Helga Zepp-LaRouche in New York:
Wir müssen den Kurs der USA und Europas ändern!
Helga Zepp-LaRouche, die Vorsitzende der Bürgerrechtsbewegung
Solidarität und des internationalen Schiller-Instituts, eröffnete am 17.
Januar eine Konferenz des Instituts in der Riverside Church in New York City
mit dem folgenden Überblick über die derzeitige Weltlage.
Ich bin hier, um über eine großartige Vision einer Welt ohne Krieg und
Terrorismus zu sprechen.
Nun, das klingt an diesem Zeitpunkt, da wir am Rande des Dritten Weltkriegs
stehen, wie eine recht unwahrscheinliche Vorstellung. Selbst Gorbatschow hat
das kürzlich sehr klar ausgesprochen, und auch viele andere sehen die Gefahr.
Und die Welt wird derzeit von einer Welle des Terrorismus zerrissen, bei der
es auch nicht einfach ist, sich vorzustellen, wie wir uns aus dieser
barbarischen Tendenz wieder befreien können.
Aber wir können es schaffen. Das Potential, die Welt wieder in Ordnung zu
bringen, existiert. Es existiert in Form des Beginns einer neuen
Weltwirtschaftsordnung, die seit anderthalb Jahren von den BRICS-Staaten, den
CELAC-Staaten in Lateinamerika und einigen asiatischen und afrikanischen
Ländern aufgebaut wird. Aber damit diese Vision wirklich zu einer
realistischen Perspektive für die Zukunft werden kann, ist es absolut
unverzichtbar, daß wir den Kurs insbesondere der Vereinigten Staaten und
Europas ändern.
Denn dies geht nur, wenn sich die Vereinigten Staaten den BRICS-Ländern
anschließen und China, Indien und die übrigen BRICS-Nationen nicht als
geopolitische Bedrohung ihrer oder unserer geopolitischen Interessen
betrachten. Es muß absolut klar sein, daß Krieg im Zeitalter thermonuklearer
Waffen kein Mittel zur Lösung von Konflikten mehr sein kann - es sei denn, man
will Selbstmord verüben.
Krieg und Terrorismus sind die beiden bösen Zwillinge unserer Zeit, die
sich in einer inzestuösen Verbindung fortpflanzen. Es gibt Terrorismus. Dann
gibt es den Krieg gegen den Terrorismus, der weitere Terroristen erzeugt, was
wiederum die Notwendigkeit weiterer Kriege schafft. Dann haben wir noch mehr
Terrorismus - und so geht es weiter, bis ein Dritter Weltkrieg droht.
Man sollte verstehen, daß Krieg und Terrorismus - wahrscheinlich schon
immer, aber speziell in unserer jetzigen Zeit - Werkzeuge eines imperialen
Systems sind, das den Abstand zwischen arm und reich in einer völlig
wahnsinnigen, perversen Art und Weise vergrößert hat; ein System, das eine
Lage geschaffen hat, in der die reichsten Menschen - 85 Personen - genausoviel
besitzen wie die ärmere Hälfte der Menschheit - 3,5 Milliarden Menschen.
Papst Franziskus nannte dieses System ein System, das tötet, und er
fordert, daß man das fünfte Gebot - „Du sollst nicht töten“ - auf dieses
System anwendet. Und hier in Manhattan, an der Wall Street, haben wir in
gewissermaßen das Hauptquartier dieses Systems - zusammen mit der Londoner
City.
Aber hier war auch der Beginn der amerikanischen Republik und der
amerikanischen Verfassung, die Alexander Hamilton verkörperte, und der Idee,
daß die souveräne Regierung das Recht hat, für das Gemeinwohl ihren eigenen
Kredit zu schöpfen, und daß dieser ausschließlich dem Wohl der Nation zu
dienen hat.
New York war der Beginn der Republik der Vereinigten Staaten und ihrer
Institutionen, und die Wall Street war von Anfang an der Feind dieses
amerikanischen Modells. Sie war schon immer der Brückenkopf für die Subversion
durch das Britische Empire - die ganze Zeit über. Sie finanzierte stets die
falschen Leute, darunter auch die Konföderation [der Südstaaten] im
amerikanischen Bürgerkrieg.
Sie war also verbunden mit der Idee, die Amerikanische Revolution
rückgängig zu machen und die amerikanischen Kolonien wieder unter die
Herrschaft des Britischen Empires zurückzuführen, und heute laufen die Feinde
der Idee Amerikas als Republik Amok. Einige von ihnen haben gerade ein Lunch
oder Dinner mit dem Vertreter des Britischen Empires, der gerade die
Vereinigten Staaten besucht, nämlich Tony Blair.
Das Schicksal der Welt wird davon abhängen, welche dieser beiden
Traditionen sich durchsetzt. Und wir haben uns heute hier versammelt, um von
dieser Konferenz aus einen Prozeß in Gang zu setzen, um Amerika wieder zu
einer Republik zu machen und die Politik von Alexander Hamilton und John
Quincy Adams umzusetzen, damit die Vereinigten Staaten wieder eine Republik
werden, in einem Bündnis mit anderen, vollkommen souveränen Republiken.
Die Wall Street steht vor dem Zusammenbruch
Die gute Nachricht bei alledem ist, daß die Wall Street vor dem
Zusammenbruch steht. Und die noch bessere Nachricht ist, daß es bereits eine
Alternative zu diesem System gibt. Aber die Banken der Wall Street und auch in
der Eurozone, die „zu groß zum Scheitern“ („too big to fail“) sind, stehen vor
dem Zusammenbruch.
Am Donnerstag dieser Woche gab die Schweizerische Nationalbank ihre Bindung
an den Euro auf, und zwar deshalb, weil diese nicht mehr aufrecht zu halten
war, nachdem die Schweiz bereits Hunderte Milliarden Franken eingesetzt hatte,
um eine Aufwertung des Schweizer Franken zu verhindern, und sie erwartete, daß
in der kommenden Woche sehr stürmische Dinge bevorstehen. Und deshalb zog die
Schweiz sozusagen die Notbremse und beschloß, die Parität aufzugeben.
Am Donnerstag der kommenden Woche - und das ist eine der Schweizer
Befürchtungen - wird die Europäische Zentralbank sehr wahrscheinlich eine
gigantische „quantitative Lockerung“ beschließen und uneingeschränkt
Staatsanleihen aufkaufen. Sie wird tun, was Mario Draghi schon vor zwei Jahren
angekündigt hatte, als der Euro in großen Schwierigkeiten war: Er sagte, er
werde alles tun, um den Euro zu retten. Und „alles“ bedeutet,
unbegrenzt Geld zu drucken.
Am 25. [Januar] finden die griechischen Wahlen statt, und alles deutet
darauf hin, daß die Oppositionsparteien - SYRIZA und die Unabhängigen Griechen
- die Mehrheit gewinnen werden. Und sie haben bereits angekündigt, daß sie in
diesem Fall das Memorandum der Troika aufkündigen werden: das Memorandum, das
der griechischen Bevölkerung unvorstellbare Leiden auferlegt hat - Austerität,
höhere Selbstmordrate, höhere Sterberate. Und dagegen gibt es jetzt einen
Volksaufstand in Griechenland.
Wenn die Oppositionsparteien gewinnen, dann wird das wahrscheinlich der
Anfang vom Ende des Euro sein, denn wenn die EU-Kommission den Forderungen von
SYRIZA nachgibt und die Austerität aufgibt, dann wird sich dies wie ein
Buschfeuer nach Italien, Spanien, Portugal, Frankreich und wahrscheinlich
viele andere Länder ausbreiten. Aber wenn sie das nicht tun, dann wird das
Ultimatum wahrscheinlich bedeuten, daß Griechenland aus der Eurozone austritt,
und auch das wird sich wie ein Buschfeuer ausbreiten.
Nun, die Wall Street steht nicht besser da, denn die
Too-big-to-fail-Banken, die schon zuvor in einer verzweifelten Lage waren,
haben spekuliert und in Schiefergas und -öl investiert und dabei etwa eine
Billion Dollar an Schulden aufgehäuft, die bei einem Ölpreis von 80, 100 oder
120 Dollar zurückgezahlt werden sollten - aber nicht bei 45 Dollar, wo er im
Moment steht. Und dazu haben sie noch etwa 20 Billionen Dollar an ausstehenden
Derivatkontrakten unterschiedlichster Art angehäuft.
Das hat eine ähnliche Lage geschaffen wie bei der Krise der nachrangigen
Hypotheken 2007, wo aufgrund des Zusammenbruchs der Eigenheimpreise viele
Menschen auf Hypotheken sitzen blieben, die höher waren als der Wert ihrer
Häuser, und das führte dann zum Zusammenbruch des sekundären Immobilienmarkts,
der wiederum zum Kollaps von Lehman Brothers und fast zum Untergang des
Systems führte.
Das bedeutet, daß das transatlantische Finanzsystem vor dem Untergang
steht. Und angesichts der Tatsache, daß das System etwa zwei Billiarden Dollar
an ausstehenden Derivaten hat, ist es völlig ausgeschlossen, daß dieses Geld
zurückgezahlt werden kann - weder durch einen Bail-out noch durch einen
Bail-in. Und das ist der Grund, warum wir vor dem Dritten Weltkrieg
stehen.
Die Kriegsgefahr
Denn der Kollaps des transatlantischen Systems ist die eigentliche Ursache
der Kriegsgefahr. Der Zünder ist offensichtlich die Krise in der Ukraine, aber
in Wahrheit haben wir es mit einer geopolitischen Konfrontation gegen Rußland
und China zu tun. Und wenn Gorbatschow, der im Westen sehr beliebt ist, aber
nicht in Rußland, jetzt in einer dramatischen Änderung seiner Ansichten Putin
verteidigt und warnt, wenn es zu einem Krieg um die Ukraine käme, würde das zu
einem großen Krieg führen, in dem auch atomare Waffen eingesetzt würden, und
daß dies dann zur Auslöschung der Zivilisation führen würde, dann kann ich nur
sagen, daß das absolut richtig ist.
Derzeit erleben wir eine Aufstellung des US-Militärs und der NATO, die auf
einer Erstschlagsdoktrin beruht. Sie haben die NATO nach Osten ausgeweitet und
Rußland eingekreist. Die Vereinigten Staaten haben eine Doktrin des
„sofortigen globalen Schlages“ angenommen, und das ist eine
Erstschlagsdoktrin. Das globale Raketenabwehrsystem der USA ist ein
Erstschlagssystem. Und die Vereinigten Staaten sind dabei, zu dem gleichen
Zweck ihr gesamtes Kernwaffenarsenal zu modernisieren...
Rußland bildet sich diese Bedrohung nicht ein, sie ist sehr real. Deshalb
hat Rußland über die Weihnachtstage reagiert und eine neue russische
Militärdoktrin eingeführt, in der sie sagen, daß sie sich ihrerseits das Recht
vorbehalten, Kernwaffen einzusetzen, um sich gegen einen Erstschlag der USA zu
verteidigen. Sie investieren in neue U-Boote. Sie stationieren
Interkontinentalraketen auf Zügen, damit sie keine einfachen Ziele sind. Auch
sie modernisieren ihre nuklearen Kapazitäten und ihre
Zielerfassungssysteme.
Die Dezemberausgabe des Magazins The Nation enthielt einen
Artikel von Prof. Theodore Postol, in dem er mit vielen Details die
Erstschlagsposition der Vereinigten Staaten beschreibt. Und er sagt, es sei
ein fundamentaler Fehler der Leute, die dies zu verantworten haben,
anzunehmen, daß es möglich sei, den Zweitschlag eines Gegners zu
neutralisieren. Denn es bestehe ein grundsätzlicher Unterschied zwischen einem
konventionellen Krieg, in dem man soviel wie möglich vom Gegner zerstört, bis
der Gegner besiegt ist, während das in einem nuklearen Krieg nicht geht. Und
er rechnet dann im einzelnen vor, warum die Russen in jedem Falle sechs
Minuten haben, um ihre Kapazitäten zu starten, sobald sie angegriffen werden.
Und das bedeutet die Auslöschung.
(Frau Zepp-LaRouche gab dann einen historischen Überblick darüber, wie sich
diese Lage im Verlauf der letzten 70 Jahre entwickelte, bis zu den jüngsten
Anschlägen in Paris, und über die Initiativen der BRICS-Staaten, insbesondere
der chinesischen Initiativen des Wirtschaftsgürtels der Seidenstraße und der
Maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts als Ausweg aus der Krise. Sie
schloß ihre Rede mit einem Appell an die Amerikaner und speziell an die
Menschen in New York:)
Deshalb müssen die Vereinigten Staaten nun mit den BRICS-Staaten
zusammenarbeiten, mit Rußland, China, Indien, Iran und Ägypten, um
Südwestasien als Verlängerung der Neuen Seidenstraße zu entwickeln. Das ist
ein Programm, das wir schon 2012 ausführlich dargelegt haben, mit konkreten
Projekten - Wasserregulierung, Begrünung der Wüsten, Aufbau neuer
Infrastruktur, Aufbau neuer Städte, dort wo jetzt Hunger und Tod herrschen -,
was die Armut und damit auch die Brutstätten für den Terrorismus beseitigen
würde.
Ich denke aufgrund meiner Erfahrungen, daß die Menschen in den Vereinigten
Staaten dazu tendieren, das Ausmaß des Antiamerikanismus in aller Welt nach
drei Bush-Administrationen und sechs Jahren Obama vollkommen zu unterschätzen.
Kriege, die auf Lügen beruhten, forderten viele Millionen Menschen das Leben
oder haben ihr Leben zerstört. Ich erwähnte den Fall des Irak - die Kriege und
das Embargo -, aber denken Sie nur an die Lage in Syrien, in Libyen, in
Afghanistan, wo so viele Menschen getötet und traumatisiert wurden, wo so
viele Soldaten - amerikanische Soldaten und andere - getötet, verletzt,
traumatisiert und für den Rest ihres Lebens zerstört wurden. Und natürlich
auch die Angehörigen der Opfer des 11. September.
Um diese gewaltigen Leiden so vieler Menschen zu überwinden - ein solches
millionenfaches Verbrechen, Kriegsverbrechen -, brauchen wir wirklich ein
größeres, außerordentliches Gutes, um es an seine Stelle zu setzen.
Die Voraussetzung dafür ist, die Kasinowirtschaft der Wall Street zu
beenden, sofort das Glass-Steagall-Trennbankengesetz wieder im Kraft zu
setzen, eine Hamiltonische Nationalbank einzuführen, die unbezahlbaren
Derivate und toxischen Schulden zu beseitigen und die verbleibenden Schulden
in einer Nationalbank als Grundlage eines neuen Kreditsystems zu
reorganisieren - genau so, wie es Hamilton getan hat. Und deshalb muß New
York, in der Tradition Hamiltons, wieder zum Ausgangspunkt für die
Wiederherstellung der Vereinigten Staaten als Republik werden.
Nun, die New Yorker sind in aller Welt dafür berühmt, daß New York die
geistige Hauptstadt der Vereinigten Staaten ist. Und diese Stadt ist ein
wirklicher Schmelztiegel, in dem es Vertreter fast aller Nationen auf diesem
Planeten gibt. Und jeder von ihnen leistet einen ganz speziellen Beitrag zu
der ganz besonderen Idee von New York, und deshalb ist New York ein Synonym
für eine geeinte Menschheit.
Die New Yorker sind stolz darauf, intelligenter, nachdenklicher und
kreativer zu sein als die meisten Amerikaner, und deshalb denke ich, daß dies
die besten Voraussetzungen sind, um von hier aus eine nationale Bewegung in
Gang zu setzen, um eine Neue Ära der Zivilisation einzuleiten und die
bestialische Ära der Kriege und des Terrorismus für immer zu beenden. Lassen
Sie mich deshalb in diesen guten Geist John F. Kennedys in seiner berühmten
Rede sagen: Ich bin ein New Yorker.
|