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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Wir wollen Frieden auf Erden sehen

Von Ramsey Clark

Ramsey Clark war unter Präsident Lyndon B. Johnson US-Justizminister und kämpfte sein ganzes Leben lang für die Erhaltung der verfassungsmäßigen Republik in den Vereinigten Staaten.

Ich werde mich kurz halten. Es ist eine sehr wichtige Gelegenheit und ein wichtiger Moment. Das letzte, was ich gerade eben in den Nachrichten gehört habe, ist, daß einer unserer Flugzeugträger Kurs auf den Persischen Golf und das Arabische Meer genommen hat, um erneut gegen den Irak loszuschlagen - einer unserer beliebtesten Boxbälle in den letzten vier oder fünf Jahrzehnten. Ein Ort, den man die Wiege der Zivilisation nannte, der mehr Gewalt erfahren hat über einen längeren Zeitraum - mindestens seit 1963, 1973, 1983, wie Sie wollen - als irgendein anderes Land. Jetzt liegt er größtenteils in Trümmern, und wir werden noch einige hinzufügen.

Als ich im Taxi herfuhr, bemühte ich mich, unsere militärischen Aggressionen seit Vietnam zusammenzustellen, aber bevor ich dazu komme, will ich erst das Erfreulichere sagen.

Ich habe im letzten Jahr sowohl Korea als auch Vietnam zweimal besucht. Es waren runde Jahrestage der beiden Kriege, 1953 für Korea und 1973 für Vietnam. Und das ist mehr oder weniger das einzige Optimistische auf dem Planeten heute, das ich kenne, denn insbesondere Vietnam blüht auf. Die Menschen sind froh, die Straßen sind voller Menschen. Einige sitzen vielleicht zu fünft auf einem Motorrad, aber sie haben Spaß daran, und sie haben reichlich zu Essen, und es gibt keine Gewalt.

In den Krankenhäusern gibt es immer noch Kinder, deren Körper und Gliedmaßen von [dem von den USA im Vietnamkrieg versprühten Gift] Agent Orange grausam verstümmelt sind, und wir wissen nicht, wie lange das so weitergehen wird. Die schlauen Köpfe, die sich Agent Orange ausgedacht haben, dachten nicht daran, wie lange es dauern würde, bis man es aus einem System, in dem es sich weit verbreitet hat, wieder herausbringt, so daß es keine Kinder nicht mehr schädigt.

Aber man kann alles überwinden und nach vorne blicken, und diese beiden Opfer unserer Gewalt sind dafür ein eindrucksvoller Beweis auf der Erde heute.

Die Kriege in Korea und Vietnam waren besonders verheerend, im schlimmsten Sinne. Es gab natürlich den Zweiten Weltkrieg. Aber es waren seitdem noch so viele andere. Als ich im Taxi hierherfuhr, versuchte ich, einige davon aufzulisten. Nach Vietnam kam Nikaragua, das war in gewissem Maße ein Stellvertreterkrieg, aber für Nikaragua war er verheerend. Er hat die Wirtschaft geschwächt, viele Menschen dort getötet und sehr viel von der Infrastruktur des Landes zerstört. Wir haben zwar ihr Land nicht durch Agent Orange kaputtgemacht, wie in Asien, und Nikaragua ist frei und unabhängig, aber es ist arm.

Zurück in die Steinzeit

Irak und Libyen sind heute schlimmer verwüstet als zu irgendeiner anderen Zeit seit einem Jahrhundert, und sie sind auch die beiden jüngsten Fälle. Beides waren wohlhabende Länder, die wohlhabendsten in ihren Regionen. Sie hatten eine gute medizinische Versorgung, gute Wohnungen, gute Schulen. Nun liegen beide in Trümmern. Libyen können wir uns etwas schwieriger vorstellen als den Irak, weil wir mehr über den Irak hören, aber in Libyen hatte es seit dem Wüstenfeldzug 1942 keine Gewalt mehr gegeben, auch wenn sie an ihren Küsten immer noch Landminen aus dem Zweiten Weltkrieg finden. Wahrscheinlich sind immer noch ein paar da, das machen wir nun einmal so. Aber ihr Lebensstandard war hoch, und ihr Bildungsniveau war hoch und stark. Und wir haben beide „in die Steinzeit zurück gebombt“, wie einige unserer Generäle gerne sagen. Ich kann mich noch gut an diesen Satz erinnern - wir bomben sie in die Steinzeit zurück. Frohes neues Jahr!

Grenada ist ein gutes Beispiel. Eine friedliche kleine Urlaubsinsel - eine wirklich liebenswerte Insel. Es gab dort keinen Krieg, sie hatten gar keine Mittel, Kriege zu führen, und dort gab es nicht einmal 110.000 Menschen. Und eines Tages sind wir dort einmarschiert, wir jagten den jungen Amerikanern, die an der Küste an einer medizinischen Hochschule studierten, einen großen Schrecken ein. (Ich weiß nicht, wieviel Medizin sie da wirklich studiert haben, wo der schöne Strand so nahe lag.) Und wir haben in Grenada, gemessen im Verhältnis zur Bevölkerung, mehr Menschen umgebracht, als wir selbst im Zweiten Weltkrieg verloren haben. Ich sage Ihnen: Es gab auf dieser Insel niemanden, der nicht jemanden kannte, der bei diesem kleinen Ausflug getötet wurde...

Länder wie Ruanda und Panama. In Panama ließen wir unsere Artillerie von unseren Stützpunkten entlang des Kanals Feuer auf die Hauptstadt regnen, trafen das Rathaus und das Büro des Bürgermeisters, und hinterließen an den Stränden eine Sauerei. Die Leichen wurden den Strand entlanggeschleift und mit Flammenwerfern eingeäschert, und dann die Asche ins Meer gespült. Keiner kann sagen, wie viele Menschen starben.

Es gab dort einen General - ich kam etwa acht Tage nach der Invasion dorthin -, und da war ein General, ein Generalmajor, und er sagte, 68 Menschen seien umgekommen. Und eines Tages ging ich eine Straße entlang und mir begegnete ein Priester, der sagte mir: „Gehen Sie zum Friedhof, er heißt Jardin de Paz (Garten des Friedens).“ Ich antwortete ihm, ich wisse nicht, wo der sei. Da sagte er: „Ich fahre jeden morgen daran vorbei, und im Morgengrauen kommen Militärfahrzeuge dorthin, mit Segeltuchplanen, man kann nicht sehen, was darauf ist, aber irgendwas geht da vor.“ Wir fuhren also zu diesem Friedhof, und davor spielten ein paar Kinder und sprangen auf den Grabsteinen herum. Und wir fragten: „Habt ihr die Lastwagen gesehen?“ Sie antworteten: „O ja!“ „Wo fahren die hin?“ Daraufhin fuhr eines der Kinder mit uns zu einem Wald. Und da waren drei lange Gräben, sie waren etwa 50 bis 60 Meter lang. Ich habe sie abgeschritten, es waren drei Schritte, etwa drei Meter [Breite]. Zwei davon waren ganz voll, der dritte etwa zur Hälfte. Als sie exhumiert wurden, waren es etwa 500 Leichen. Ich glaube nicht, daß die Angehörigen irgend etwas wußten, wer es war und was mit ihnen passiert war. Aber da waren sie. Und Panama ist noch eines der kleinen Opfer, wenn man bedenkt, was Afghanistan durchgemacht hat.

Der Sudan war interessant. Wir kamen aus irgendeinem Grund zu dem Schluß, daß wir den Sudan nicht mochten. Und eines schönen Tages haben wir, als wäre es bloß eine sportliche Übung, zwei Langstreckenraketen auf die größte Arzneimittelfabrik in ganz Afrika abgefeuert, sie war gleich außerhalb der Hauptstadt. Eine moderne Fabrik, natürlich in ausländischem Besitz. Und bumm - war sie nur noch Staub. Sie hatte 20% ihrer Produkte kostenlos in Länder Schwarzafrikas exportiert. Sie war die wichtigste Quelle für die modernsten Medikamente, die man dort bekommen konnte. Warum wir gerade sie als Ziel ausgewählt haben, kann man bloß erahnen. Aber ich kann Ihnen sagen: Das sind Ziele, an die sich die Menschen lange erinnern, wenn sie davon erfahren. Und die Menschen in Khartum haben mit Sicherheit davon erfahren.

Nie wieder!

Jedenfalls war die Zahl der Kriege groß und mörderisch, und wir haben die Macht der Gewalt dermaßen glorifiziert. Wir haben soviel von unserem Erfindungsreichtum darauf verwendet, wie wir Menschen billig und mit dem geringsten Risiko für uns selbst umbringen können. Und wieviel Jahre ist es her, seit Dr. Martin Luther King 1967 hier in der Riverside-Kirche sagte: „Der größte Lieferant von Gewalt auf der Erde war mein eigener Staat.“ Gewalt sei die große Erniedrigung für den Menschen. Andere Tierarten bringen einander nicht massenhaft um, nicht wahr? Es ist schwierig genug für sie, Nahrungsmittel zu finden, sie denken nicht daran, wie sie willkürlich ihre eigene Gattung umbringen können. Aber wir wenden dafür jede Menge Geld und Erfindungsreichtum auf. Und so wahr, wie das 1967 war, sind wir heute mit Sicherheit noch immer der größte Lieferant von Gewalt.

Ich habe wohl schon erwähnt, das letzte, was ich heute früh im Radio gehört habe, war, daß heute morgen ein Flugzeugträger an den Persischen Golf geschickt wurde, um der Wiege der Zivilisation, die seit unserer Invasion 1991 nicht einen Augenblick Frieden erlebt hat, noch ein paar Schläge zu verpassen. Bedenken Sie, wir haben [im Irak] innerhalb von vier Monaten 115.000 Bombenangriffe geflogen, Sie können sich also ausrechnen, wie viele das in jeder Minute waren, es war eine erstaunliche Anzahl. Ich war während der Angriffe dort, und da waren ständig die amerikanischen Flugzeuge.

Ich erinnere mich, einmal haben wir im ganz oben im Hotel im Dunkeln gegessen, weil der Strom ausgefallen war, und ganz in der Nähe schlugen einige Bomben ein; deshalb sind wir losgelaufen. Wir waren am Schatt-el-Arab, wo Tigris und Euphrat zusammenkommen und in den Golf strömen und gleich auf der anderen Seite des Stroms der Iran liegt. Und dort war auf einer kleinen Insel - ich weiß nicht, warum man es dort hingestellt hat - ein Krankenhaus, ein gutes Lehrkrankenhaus. Ein großes Krankenhaus, ich war schon vorher dort gewesen. Dorthin führen zwei Brücken, etwa acht bis zehn Meter breit. Es gab im ganzen Land keinen Strom, mit Sicherheit nicht in Basra. Aber sie hatten eine Notbeleuchtung. Es gab Licht in den Intensivstationen, wo sie elektrische Generatoren betrieben. Und wir sahen, wie Bomben auf den Schatt herunterfielen und die Insel trafen. Und dann gingen in dem Krankenhaus die Lichter aus.

Es gab in dieser ganzen Region nicht die geringste militärische Bedrohung für die Vereinigten Staaten - erst recht nicht in dem Krankenhaus oder dem Hotel, in dem wir gegessen haben. Wir waren die einzigen Gäste dort. Der Koch war so froh, er machte uns Brötchen und kochte im Dunklen oder mit Gaslampen oder ähnlichem.

Und hier ist der Irak, nach all diesen Jahren, und steht vielleicht vor der schlimmsten Gewalt, die er je erlebt hat. Unser militärisch-industrieller Komplex, wie wir ihn lange Zeit genannt haben, ist die größte Bedrohung für das Leben auf diesem Planeten.

Wir leben hier. Wir haben Stimmen, wir haben Herzen, wir haben Köpfe, wir haben Energie. Und wir müssen aufstehen und sagen: „Schluß damit! Nie wieder!“ Wir wollen, daß unser Land der Gewalt auf der Welt ein Ende setzt, statt selbst der größte Lieferant von Gewalt auf dem Planeten zu sein. Wir wollen, daß diese militärische Planung und Rüstung aufhört. Wir wollen, bevor es zu spät ist, einen Frieden auf Erden sehen, in dem unsere Kinder ein gesundes Leben führen und mit gesundem Körper und Geist aufwachsen können, um in Frieden zu leben und einander zu lieben...

Vielen Dank.