„Wirtschaft beruht auf unserer Fähigkeit, Neues zu entdecken“
Von Jason Ross
Bei der New Yorker Konferenz des Schiller-Instituts gab Jason
Ross einen Überblick über die positiven Aussichten für die Weltwirtschaft, die
sich durch die Initiativen der BRICS-Staaten bieten. Wir geben seine Rede hier
leicht gekürzt wieder.
(...) Lassen Sie mich zunächst kurz zusammenfassen, worüber ich hier reden
werde. Der Hauptpunkt ist die Frage: Was ist Wirtschaft? Dann will ich noch
zwei andere Dinge ansprechen. Diese beiden Punkte sind die Kernfusion und die
Durchbrüche in der Wissenschaft, die wir machen werden, wenn wir uns
entscheiden, das anzupacken.
Früher, jedenfalls in gewissen Zeiten, war Fortschritt normal. Früher sagte
man, in Amerika ist es völlig normal, daß es jeder Generation besser geht als
der Generation davor. Das ist heute nicht mehr der Fall. Die meisten
Amerikaner glauben das nicht mehr, Umfragen zeigen das. Sie machen sich
Sorgen, daß es ihren Kindern nicht mehr so gut gehen wird wie ihnen selbst.
Warum hat sich das geändert?
Man hatte es als völlig normal angesehen, daß es uns besser gehen wird, daß
alles immer besser wird, daß wir uns weiterentwickeln. Schauen wir uns einmal
an, wie wir strategische Sicherheit auf der Welt schaffen können. Jeff
[Jeffrey Steinberg] hat über die 28 Seiten gesprochen - daß man den
Terrorismus an seiner Wurzel packen muß, daß man seine Finanzierung nicht
übersehen und übergehen darf, daß man die 28 Seiten ansehen muß und etwas
gegen Saudi-Arabien tun muß. Das ist der einzige Weg, wie man dauerhafte
Sicherheit in dieser Hinsicht schaffen kann. [Siehe den Leitartikel in Neue
Solidarität 3/15.] Und Frau Zepp-LaRouche hat oft über Xi Jinpings
Verständnis gesprochen, daß Sicherheit keine lokale Angelegenheit ist - daß
wir in dieser Welt entweder globale Sicherheit haben oder gar keine. Es ist
nicht möglich, daß in einem Land Sicherheit und Wohlstand herrschen, wenn man
zuläßt, daß gleichzeitig anderswo Terroristen und Kleinkriege im Dienste
verschiedener Interessen Amok laufen. Wir brauchen eine globale
Sicherheitsordnung.
Ich möchte darüber sprechen, warum diese globale Sicherheitsordnung, wenn
man es volkswirtschaftlich betrachtet, auch auf Wissenschaft als Mittel der
Zusammenarbeit zwischen den Nationen beruhen muß. Wie Sie wissen, ist
Entwicklung nicht bloß etwas, wonach wir uns sehnen, wonach unser Geist
strebt. Sie ist die Grundlage dafür, warum wir eine Wirtschaft haben und Tiere
nicht. Vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, daß Tiere keine Wirtschaft
haben. Es gibt keine Banken für Eichhörnchen, kein Internationales
Tauben-Institut veröffentlicht Inflationsdaten, und es gibt auch keine
Nashörner, die ihren Produktionsausstoß berechnen. Das gibt es nicht.
Nehmen wir ein Beispiel: Wenn wir eine Zeitmaschine hätten und 5000 Jahre
in die Vergangenheit zurückkehren könnten, dann wären wir in einer ganz
anderen Welt als heute.
Man könnte auch fragen, was man in jener Welt tun könnte. Hätten Sie irgend
etwas anzubieten, was dort helfen könnte? Ich glaube nicht, daß man den Leuten
dort mit iPhones helfen würde, denn es gab sie dort nicht. Könnten Sie den
Menschen helfen, zu entdecken, wie man aus Steinen Metall macht? Könnten Sie
den Menschen helfen, nach den Sternen zu navigieren? Könnten Sie helfen, die
Landwirtschaft zu entwickeln? Könnten Sie einen Kanal entwerfen?
Oder stellen Sie sich einen Menschen vor, der vor 5000 Jahren gelebt hat
und den Sie in die heutige Welt bringen. Das ist eine völlig andere Welt, ganz
offensichtlich.
Aber wenn Sie in dieser Zeitmaschine ein Känguruh, einen Kolibri oder eine
Mücke mitnähmen, dann kämen die sehr gut zurecht. Känguruhs leben heute nicht
anders als vor 5000 Jahren. Kolibris? Nicht anders, es macht keinen
Unterschied, sie sind zeitlos. Die Zeit ist etwas, was nur für uns existiert,
für uns Menschen. Wir sind eine Gattung, für die Zeit in diesem Sinn eine
Bedeutung hat. Für Tiere existiert sie nicht. Sie haben zwar eine Generation
nach der anderen, aber sie sind alle gleich.
Wirtschaft beruht auf unserer Fähigkeit, Geschichte zu gestalten, Neues zu
entdecken, herauszufinden, wie das Universum funktioniert, und unser Verhalten
zu ändern, indem wir dieses Wissen nutzen, um anders zu leben.
Vor 5000 Jahren haben Menschen zum erstenmal Steine in Metall verwandelt.
Dieser grüne Stein wird Malachit genannt, und man kann daraus Kupfer machen.
Man kann Zinn hinzufügen und erhält Bronze. Das waren keine Schweine, die das
entdeckten, es waren Menschen. Daraus entstand eine neue Ära in der
Geschichte. Oder denken Sie an die Landwirtschaft, denken Sie an die Erfindung
des Säens, so daß man wußte, wo man in Zukunft Nahrung finden würde. Tun das
Tiere? Sie laufen nur herum in der Hoffnung, etwas zu finden.

Abb. 1: Der Mensch hat die Weiterentwicklung der Biosphäre durch
Kultivierung vorangetrieben - so wurde z.B. aus der „wilden“, strauchartigen
Teosinte (links) unser heutiger Mais (rechts).
Hier (Abbildung 1) sehen Sie die Entwicklung des Mais. Auf der
linken Seite sehen Sie, wie der Mais aussah, bevor die Landwirtschaft ihn in
die moderne Form verwandelte, die wir heute kennen. Wir entwickeln neue
Lebensformen. Und das war schon lange vor Monsanto oder der Gentechnik. Das
ist eine genetische Modifikation durch Zucht, durch Entwicklung besserer
Pflanzen, durch Züchtung neuer Obstsorten, beispielsweise durch das Bepfropfen
von Bäumen.
Oder nehmen Sie andere Kenntnisse, die wir entwickelt haben - die
Astronomie, die Navigation, die Verwendung von Magneten, von Natur aus
magnetischen Steinen, die man als Kompaß verwenden konnte. Wie hat das unsere
Beziehung zum gesamten Globus verändert? Wie hat Eratosthenes herausgefunden,
wie groß die Erde ist? Wie hat das unsere Beziehung zu ihr verändert? Was ist
mit der Entwicklung des Wasserbaus, der Kanäle, Wasserstraßen,
Bewässerungssysteme? Dem ersten Bau einer Schleuse, um an Stromschnellen
vorbei einen Fluß hinaufzufahren, oder eines Damms, um Überschwemmungen zu
verhindern und die Wasserhöhe zu regulieren? Oder einer Mühle, die diesen
Wasserstrom nutzt, um menschliche Arbeit oder die Arbeit von Ochsen oder
Pferden, die etwas ziehen, einzusparen.
Oder Windmühlen: Windmühlen waren eine großartige Entdeckung - vor vielen
Jahrhunderten! Heute sind sie es nicht mehr. Aber als sie ursprünglich
erfunden wurden, war das ein großer Durchbruch. Man konnte sie verwenden, um
Mühlen zu betreiben, um Wasser zu pumpen und ins Meer zurückzuleiten, wie in
den Niederlanden.
Wer sind wir?
Was ist mit der Renaissance? Das erstaunlich schöne Bild der schönen
menschlichen Gattung, wie wir es in Florenz sehen, in den Werken der größten
Künstler, der größten Musiker? Die Entwicklung der Perspektive, der Schönheit,
der Musik, der Poesie: Das konnten wir nutzen, um zu steuern, zu feiern,
voranzubringen, wie wir uns selbst sehen - eine höhere Sicht dessen, was es
heißt, ein Mensch zu sein. Das hat ein jeder in seinem Kopf, egal ob er sich
dessen bewußt ist oder nicht. Was es bedeutet, ein Mitglied der menschlichen
Gattung zu sein. Das war in der Renaissance neben den wissenschaftlichen
Aspekten der eigentliche Durchbruch - daß man einen Weg entwickelt hat, sich
explizit und in einer erhebenden und wahrhaftigeren Art und Weise mit der
Frage zu befassen: Wer sind wir, was sind Menschen?
Was ist mit der Entwicklung der Nationalstaaten? Was ist mit Johanna von
Orleans, der Gründung Frankreichs durch Ludwig XI., von England durch Heinrich
VII.? Was ist mit der neuzeitlichen Wissenschaft, die Werkzeuge erschuf, die
nicht aus Steinen gemacht sind wie in der Steinzeit, oder aus Metall oder
Holz, sondern Werkzeuge, die aus der Macht des menschlichen Geistes bestehen?
Was ist mit der Schaffung dieses Apparats des menschlichen Denkens als
Möglichkeit? Diesen Werkzeugen, die von Cusa, Kepler, Fermat, Leibniz, Gauß,
Riemann geschaffen wurden. Wie haben sie uns verändert?
Sie haben es uns erlaubt, Fortschritte zu machen und alle möglichen
Probleme der Wissenschaft und Ingenieurskunst zu lösen. Denken Sie an die
Dampfmaschine! Das hat enorme Mengen an Kraft freigesetzt! Man konnte einen
Stein verbrennen, und anstatt ihn bloß dazu zu verwenden, eine Mahlzeit zu
kochen, konnte man dieses Feuer in Bewegung umsetzen: Das ist eine phänomenale
Neuerung! Es scheinen zwei vollkommen verschiedene Dinge zu sein. Wie hat
dieser Durchbruch das verändert, was wir tun konnten? Wieviel Kraft hatten wir
dadurch zur Verfügung?
Was ist mit der Elektrizität? Anstatt Kohle herumzutragen, konnte man nun
Kraft durch ein dünnes Stück Metall, einen Draht, transportieren. Man konnte
eine Maschine in einem Kraftwerk haben, einen Draht und woanders einen Motor
in einer Fabrik. Wie veränderte das die Produktion, wie hat es unsere
Möglichkeiten verändert? Die Elektrizität erlaubte es uns auch, neue
Materialien zu entwickeln, beispielsweise, indem man Metalle trennte. Heute
wirft man ein Stück Aluminiumfolie weg oder recycelt es, aber vor zwei
Jahrhunderten war das noch ganz anders. Napoleon selbst verwendete Aluminium
als Geschirr, aber seinen Gästen ließ er auf goldenen Tellern servieren - weil
Aluminium damals teurer war! Heute ist das nicht mehr so - dank der
Elektrizität.
Was ist mit der Keimtheorie der Krankheitsübertragung? Ich hoffe, Sie
denken alle daran und waschen sich oft ihre Hände. Keimtheorie und Impfungen -
wie viele Menschenleben haben ihre Entdecker gerettet? Wieviel unnötiges Leid
haben sie verhindert? Was ist mit der Entwicklung der Betäubungs- und
Schmerzmittel, die Operationen möglich gemacht haben, an die vorher gar nicht
zu denken war? Eine künstliche Hüfte? Ich denke, niemand will das ohne
Betäubungs- und Schmerzmittel bekommen! Das gäbe es nicht, nicht wahr?
Das Atomzeitalter hat uns ganz neue technische Möglichkeiten gebracht:
Tomographie in der Medizin, Rauchmelder, Kernkraftwerke, Sprengstoffe,
grundlegendes Wissen in der Physik. Wieviel mehr Kraft werden uns die
Kernfusion und die Weiterentwicklung der schon existierenden Kernspaltung
bringen? Was wäre das Potential einer Fusionswirtschaft, in der wir Helium-3
vom Mond nutzen, wie es China bereits vorbereitet - eine Plattform, wo wir mit
vielem arbeiten, was wir heute für Naturphänomene halten?
Dürre gilt als Naturkatastrophe. Aber sie muß nicht sein. Es gibt genug
Wasser in den Ozeanen. Warum gibt es eine Dürre in Kalifornien? Weil wir unser
Wetter nicht beeinflussen und keine Entsalzungsanlagen haben. Warum haben wir
zuwenig Kraft oder Materialien? Mit einer Plasmafackel könnten wir 100% des
Mülls recyceln.
Wir könnten Asteroiden umlenken! Es steht hundertprozentig fest, daß
irgendwann ein Asteroid oder ein Komet auf die Erde stürzen und fast alles
Leben darauf töten wird. Das wird geschehen. Ich weiß nicht, wann, aber es ist
100% garantiert, daß es geschehen wird. Und wir haben einen Stand in der
menschlichen Entwicklung erreicht, wo wir das ernst nehmen müssen. Mit einer
Kernfusionsplattform könnten wir die Bahn dieser Asteroiden ändern. Wir
könnten sie dorthin lenken, wo wir sie haben wollen! Wenn man Obamas Plan
nimmt, zu einem Asteroiden zu fliegen: Wir könnten dann den Asteroiden dorthin
bringen, wo wir ihn brauchen, und ihn als Rohstoff verwenden, um dort draußen
Raumschiffe und ähnliches zu bauen, anstatt hier auf der Erde, wo man es erst
dort hinaufschaffen muß.
Wir bräuchten uns auch keine Sorgen darüber zu machen, daß Saudi-Arabien
den Ölpreis manipuliert. Es gäbe auch keine Imperien mehr.

Abb. 2: Vier mögliche Finanzierungswege für den Bau eines Fusionsreaktors
(Magneteinschlußverfahren) seit 1976 (in Mrd.$ nach dem Wert von 2012), im
Vergleich zum Finanzierungsniveau von 1978 und den seither tatsächlich
eingesetzten Mitteln (von oben nach unten): „Maximaler effektiver Aufwand“
(1990), „Beschleunigt“ (1993), „Ehrgeizig“ (1998), „Moderat“ (2005).
„Mittelaufwand von 1978 (Kernfusion unmöglich)“. Die tatsächliche Finanzierung
liegt unter allen Projektionen, selbst noch unter einem gleichbleibenden
Finanzierungsniveau von 1978, das bereits viel zu gering war, um die
erforderlichen Durchbrüche zu erreichen.
Quelle: Graphikdesign von Geoffrey M. Olynyk, unter Berücksichtigung von
Hochrechnungen der U.S. Energy Research and Development Administration, 1976,
“Fusion power by magnetic confinement: Program Plan”, S. O. Dean.
Geld ist nicht Wirtschaft
Das also ist Wirtschaft, solche Veränderungen. Das ist Wirtschaft, das
bringt die Menschheit voran. Es sind Kapitel in einem Geschichtsbuch.
Was geschieht an der Wall Street? Das hat mit Wirtschaft nichts zu tun, es
ist Diebstahl, es ist Glücksspiel, es ist imperial, es ist Geld! Geld ist
nicht Wirtschaft. Wir verwenden Geld, aber das macht die Wirtschaft nicht aus.
Nahrungsmittel sind ein wesentlicher Teil der Wirtschaft; ein Dach über dem
Kopf zu haben ist ein wesentlicher Teil der Wirtschaft. Aber Glücksspiel? Das
ist kein wesentlicher Teil der Wirtschaft, es gehört nicht zu den
Grundbedürfnissen der Menschen oder der Menschheit als einer sozialen
Gattung.
Ergreifen wir also diese Gelegenheit, dieses Erbe der menschlichen
Entwicklung zu verstehen. Wir sind Teil davon, das sind unsere gemeinsamen
Vorfahren, es ist unsere gemeinsame Vergangenheit. Wir alle können ein
besseres Verständnis davon entwickeln und es nutzen, um eine bessere Zukunft
zu schaffen...
Aber warum geschieht das derzeit nicht? Warum sagen die Umfragen, und das
zutreffend, daß die Amerikaner nicht glauben, daß es der nächsten Generation
besser gehen wird?
Hier ist ein Beispiel (Abb. 2): Ende der 70er Jahre wurden mehrere
Ideen entwickelt, wie sich bei einer unterschiedlichen Finanzierung der
Kernfusionsforschung der Zeitpunkt der Verwirklichung der Kernfusion ändert.
Hier sehen Sie verschiedene Kurven. Hier sehen Sie die braune Linie, die nach
den damaligen Erwartungen bedeutete, daß man die Kernfusion niemals erreichen
würde. Die schwarze Linie zeigt die tatsächliche Mittelvergabe für die
Kernfusion in den USA: Es wurde also die Entscheidung getroffen, diesen
realwirtschaftlichen Prozeß, von dem die Rede war, zu stoppen, im Rahmen der
Verlagerung auf die Wall Street. Wir brauchen die Wall Street nicht. Wir
brauchen keine monetäre Wirtschaft. Wir brauchen physische Wirtschaft...
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