Es gibt ein Leben nach dem Euro - aber nur, wenn wir das Richtige tun!
Von Alexander Hartmann
Alexander Hartmann, Chefredakteur der Neuen Solidarität, war
als Vertreter des Schiller-Instituts eingeladen, beim Neujahrstreffen der
Freiheitlichen in Villach über das Thema „Es gibt ein Leben nach dem Euro“ zu
sprechen. In seinem Vortrag, den wir hier in leicht überarbeiteter Form
abdrucken, machte er deutlich: Wir brauchen ein Bündnis der gefangenen Völker
Europas, um die Unabhängigkeit von der EU zu erringen und der Diktatur der
Banken ein Ende zu setzen. Grundlage dieses Bündnisses muß der Plan sein,
gemeinsam ein neues Wirtschaftswunder für ganz Europa in Gang zu setzen, und
dazu müssen alle an einem Strang ziehen.
Sehr verehrte Damen und Herren,
zunächst einmal herzlichen Dank dafür, daß Sie mir die Gelegenheit geben,
heute hier zu Ihnen über ein Thema zu sprechen, das uns in Deutschland genauso
interessiert wie Sie hier in Österreich, und sicher die Menschen in den
übrigen Mitgliedstaaten der EU ebenso.
Meine These lautet: Es gibt ein Leben nach dem Euro.
Das ist die gute Nachricht, aber ich habe leider auch einige schlechte
Nachrichten, die uns zeigen, wie brisant das heutige Thema für uns alle ist.
Denn mit dem gleichen Recht, mit dem man sagen kann, „Es gibt ein Leben nach
dem Euro“ - wenn wir die richtigen Maßnahmen ergreifen -, ist festzustellen:
Es gibt kein Leben mit dem Euro, wenn wir das nicht tun -
jedenfalls nicht mehr lange.
Der Euro bedeutet nämlich, daß in Europa nicht die Mitgliedstaaten das
Sagen haben, sondern die Finanzwelt, und wenn allein die Finanzwelt das Sagen
hat, dann wird nach und nach die gesamte wirtschaftliche Grundlage unserer
Existenz geopfert werden, um Spekulationsblasen zu erhalten, die nicht mehr zu
retten sind. Und ohne wirtschaftliche Grundlage können wir nicht weiter
existieren.
Die Vorgeschichte
Ich kann mich noch an eine Vortragsreise hier in Österreich erinnern, das
muß im Frühjahr 1994 gewesen sein, vor der Abstimmung über den EU-Beitritt, wo
wir bereits davor gewarnt haben, den EU-Mitgliedstaaten eine
Gemeinschaftswährung überzustülpen, weil dadurch alle Beteiligten
handlungsunfähig würden. Den Mitgliedstaaten wurden die Mittel genommen, etwas
zu tun, aber die EU kann es nicht allen recht machen: während die einen
niedrige Zinsen brauchen, brauchen die anderen hohe.
Der Euro war also von Anfang an eine Fehlkonstruktion, und das war auch
Absicht, wie man inzwischen z.B. aus Äußerungen von Jacques Attali weiß. Denn
man wollte eine Serie von Krisen, um den EU-Mitgliedstaaten unter dem
Druck dieser Krisen immer größere Zugeständnisse abzuzwingen und immer weitere
Befugnisse auf die EU zu übertragen - bis am Ende gar nichts mehr von der
Souveränität der Mitgliedstaaten übrig ist. Das nennt sich dann politische
Union.
Tatsächlich war das Hauptmotiv für die Schaffung des Euro, daß man in
London, Paris und Washington nach dem Mauerfall Angst hatte, daß Deutschland
zu stark würde. Der Euro sollte Deutschland schwächen, und das hat er auch
getan. Aus Deutschland flossen jährlich rund 200 Mrd. Euro ab, die in
Deutschland erwirtschaftet worden waren, aber dort nicht gewinnbringend
investiert werden konnten. Das Geld floß nach Spanien, Griechenland, Irland,
Luxemburg und in andere Staaten ab, aber es floß nicht in die reale
wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder. Statt dessen baute man damit
Luftschlösser und Finanzblasen.
Die globale Finanzblase
Und damit komme ich zu dem Punkt, warum ich sage, daß es schon sehr bald
kein Leben mit den Euro mehr geben kann. Ich will hier gar nicht
näher auf Details eingehen, denn ein großer Teil der Finanzwelt ist ja bewußt
so strukturiert, daß man nicht durchblickt; man kriegt so viele verschiedene
Papiere angeboten, die man gar nicht begreift und auch nicht begreifen soll,
daß man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht. Aber im Grunde ist es
sehr einfach. Verzichten wir auf die Details und schauen wir uns einmal nur
die Größenordnungen an (Abbildung 1).

Abbildung 1: Vergleich des weltweiten Volumens der Derivatwettgeschäfte mit
dem Weltwirtschaftsprodukt
Das Weltwirtschaftsprodukt liegt bei ungefähr 75 bis 80 Billionen Dollar,
also 80.000 Milliarden Dollar.
Nun, die Summe der weltweiten Finanzwettgeschäfte wird derzeit weltweit auf
ca. 1,4 Billiarden Dollar geschätzt - das sind 1400 Billionen oder 1,4
Millionen Milliarden, also das 17fache. Jeder Dollar, der in der
Weltwirtschaft an Mehrwert erzeugt wird, ist also bereits 17fach
verwettet.
Wenn bei diesen Wettgeschäften im Schnitt nur 3% Gewinn gemacht werden,
dann fließen auf diesem Weg rund 40 Billionen Dollar in die Finanzblase - das
ist die Hälfte der gesamten weltweiten Wirtschaftsleistung!
Man muß die Details dieser ungeheuren Vielfalt moderner Finanzinstrumente
gar nicht kennen und nicht begreifen, um zu sehen, daß dies ein Weg ist, der
in eine Sackgasse führt. Denn je mehr Mittel man der Wirtschaft auf diese
Weise entzieht, desto weniger bleibt übrig für den Konsum der Menschen und für
die Investitionen der Unternehmen - damit meine ich natürlich Investitionen in
Maschinen und Arbeitsplätze, nicht Investitionen in Finanzpapiere.
Bankenrettung durch den Bail-out
Kommt dieser Mittelabfluß aus der realen Wirtschaft in die Finanzblase zum
Stocken, dann kommt es zu Finanzkrisen. Das hatten wir seit 1987 immer wieder:
die Asienkrise 1997, das Platzen der IT-Blase 2001, dann die Finanzkrise ab
2008, und die nächste Krise steht auch schon wieder vor der Türe. Diese
Finanzkrisen wurden dann jeweils dazu benutzt, die betroffenen
Volkswirtschaften weiter umzubauen, um noch mehr Geld aus ihnen
herauszuholen.
Eine Methode, wie man das getan hat, war der sogenannte „Bail-out“. Das ist
eine andere Bezeichnung für das Stützen der Spekulationsblasen und die
Übernahme von Spekulationsschulden durch Regierungen und Zentralbanken. Die
Regierungen finanzieren die Stützungen aus Steuermitteln, also durch
Sparmaßnahmen, die Zentralbanken durch Gelddrucken. Beides zerstört die
Wirtschaft.
Irland z.B., ein Land mit vier Millionen Einwohnern, hat die Schulden der
Anglo-Irish Bank übernommen - mindestens 30 Milliarden Euro, bei einem
Staatshaushalt von 80 Mrd. Euro; die Staatsverschuldung stieg innerhalb von
vier Jahren von 25 auf 108 Mrd. Euro. Entsprechende Sparmaßnahmen waren die
Folge. Ähnlich lief es in Spanien, wo der Staat die Bankia-Bank gestützt
hat.
Eines der krassesten Beispiele ist Griechenland. Oh, man sagt uns,
Griechenland habe großzügige Hilfen erhalten. Aber wenn man es genauer
betrachtet, so hat man die Griechenlandkrise nur dazu benutzt, die Banken zu
stützen. Von den rund 250 Milliarden Euro, die Griechenland angeblich
„gegeben“ wurden, sind tatsächlich nur etwa 10 Milliarden wirklich im Land
angekommen, der Rest floß mehr oder weniger umgehend an die Banken weiter, vor
allem an Banken in Paris, Frankfurt, London und Luxemburg.
Man sagt uns, als Gegenleistung für diese Hilfen habe Europa Griechenland
großzügig 100 Milliarden Dollar an Schulden erlassen. Aber bevor man das tat,
setzten die Banken und die EU die griechische Regierung massiv unter Druck,
die griechischen Staatsanleihen zu stützen. Und wie hat die griechische
Regierung das getan? Sie verwendete die Rentenfonds staatlicher Einrichtungen
- z.B. von Universitäten -, um griechische Staatsanleihen aufzukaufen. Man
warf auch den staatlichen Gesundheitsfonds in die Bresche. Und die EZB setzte
zypriotische Banken unter Druck, die griechischen Staatspapiere zu stützen.
Und dann war man so großzügig, Griechenland genau diese Schulden zu
erlassen.
Die Folgen waren verheerend: Die griechische Regierung mußte sich zu
Massenentlassungen und Lohnsenkungen bei den Staatsbediensteten verpflichten.
Der Gesundheitsfonds stellte die Zahlungen an die Krankenhäuser und Apotheken
ein, deshalb konnten die Krankenhäuser und Apotheken keine Medikamente mehr
bezahlen und bekamen von den ausländischen Pharmakonzernen daher auch keine
Medikamente mehr geliefert. Der Lebensstandard der Bevölkerung insgesamt wurde
massiv gesenkt, es herrscht Massenarbeitslosigkeit - bei den jungen Menschen
unter 25 sind es rund 60%.
Als Fazit muß man sagen: Griechenland hat die europäischen Großbanken mit
250 Milliarden Euro gestützt und bezahlt dies mit seinen Arbeitsplätzen,
seiner Zukunft und sogar mit dem Leben von immer mehr Menschen, denn wenn man
keine Rente mehr hat und keine Medizin mehr bekommt, dann ist ein frühes Ende
abzusehen.
Zypern ist überall
Wie ich schon angedeutet habe, war Griechenland eine Art Dominostein,
Zypern war der nächste. Denn durch den Ausfall der griechischen Schulden
gerieten auch in Zypern die Banken in Schieflage. Und Zypern ist nun der
Präzedenzfall für den nächsten Schritt. Denn inzwischen ist klar, daß zur
Stützung der Finanzblase Summen notwendig sind, die die Leistungsfähigkeit der
Staaten bei weitem überschreiten. Deshalb soll nun nach dem „Bail-out“ der
sogenannte „Bail-in“ kommen.
Dabei tut man genau das, was man angeblich mit dem Bail-out verhindern
wollte: Da sagte man uns, die Regierungen müßten die Banken stützen, um die
Bankkunden zu schützen. Aber nun zieht man zieht die Guthaben von Bankkunden
dazu heran, die Spekulationsverluste auszugleichen. Im Fall von Zypern hat man
die beiden größten Banken des Landes, die durch die
Griechenland-Rettungsaktion in Schieflage geraten waren, in ein
Konkursverfahren gezwungen, bei dem ein erheblicher Teil der Bankguthaben über
100.000 Euro eingezogen wurde.
Nun, 100.000 Euro ist für einen kleinen Angestellten oder Arbeiter eine
Menge Geld, aber es ist für mittelständische Unternehmen nichts
außergewöhnliches, solche Summen auf den Geschäftskonten zu haben - man muß ja
jeden Monat Gehälter zahlen, man spart für Investitionen etc. Aber auch
Rentenfonds oder soziale Stiftungen brauchen natürlich erhebliche flüssige
Mittel, um jeden Monat ihre Leistungen erbringen zu können.
Und dann kamen in Zypern plötzlich die Banken und sagten, von allen
Kontobeständen, die über 100.000 hinausgehen, behalten wir 45% oder sogar 70%.
Damit kam die zypriotische Wirtschaft schlagartig zum Stillstand, denn viele
Firmen konnten plötzlich keine Löhne mehr bezahlen. Und so kamen dann auch die
Bankkunden mit Guthaben unter 100.000 Euro, die eigentlich geschützt sein
sollten, um ihre Ersparnisse, weil sie ohne Löhne und Renten ja nur von ihren
Ersparnissen leben können.
Wie der Bail-in funktioniert
Das Bail-in-Verfahren ist eine Art Insolvenzverfahren. Es wird ein
Konkursverwalter eingesetzt, der darüber entscheidet, welche Forderungen in
welcher Reihenfolge berücksichtigt werden. Der entscheidende Trick ist in
diesem Fall, daß auf EU-Ebene für die 28 Großbanken Europas, die als
„systemrelevant“ gelten, eine Sonderregelung eingeführt worden ist, wonach der
Konkursverwalter vor allen anderen Überlegungen auf die Erhaltung des
Finanzsystems zu achten hat. Das System ist aber die Finanzblase.
Das bedeutet: Wenn eine Bank pleite ist, dann werden als erstes die
Wettschulden gegenüber den systemrelevanten Banken beglichen, und alle anderen
müssen dann sehen, ob für sie noch etwas übrig ist. Wenn es aber darum geht,
die Konkursmasse zu errechnen, die dafür zur Verfügung steht, da wird
argumentiert, daß die Forderungen aus diesen Wettgeschäften nicht dazu
herangezogen werden können - weil, wie die Banken sagen, man ja gar nicht
weiß, welchen Wert sie bei ihrer Fälligkeit überhaupt haben werden. So sind
die Spekulanten beim Bail-in nach allen Seiten abgesichert. Jedenfalls meinen
sie das.
Aber wenn das ganze System zum Stillstand kommt, dann sind auch deren
Papiere nichts mehr wert. Und im Fall der Fälle wird nicht nur einer dieser
Bankgiganten bankrott sein, sondern die meisten. Und was hilft uns dann ein
Stützungsfonds der privaten Banken von 55 Mrd. Euro? Das ist so, als wollte
man die Durchfahrt durch ein Scheunentor mit einer Erbse blockieren.
Die typische Kollapsfunktion
Es ist klar, daß es nicht dabei bleiben wird. Denn der Geldbedarf der
Finanzblase ist größer als alles, was man durch Bail-outs und Bail-ins aus der
übrigen Wirtschaft herauspressen kann. Er wächst sogar weiter mit der
Finanzblase selbst, die ja durch das Gelddrucken der Zentralbanken und die
Zuflüsse aus der übrigen Wirtschaft weiter aufgebläht wird, während
gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, also das, was sich aus
einer Volkswirtschaft an Geldmitteln abschöpfen läßt, immer geringer wird. Die
Diskrepanz wird immer größer. Es entwickelt sich eine typische Kollapsfunktion
(Abbildung 2). Diese Grafik stammt vom Gründer unserer Organisation,
dem amerikanischen Ökonomen Lyndon LaRouche.

Abbildung 2: typische Kollapsfunktion
Wenn die reale Produktion (die blaue Kurve unten) immer weiter sinkt und
die Finanzblase immer weiter wächst (die rote Kurve), dann muß zum Ausgleich
immer mehr Geld gedruckt werden (die grüne Kurve). Wenn die Geldmenge dann
irgendwann schneller wächst als die Wertpapierblase, kommt es zum Kollaps.
Wichtig dabei ist, daß die Veränderung dieser Werte jeweils die Veränderung
der übrigen Werte beeinflußt und vorantreibt. Es sind nicht drei verschiedene
Kurven, sondern es ist ein einziger Kollapsprozeß, der sich in diesen Faktoren
zeigt.
Weil sich in den einzelnen Staaten natürlich immer mehr Widerstand gegen
diese Politik entwickelt, versucht man nun, die entsprechenden Befugnisse mit
Hilfe der „Bankenunion“ und des „einheitlichen Abwicklungsmechanismus’“ ganz
von den nationalen Regierungen auf EU-Bürokraten zu verlagern. Unter solchen
Bedingungen ist klar, daß das, was in Zypern geschehen ist, auch in allen
anderen EU-Staaten geschehen wird, solange wir daran festhalten, daß die
Erhaltung der Finanzblasen Priorität vor allem anderen hat.
Geld - oder Leben?
Das ganze System ist bankrott, und daran ändert sich nichts, wenn die
Zentralbanken Geld drucken, um die Banken auf dem Papier zahlungsfähig zu
halten. Je länger wir an dieser Fiktion festhalten, daß diese Schulden
irgendwie zurückbezahlt werden könnten, desto schlimmer wird die Lage werden.
Wir haben in vielen Ländern der Welt bereits den Punkt überschritten, an dem
die Stützung der Spekulanten bedeutet, daß dafür Menschenleben geopfert
werden.
Zu diesem Thema hat sich kürzlich Papst Franziskus geäußert, in seinem
Sendschreiben Evangelii gaudium. Darin schreibt er: „Ebenso wie das
Gebot ,du sollst nicht töten’ eine deutliche Grenze setzt, um den Wert des
menschlichen Lebens zu sichern, müssen wir heute ein ,Nein zu einer Wirtschaft
der Ausschließung und der Disparität der Einkommen’ sagen. Diese Wirtschaft
tötet.“
Da hat der Papst vollkommen recht: An diesem Punkt muß in jeder
zivilisierten Welt eine Grenze gezogen werden. Es geht nicht an, daß Schulden
Vorrang haben vor Menschenleben - vor allem, wenn es um das Leben von Menschen
geht, die nichts damit zu tun hatten, wie diese Schulden zustande gekommen
sind.
Kriegsgefahr
Ich will an dieser Stelle noch auf eine weitere Gefahr hinweisen: Um den
Kapitalzufluß in die Finanzblasen sicherzustellen, betreibt der Westen heute
eine Politik des Regimewechsels gegen jedes Land und jede Regierung, die nicht
bereit ist, sich plündern zu lassen, und auf dem Recht auf eigenständiger
wirtschaftlicher Entwicklung besteht.
Ein einschlägiges Beispiel hierfür ist die Ukraine: Wenn die Ukraine die
Forderungen erfüllt hätte, die die EU für den Fall einer Assoziierung der
Ukraine an die EU stellt, wäre ihre vor allem auf Rußland ausgerichtete
produzierende Wirtschaft ruiniert worden. Statt dessen flog der ukrainische
Präsident nach China und Moskau, um dort umfangreiche Wirtschaftsabkommen zu
schließen und die Ukraine an die Aufbaudynamik, die wir derzeit insbesondere
im Fernen Osten sehen, anzukoppeln. Und der Westen reagierte, indem er
Massendemonstrationen gegen die ukrainische Regierung inszenierte.
Rußland und China bieten nicht nur der Ukraine an, sich an den dortigen
Aufbau anzuhängen, sondern allen europäischen Staaten - und sogar den USA.
Aber anstatt auf dieses Angebot einzugehen, verfolgt der Westen eine Politik
der Einschüchterung. Je mehr es bergab geht mit dem westlichen Finanzsystem,
desto verzweifelter werden diese Versuche, und dies kann dann sehr leicht zu
Fehleinschätzungen und Konfrontationen führen; Rußland und China sind jedoch
Atommächte - Sie sehen, wie gefährlich es ist, diesen Kurs
weiterzuverfolgen.
Die Lösung
Und damit komme ich endlich zum eigentlichen Thema meines heutigen
Vortrages: Es gibt ein Leben nach dem Euro - wenn wir die richtigen
Maßnahmen ergreifen.
Das hat zwei Aspekte: Zum einen, was sind diese Maßnahmen, die uns dieses
Leben nach dem Euro und ohne den Euro ermöglichen? Und zweitens, und das ist
nicht minder wichtig: Wie können wir diese Maßnahmen politisch
durchsetzen?
Nun, der Anfang jeder finanziellen Sanierung ist, daß man sich eingesteht,
daß die Schulden nicht bezahlt werden können und daß der größte Teil der
sogenannten „Wertpapiere“ schlicht und einfach wertlos ist. Mehr als 90% der
Blase sind nicht durch reale Werte gedeckt.
Wir brauchen also tatsächlich ein Konkursverfahren, aber ein anderes, als
es sich die Banken wünschen: Das entscheidende Kriterium muß die Erhaltung und
der Schutz des Gemeinwohls sein. Und dazu müssen in einem Konkursverfahren
nicht die spekulativen Papiere erhalten bleiben, sondern nur jene Teile der
Banken, die für den Fortbestand der Volkswirtschaft und der Bevölkerung
notwendig sind, d.h., die Guthaben der Bankkunden, das normale Kreditgeschäft
etc.
Es gibt ein Vorbild dafür, wie man das machen kann, und das ist das
amerikanische Bankengesetz, das 1933 von Präsident Franklin Delano Roosevelt
durchgesetzt wurde, man nennt es auch das Glass-Steagall-Gesetz. Und das
besagt einfach: Jede Bank muß sich entscheiden, ob sie sich mit den normalen
Kunden- und Kreditgeschäften einer Geschäftsbank befassen will, oder mit den
Wertpapiergeschäften einer Investmentbank. Sie darf künftig nur noch eines
davon tun, aber nicht beides.
Das bedeutet, daß die Bankenwelt in zwei vollkommen eigenständige Teile
getrennt wird, die nicht einmal mehr Kreditbeziehungen untereinander haben
dürfen. Alle Wertpapiergeschäfte werden aus den Geschäftsbanken herausgenommen
und in eigene Institute ausgelagert oder an andere Investmentbanken abgegeben,
und die Investmentbanken müssen umgekehrt das gleiche mit den Kundengeld- und
Kreditabteilungen machen.
Der Staat stellt dann nur die Geschäftsbanken unter seinen Schutz, denen
zukünftig sämtliche Wertpapier- und Spekulationsgeschäfte untersagt sind, so
daß er dabei auch kein übermäßiges Risiko für den Steuerzahler eingeht. Die
Investmentbanken hingegen müssen sehen, wie sie mit ihren Wettschulden
fertigwerden - ohne staatlichen Schutz. Ein großer Teil dieser
Spekulationsbanken wird dann in die Insolvenz gehen und wahrscheinlich
liquidiert werden. Das ist auch nicht weiter schlimm; im Gegenteil: Die
Beseitigung dieser Finanzblase wird der übrigen Wirtschaft eine ungeheure Last
abnehmen.
Diese Lösung hat aber noch eine andere Wirkung, denn wenn die
Geschäftsbanken das Geld ihrer Kunden nicht in die Spekulationsblase lenken
dürfen, dann können sie es nur noch in die realen Bereiche der Wirtschaft
lenken - dorthin, wo wir es brauchen, um all das wieder aufzubauen, was in den
letzten Jahrzehnten zerstört worden ist.
Karte: EIR
Abbildung 3: Die Projekte des Programms für ein Wirtschaftswunder für
Südeuropa, den Mittelmeerraum und Nordafrika
Und da gibt es sehr vieles zu tun, auch und gerade in den Staaten, in denen
die Krise jetzt aufgrund der bisherigen Politik besonders groß ist: Südeuropa,
Osteuropa, Nordafrika. Auf Initiative des Schiller-Instituts wurde deshalb ein
Plan ausgearbeitet, das „Programm für ein Wirtschaftswunder in Südeuropa, dem
Mittelmeerraum und Nordafrika“. Der wesentliche Punkt dabei ist, mit den
wirtschaftspolitischen Methoden des deutschen Wirtschaftswunders der
Nachkriegszeit der physischen Wirtschaft der genannten Länder so schnell wie
möglich auf die Beine zu helfen (Abbildung 3).
Ausgangspunkt hierfür sind Projekte, die eigentlich schon längst
verwirklicht sein sollten: die Projekte des Transeuropäischen Netzes, die
schon 1992 bei der Verkehrsministerkonferenz der EU auf Kreta beschlossen
wurden, aber zum größten Teil „liegengeblieben“ sind, beispielsweise, weil
ihre Realisierung gegen die „Maastricht-Kriterien“ verstoßen hätte.
Das waren Sparmaßnahmen an der falschen Stelle, denn solche Projekte sind
keine Ausgaben, sondern Investitionen. Wer nichts investiert, kann auch kein
Geld verdienen; man verbraucht dann nur, was man hat, bis nichts mehr übrig
ist. Genau das aber haben wir getan.
Die Verwirklichung dieser Projekte hat mehrere Ziele. Zum einen will man in
diesen Ländern eine moderne Infrastruktur aufbauen, damit dort eine moderne,
produktive Wirtschaft errichtet werden kann. Dies dient außerdem dazu, viele
Menschen, vor allem junge Menschen, in Arbeit und Brot zu bringen, und dazu,
den jungen Menschen Ausbildungsmöglichkeiten zu verschaffen. Das Ziel ist es,
den Griechen Arbeit in Griechenland zu geben, den Bulgaren Arbeit in
Bulgarien, den Tunesiern Arbeit in Tunesien, den Türken Arbeit in der Türkei.
Ein solches Programm wird natürlich auch eine gewaltige Nachfrage nach
Kapitalgütern schaffen - Anlagen, Maschinen und Ausrüstungen für
Infrastrukturanlagen und Industriebetriebe. Und wir werden feststellen, daß es
genau das ist, was wir hier im hochentwickelten Mitteleuropa brauchen, um
wieder auf die Beine zu kommen. Davon würde sicher nicht nur das Ruhrgebiet
oder Baden-Württemberg profitieren, sondern auch die österreichische Industrie
in Wien und Graz und Linz.
Europa muß seine Unabhängigkeit von der EU erklären
Aber diese Lösung bleibt eine Utopie, solange Europa weiter unter dem
Diktat von Brüssel und dem Euro steht. Denn wir haben es bei der EU heute
nicht mehr mit einem Bündnis von Nationen zu tun, die sich im gemeinsamen
Interesse gegenseitig in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung unterstützen,
sondern mit einer imperialen Struktur, die daran arbeitet, die verschiedenen
Teile des Imperiums zugunsten der Zentralgewalt zu schwächen.
Ein Aspekt ist, daß man diese verschiedenen Teile gegeneinander ausspielt.
Uns Deutschen erzählt man viel von faulen Griechen, die keine Steuern zahlen
wollen, und den Griechen erzählt man von den bösen Deutschen, die das Land
schon einmal besetzt und geplündert haben. Man macht Stimmung gegen Bulgaren
und Rumänen, und verschweigt uns, daß die Industrieproduktion in den
osteuropäischen Ländern seit deren Beitritt zur EU genauso heruntergefahren
und demontiert wurde, wie man es nach dem Mauerfall in den neuen deutschen
Bundesländern getan hat. Drei Viertel der polnischen Kohlearbeiter wurden
entlassen, und in den letzten 20 Jahren sind zwei von neun Millionen Bulgaren
aus ihrer Heimat ausgewandert.
Nun, wenn man es mit einem Imperium zu tun hat, das versucht, uns
gegeneinander auszuspielen, dann ist es das beste, man schließt sich gegen
dieses Imperium zusammen.
Deshalb habe ich ganz bewußt etwas genauer aufgezeigt, wie es zur
griechischen Schuldenkrise gekommen ist. Wir müssen die berechtigten
Interessen der anderen Völker Europas und der Welt sehen und anerkennen, und
wir müssen sehen, wie wir unsere Interessen mit denen der anderen auf einen
Nenner bringen können. Und die gute Nachricht ist, wie ich eben aufgezeigt
habe, daß es tatsächlich große Lösungen gibt, die im gemeinsamen Interesse
aller Völker Europas liegen. Im Fall einer solchen Wende dürfen wir auch
getrost damit rechnen, daß uns Rußland und China die Hand zu einem
gesamteurasischen Wirtschaftswunder reichen werden.
Was wir dazu brauchen, ist eine Unabhängigkeitserklärung der gefangenen
Nationen Europas vom europäischen Imperium und ein Zusammenschluß der Völker
Europas gegen diese Diktatur der Banken - so ähnlich, wie vor 240 Jahren die
amerikanischen Kolonien ihre Unabhängigkeit vom Britischen Empire erklärt
haben, die sie aber nur gemeinsam durchsetzen konnten.
Anders als in Amerika haben wir es hier in Europa mit vielen verschiedenen
Ländern zu tun - mit verschiedenen Kulturen, mit verschiedenen Stufen der
wirtschaftlichen Entwicklung. Was wissen wir über die besonderen Probleme und
Eigenheiten der Griechen, der Spanier, der Iren oder Polen? Es ist daher für
alle Beteiligten besser, diesen Ländern ihre volle Souveränität und alle
Gestaltungsmöglichkeiten zurückzugeben, wozu auch die Rückkehr zu nationalen
Währungen gehört.
Auf europäischer Ebene sollten wir bloß jene Dinge regeln, die ihrer Natur
nach europaweit koordiniert werden sollten, wie beispielsweise
grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte wie die der Transeuropäischen
Netze, und ein Kreditsystem zur Finanzierung von Projekten, die als Teil des
gesamteuropäischen Aufbaus notwendig sind, aber über die momentane
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der beteiligten Länder hinausgehen, oder
Zukunftsaufgaben wie die Entwicklung der Kernfusion als Energie- und
Rohstoffquelle, oder der Raumfahrt.
Wenn wir das tun, dann bin ich mir sicher, daß es ein Leben nach dem Euro
gibt. Tun wir es nicht, bin ich mir ebenso sicher, daß es kein Leben nach dem
Euro geben wird, weil die schrittweise Demontage der produktiven Wirtschaft
zur Erhaltung finanzieller Luftblasen uns allen die Lebensgrundlage
entzieht.
Vielen Dank.
|