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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Wiederaufbau nach syrischer Art

Eine wahrhaft vielfältige und sicherere Welt schaffen, die aus den syrischen Erfahrungen die Lehren zieht

Von Dr. Bouthaina Shabaan

I.E. Dr. Bouthaina Shabaan ist Beraterin der Präsidentschaft der Syrischen Arabischen Republik. Ihre Rede wurde aus dem Englischen übersetzt.

Erlauben Sie mir, mich zunächst einmal beim Schiller-Institut und insbesondere bei Frau Helga Zepp-LaRouche dafür zu bedanken, daß sie mich eingeladen hat, bei dieser wichtigen Konferenz über den Aufbau einer gemeinsamen Zukunft für die Menschheit zu sprechen. Aber bevor ich zu meinem Vortrag komme, möchte ich zunächst einige Bemerkungen machen, die mich zu dem Schluß führen, zu dem ich diese Vortragsrunde und diese Konferenz insgesamt gerne bringen möchte.

Eines der großen Probleme, vor dem wir heute in unserem Land stehen, ist, daß die westlichen Länder heute an uns mit einem Gefühl der Besonderheit oder einem Gefühl der Selbstgerechtigkeit herantreten – daß alles, was die westliche Welt für angemessen oder gut hält, auch fraglos für unsere Länder zu gelten habe.

Das erste, was die westlichen Länder taten, als der Krieg gegen Syrien begann, war, ihre Botschafter aus Damaskus abzuziehen. Aber ist es nicht die Aufgabe eines Botschafters, über das zu berichten, was tatsächlich in seinem jeweiligen Land geschieht, und Kommunikationswege zwischen den Ländern öffnen zu helfen, anstatt sie zu schließen?

Dies bringt mich auf die Rolle der privaten Medien im Krieg gegen Syrien. Leider verlassen sich die meisten westlichen Medien auf die Sender Al-Dschasira (von Katar finanziert) und Al-Arabija (von den Saudis finanziert), um über die Ereignisse in Syrien zu berichten – obwohl beide Sender, Al-Dschasira wie Al-Arabija, ihre Korrespondenten mit dem Beginn des Krieges abgezogen haben und sich auf angebliche „Augenzeugen“ verlassen, die überall auf der Welt sein können. Das gilt auch für das sogenannte „Syrische Observatorium für Menschenrechte“, das von einem Mann in Coventry in Großbritannien geleitet wird, Rami Abdul Rahman.

Diese Medien zogen es vor, sich auf Fragen zu konzentrieren, die einer bestimmten Agenda dienen, während sie die Realität vor Ort ignorieren. So wurden beispielsweise die jüngsten Terroranschläge in Tartus und Jableh, die mehr als 200 unschuldigen Zivilisten das Leben kosteten, von den westlichen Medien kaum erwähnt, und sie weckten daher nur wenig Sympathie.

Damit möchte ich sagen, daß die Falschdarstellungen über Syrien, die verbreitet werden, ebenso gefährlich für das syrische Volk und die Sicherheit der Syrer sind wie die Taten der Terroristen, weil sie die Realität in Syrien vor dem Verständnis der Öffentlichkeit im Westen und der Welt insgesamt verschleiern und verhindern, daß die westlichen Länder und das syrische Volk sich über das Geschehen verständigen können.

Terrorismus und Demokratie

Aber bevor wir anfangen können, über den Wiederaufbau Syriens zu sprechen, stehen wir immer noch vor der gewaltigen Herausforderung, den Terrorismus in Syrien, im Irak und in der Region auszumerzen. Wir müssen diesen Terrorismus ausmerzen. Und wenn ich sage, „wir“, dann meine ich nicht nur die Syrer und die Iraker, sondern die ganze Menschheit, denn wie die jüngsten Ereignisse in Paris, Brüssel, Orlando und zuletzt auch in Großbritannien gezeigt haben, können diese Terroristen überall auf der Welt zuschlagen, es ist ein Krebs, der sich überallhin auf der Erde verbreiten kann. Aber tun die Welt und insbesondere die westlichen Mächte alles, was man tun kann, um diese existentielle Bedrohung für die Menschheit zu beseitigen? Diese Frage möchte ich gerne stellen.

Wenn man einmal von dem absieht, was in den Medien verbreitet wird, und sich anstatt der Worte die Taten und Leistungen ansieht, dann sieht man, daß die westlichen Länder im Falle Syriens nicht das tun, was notwendig wäre, um diese Bedrohung für Syrien wie für die Welt zu beseitigen. Ich möchte gerne ein Beispiel dafür anführen:

Am 17. Dezember 2015 beschloß der UN-Sicherheitsrat einstimmig die Resolution 2253 nach Kapitel 7 [der UN-Charta], die das Einstellen der Finanzierung, Bewaffnung und Förderung von Terroristen in Syrien vorschreibt. Die Wiener Gruppe interpretierte diese Resolution anschließend so, daß sie eine Schließung der türkischen Grenze verlangt, damit keine Waffen und Geld darüber zu den Terroristen gelangen. Am 18. Dezember 2015 beschloß der UN-Sicherheitsrat einstimmig die Resolution 2254, die eine politische Lösung in Syrien fordert.

Jetzt erlebt man, wie sich die gesamte Menschheit auf die Resolution 2254 konzentriert – ohne sich mit der Resolution 2253 zu befassen, die eine logische Voraussetzung für die Resolution 2254 ist, nämlich, eine politische Lösung für Syrien zu finden.

Das gleiche läßt sich über die humanitäre Hilfe sagen. Anstatt sich auf die Beendigung des Krieges in Syrien und die Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit in Syrien zu konzentrieren, erlebt man, wie sämtliche Medienkonzerne nur über die humanitäre Hilfe sprechen. Als wäre das die Frage! Syrien war vor diesem Krieg in der Lage, 2 Millionen Iraker aufzunehmen, sich selbst zu ernähren und noch Nahrungsmittel in 84 andere Länder der Welt zu exportieren. 1970 schufen die Syrer das Motto: „Wir essen, was wir anbauen, und wir tragen, was wir selbst herstellen.“ Das bedeutet, daß Syrien keine humanitäre Hilfe braucht, wenn es Frieden und Stabilität gibt und das syrische Volk in der Lage ist, seine Felder zu bestellen und in seinen Fabriken zu arbeiten.

Heute hören wir vom westlichen Bündnis viel Gerede darüber, ISIS „einzudämmen“, ISIS „einzuschränken“, und kürzlich haben Sie alle die Rede des CIA-Direktors John Brennan gehört, der sagte, es sei uns nicht einmal gelungen, den Einfluß von ISIS zu begrenzen. Warum ist das so? Weil gar keine wirkliche Neigung und kein wirklicher Wunsch besteht, ISIS loszuwerden.

Es gab zwei Elemente: Die russische Regierung hat die westlichen Länder aufgefordert, die Bemühungen zu bündeln, um ISIS in Syrien und im Irak zu besiegen, und in Wien hat man sich darauf geeinigt, daß die türkische Grenze geschlossen werden soll. Aber keines dieser beiden Elemente fand eine positive Antwort der Vereinigten Staaten oder der westlichen Mächte. Die Frage ist: warum nicht, wenn wirklich der Wille besteht, ISIS zu bekämpfen?

Die andere Frage ist, daß wir in Syrien das Gefühl haben, daß die internationale Gemeinschaft wirklich den Willen haben muß, den Terrorismus zu bekämpfen und wirkliche Brücken zu bauen. Wenn ich sage, wirkliche Brücken, dann meine ich: auf gleichberechtigter Basis, auf der Basis von Gleichrangigkeit. Das Problem bei der Förderung von „Demokratie“ – in Anführungszeichen! – in unserem Teil der Welt ist, daß die westlichen Länder meinen, die liberale Demokratie sei die einzige Frage oder das einzige Vorbild, die einzige Formel, die auf unsere Länder anzuwenden sei.

Aber das stimmt nicht, denn wir haben alle verschiedene Kulturen. Wir haben verschiedene Selbstverständnisse, verschiedene Gewohnheiten, verschiedene Lebensstile. Ich kann Ihnen ein Beispiel anführen: China, Indien, die persische Kultur, die arabische Kultur haben eine Menge zur Welt beigetragen – aber auf einer menschlichen Basis, auf der Grundlage von Gleichrangigkeit. Ich möchte hier auf einen wichtigen Punkt hinweisen: Die westliche Welt glaubt an die Öffnung der Märkte auf der ganzen Welt – aber nur für den Export ihrer eigenen Waren! Und nicht, um anderen Ländern den Export in den Westen auf einer gleichberechtigten Basis zu erlauben. Und jeden Tag erfinden sie neue Formeln – Zolltarife und andere Beschränkungen –, um keine gleiche Behandlung zuzulassen.

Die intellektuelle Seidenstraße

Das gleiche gilt für die Politik. Die Konzepte, Werte und Ideen, die aus dem Westen kommen, sollen in unseren Ländern respektiert und umgesetzt werden, aber es gibt keine Straße, die unsere Kultur, unsere Werte und unsere Ethik in den Westen bringt. Wenn wir eine Welt für alle schaffen müssen, wenn wir eine friedliche Welt schaffen müssen, wenn wir eine prosperierende Welt für alle schaffen müssen, dann müssen wir eine konzeptionelle, intellektuelle Vorstellung einer Welt schaffen, wir müssen eine konzeptionelle Vorstellung einer Seidenstraße schaffen. Nicht nur die eigentliche Seidenstraße, sondern auch eine intellektuelle Seidenstraße. Sie alle wissen, daß Aleppo und Syrien in der alten Seidenstraße, die Asien mit Europa verband, eine extrem wichtige Rolle hatten. Syrien und das syrische Volk werden überglücklich sein, sich sehr aktiv an einer Neuen Seidenstraße und auch an einer politischen, sozialen, intellektuellen Seidenstraße zu beteiligen, die Asien mit Europa, Eurasien mit dem Westen verbindet.

Das andere Nebenprodukt dieses Krieges gegen unsere Länder und das andere Nebenprodukt der alleinigen Verbreitung der Besonderheit des Westens in unseren Ländern ist die Verdrehung des Bildes des Islam in den Augen des Westens. Der Islam ist, wie alle anderen Religionen, eine Religion der Liebe, eine Religion der Menschlichkeit. Wir als Muslime werden im Koran nur selten als Muslime angesprochen, er wendet sich an alle Menschen. Wir sind Teil der menschlichen Gemeinschaft. Und deshalb sind diejenigen, die im Namen des Islam töten, die im Namen des Islam zerstören, überhaupt keine Muslime. Sie haben nichts mit dem Islam zu tun.

Wir müssen uns mit dem Konzept, das die Terroristen verbreiten, auseinandersetzen und mit dem Mangel an Dialog, den die Medienkonzerne verursacht haben, wenn wir eine, nicht nur physisch, sondern auch intellektuell, sozial und politisch wirklich florierende Seidenstraße wollen.

Und zum Schluß will ich hier Rußland und China danken, die gleich vom Beginn des Krieges gegen Syrien an viermal Veto gegen die westlichen Versuche eingelegt haben, Syrien militärisch anzugreifen. Rußland und China und der Iran unterstützen auch weiterhin das syrische Volk und versuchen, eine politische Lösung zu finden.

Um diese Seidenstraßen zu bauen – das möchte ich noch kurz sagen –, müssen wir miteinander auf gleichberechtigter Grundlage umgehen, auf einer gleichrangigen menschlichen Basis. Denn wenn man andere als höherwertig oder minderwertig behandelt, als weiß oder schwarz, als wichtig oder weniger wichtig, dann erzeugt das Extremismus, es erzeugt Rassismus, der dann nicht nur in Syrien zuschlägt, sondern auch in Brüssel, in Paris, in Orlando und zuletzt auch in Großbritannien. Es ist daher im Interesse der Menschheit, als Menschen zu denken, die Welt als ein wahrhaftiges menschliches Dorf zu betrachten, in dem die Menschen gleichberechtigt leben und sich gegenseitig respektieren und auf der Grundlage von Gleichrangigkeit handeln.

Aber das erfordert eine gewaltige Änderung der Geisteshaltung des Westens, es erfordert vermutlich eine weitere Konferenz, um nicht nur über die sehr wichtige, von China aufgebrachte Idee zu sprechen, eine Seidenstraße zu bauen, sondern um über die intellektuelle, soziale und politische Seidenstraße zu sprechen, die uns alle als Menschen, als Brüdern und Schwestern und nicht als höherwertig oder minderwertig betrachtet und behandelt. So können wir eine bessere Welt aufbauen – eine viel bessere Welt, als die, in der wir heute leben. Wir haben eine Verpflichtung gegenüber unseren Enkeln, wo immer sie geboren werden, ihnen eine bessere Welt zu hinterlassen als die, in der wir jetzt leben.

Vielen Dank.

Antworten auf Fragen aus dem Publikum

Im Anschluß an ihren vorbereiteten Beitrag beantwortete Dr. Bouthaina Shaaban, die per Videoschaltung mit der Konferenz verbunden war, Fragen der Teilnehmer.

Frage: Hallo, Frau Dr. Bouthaina, mein Name ist Salah, ich komme aus Libyen. Ich bin Journalist. Ich freue mich sehr über diese Gelegenheit, mit Ihnen zu sprechen. Ich werde keine Frage stellen, sondern nur einige Beobachtungen und Informationen über das mitteilen, was in Libyen geschehen ist; vielleicht wissen Sie mehr als ich und können etwas dazu sagen.

Als der Westen und die Vereinten Nationen beschlossen, das Gaddafi-Regime abzusetzen, brachten sie Demokratie nach Libyen. Wir hatten zwei Wahlen, und in der zweiten Wahl verloren die muslimischen Parteien, sie gewannen nur 20% der Sitze im Parlament. Aber dann weigerten sie sich, dem neugewählten Parlament die Macht zu überlassen, und sie besetzten Tripolis und begannen einen Bürgerkrieg in Libyen.

Dann zwangen die Vereinten Nationen das gewählte Parlament, sich mit den islamistischen Milizen an einen Tisch zu setzen, um einen Dialog zu führen und ihnen die Hälfte der Regierung zu überlassen. Ist das die Demokratie, die der Westen und die Vereinten Nationen uns geben wollen? Ist das Demokratie, daß der Verlierer die Macht mit Gewalt an sich reißen und die gewählte, legitime Autorität zwingen kann, mit ihnen zu verhandeln? ... Ich gebe hier nur meine Beobachtungen weiter, vielleicht können Sie uns noch etwas dazu sagen. Will Syrien eine solche Demokratie?

Dr. Shaaban: Vielen Dank, daß Sie mich eingeladen haben, hier an dieser sehr wichtigen Vortragsrunde teilzunehmen.

Ich denke, das, was wir eben gehört haben, war eher eine Rede als eine Frage. Und ich denke, ich habe in meiner Botschaft schon gesagt, daß wir versuchen müssen, miteinander einen Dialog über alle diese Fragen zu führen, und die Unterschiede und die Kulturen der anderen anzuerkennen. Und deshalb bin ich so froh, an dieser so wichtigen Versammlung teilnehmen und über die zukünftige Welt reden zu können, über eine gemeinsame Zukunft der Menschheit und eine Renaissance der klassischen Kulturen.

Ja, Syrien will Demokratie. Aber wir wollen eine syrische Demokratie. Ich denke, jedes Land auf der Welt will Demokratie, aber es will eine Demokratie, die auf seiner Identität beruht, auf seiner Kultur, auf seinen Prinzipien, seiner Geschichte und seiner Zivilisation. Und es ist nicht akzeptabel, ein „one size fits all“ für alle zu haben, wie die Amerikaner sagen, eine Einheitsgröße; daß es eine Formel geben soll, die für alle Völker gibt.

Aber das Resultat dieser Haltung erweist sich als gefährlich, nicht nur für unser Land, sondern auch für die westlichen Länder. Denn es gibt Menschen in den westlichen Ländern, die beobachten und verstehen, was geschieht. Und leider führt eine solche Haltung zu Extremismus und Rassismus.

Wir streben eine Welt an ohne Bevorzugungen, eine Welt, in der wir uns an den Unterschieden untereinander erfreuen, daß wir es lieben, zusammen zu sein, aber auf der Grundlage von Respekt und Ebenbürtigkeit.

Vielen Dank.

Dialog der Kulturen

Helga Zepp-LaRouche: Ich möchte Ihnen für Ihren wunderbaren Vortrag sehr danken.

Ich war sehr bewegt, wie auch viele Millionen andere Menschen in aller Welt, über das wunderschöne Konzert in Palmyra, was meiner Meinung nach der Beginn eines intellektuellen und kulturellen Dialogs an der Seidenstraße war.

Dr. Shaaban: Ja.

Helga Zepp-LaRouche: Wir hatten hier gestern auch einen sehr schönen Dialog der Kulturen, ein klassisches Konzert, mit Mozarts Krönungsmesse, wir hatten Bach, wie hatten chinesische Volkslieder, einen russischen Kinderchor. Und wenn Sie demnächst einmal Zeit haben, möchte ich, daß Sie sich das anschauen, denn ich denke, wir müssen die Kontrolle der Medien durchbrechen. Denn nicht nur Al-Dschasira und Al-Arabija, sondern auch die etablierten Medien in Europa und in den Vereinigten Staaten sind Teil dieser unipolaren Kontrolle.

Ich denke, wir sollten, vielleicht in einem anderen Land, eine Konferenz über einen internationalen Dialog der Kulturen führen, in dem jede Kultur und jede Nation das Beste von dem vorbringt, was sie geschaffen hat. Sie haben die großartige Rolle Syriens in der antiken Seidenstraße erwähnt, was absolut wahr und fantastisch ist, und wir müssen es bekannt machen! Denn die Menschen kennen die Geschichte nicht.

Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, wie wir einen wirklichen – in Deutschland würde man sagen, Paukenschlag –, einen internationalen Paukenschlag organisieren können, in dem wir die Gegner einfach durch Schönheit und Freude und Liebe überwinden und die Kulturen zusammenbringen, und es dann auf allen Kanälen und Fersensendern in alle Welt übertragen, um diesen Krieg zu gewinnen! (Applaus.)

Dr. Shaaban: Vielen, vielen Dank. Und danke dafür, daß Sie mich an das erinnern, was in Palmyra geschehen ist, nachdem es von ISIS und den Terroristen befreit wurde. Präsident Putin und Präsident Assad schlugen vor, eine kulturelle Veranstaltung in Palmyra durchzuführen, und es war wirklich herzerfrischend zu sehen, wie russische und syrische Musiker nur wenige Tage nach der Befreiung von Palmyra zusammen spielten: Es war wunderschöne Musik, von beiden Seiten. Sie waren alle Menschen, und es sah wunderschön aus. Sie alle erkannten sich gegenseitig an als Partner im Sieg über den Terrorismus, und in dem Versuch, eine Grundlage für eine bessere Zukunft für die gesamte Menschheit zu legen.

Ich stimme vollkommen mit Ihnen überein, daß wir darüber nachdenken sollten, eine Versammlung, eine Veranstaltung zu organisieren – Sie wären sehr willkommen, es in Palmyra zu machen! Aber wahrscheinlich eher im Herbst oder im Frühjahr, denn jetzt ist es dort ein bißchen zu heiß. Wir müssen unsere Stimmen erheben (Applaus), um Brücken zu bauen. Wir schulden es unseren Kindern und unseren Enkeln, mehr Brücken zu bauen. Und ich habe das Gefühl, daß unsere beiden Welten – die östliche Welt und die westliche Welt – eine andere Art des Denkens brauchen, die Art des Denkens, die das Thema dieser Konferenz ist, daß wir uns alle gegenseitig als Menschen betrachten sollten, daß wir alle Brüder und Schwestern sind, in einer gemeinsamen Menschheit. Vielen Dank. (Applaus.)

Zensur der Medien

Frage: Ich komme aus Dänemark und wir arbeiten in der Organisation des Schiller-Instituts in Dänemark. Unser Problem in Dänemark ist, daß wir zensiert werden. Jeder, der versucht, die andere Seite der Geschichte darzulegen, wird zensiert und sanktioniert. Und jetzt gibt es ein neues Gesetz, wenn jemand aus Dänemark nach Syrien reist, dann riskiert er, zwei Jahre ins Gefängnis zu gehen – nicht, wenn man durch die Türkei zu den Rebellen oder ISIS reist, sondern wenn man einfach ganz normal als Tourist nach Syrien reist, dann riskiert man in Dänemark, ins Gefängnis zu gehen.

Meine Frage ist: Was können wir in Dänemark tun, und im übrigen Europa, um die Informationen aus Syrien publik machen zu helfen? Denn ich denke, wir haben das gleiche Problem überall in Europa, es wird nicht erlaubt, die Politiker hindern die Menschen daran, und auch die Zeitungen. Was können wir also tun, und wie können wir helfen?

Dr. Shaaban: Ja, das Problem ist, daß von Anfang an eine Medienblockade gegen Syrien verhängt wurde. Dies ist das erste Mal, daß ich vor einem Publikum in Europa auftrete, und ich bin sehr froh darüber, vor Ihnen zu sprechen. Ich war zweimal im Fernsehen, aber schon als die Menschen, die Medien 2012 und 2013 nach Syrien kamen, was sehr selten geschah, dann begannen sie gleich mit vorwurfsvollen Fragen: „Wie können sie in dieser schrecklichen Regierung bleiben? Warum unterstützen Sie einen Mann, der sein Volk tötet?“ Sie kamen also gar nicht hierher, um zu erfahren, was hier geschieht, oder um uns an- oder zuzuhören – leider.

Ich denke, wir alle müssen uns den Medienkonzernen widersetzen und andere Wege der Kommunikation zwischen uns suchen. Denn die Medien vergrößern eher den Abstand zwischen unseren Gesellschaften und unseren Ländern. Was wir brauchen, sind mehr Brücken. Ich betrachte diese Vortragsrunde und diese Konferenz als eine Art gemeinsames Brainstorming. Ich betrachte sie als einen ersten Schritt, um Wege zu suchen und zu finden, um bessere Kommunikationswege zu schaffen. Und Sie werden in uns sehr aktive und eifrige Partner finden, das zu tun. (Applaus.) Vielen Dank.

Nationale Souveränität

Frage: Hallo Dr. Shaaban, ich bin Christine Bierre vom Schiller-Institut in Paris und wir haben schon seit Jahren gegen diesen häßlichen Menschen [den früheren Außenminister] Fabius gekämpft. Jetzt ist er gegangen, aber die französische Politik bleibt dieselbe.

Meine Frage ist die: Derzeit sagen die westlichen Medien, es gebe zwei Offensiven in Syrien – eine des Westens, um den Jarablus-Korridor zur Türkei zu erobern, und die andere der Russen, Syrer und der Iraner, um Rakka zu erobern. Gibt es eine Verbindung, eine Koordinierung zwischen den beiden Offensiven? Und wenn nicht, was tut der Westen dort, und was können wir tun, um sie zu stoppen?

Dr. Shaaban: Wenn Sie von den westlichen Streitkräften in Syrien sprechen, dann kann ich Ihnen sagen: Die Amerikaner, die Briten und die deutschen Kräfte kamen nach Syrien, ohne dies mit der syrischen Regierung zu koordinieren, was ein Verstoß gegen das Völkerrecht und gegen die Souveränität einer Nation ist, die wie Syrien sogar zu den Gründungsmitgliedern der Vereinten Nationen gehört.

Im Gegensatz dazu kamen die Russen nicht nur koordiniert, wir haben sie darum gebeten. Die syrische Regierung hat die Russen gebeten, zu kommen und uns mit ihrer Luftwaffe im Kampf gegen den Terrorismus zu helfen, weil unsere Luftwaffe nicht ausreicht, um das ganze Land abzudecken.

Das Verhalten der westlichen Länder in Syrien und gegenüber Syrien ist also keineswegs respektvoll, es respektiert in keiner Weise die Souveränität eines Landes. Und das ist tatsächlich ein Teil des Problems, denn das, was sie die „moderate“ Opposition nennen, das ist gar keine Opposition – es ist eine bewaffnete Gruppe, die Menschen tötet und schlachtet! Seit einem Jahr haben die Russen versucht, die USA zu einer Unterscheidung zwischen Al-Nusra und ISIS auf der einen und der sogenannten „moderaten Opposition“ auf der anderen zu bewegen – aber bisher waren die USA dazu nicht in der Lage, weil es vor Ort tatsächlich gar keine Unterschiede gibt. Was für einen Unterschied macht es, ob ich von Al-Nusra oder einem anderen getötet werde, der Waffen trägt und zu Jaysh al-Islam oder anderen solchen Gruppen gehört? Sie alle sind Terroristengruppen, die die Menschen abschlachten und unser Land zerstören.

Ich denke also, daß die ganze westliche Haltung gegenüber dem Krieg in Syrien mindestens überprüft werden muß, wenn wir eine friedliche Lösung erreichen wollen und – was noch wichtiger ist – eine gemeinsame Haltung und ein gemeinsames Verständnis suchen, den Terrorismus überall auf der Welt zu bekämpfen, denn der Terrorismus ist eine Bedrohung für uns alle, wo immer wir auch sein mögen. Und er fördert den Extremismus, auch in den westlichen Ländern und in den westlichen Hauptstädten. Wir sind mehr als bereit, unsere Erfahrungen mitzuteilen und einen Dialog mit der Welt zum Wohle der ganzen Menschheit zu führen. Das ist es, was Syrien, eine alte Zivilisation, ein altes Land, gerne in der übrigen Welt und mit der übrigen Welt tun würde! Vielen Dank! (Applaus.)

Frage: Ich bin betrübt, ich bin sehr betrübt über das, was jetzt in Syrien geschieht, denn ich war vor 30 Jahren als Student in Ihrem schönen Land, und ich bin wirklich sehr traurig über das was geschieht...

Dr. Shaaban: Vielen Dank.

Frage: ... und ich hasse diese Menschen, diese Barbarei, die den ganzen Nahen Osten zerstört. Ich bin mir sicher, daß das ihr Plan war. Ich weiß nicht, warum, aber das ist es, was geschehen ist. Und ich möchte dafür kämpfen, daß das nicht geschieht; daß wir Ihnen und dem syrischen Volk helfen können. Vielen Dank. Meine Frage ist: Was denken Sie über die deutsche Politik gegenüber Ihrem Land? Das ist sehr interessant, denn ich arbeite für die deutsch-irakischen Beziehungen.

Dr. Shaaban: Vielen Dank für Ihre Gefühle für mein Land. Ich bin mir sicher, daß diejenigen, die Syrien vor dem Krieg besucht haben, es lieben, und ich hoffe, daß Sie, Sie alle, kommen und Syrien besuchen werden, wenn wir diesem Krieg gemeinsam ein Ende gesetzt haben.

Zur deutschen Politik: Das Problem der deutschen Politik oder der westlichen Politik ist wahrscheinlich, daß sie kein Verständnis der Menschen für den Konflikt zeigt, der sich in unserem Land abspielt. Tatsächlich war ich etwas schockiert zu sehen, daß das deutsche Parlament – ich sah das auf Youtube, ich hoffe, es ist richtig; ich sah die Interviews auf Youtube, als das deutsche Parlament dafür stimmte, Militär nach Syrien zu schicken, die Armee nach Syrien zu schicken. Und da war ein Interviewer, der Mitglieder des Parlaments befragte, nachdem Sie dafür gestimmt hatten, Soldaten nach Syrien zu schicken. Und er fragte sie: „Warum schicken Sie die deutsche Armee nach Syrien? Ist das, um Präsident Assad zu unterstützen, oder um Al-Nusra zu unterstützen? Oder Daesch? Oder zur Unterstützung der moderaten Opposition?“

Und leider hatten die meisten dieser Abgeordneten keine Ahnung, warum sie die Armee nach Syrien schicken wollen! Sie haben keine Ahnung, wer dort wer ist! Und sie sagten: „Entschuldigen Sie, ich weiß das nicht, ich kann Ihre Frage nicht beantworten.“

Ich meine – wie kann man dafür stimmen, die Armee in ein anderes Land zu schicken, ohne zu wissen, warum man sie dorthin schickt? Ohne die Realität vor Ort zu kennen, ohne zu wissen, warum man Steuergelder der eigenen Bevölkerung ausgibt, um die Armee in ein anderes Land zu schicken? Wir in Syrien finden das unglaublich, wissen Sie? Denn wir hatten eine so großartige Vorstellung von den westlichen Regierungen und den westlichen Ländern, und wir dachten, sie sind alle sehr gut informiert, sie alle tun ihre Arbeit sehr, sehr gut, und sie geben keine Stimme ab, ohne absolut sicher zu sein, wofür sie da stimmen.

Dieses Youtube-Video hat uns also wirklich schockiert. Leider gilt das für viele Länder, die keine Ahnung von dem haben, was vor Ort in Syrien geschieht. Wir bitten nur darum, daß Sie wissen, was wirklich geschieht, und daß Sie aufgrund der Fakten entscheiden, und nicht aufgrund der Propaganda, die von den Medienkonzernen verbreitet wird, die meistens mit unserer Realität nichts zu tun hat – auch betreffend vieler anderer Fragen.

Stellen Sie sich vor, daß man jemandem wie mir, der einen Doktortitel aus England hat, der drei Bücher geschrieben hat, die in Englisch veröffentlicht wurden, der an amerikanischen Universitäten unterrichtet hat und an europäischen Universitäten – vorwirft, ich sei ein Terrorist, und man erlaubt mir nicht, nach Europa oder in die Vereinigten Staaten zu reisen! (Lachen.) Das sagt Ihnen etwas über die Urteilskraft und die Einschätzung dessen, was in unserem Land geschieht.

Lassen Sie mich Ihnen nochmals danken. Ich bin sehr froh, an dieser Versammlung teilzunehmen, und ich hoffe, daß ich Sie bald in Syrien zu einer noch größeren begrüßen kann, um unseren Dialog für eine viel bessere Zukunft für die gesamte Menschheit, nach der wir uns alle sehnen, fortzusetzen. Vielen, vielen Dank! (Anhaltender Beifall.)