Die globale Krise: Lösungsvorschläge Von Leonidas Chrysanthopoulos
Leonidas Chrysanthopoulos war Botschafter Griechenlands in
Polen, Kanada und Armenien sowie Generalsekretär der Organisation für
Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation. Bei der Berliner Konferenz des
Schiller-Instituts hielt er die folgende Rede.
Erlauben Sie mir, zunächst dem Schiller-Institut und seiner Direktorin
Helga Zepp-LaRouche dafür zu gratulieren, daß sie versuchen, eine bessere Welt
für die Menschheit zu schaffen. Ich wünsche uns allen Erfolg bei dieser
wichtigen Konferenz und hoffe, daß das Ergebnis für uns alle nützlich sein
wird.
Das Thema unserer Konferenz ist sehr angemessen, und sie erfolgt in einem
Moment, wo die Menschheit nicht nur vor der schlimmsten Wirtschaftskrise seit
der Großen Depression von 1928 steht, sondern auch vor der schlimmsten
Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, aufgrund der aggressiven Politik
der USA im letzten Jahrzehnt, die Afghanistan, den Irak, Libyen und Syrien
zerstört hat. Die EU zerfällt immer mehr, während sie selbst ihre
Mitgliedstaaten zerstört, was einige zwingt, über einen Austritt nachzudenken,
während das Demokratiedefizit wächst und rechtsextreme Parteien nach der Macht
greifen.
Die Weltwirtschaft kann nicht aus dem Teufelskreis heraus, in dem sie seit
Beginn der Krise von 2008 gefangen ist. Wir erleben weltweit Demonstrationen
gegen die Austeritätsmaßnahmen, die mehr Armut statt Wachstum erzeugen, und
gegen ein Finanzsystem der Gier, das zu extremer sozialer Ungleichheit führt;
die Demonstrationen in Frankreich sind ein gutes Beispiel dafür. Bisher hat
niemand auf die Menschen gehört. Es ist an der Zeit, Entscheidungen auf der
Grundlage von Prioritäten zu treffen, die dem Interesse der Menschen dienen.
Wir sollten nicht länger fragen: „Was sagen die Märkte?“, sondern: „Was sagen
die Menschen?“
Die EU ist nicht nur eine inkompetente Organisation geworden, sie gerät
auch immer mehr aus den Fugen, denn wir hören jeden Tag mehr über politische
Parteien mit rechten Programmen und der Forderung nach dem Austritt aus der
EU. Das Referendum in Großbritannien am Donnerstag ist ein treffendes
Beispiel.
Verwaltung der Wirtschaft durch Gläubiger und EU
In Griechenland verschlechtert sich die Lage. Nach dem Gesetz, das am 22.
Mai im Parlament beschlossen wurde, hat Griechenland aufgehört, als Staat zu
existieren, denn es hat die Verwaltung der Wirtschaft des Landes für die
nächsten hundert Jahre an die Gläubiger und an die EU abgetreten. Erstmals in
der Geschichte hat sich ein Land praktisch selbst aufgelöst. Das Parlament
wird in diesem Bereich keine Rolle mehr spielen.
Im Mai 2010 wurde die griechische Regierung gezwungen, eine
Kreditvereinbarung zu unterzeichnen, damit sie die öffentlichen Schulden, die
2009 bei 109% des BIP oder in absoluten Zahlen 299 Mrd.€ lagen, durch
Austeritätsmaßnahmen reduzieren konnte. Nach drei Memoranden und der
fehlgeleiteten Politik der EU, des Weltwährungsfonds und der griechischen
Regierung wurden die öffentlichen Schulden nicht nur nicht reduziert, sie sind
auf 180% des BIP angewachsen!
Die SYRIZA-Regierung wurde auf der Grundlage eines
Anti-Austeritäts-Programms gewählt, aber sie hat das griechische Volk
verraten, indem sie das genaue Gegenteil tut. Sie hat nicht einmal ein
Referendum berücksichtigt, in dem 62% der Menschen gegen die
Austeritätsmaßnahmen stimmten. Und obwohl sie ihre Fehler selbst eingestanden
hatten, bestehen die EU, die EZB und der IWF immer noch auf der Umsetzung der
gleichen unwirksamen Maßnahmen, die ein Mitgliedsland der EU und seine
Bevölkerung kaputtmachen. Die Arbeitslosigkeit ist von 9% 2010 auf jetzt 25%
angestiegen, man sieht häufig Griechen, die in den Mülltonnen nach Eßbarem
suchen, die Überbesteuerung lähmt die Wirtschaft, das Gesundheitssystem ist
kollabiert, und mehr als 5000 Menschen haben Selbstmord verübt.
Aber die Maßnahmen sind nicht nur falsch, sie verstoßen auch gegen den
Vertrag von Lissabon und gegen die Menschenrechte des griechischen Volkes, was
auch im Bericht des Unabhängigen Experten der Vereinten Nationen, Juan Pablo
Bohoslavski, für den UN-Menschenrechtsrat vom 29. Februar erwähnt wird.
Die Flüchtlingskrise
Der Krieg in Syrien, den die USA unter der Beteiligung einiger EU-Staaten
in Gang gesetzt haben, hat die größte Flüchtlingskrise seit dem Zweiten
Weltkrieg ausgelöst. Fast fünf Millionen Flüchtlinge haben Syrien verlassen,
um Asyl zu beantragen, vor allem in der EU. Deutschland hat 484.000
aufgenommen, Schweden 108.000, weitere sind in anderen EU-Mitgliedstaaten. Die
Türkei beherbergt derzeit 2.748.000, der Libanon 1.500.000 und Jordanien
1.265.000. Die EU, einst Vorreiter der humanitären Hilfe, war nicht fähig, die
Flüchtlingsströme zu bewältigen. Griechenland, ein Land, das nicht am
Syrienkrieg beteiligt ist, hat immer mehr Flüchtlinge aufgenommen, während
viele Mitgliedsländer in Mitteleuropa die Aufnahme verweigern. Der Zustrom
nach Griechenland ist zwar seit dem unsicheren Abkommen zwischen der EU und
der Türkei vom März nach und nach zurückgegangen, aber die EU hat immer noch
nicht ihre früheren Zusagen erfüllt, daß 60.000 Flüchtlinge aus Griechenland
und Italien in andere EU-Mitgliedstaaten verlegt werden sollen. Heute sind in
Griechenland 56.000 Flüchtlinge, die alle nach Norden ausreisen wollen. Und es
ist eine Schande, daß die USA nur 4000 Flüchtlinge akzeptiert haben.
Eine weitere Bedrohung, vor der die Menschheit steht, ist die
Feindseligkeit der USA gegenüber Rußland, als befänden wir uns noch im Kalten
Krieg. Es wird ein Raketenabwehrsystem errichtet, um Rußland einzukreisen, und
Moskau baut natürlich seinerseits einen Verteidigungsschild auf, um dem
entgegenzuwirken. Das EU-Embargo gegen Rußland nach der Krise in der Ukraine
hilft in dieser Lage überhaupt nicht. Und Obama hat auch bereits Drohungen
gegenüber China gemacht und von der Notwendigkeit gesprochen, dessen
Wirtschaftsmacht einzudämmen.
Während die EU zusammenbricht und die USA die Konfrontation gegen Rußland
und China suchen, kann die BRICS-Initiative eine Lösung für die Menschheit
darstellen. Dies ist eine Initiative von Brasilien, Rußland, Indien, China und
Südafrika für eine Politik der nationalen Entwicklung zum Wohl der ganzen
Menschheit. Sie schufen ihre eigene Entwicklungsbank, um in notwendige
Entwicklungsprojekte zu investieren. China hat auch die Asiatische
Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) gegründet, der sich mehr als 20 weitere
asiatische Länder als Gründungsmitglieder angeschlossen haben, und es hat
innerhalb der BRICS auch einen Seidenstraßen-Entwicklungsfonds geschaffen.
China hat auch vorgeschlagen, eine Freihandelszone für Asien und den
Pazifik zu schaffen. Diesen Vorschlag hat Obama, der seine eigene
Freihandelsorganisation geschaffen hat, jedoch sogleich zurückgewiesen. Die
Einbindung der Shanghaier Kooperation (SCO) in die BRICS könnte eine
beachtliche Macht schaffen, die – wenn sie außerhalb der Kontrolle der
Banken bleibt – entscheidend dafür sein kann, daß die Menschheit den
Weltfrieden erreicht und durch wirtschaftliche Entwicklung die Armut
überwindet.
Aus dem Gesagtem können wir sehen, daß es eine Krise der Zivilisation gibt,
die den Fortschritt der Menschheit behindert. Ich stimme vollkommen mit der
Ansicht des Schiller-Instituts überein, daß wir eine Renaissance der
klassischen Kultur brauchen, aber wir sehen, daß Maßnahmen ergriffen werden,
um das zu verhindern. Nicht nur in Griechenland tut das Bildungssystem alles,
damit die klassische Kultur verschwindet. Es scheint damit den Schritten zu
folgen, die in den USA und in den übrigen EU-Mitgliedstaaten unternommen
wurden. Es scheint, daß die klassische Kultur, die auch den Humanismus, die
Philosophie, die Wissenschaften und die Kunst umfaßt, in der herrschenden
Klasse Ängste auslöst, weil sie nicht will, daß die Menschen wieder
denken.
Wir sollten uns solchen Tendenzen widersetzen. Was den Dialog der Kulturen
angeht: der sollte auf jeden Fall stattfinden, und wir können uns vielleicht
auch beim UN-Dialog der Zivilisationen beteiligen und ihn sogar noch
verbessern. Beide Dialoge sind nützliche Bemühungen, die die Bemühungen um
einen dauerhaften weltweiten Frieden fördern können.
Lösungsvorschläge
Erlauben Sie mir nun, nachdem ich die EU und die USA kritisiert habe, zum
Abschluß einige Lösungen vorzuschlagen, die für die Menschheit nützlich
wären.
Griechenland: Für Griechenland ist es geboten, die
Vereinbarung über die Kreditfazilität vom 10. Mai auf Grundlage der Artikel
8-52 der Wiener Vertragsrechtskonvention zu kündigen. Diese Artikel sehen vor,
daß ein Vertrag ungültig ist, wenn er durch Irrtum, Betrug, Erpressung eines
Staatsvertreters etc. zustande kam. Die Einstellung der Zahlungen mit der
Kündigung des Kreditabkommens und die Nationalisierung der Bank von
Griechenland werden es Griechenland erlauben, den entstandenen Schaden zu
reparieren und eine wirkliche Entwicklung in Gang zu setzen. Die Einführung
einer nationalen Währung wird folgen. Die Vereinigte Volksfront (EPAM), eine
politische Partei, die noch nicht im Parlament vertreten ist, unterstützt eine
solche Politik.
Die EU: Umgestaltung der EU in eine effiziente Organisation
mit der alleinigen Priorität, das Interesse ihrer Bevölkerung zu schützen. Wir
brauchen eine neue Charta, ausgearbeitet von den Bürgerbewegungen der
Mitgliedstaaten, die ihre Vorschläge einer Europäischen Versammlung
unterbreiten, die aus Vertretern dieser Bewegungen besteht. Die bestehende EU
muß aufgelöst werden.
Die USA müssen ihre Politik der Zerstörung der Nationen
aufgeben, und Obama muß den Friedensnobelpreis an das Nobelpreiskomitee, von
dem er ihm verliehen wurde, zurückgeben, weil er nichts getan hat, um ihn zu
verdienen. (Das gleiche gilt auch für die EU, die ebenfalls den
Friedensnobelpreis erhalten hat.) Die USA müssen eine freundlichere Politik
gegenüber Rußland und der übrigen Welt annehmen, zum Wohle der Menschheit.
Die Menschheit: Die Streichung der globalen Schulden, die
heute bei etwa 600 Billionen US-Dollar liegen, wird es der Menschheit
erlauben, auf einer neuen und gesunden Grundlage neu anzufangen. In der
Geschichte gibt es Beispiele für eine solche Schuldenstreichung, von der
Seisachtheia im alten Griechenland über das Jubeljahr in den alten jüdischen
Gemeinden, wo alle 50 Jahre alle Schulden gestrichen wurden. Noch in den
1970er Jahren haben die entwickelten Länder des Westens die Schulden der
blockfreien Nationen gestrichen, was den Boom in Jugoslawien ermöglicht hat.
Die BRICS-Bewegung kann hierfür werben, aber die Entscheidung muß von den G-8
getroffen werden. Die Menschheit als ganze wird davon profitieren, denn sie
wird dann in der Lage sein, auf der Grundlage solider und gesunder Prinzipien
einen Neuanfang zu machen.
Um die genannten Vorschläge umzusetzen, brauchen wir Politiker mit
Phantasie, Visionen und Mut; Politiker, denen der Fortschritt der Menschheit
am Herzen liegt und die die Gier der multinationalen Unternehmen im Zaum
halten können, indem sie deren Macht beschränken. Solche Politiker gibt es
heute nicht. Also lassen Sie uns solche schaffen.
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