Kriegsverbrechen im Jemen - Stoppt den Völkermord!
Berliner Konferenz dokumentiert „Vergessene Kriegsverbrechen im
Jemen“
Unter dem obigen Titel veranstaltete eine Initiative jemenitischer Bürger
am Samstag, den 25. Februar 2017 in Berlin eine Konferenz, die die
schauerliche Tatsache eines fortdauernden Völkermordes im Jemen demonstrieren
und diesen beenden helfen sollte. Elke Fimmen und Stefan Tolksdorf waren als
Vertreter des internationalen Schiller-Institutes eingeladen. Der erste
Beitrag ist eine Zusammenfassung der Konferenz.
Bild: Paul Bonnefant
Detailaufnahme der Schäden durch die Luftangriffe auf den großen Staudamm von Marib.
Nachdem die Gäste die Nationalhymne Jemens und eine wunderbare Rezitation
aus dem Koran gehört hatten, erklärte Abdullatif Elwashali in seiner
Einführung, daß der Jemen unter einer völligen Blockade des Landes durch die
Koalition unter saudischer Führung leidet; die Nahrungsmittelversorgung im
Land ist vollkommen unzureichend, Schulen und Krankenhäuser werden durch
moderne Kampfjets mit Präzisionswaffensystemen bombardiert; auch die
lebenswichtigen Häfen des Landes sind betroffen. Die Zivilbevölkerung leidet,
während die Welt schweigt, weshalb der Krieg auch „der vergessene Krieg”
genannt wird. Die Konferenz solle dazu dienen, das zu verändern. Die
Teilnehmer und die Welt sollten an die Opfer dieses Krieges erinnert
werden.
Als erster Redner trat Dr. Werner Daum auf, ein ehemaliger deutscher
Diplomat, der inzwischen im Ruhestand ist. „Kein Volk hat mich so berührt, wie
das jemenitische: Offenheit, Stolz auf das eigene Land ohne Überheblichkeit,
sicheres Ruhen in sich selbst”, sagte Daum, der sechs Jahre lang im Jemen
gelebt hat.
„Was die Zeit des Nationalsozialismus angeht, kann sich ein Jemenit kaum
vorstellen, was das bedeutete. Im Jahre 1945 begannen die Nürnberger Prozesse
gegen die Hauptverantwortlichen für die Verbrechen des Nationalsozialismus”,
so Daum. Es ging um den „Tatbestand des Angriffskrieges”. Er fuhr fort: „Seit
1945 gilt ein nicht gerechtfertigter Angriffskrieg als Kriegsverbrechen, das
mit dem Tode zu bestrafen ist. Das gilt auch heute im Jemen: dieser Krieg ist
nicht gerechtfertigt; die Verantwortlichen in Saudi-Arabien und den Emiraten
sind Kriegsverbrecher.”
Er betonte, daß die furchtbare humanitäre Situation im Jemen schlimm sei;
noch schlimmer aber sei die Zerstörung des Kulturerbes im Jemen: „Kulturerbe,
das zerstört wird, kann nicht wieder ersetzt werden. Wenn der Damm von Marib
von den Saudis zerstört wird, werden 3.000 Jahre Geschichte schlicht und
einfach vernichtet.”
Daum kam auch auf die Berichterstattung zu sprechen: „Wir hören immer, es
ginge um einen Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran; doch dafür gibt es
keinen einzigen Beweis... Wenn nicht über die Wirklichkeit berichtet wird,
dann hat das seine Gründe. Weltweit ist die Pressefreiheit nicht mehr
gewährleistet, doch nicht, weil diktatorische Regierungen sie nicht mehr
gewährleisten, sondern weil ein Klima herrscht, in der nur noch eine einzige
Wahrheit existieren darf.”
Dann griff er den Historiker Francis Fukuyama direkt an, der vom „Ende der
Geschichte” geschrieben hat, an dem sich das Reich einer säkularen Religion
auf der Welt etabliert habe, das nie wieder in Frage gestellt werden dürfe.
Daum schloß mit den Worten: „Auch wenn diese Konferenz keinerlei Medienwirkung
haben wird, hoffe ich, daß wir diesem Versuch den Schleier entreißen
können.”
Als nächstes waren Elke Fimmen und Stefan Tolksdorf eingeladen, ein
Grußwort der Präsidentin des Schiller-Institutes, Helga Zepp-LaRouche,
vorzutragen und den Konferenzteilnehmern die optimistische Zukunftsperspektive
und die Aktivitäten des Schiller-Institutes zu präsentieren. Frau Fimmen
bestätigte in ihrem Vortrag, daß der Jemen gerade Schreckliches erleidet, gab
aber auch einen wichtigen Einblick in die Auseinandersetzung in den USA vor
allem den Kampf um die Veröffentlichung der 28 Seiten des 9/11-Berichtes und
das JASTA-Gesetz im vergangenen Jahr - beide haben schließlich direkt mit
der Rolle Saudi-Arabiens zu tun.
Sie zeigte aber auch, welche Rolle der Jemen in der Neuen Seidenstraße als
Brücke zwischen Asien und Afrika spielen wird. Dazu zeigte sie einige Folien
und Grafiken, die von Ulf Sandmark und Hussein Askary vorbereitet worden
waren, und präsentierte die Resolution, die durch Fouad Al-Ghaffaris Arbeit im
Jemen inspiriert und bei der Konferenz des Schiller-Institutes in Berlin im
Juni 2016 angenommen wurde.
Im Anschluß zeigten die Organisatoren der Konferenz Ausschnitte aus
Filmmaterial über die Lage im Jemen, das sie den Teilnehmern auch in Form
einer DVD mit dem Titel Crimes of the Forgotten War zur Verfügung
stellten. (Die Filmdokumentationen sind auch in Youtube eingestellt,
siehe: https://www.youtube.com/watch?v=wxk7O2bU3M4) Nach den
herzzerreißenden und verstörenden Bildern betonte Herr Elwashali, diese Verbrechen müßten umgehend gestoppt werden.
„Ein wenig Hoffnung” war der Titel von Hussain Sharafs Präsentation. Er
erzählte die Geschichte von Amal, einem jungen jemenitischen Mädchen, das
Flugzeuge liebte und davon träumte, eines Tages um die Welt zu reisen und alle
Menschen zu grüßen. Als sie, wie auch sonst so oft, wieder einmal auf die
Straße gelaufen war, um die Flugzeuge zu sehen, die sie gehört hatte, wurde
ihr Haus von einer Bombe getroffen. Ihr Vater war sofort tot; ihre Mutter und
ihr kleiner Bruder starben nur wenig später in einem Krankenhaus ohne
Medikamente und ohne elektrischen Strom. „Das letzte Licht in ihrem Leben war
erloschen. Das Mädchen hatte eine sehr große Zukunft vor sich. Sie hatte große
Liebe in sich. Doch ihr Körper, ihre Familie, ihre Seele, ihre Würde und ihr
Recht auf Leben wurden verletzt”, sagte Sharaf und fuhr fort: „Ein Teil von
Amal lebt noch und will gerettet werden. Amal bedeutet Hoffnung; Hoffnung, die
noch lebt. Alle Kinder im Jemen sind Amal.”
Über die Auswirkungen des Krieges auf die Wasserversorgung sprach als
nächstes Dr. Taha Al-Washali, Research Fellow für Wasserversorgungstechnik am
UNESCO-Institut für Wasser-Ausbildung in Delft. 15,4 Mio. der 27,8 Mio.
Einwohner Jemens, der „ärmsten, bevölkerungsreichsten und jüngsten Nation der
arabischen Halbinsel”, haben derzeit keinen Zugang zu Wasser oder sanitären
Einrichtungen, 7 Mio. brauchen dringend Nahrung. Nach Statistiken der UN haben
in diesem Krieg bis November 2016 10.000 Menschen ihr Leben verloren, 60%
davon durch Luftschläge; 75 werden jeden Tag getötet oder verletzt. Als Folge
des Zusammenbruchs der Wasserversorgung kam es zu einem Cholera-Ausbruch, der
mittlerweile bereits 12.700 Menschen erfaßt hat.
Dr. Al-Washali verwies auf Forschungsergebnisse von Martha Mandy (GB),
wonach die Kampagne Saudi-Arabiens gegen Jemen auch darauf ausgerichtet ist,
die landwirtschaftliche Existenzgrundlage zu zerstören. Bereits vor dem Krieg
mußte der Jemen 90% des Weizens und 100% des benötigten Reises importieren.
Durch die Blockade des Landes sind die Preise stark angestiegen, während die
Löhne im Land seit September 2015 massiv gekürzt wurden. Dr. Al-Washali
stellte schließlich fest, der Schaden im Jemen sei weitreichend, langfristig
und schwer zu reparieren; alle großen Städte seien betroffen.
Über die Auswirkungen der wirtschaftlichen Blockade auf die Menschen sprach
als nächstes Engeline Kramer, Trainerin für Interkulturelle Kommunikation und
Konfliktlösung. Frau Kramer hob zunächst die Gastfreundschaft, Freundlichkeit
und Wärme der Jemeniten hervor und fragte dann: „Was will man im Jemen
eigentlich noch kaputt machen?” Kriegsverbrecher wie George W. Bush und Tony
Blair sollten in Den Haag vor Gericht gestellt werden. Die USA, Großbritannien
und Deutschland könnten und müßten den Wirtschaftsboykott gegen den Jemen
sofort beenden. Jeder müsse jetzt Anstrengungen für Frieden im Jemen
unterstützen. Sie schloß mit dem optimistischen Sprichwort: „Wenn viele
Menschen viele Schritte machen, kann man das Gesicht der Welt verändern.”
Anschließend sprach Dr. R.S. Karim, Mitbegründer von Mona Relief
(Jemenitische Organisation für humanitäre Hilfe und Entwicklung, London). Mona
ist eine der wenigen Hilfsorganisation, die direkt im Jemen aktiv ist. Den
Jemen nannte Dr. Karim ein „narbenbedecktes Land; eine offene Wunde; einen
Schatten seines früheren Selbst”. Saudische Beamte hätten „den Jemen von der
Welt abgeschnitten. Das Land ist eingeschlossen. Das ist Genozid.” Wenn
vor dem Krieg bereits 90% wichtiger Nahrungsmittel importiert werden mußten,
wie solle man jetzt 90% der Bevölkerung mit den verbleibenden 10% ernähren?
Jedes Mal, wenn es Kind stirbt, wurde es von jemandem ermordet. Dr.
Karim erzählte dem entsetzten Konferenzpublikum von Totgeburten wegen
Unterernährung. Er sprach von Vätern, die verzweifelt an Selbstmord denken,
weil sie ihre Familien nicht schützen können. „Solches Elend befleckt die
Seele.”
„Der Jemen ist ein humanitäres schwarzes Loch. Dem Land wurde seine Würde
genommen.” Vor allem aber würden die Jemeniten „den Gestank des Verrates
wittern.”
Dr. Karim schloß: „Wenn eine Militärmacht absichtlich das Leben von Kindern
zerstört, dann kann man nur noch eines tun: Kämpfen. Jeder Vater wird kämpfen.
Jede Mutter wird zur Tigerin. Der Jemen darf nicht zu einer weiteren
vergessenen Krise werden. Der Krieg im Jemen ist nicht der vergessene Krieg
dieses Jahrzehnts; er ist die Schande unserer Generation.”
Als letzte Rednerin sprach Hassna, eine angehende Studentin, über die
Kriegsverbrechen und das Leiden der Frauen und Kinder. Sie zeigte viele
Bilder, die noch einmal an all die Schrecken im Jemen erinnerten. Die
Konferenzen endete nach einem Schlußwort auf Arabisch und einer weiteren
kurzen Rezitation aus dem Koran mit der jemenitischen Nationalhymne.
Das Schweigen über die Grausamkeiten im Jemen war während der Konferenz
wiederholt Gegenstand der Diskussion und wurde noch durch die beschämende
Tatsache unterstrichen, daß außer EIR und der Neuen Solidarität
keine Vertreter von Presse und Medien anwesend waren - und das, obwohl die
Veranstaltung in einem Konferenzsaal im Gebäude der Zeitung Neues
Deutschland stattfand.
Dennoch war die Konferenz ein voller Erfolg. Sie demonstrierte und
verurteilte klar die Greuel, unter denen die Jemeniten leiden. Der Wille,
angesichts dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit Widerstand zu leisten, war
spürbar. Noch wichtiger jedoch: Die Konferenzteilnehmer erfuhren mehr über das
übergeordnete Problem des britischen Empires und lernten die großartige
Perspektive der zukünftigen Rollen Jemens in einem Neuen Paradigma der
Win-Win-Zusammenarbeit kennen.
Stefan Tolksdorf
Stoppt den Völkermord im Jemen – Frieden durch Entwicklung!
Von Elke Fimmen, Schiller-Institut, Vereinigung für Staatskunst e.V., Berlin
Elke Fimmen vom Schiller-Institut hielt bei der Berliner
Konferenz „Vergessene Kriegsverbrechen im Jemen“ am 25. Februar 2017 den
folgenden Vortrag:
Vielen Dank für die Einladung zu Ihrer sehr wichtigen Konferenz „Vergessene
Kriegsverbrechen im Jemen“.
Es ist eine absolute Schande, daß der nun schon fast zwei Jahre andauernde
Völkermord durch die amerikanisch-britisch-saudische Allianz gegen die
Bevölkerung Jemens im Westen und auch in Deutschland so systematisch und im
wahren Sinne des Wortes totgeschwiegen wird – obwohl die schockierenden Fakten
seit langem bekannt sind, ebenso wie die Tatsache, daß es sich um einen
illegalen Aggressionskrieg von außen und keinen Bürgerkrieg handelt.
Ein Beispiel: Der jährliche Bericht des UN-Generalsekretärs über Kinder als
Opfer bewaffneter Konflikte, der am 2. Juni 2016 erscheinen sollte, listete
die „saudisch geführte Koalition“ im Jemen unter den kriminellen Parteien auf,
die in bewaffneten Konflikten Kinder als Soldaten rekrutieren, mißbrauchen,
töten oder mißhandeln. Die Koalition sei verantwortlich für 60% der zivilen
Todesopfer in Jemen, davon fast ein Drittel Kinder. Allein 2015 wurden 785
Kinder getötet, 1168 verletzt – soweit die offiziellen Zahlen. Bei Angriffen
auf Schulen und Krankenhäuser wurden 90% teilweise oder komplett zerstört.
Laut diesem Bericht von Mitte 2016 wurden 57% der Angriffe auf Schulen und 48%
aller Angriffe insgesamt von Koalitionskräften ausgeführt.
Riad drohte daraufhin, die Zahlungen für sämtliche UN-Hilfsprogramme
einzustellen, wenn es nicht von der Liste genommen würde, und
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon gab nach. In einer Pressekonferenz am 9. Juni
sagte er, er habe es tun „müssen“, um andere Millionen Kinder zu schützen.
In dem UN-Bericht wurde nicht erwähnt, daß der Massenmord der „saudisch
geführten Koalition“ von einer Einsatzzentrale geleitet wird, in der britische
und US-Beamte ständig Nachrichtendienstinformationen zur Auswahl der
Angriffsziele beitragen und die Anglo-Amerikaner auch andere wesentliche
Unterstützung wie Luftbetankung liefern. Das britische
Verteidigungsministerium behauptete, seine Berater hielten alle Vorschriften
des Kriegsrechts ein, aber die britische Wohlfahrtsgruppe Reprieve erklärt das
Gegenteil. Der britische Außenminister Philip Hammond behauptete, der
saudische Krieg im Jemen verstoße nicht gegen das humanitäre Völkerrecht,
obwohl u.a. der Ausschuß des Unterhauses für Internationale Entwicklung in
einem Anfang Mai 2016 veröffentlichten Bericht das Gegenteil bewies.
Am 6. Juni 2016 bestätigte ein Sprecher des US-Pentagon, US-Soldaten seien
im Jemen und leisteten dort Beratung und nachrichtendienstliche
Unterstützung.
Was ist die Lage heute, 2017?
Der völkerrechtswidrige Bombenkrieg richtet sich nach wie vor illegal gegen
zivile Ziele wie Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Märkte, Versammlungen,
die Nahrungsmittelversorgung, Lebensmittelimporte, Straßen und Brücken,
Treibstoff, Agrarerzeugung, Lagerhäuser für Lebensmittel, Dämme, selbst Felder
werden mit Streubomben übersät. Das kulturelle Erbe, nationale Museen,
historische Stätten und die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärten Städte
Sanaa, Zabid und Schibam werden systematisch zerstört.
Das UN-Amt für Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) beschrieb
in seinem Bericht an den UN-Sicherheitsrat, der sich am 26.1.2017 erstmals
seit dem letzten Oktober wieder mit Jemen beschäftigte, die Lage als die
gegenwärtig größte humanitäre Krise auf der Welt.
Der Hunger fordert mittlerweile viel mehr Todesopfer als die unmittelbaren
Kriegshandlungen. Im November 2016 wurde nach 600 Tagen saudischer
Bombenangriffe die Zahl der zivilen Todesopfer im Krieg offiziell mit 11.403
angegeben. Ende Januar berichtete UNICEF, daß im Jahr 2016 im Jemen 63.000
Kinder an Mangelernährung starben, für Erwachsene wurde keine Zahl angegeben.
Fast eine halbe Million Kinder leiden jetzt an „schwerer akuter
Mangelernährung“, also sind kurz davor, zu verhungern.
Seit Anfang 2016 haben 80% der Jemeniten keine geregelte
Nahrungsmittelversorgung und 14 Millionen Menschen, also die Hälfte der
Bevölkerung, sind unterernährt. 3,3 Mio. Jemeniten, davon 2,2 Mio. Kinder,
leiden unter akuter Mangelernährung.
Durch die Wirtschaftsblockade sind die Einfuhren von Nahrungsmitteln,
Brennstoffen und Medikamenten massiv reduziert, gleichzeitig wird die
Infrastruktur systematisch zerstört, Krankenhäuser, Schulen und Märkte weiter
bombardiert. 20.000 Menschen warten auf eine Möglichkeit, sich im Ausland
medizinisch behandeln zu lassen. Der Flughafen von Sanaa ist geschlossen, seit
er bombardiert wurde; der Hafen von Houdaida steht unter Seeblockade und die
Saudis haben dort die Ladekräne bombardiert. Dies ist der einzige Hafen, über
den die Mehrheit der Bevölkerung in Jemen versorgt werden kann. Dazu kommt,
daß die Einfuhren der lebenswichtigen Güter von der Hadi-Regierung im
saudischen Riad genehmigt werden müssen, was diese regelmäßig ablehnt.
Die Hilfsorganisation Oxfam forderte im Dezember 2016 die vollständige
Öffnung der Häfen und die Aufhebung der Importbeschränkungen für
Nahrungsmittel, Treibstoffe und Medikamente. Im August 2016 forderten zwölf
internationale Hilfsorganisationen, den von den Saudis kontrollierten zivilen
Luftverkehr nach Jemen wieder freizugeben.
Es muß aber vor allem endlich festgestellt werden, daß der gesamte
amerikanisch-britisch-saudische Bombenkrieg ein schwerer Völkerrechtsbruch
ist, der sich in keiner Weise auf die UN-Sicherheitsratsresolution 2216
stützen kann. Diese autorisiert keine Gewaltanwendung, wie der gerade
überraschend verstorbene russische UN-Botschafter Witalij Tschurkin bereits
klar und deutlich festgestellt hatte. Außerdem hatte und hat die von
Saudi-Arabien unterstützte Hadi-Regierung, die sich vorwiegend in
Saudi-Arabien aufhält, keine wirksame Kontrolle über das Territorium Jemens,
einschließlich der Hauptstadt, und war schon von daher gar nicht befugt, eine
Militärintervention von außen anzufordern, wie u.a. der pakistanische Experte
Sikander Ahmed Shah darlegte.
Das alles ist aber bekannt und klar und muß nicht debattiert werden. Es ist
eine Frage des politischen Willens, diesen Angriffskrieg zu beenden und die
Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Es stellt sich die Frage: Was und wo sind die gerade jetzt immer wieder
beschworenen westlichen Werte angesichts dieser Situation? Warum liefern wir
weiter Waffen an Saudi-Arabien, warum tolerieren wir, daß unsere „Alliierten“
dies im großen Maßstab tun und damit Völkermord begehen?
Dasselbe saudische Regime war nachgewiesenermaßen in die Terroranschläge
des 11. September 2001 in den USA verwickelt, wie in den unter Bush und Obama
klassifizierten 28 Seiten des entsprechenden US-Kongreßberichtes zu lesen ist,
der nach über 15 Jahren letztes Jahr endlich freigegeben wurde! Das war
übrigens ein wichtiger politischer Sieg gegen die Kriegspartei, ebenso wie die
Tatsache, daß der US-Kongreß letzten Herbst gegen das Veto von Präsident Obama
das JASTA-Gesetz durchsetzte, wonach für Terrorismus verantwortliche
ausländische Regierungen in den USA legal zur Rechenschaft gezogen werden
können. Das ermöglicht erstmals den Opferfamilien von 9/11, gegen
Saudi-Arabien zu klagen, das vorher Immunität in den USA genoß.
Für ein Ende der Kämpfe und eine dauerhafte Befriedung ist ebenso
erforderlich, die neu gegründete jemenitische „Regierung der Nationalen
Rettung“ (GNS), der das Parlament in Sanaa das Vertrauen ausgesprochen hat,
als entscheidenden Ansprechpartner vor Ort und wesentlichen Faktor für
erfolgreiche Friedensverhandlungen zu betrachten.
Frieden durch Entwicklung
Die Chancen für ein Ende der geopolitischen Stellvertreter- und
Regimewechselkriege im Nahen Osten und der Konfrontation gegen Rußland und
China sind mit der neuen Administration in den USA gewachsen – auch wenn es
offensichtlich erbitterte Anstrengungen gibt, genau eine solche positive
globale Änderung zu verhindern.
Vor allem aber macht das Konzept der BRICS-Staaten und vor allem der Neuen
Seidenstraße von Chinas Präsident Xi Jinping große Fortschritte dabei, eine
neue Weltordnung für gegenseitige wirtschaftliche und soziale Kooperation zu
schaffen, ein „Win-Win“-Konzept - Frieden durch reale Entwicklung.
Im Mai wird dazu eine große Konferenz in China stattfinden, zu der bereits
mehr als 20 Staatsführer ihre Teilnahme zugesagt haben, darunter Präsident
Putin. Auch der amerikanische Präsident Trump ist eingeladen.
Jemen ist in besonderer Weise dazu prädestiniert, bei der Verwirklichung
der großen Infrastrukturentwicklungsprogramme der Neuen Seidenstraße eine
wichtige Rolle zu spielen, als eine der wichtigsten arabischen Nationen -
historisch, kulturell und geographisch. Der Jemen hat die Kontrolle über den
Handelsstrom zwischen Asien und Europa durch die Meerenge von Bab Al-Mandab.
Er kann eine Landbrücke zwischen Asien und Afrika werden, über die Verbindung
vom Iran über die Straße von Hormus nach Oman, durch Jemen und über den Bab
Al-Mandab nach Dschibuti in Afrika.
Das Schiller-Institut hat in seiner arabischen Version des Berichtes „Die
Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke“ u.a. verschiedene Projekte definiert,
mit denen die arabischen Länder im Rahmen der Seidenstraße durch
Schnellstraßen und Eisenbahnen verbunden werden können, für die Jemen sehr
wichtig werden wird. Es gibt auch eine von der Asiatischen
Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) finanzierte Machbarkeitsstudie für ein
Eisenbahnnetz in Oman, das als wichtige Verbindung für die Region dienen
kann.
Der Jemen genoß, wie wenige im Westen wissen, ja bereits einmal eine
erstaunliche wirtschaftliche und kulturelle Blüte, als er in der Zeit des
Königsreiches Saba vom Ende des zweiten vorchristlichen Jahrtausends an in die
florierende alte Seidenstraße vom Mittelmeer zum Indischen Ozean und nach
China eingebunden war. Das Königreich Saba erstreckte sich vom heutigen Jemen
an der Küste des Roten Meeres nach Saudi-Arabien und bis nach Äthiopien,
Eritrea und Dschibuti. Das erstaunliche technische Bauwerk dieser Ära, der
große Staudamm von Marib, der bezeichnenderweise jetzt im Krieg auch
bombardiert wurde, konnte mit Hilfe hochentwickelter Bewässerungsanlagen die
Wüste in fruchtbares, üppiges Land verwandeln und diese größte künstliche Oase
der antiken Welt mehr als tausend Jahre erhalten.
In Jemen wird das Konzept der BRICS und der Neuen Seidenstraße als
Perspektive der Zukunft bereits sehr intensiv diskutiert. Das Beratende
Komitee für die Koordinierung mit den BRICS-Staaten von Herrn Fouad Al
Ghaffari hat eine permanente Studiengruppe mit Beteiligung führender
Intellektueller eingerichtet, die jede Woche den Weltlandbrückenbericht des
Schiller-Instituts intensiv studiert und Pläne für die Zukunft und den
Wiederaufbau Jemens ausarbeitet. Wir hatten Herrn Ghaffari und andere
Mitarbeiter zu unserer internationalen Konferenz nach Berlin im letzten Juni
eingeladen, aber trotz intensivster Bemühungen von unserer und seiner Seite
konnte er leider nicht persönlich teilnehmen. Er schickte aber ein sehr
bewegendes und optimistisches Video aus Sanaa, das Sie auf unserer Webseite
finden können, in dem er die BRICS-Perspektive und die Bedeutung der Neuen
Seidenstraße ausführlich darlegte.1 Die etwa 300 internationalen
Teilnehmer der Konferenz verabschiedeten daraufhin eine Resolution, in der sie
versprachen, alles zu tun, um die Souveränität Jemens und den Wiederaufbau zu
unterstützen:
„Die Konferenz des Schiller-Instituts in Berlin am 25.-26. Juni 2016
übermittelt der großen jemenitischen Nation und der Studiengruppe um Fouad
Al-Ghaffari ihre herzlichsten Grüße. Ihre mutige intellektuelle Führung,
buchstäblich unter dem Bombardement satanischer Kräfte, ist eine Inspiration
für Tausende von Menschen in den Vereinigten Staaten, Lateinamerika und
Europa. Wir verpflichten uns feierlich, für die Erweiterung der Neuen
Seidenstraße zum Wiederaufbau des Jemen zu kämpfen, damit das Leben so vieler
ermordeter Männer, Frauen und Kinder in einer Renaissance des Jemen gewürdigt
wird, die seine wunderschönen alten Städte und Architekturen wieder aufbauen
wird. Der Jemen muß und wird schon bald wieder eine Perle unter den Nationen
Südwestasiens und der Welt sein!“
In diesem Geiste unterstützen wir auch Ihre heutige Konferenz und werden
alles uns mögliche tun, diese Ziele zu verwirklichen.
Vielen Dank!
Anmerkung
1. Siehe: http://newparadigm.schillerinstitute.com/de/media/fouad-al-ghaffari-message-to-the-schiller-institute-conference-from-the-yemeni-advisory-office-for-coordination-with-the-brics/
Vergessene Kriegsverbrechen im Jemen
Helga Zepp-LaRouche übermittelte der Berliner Konferenz
„Vergessene Kriegsverbrechen im Jemen“ die folgende Grußbotschaft.
Der von der saudiarabisch angeführten Koalition und von den USA vielfältig
unterstützte Krieg gegen Jemen hat in den vergangenen zwei Jahren Zehntausende
Menschen getötet und bedroht jetzt das Leben von mehr als zwölf Millionen
Menschen, die aufgrund der systematischen Bombardierung der
landwirtschaftlichen Infrastruktur und der Luft- und Seeblockade von der
Versorgung mit Lebensmitteln und medizinischen Mitteln völlig abgeschnitten
sind. Dieser Krieg ist ein Völkermord nach der offiziellen Definition der
Vereinten Nationen.
Es gibt keinen anderen Fall, der die unerträgliche Scheinheiligkeit des
sogenannten „freien Westens“ besser demonstriert, als die
Nichtberichterstattung über die Kriegsverbrechen, die täglich seit zwei Jahren
gegen die Bevölkerung des Jemen begangen werden. Wo sind alle die Anhänger der
„humanitären Interventionen“, die unter dem Vorwand der Verteidigung von
Menschenrechten einen Krieg nach dem anderen angezettelt haben, der in
Wirklichkeit auf Lügen aufgebaut war? Wo ist die Berichterstattung über
Bombardierungen von Trauerfeiern und Krankenhäusern, den Einsatz von
völkerrechtlich geächteten Streubomben, den Tod von über tausend Kindern pro
Woche, die an vermeidbaren Krankheiten sterben? Wo ist der Aufschrei über die
systematische Zerstörung eines großartigen Kulturerbes der Menschheit?
Im Zeitalter des Internet und NSA-Überwachung kann niemand behaupten, daß
die Greueltaten gegenüber der jemenitischen Bevölkerung nicht allen
Regierungen und Massenmedien bekannt sind. Die Entscheidung, darüber de facto
Stillschweigen zu wahren, nur weil es sich um Taten seitens der „Verbündeten“
handelt, macht sie zu Mitschuldigen an diesen Verbrechen.
Es ist gut, daß der neue amerikanische Außenminister Tillerson die
Notwendigkeit für die „uneingeschränkte Versorgung mit humanitärer Hilfe für
den gesamten Jemen“ versprochen hat. Aber es muß umgehend der internationale
Druck erzeugt werden, den Krieg gegen Jemen sofort zu beenden, das Land wieder
aufzubauen und nach Möglichkeit die zerstörten Kulturgüter zu
restaurieren.
Es kann für die Menschen im Jemen ein Trost und eine Hoffnung sein, daß die
Existenz der BRICS-Staaten und die Initiative der Neuen Seidenstraße Chinas
die Perspektive für Verwirklichung dieser Forderungen ermöglicht. Die
hoffnungsvollen Anzeichen, daß immer mehr Staaten die Vorteile einer
Win-Win-Kooperation erkennen und bereit sind, die Geopolitik hinter sich zu
lassen, bedeuten auch, daß sich die strategischen Rahmenbedingungen für den
Jemen bald verbessern können.
In der Zwischenzeit sind alle Menschen aufgerufen, den Appell des
jemenitischen Volkes für die Beendigung des Kriegs zu unterstützen und die
Aufmerksamkeit der Welt auf dieses so wichtige und kulturell reiche Land zu
lenken!
Helga Zepp-LaRouche, Präsidentin des internationalen
Schiller-Instituts
Die Auswirkung des Krieges auf die Zivilbevölkerung
Taha Al-Washali, PhD Research Fellow am Institut für hydrologische
Ausbildung der UNESCO in Delft in den Niederlanden, gab bei der Berliner
Konferenz „Vergessene Kriegsverbrechen im Jemen“ einen Überblick über die
katastrophalen Folgen des Krieges im Jemen für die Zivilbevölkerung, die in
verschiedenen von ihm zitierten Studien dokumentiert sind.
Bild: UNICEF 2016
Die Trinkwasserversorgung im Jemen ist weitgehend zusammengebrochen.
Der Jemen sei mit 27,8 Mio. Einwohnern und einem Durchschnittsalter von 19
Jahren „die ärmste, bevölkerungsreichste und jüngste Nation auf der Arabischen
Halbinsel“. 46% der Bevölkerung seien jünger als 15 Jahre. Die
Arbeitslosigkeit sei von 37% vor dem Krieg auf jetzt 52% angestiegen, 85% der
Menschen leben unter der Armutsgrenze, vor dem Krieg waren es 54%.
Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden bis November 2016 mindestens
10.000 Menschen im Jemen getötet, 60% davon durch Luftangriffe. Täglich würden
75 Menschen verletzt oder getötet. Nach Zahlen des Legal Center for Rights and
Development vom Januar 2017 wurden in dem Krieg bisher 11.929 Menschen getötet
und 19.885 verletzt. Ganz oder teilweise zerstört wurden 401.831 Häuser, 15
Flughäfen, 14 Häfen, 1489 Straßen und Brücken, 269 Krankenhäuser und
Gesundheitszentren, 751 Schulen, 205 archäologische Stätten, 528 Märkte und
267 Fabriken.
Nach Einschätzung des Amtes für die Koordinierung humanitärer
Angelegenheiten (OCHA) der Vereinten Nationen (2017) brauchen 18,8 Mio.
Menschen im Jemen humanitäre Hilfe, 14,8 Mio. Menschen haben keine
medizinische Versorgung, 14,5 Mio. mangelt es an Wasserversorgung und
sanitären Anlagen. 8,2 Mio. Menschen benötigen dringend Wasser und sanitäre
Versorgung, 7 Mio. Menschen benötigen dringend Nahrungsmittelhilfe. 2,2 Mio.
Menschen sind Binnenflüchtlinge.
Besonders besorgniserregend sei der Mangel an sauberem Trinkwasser, da die
Wasserversorgung durch die Kriegseinwirkung und die Blockade der
Treibstoffeinfuhr zusammengebrochen sei. Bereits 12.700 Menschen seien an
Cholera erkrankt.
Durch die saudischen Luftangriffe und die Seeblockade ist das Land von
Nahrungsmittel- und Treibstoffimporten abgeschnitten. Nach dem Zusammenbruch
der Wasserversorgung vervielfachte sich der Preis auf dem privaten Markt und
stieg auf 12 $/m3 Trinkwasser, aber 50% der Bevölkerung müssen von
weniger als 2 $ am Tag leben. Die Menschen fingen an, Wasser wieder mit der
Hand zu schöpfen, örtliche Initiativen verteilten auf den Straßen Wasser aus
Tankwagen.
Inzwischen arbeite die Wasserversorgung von Sanaa mit begrenzter
Unterstützung durch UNICEF wieder mit etwa 25% ihrer Kapazität. Aus der
öffentlichen Wasserversorgung erhalten die Menschen nur wenig Wasser für
0,5 $/m3, das Wasser der privaten Händler sei mit
3,5 $/m3 für die meisten unerschwinglich, das kostenlos verteilte Wasser aus den Wassertanks an den Straßen sei hygienisch unsicher.
Infolgedessen ist in Sanaa die Cholera ausgebrochen. Am 6.
Oktober 2016 wurden 11 Fälle von Cholera in Sanaa bestätigt, inzwischen habe
sich die Seuche mit 12.700 Erkrankungsfällen auf zwölf weitere Gouvernements
verbreitet, darunter Taiz, Aden, Al-Hadaida und Ibb, und bedrohe das Leben von
Millionen Menschen. 181.389 Menschen leiden an Erkrankungen der Atemwege.
Laut einer Untersuchung von Martha Mandy (Großbritannien) deutet vieles
daraufhin, daß der saudische Feldzug im Jemen auch bewußt darauf abzielt, die
Lebensgrundlage der ländlichen Bevölkerung zu zerstören. Im Jemen sind nur
2,8% des Landes landwirtschaftlich bebaut. Trotzdem richteten sich 357
Bombenangriffe gegen Bauernhöfe, Lebensmittelgeschäfte und -transportfahrzeuge
etc. Auch Verwaltungsgebäude zur technischen Unterstützung der Landwirtschaft
wurden zerstört, die Entwicklungsbehörde für die Tihama-Region an der Küste
des Roten Meeres wurde stark bombardiert.
Der Jemen ist stark abhängig von Nahrungsmitteleinfuhren, 90% des Weizens
und 100% des Reis werden importiert. Trotzdem leben immer noch mehr als 50%
der Bevölkerung von der Landwirtschaft und Tierhaltung. Nach einer Studie von
James Firebrace (Großbritannien) hat der Nahrungsmittelmangel zu
Preissteigerungen um 25% bei Getreide geführt, während die Einkommen stark
zurückgegangen sind, in vier Gouvernements um mehr als 50%.
Auch der Transport von Lebensmitteln zu den Märkten ist schwieriger
geworden. Ein weiteres Problem ist der Mangel an harten Devisen zur
Finanzierung der Nahrungsmittelimporte, weil die Zentralbank des Landes von
Sanaa nach Aden verlegt wurde. Die Devisenreserven des Landes schwinden, es
werden keine Bankbürgschaften für die Nahrungsmittelimporte ausgestellt.
Es sei dringend notwendig, daß die internationale Gemeinschaft eingreife,
um diese Zustände zu beenden.
Ausführlichere Dokumentationen der Kriegsverbrechen an der jemenitischen
Zivilbevölkerung finden Sie auf der Internetseite des Legal Center for Rights
and Development (http://lcrdye.org/Eng/Default.aspx) und auf der
Facebook-Seite internationaler Aktivisten gegen den Krieg im Jemen (https://www.facebook.com/StopTheWarOnYemen/).
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