Den Wahnsinn der Gewalt durch Musik überwinden
Die Stiftung zur Wiederbelebung der klassischen Kultur in New
York, die die Aufführungen des
Requiem gefördert hatte, veröffentlichte dazu auf ihrer Facebookseite den
folgenden Text.
„Schönheit ist Wahrheit, Wahrheit schön!“ – Nur dies
wißt ihr auf Erden – und braucht nicht mehr zu wissen.
Diese Zeilen schrieb der englische Dichter John Keats in seiner Ode auf
eine griechische Urne. Das Erfinden des Schönen, sei es in den
visuellen Künsten der Malerei und der Skulptur, der gesprochenen Kunst der
Dichtung und des Dramas oder auf dem Feld der Musik, ist zutiefst beeinflußt
durch die brennende Frage: Was ist menschliche Freiheit? Haben nicht alle
Menschen nicht nur das Recht, sondern auch eine natürliche,
„unveräußerliche“ Veranlagung, frei zu sein? Wenn dies so ist, dann ist die
Fähigkeit zur menschlichen Freiheit in die Struktur unseres Universums
eingebettet. Die Freiheit wäre dann nicht bloß eine natürliche, sondern auch
eine notwendige Kraft der Evolution des Universums.
Der Dichter Friedrich Schiller sagt: Der Mensch ist „zu was Besserm
geboren“. Schiller warnte auch: „Nur durch das Morgentor des Schönen / Drangst
du in der Erkenntnis Land“. Wenn er recht hat, können wir dann in der
Umkehrung ableiten: „Nur durch das Häßliche stürzt du in Sklaverei“? Soll das
etwa die Grabinschrift unserer Zeit werden?
Gewalt ist häßlich. Gewalt löst nichts. Gewalt ist der Feind der
Menschheit. „Eben deswegen ist des Menschen nichts so unwürdig, als Gewalt zu
erleiden, denn Gewalt hebt ihn auf. Wer sie uns antut, macht uns nichts
Geringeres als die Menschheit streitig; wer sie feiger Weise erleidet, wirft
seine Menschheit hinweg“, sagt Schiller in seinem Aufsatz Über das
Erhabene. Kann die Antwort auf Gewalt die Kraft der Liebe im Angesicht des
Hasses sein? Kann Musik den Wahnsinn der Gewalt überwinden?
Das Ringen des Menschen darum, besser zu werden, seine Aufgabe im Universum
zu finden, das Ringen darum, dem Leben seinen Sinn zu geben, erfordert keine
Gewalt, sondern die Befreiung von der Gewalt. Es erfordert die bewußte und
vorsätzliche Ablehnung animalischer, reflexartiger Emotionen, die meist auf
Angst und Wut beruhen, und das bewußte Übernehmen der Verantwortung, „unter
den Menschen Regierungen einzusetzen“, die dazu dienen, die schöpferische
Identität des Menschen, die für allezeit das Geburtsrecht jedes Menschen ist,
zu fördern.
Die größten Komponisten klassischer Musik schaffen mit Hilfe verschiedener
Formen – Streichquartette, Sinfonien oder Solostücke – neue Entdeckungen in
der Zeit, neue menschliche Formen der Natur, neue Erkenntnisse, deren
physische Kraft, die Welt zu verändern, indem sie den menschlichen Geist „über
die Himmel“ erheben, sogar dem ganzen Universum eine andere Richtung geben
kann. In den Werken der größten Komponisten können wir diese innere
Fortentwicklung hören, erfahren und an ihr Teil haben, um die Wahrheit über
das, was uns alle umgibt, immer vollkommener auszudrücken und mitzuteilen: Das
Leben ist gleichzeitig ein Geschenk und die Kraft des Universums selbst. Es
ist frei, aber notwendig, es ist einzigartig, aber unendlich reproduzierbar,
es ist in das Individuum eingeschlossen, aber in der Gattung unbegrenzt. Das
Leben ist schön und freigebig.
Das ist der Gesang der Zukunft, den wir in Wolfgang Amadeus Mozarts
Requiem hören. Das ist das Mittel, mit dem das Verbrechen des 11.
September 2011 und seine noch schrecklicheren Konsequenzen aus der Welt
getilgt werden können. Es hatte seinen Grund, warum „die Mauern von Jericho
einstürzten“, und der Grund war nicht die Überlegenheit der Waffen, sondern
der Stimmen – der Stimmen jener, die durch die Schönheit ihre Seelen
und damit ihr Land befreiten. Und so soll es auch mit uns sein.
Quelle: https://www.facebook.com/TheFoundationForTheRevivalOfClassicalCulture/posts/1131377673614243
|