-out),
aber jetzt ist das Problem, daß wir sie mit unseren Spargeldern retten müssen
(Bail-in)! Die Banken könnten in diesem Fall durchaus an den Punkt kommen, wo
sie unsere Konten enteignen, als Beitrag dazu, ihre Schulden zu zahlen und
ihre Probleme zu lösen. Unsere Investitionen, unsere Anleihen sind dann weg -
so wie man es in Zypern und Spanien gemacht hat, wo die Menschen ihre Einlagen
verloren! Was für eine verkehrte Welt ist das? Das ist schrecklich
deprimierend.
Und es ist auch so, wenn ich im Wahlkampf herumziehe und mit den Menschen
rede, dann erzählen sie mir, wie sie ihre Rentengelder verlieren und wieviel
weniger die Rentenkasse des Bundesstaates, etwa die Rentenkasse der Lehrer,
ihnen im Ruhestand zahlt, als ihnen vorher versprochen wurde. Und was ist das
anderes als eine Reaktion der Bundesstaaten darauf, daß sie nicht genug Mittel
haben, um voranzukommen: keine Investitionen in Infrastruktur, in die
Wirtschaft, die Bildung, die Forschung.
Bei einigen Dingen, die ich tue, arbeite ich mit ein paar fabelhaften
Wissenschaftlern zusammen, und am engsten verbunden bin ich mit einem, der
mehrere Doktortitel hat - wahrscheinlich ist er ein Genie -, und der erzählt
mir, daß unsere besten Wissenschaftler auswandern, denn wir investieren nicht
in sie und in gute Forschung und in unsere besten Hoffnungen. Und das führt zu
einem Teufelskreis von Problemen, denn wenn wir es uns nicht leisten können,
in Forschung zu investieren, dann machen wir auch keine Fortschritte.
Als ich nun mit dem Problem mit der Abschaffung von Glass-Steagall besser
vertraut war, tat ich mich gerne mit den LaRouche-Leuten, dem
Schiller-Institut zusammen, zur Unterstützung der Gesetzentwürfe, die jetzt
dem US-Kongreß vorliegen und die vorsehen, die großen Wallstreet-Banken sofort
aufzuspalten und nur noch Geschäftsbanken staatlich zu schützen. Die
Investmentbanken würden nicht mehr durch eine Einlagenversicherung geschützt,
was nur Geschäftsbanken zusteht, sie müßten alleine klarkommen. Das gefällt
ihnen nicht.
Aus diesem Grund sind sie, als ich in Atlanta war, an mich herangetreten
und versuchten, mir meine Aussage über die Wiedereinführung von Glass-Steagall
vor dem Bankenausschuß dort auszureden. Sie kamen in der Vorhalle zu mir und
sagten: „Sie haben vor, sich auf nationales Terrain zu begeben. Sind Sie
sicher, daß Sie das wollen?“ Es war sehr beängstigend. Natürlich sagte ich:
„Ja“. Dann sagten sie: „Aber warum haben Sie denn nicht Verbindung mit uns
aufgenommen? Warum haben Sie uns nicht angerufen, bevor Sie diesen Schritt
tun?“ Und traurig für mich war eigentlich, daß das Banker aus Maine waren: Sie
vertraten J.P. Morgan und Bank of America, und die haben Banken in Maine. Sie
sagten mir - ich glaube, es war Bank of America -, sie hätten etwa 1300
Beschäftigte in Maine und allein acht in meiner Heimatstadt. Das war
überwältigend.
Meine Hoffnung und meine Überzeugung ist, daß die Menschen, die in Banken
beschäftigt sind, in Maine und überall im Land nicht weniger, sondern mehr
Sicherheit haben werden, wenn wir Glass-Steagall wieder einführen, weil die
Bevölkerung begreift, daß die Banken dann für ihr Wohl arbeiten.
Ich werde daher weiter mit den Parlamentariern zusammenarbeiten, die ich
kenne, und versuchen, diese Anliegen voranzutreiben. Das ist nicht einfach.
Die Parteiführung ist offenbar nicht sehr glücklich über das, was ich
vorbringe. Gegenwärtig kann ich nur folgendes sagen, weil ich nicht weiß, wie
meine Zukunft aussehen wird: Ich bin Landtagsabgeordnete und keine
Landessenatorin. In Maine gilt eine Begrenzung der Amtszeit und meine endet in
diesem Jahr. Und der Wahlkampf, über den ich gerade gesprochen habe, war ein
Wahlkampf für die Wahl zum Landessenat, die ich nur knapp verloren habe, mit
19 Stimmen. Das Erstaunliche war, daß die Führung der Demokratischen Partei
sich sehr wunderte, daß ich überhaupt so nahe an den Erfolg herangekommen war.
Sie waren hocherstaunt darüber, daß so viele Menschen in dem Wahlkreis meine
Inhalte unterstützten - Dinge wie Bankenreform, Glass-Steagall, Sicherheit des
Stromnetzes und einiges anderes, auch Gegendruck gegen die Lobbyisten und
Sonderinteressen, die ständig unsere Landtage unsicher machen.
Zum Abschluß möchte ich nur alle hier ermahnen, weiterhin nach draußen zu
gehen und ihre eigenen Kongreß- und Landtagsabgeordneten immer wieder daran zu
erinnern, wie wichtig die Rückkehr zu Glass-Steagall ist, ebenso wie einiges
andere, worüber heute gesprochen wurde. Aber vergeßt dabei nicht die
Bundesstaaten. Denn es könnten tatsächlich gerade die Bundesstaaten sein, wo
Sie mehr und schneller Fortschritte machen können. Nicht mit allem, was wir
uns für das ganze Land wünschen, aber vielleicht können wir den Kongreß
beschämen, wenn wir uns in ein paar Staaten, wie Maine, einem nach dem
anderen, durchsetzen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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