Operation Felix
Das Wunder des Wiederaufbaus des Jemen und die Verbindung zur Neuen
Seidenstraße
Von Hussein Askary
Der Südwestasien-Koordinator des Schiller-Instituts, Hussein
Askary, stellte in seinem Vortrag bei der Bad Sodener Konferenz am 30. Juni
seinen neuen Bericht über die „Operation Felix“ für den Wiederaufbau des Jemen
vor.
Der Jemen ist, denke ich, ein perfektes Beispiel dafür, wie eine Tragödie
in einen Sieg verwandelt werden kann, einen Sieg nicht nur für den Jemen oder
das jemenitische Volk, sondern für die gesamte Menschheit. Ich werde erklären,
warum.
Wie unsere Freunde soeben beschrieben haben, hat der saudische Krieg gegen
Jemen, unterstützt von Großbritannien, den Vereinigten Staaten, Frankreich und
anderen Ländern, seit dreieinhalb Jahren viele Tragödien mit sich gebracht,
aber auch viele Ironien. Sie zeigen, daß die scheinbar Schwachen nicht
notwendigerweise gegen die Starken verlieren müssen.
Die Jemeniten sind zwar das ärmste Volk in der Region, aber sie haben ein
tiefverwurzeltes historisches Selbstwertgefühl und eine Kultur, die
Jahrtausende zurückreicht. Sie sind ein stolzes Volk mit einem
republikanischen Freiheitsgefühl und einer rauhen Landschaft, die sehr
vorteilhaft ist für den Verteidigungskrieg. Alle diese Faktoren versetzten sie
in die Lage, der saudischen Koalition zu widerstehen, die von einigen der
mächtigsten Streitkräfte auf dem Planeten unterstützt werden, und das seit
mehr als drei Jahren. Aber, wie wir noch sehen werden, zu einem sehr hohen
Preis.
Eine weitere Ironie ist, daß sich einige Jemeniten inmitten schlimmster
Kriegzeiten mit der von Lyndon LaRouche und dem Schiller-Institut entwickelten
Wirtschaftslehre beschäftigen, um herauszufinden, wie man eine moderne
Ökonomie aufbaut und das Desaster der Vergangenheit vermeidet. Sie haben auch
die Neue Seidenstraße studiert und wollen, daß sich Jemen der
Belt-and-Road-Initiative anschließt. Wie ich bereits zuvor in diesem Panel
gesagt habe: um zu überleben, muß man zu den Sternen aufschauen, d.h. in die
Zukunft und daraus Inspiration und Mut ziehen, um den jetzigen Kampf zu
überleben und auch den Weg zu ebnen, um die Krise zu lösen.
Abb. 1: Die Teilnehmer eines Seminars am Hauptsitz des Allgemeinen
Investitionsamtes (GIA) unterstützten in der „Sanaa-Erklärung“ den Bericht
über die „Operation Felix“.
Abb. 2: Titelseite des Berichts „Operation Felix:
Der Wiederaufbaus des Jemen und die Verbindung zur Neuen Seidenstraße“.
Abb. 3. Anstieg und Absturz des Ölpreises.
Anfang des Monats, am 6. Juni, hat in Sanaa, der Hauptstadt des Jemen,
mitten in einer weiteren Kriegseskalation ein Seminar stattgefunden, und zwar
am Hauptsitz des Allgemeinen Investitionsamtes (GIA), wo die Sanaa-Erklärung
verabschiedet wurde (Abbildung 1). In die Erklärung wurde der 86seitige
Bericht des Schiller-Instituts „Operation Felix: Der Wiederaufbaus des Jemen
und die Verbindung zur Neuen Seidenstraße“ (Abbildung 2) aufgenommen,
der von mir verfaßt wurde. Der GIA-Vizedirektor Ingenieur Khaled Sharafeddin
eröffnete das Seminar, indem er Helga Zepp-LaRouche, der Präsidentin des
Schiller-Instituts, für ihre unermüdliche Unterstützung für das jemenitische
Volk dankte. Er drückte seine volle Unterstützung für die in dem Bericht
gemachten Vorschläge aus und betonte, das GIA werde mit der Regierung in Sanaa
zweigleisig zusammenarbeiten: Einmal soll der Bericht zu einem Aktionsplan für
die Regierung umgeschrieben werden, und zum anderen sollen alle in dem Bericht
erwähnten Infrastruktur- und Finanzierungsvorschläge genau studiert werden, um
den Wiederaufbauprozeß einleiten zu können, sobald der Aggressionskrieg
beendet ist.
In dem Bericht beschreibe ich im Detail, wie die Bombardierungen und die
komplette Luft- und Seeblockade der Saudi-Koalition die heutige schreckliche
humanitäre Katastrophe hervorgerufen hat. Dann beschreibe ich den
Wiederaufbau-Prozeß und die Verbindung zur Belt and Road Initiative.
Die Zerstörung des Jemen vor dem Krieg 2015
Ein wichtiges Kapitel in meinem Bericht dreht sich darum, wie die
Wirtschaft des Jemen bereits vor dem Kriegsbeginn im März 2015 ruiniert
wurde, und zwar durch 30 Jahre einer falschen Wirtschaftspolitik hauptsächlich
unter Anleitung von IWF und Weltbank. Diese Politik brachte dem Jemen den
Beinamen „ärmstes Land im Nahen Osten“ ein.
Ich habe sehr sorgfältig beschrieben, was mit der Wirtschaft und den
Menschen im Jemen vor dem Krieg geschehen ist, um so die verantwortlichen
Politiker vor den Fallstricken der Wirtschafts- und Finanzmethoden zu warnen,
die im transatlantischen alten Paradigma und seiner Kunden/Opfer vorherrschend
waren. Man muß diese Dinge kennen, denn es besteht die Gefahr, daß sich die
gleichen Wirtschaftsmethoden auch dieses Mal wieder in sogenannter
„Wiederaufbauhilfe“ verstecken.
Ein Phänomen, an dem die jemenitische Regierung selbst schuld ist, ist
definiert hier als Mentalität eines „Rentierstaats“, das einen Staat
beschreibt, der sich fast ausschließlich auf den Export seiner leicht
ausbeutbaren reichlichen Rohstoffe stützt, um die eigenen Bedürfnisse zu
decken, ohne sich groß um Investitionen zur Verbesserung der einheimischen
produktiven Kapazitäten zu kümmern. Saudi-Arabien, die Golfstaaten und andere
OPEC-Staaten sind gute Beispiele hierfür. Jemen ist ein extremes Beispiel.
In Jemen wurden 1986 Erdölvorkommen entdeckt, und der Ölexport begann 1987,
wodurch der Staat plötzlich mit Devisen überschwemmt wurde (Abbildung
3). Als jedoch 1997 die Asienkrise die globale Wirtschaft traf, sank der
Ölpreis plötzlich von 40 Dollar in den Bereich von 20 Dollar. Er erholte sich
nicht bis zum 11. September 2001 und der anschließenden Invasion des Irak, als
er auf 100-120 Dollar anstieg. Nach der Finanzkrise 2007-2008 kollabierte der
Preis jedoch wieder.
Dieser Faktor machte den Jemen zur Geisel schwankender globaler Preise und
seiner fast vollständigen Abhängigkeit von Ölexporten, um die erforderlichen
Importe von Nahrungsmitteln und fast allen anderen Waren zu finanzieren.
1995 kamen IWF und Weltbank dem Jemen „zu Hilfe“, um seine Finanzprobleme
zu lösen. Es gab vier Runden sogenannter „Struktureller Anpassungsprogramme“
von jeweils fünf Jahren, die den Staat zwangen, seine Unternehmen zu
privatisieren, staatliche Subventionen für Nahrung und Waren des täglichen
Bedarfs zu streichen, Zehntausende Staatsbedienstete zu entlassen und den
Binnenmarkt für konkurrierende ausländische Güter zu öffnen.
Diese radikale Freimarktpolitik tötete die noch vorhandene einheimische
Produktion ab. Es erübrigt sich zu sagen, daß es dem Staat nicht länger
erlaubt war, die Infrastruktur und Industrie aufzubauen, noch
Landwirtschaftsprojekte zu unterstützen. Seine Souveränität über die
Wirtschaft ging verloren. Die massive Privatisierungskampagne staatlicher
Unternehmen ermöglichte es einigen korrupten Eliten, sich durch die
Eigentumsübertragung dieser Besitztümer zu bereichern.
Trotz der schlechten Versorgungslage im Land, besonders nach der globalen
Krise der Nahrungsmittelpreise 2008, wurde der Jemen ermutigt, den Export
sogenannter cash crops wie Obst und Gemüse zu erhöhen, wobei
Saudi-Arabien und die Golfstaaten die Hauptabnehmer waren. Ohne Unterstützung
oder Schutz für den einheimischen Getreideanbau gingen die Bauern zum
lohnenderen Anbau von Obst und Gemüse über, oder schlimmer noch zu der Droge
Quat, deren Konsum in dieser Zeit expodierte und später weiter anstieg. Der
Fischereisektor war der einzige Bereich, in den deutlich investiert wurde,
aber der Zweck war nicht die Versorgung der Bevölkerung, sondern die
Exportmärkte. Nach all diesen großartigen Bemühungen von IWF und Weltbank war
dies das Ergebnis (Tabelle 1 und Tabelle 2):
Tabelle 1:
Kollaps von Gesundheit, sozialer Lage und Dienstleistungen
|
|
1990
|
2000
|
2014
|
Unterernährung (%)
|
28,9
|
29,6
|
26,1
|
BIP/Kopf (US-$, Kaufkraftparität)
|
3441
|
4018
|
3832
|
Untergewicht bei Kindern unter fünf Jahren (%)
|
29,6
|
43,1
|
35,5
|
Abhängigkeit von Getreideimporten (%)
|
69,9
|
78,6
|
81,2
|
Zugang zu sauberem Trinkwasser (% der Bevölkerung)
|
66,3
|
59,8
|
54,9
|
Nahrungsmittelexporte (Mio. US-$)
|
30
|
32
|
180
|
Nahrungsmittelimporte (Mio. US-$)
|
613
|
719
|
3682
|
Anteil der Armen (%)
|
|
33%
|
54%
|
Tabelle 2:
Entwicklung des Handelsdefizits bei Nahrungsmitteln
|
Nettohandel (Mio. US-$)
|
1990
|
2000
|
2014
|
Getreide
|
-251
|
-302
|
-1917
|
Früchte und Gemüse
|
-16
|
-13
|
-146
|
Fleisch
|
-27
|
-62
|
-217
|
Milchprodukte
|
-62
|
-78
|
-285
|
Fisch
|
14
|
16
|
193
|
Abb. 4: Lage des Jemen im Infrastrukturnetz der Weltlandbrücke.
Abb. 5: Bevölkerungspyramide des Jemen
Abb. 6: Bevölkerungswachstum im Jemen.
Lösungsvorschläge
Doch sprechen wir jetzt von den Lösungsvorschlägen.
Die Republik Jemen liegt geographisch günstig am Schnittpunkt des
Wirtschaftsgürtels der Neuen Seidenstraße und der maritimen Seidenstraße bzw.
von Belt and Road (Abbildung 4). Der Jemen kann zur Brücke zwischen
Asien und Afrika sowie zwischen Indischem Ozean und Mittelmeer werden – und
damit ein wichtiger Bestandteil dieses riesigen Entwicklungsprojekts und
gleichzeitig ein großer Nutznießer.
Der Jemen spielte in der Antike eine ähnliche Rolle, als er den Handel über
die sogenannte Weihrauchstraße beherrschte. Viele große Länder aus Ost und
West kamen mit Segelschiffen und Kamelkarawanen in seine Richtung, um Waren
und Wissen auszutauschen. Der Grund, warum ich die Bezeichnung „Operation
Felix“ wählte, war, daß die alten Griechen und später auch die Römer den Jemen
„Arabia Felix“ (Glückliches Arabien) nannten, denn das Land war als reiche und
glückliche Nation bekannt.
Heute verfügt der Jemen über große menschliche Ressourcen, denn die
Bevölkerungspyramide (Abbildung 5) zeigt ein sehr junges Land mit einem
erstaunlichen mittleren Durchschnittsalter von 19,2 Jahren 2015, das bis 2050
auf 29 Jahre ansteigen soll (Abbildung 6). Eine solche junge
Gesellschaft hat ein großes Entwicklungspotential in der Zukunft, wenn es
umfassende und langfristige Visionen und Wirtschaftspläne gibt. Jemen verfügt
auch über reichliche Rohstoffe und ein vielfältiges Klima, das eine
integrierte agro-industrielle Entwicklung begünstigt.
Was im Jemen fehlt, ist das, was der amerikanische Ökonom Lyndon LaRouche
die „Wirtschaftsplattform“ grundlegender Infrastruktur nennt, um all diese
Ressourcen auf ein höheres Produktivitätsniveau zu heben und ihr Potential
umzusetzen.
Politische Umkehr: 1. Finanzrekonstruktion
Der Wiederaufbau- und Entwicklungsplan wird beginnen, wie im Bericht
vorgeschlagen, indem der amtierende Präsident in Sanaa noch vor Vereinbarung
eines Waffenstillstands eine öffentliche Erklärung abgibt und mitteilt, daß
die Regierung der Republik Jemen beabsichtigt, einen Wiederaufbauprozeß und
einen Entwicklungsplan für das Land einzuleiten. Er definiert die vorrangigen
Projekte und Ziele des Plans, angefangen mit dem sofortigen Aktionsplan zum
Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und der Bereitstellung sofortiger
Nahrungsmittel- und medizinischer Hilfe, wobei befreundete Staaten eingeladen
werden, sich an Infrastrukturprojekten zu beteiligen und die zukünftige
Beziehung zur Belt and Road Initiative zu definieren. Unmittelbar im Anschluß
daran wird er in der gleichen Erklärung die Einrichtung einer nationalen
Wiederaufbau- und Entwicklungsbank ankündigen, um den ganzen Prozeß zu
finanzieren.
Damit der Jemen nach dem Krieg eine wirklich unabhängige und souveräne
Nation wird, muß er über einen eigenen Kreditschöpfungsmechanismus verfügen.
Der Wiederaufbau- und Entwicklungsprozeß erfordert die Einrichtung einer
nationalen Entwicklungsbank, um die nationalen Projekte in Infrastruktur,
Landwirtschaft und Industrie zu finanzieren (im Bericht hypothetisch „Die
Jemenitische Nationalbank für Wiederaufbau und Entwicklung“, JNBWE, genannt).
Diese Bank wird alle Kredite vergeben, die für den Wiederaufbauprozeß
erforderlich sind, ausgeführt von einheimischen Unternehmen mit eigenen
Ressourcen, außerhalb und jenseits des Staatshaushaltes. Dieses „nationale
Kreditsystem“ hat seinen Ursprung in den Ideen des ersten amerikanischen
Finanzministers Alexander Hamilton, der in der jungen amerikanischen Republik
die Erste Amerikanische Nationalbank gründete.
Die weitere zusätzliche Finanzierungsquelle für Wiederaufbau- und
Entwicklungsprojekte – besonders solche, die ausländische Technologien,
Maschinen und Fremdfirmen erfordern – sind Exportkreditvereinbarungen mit
Ländern, deren Unternehmen die notwendigen Materialien und Technologien für
die Entwicklungsprojekte beschaffen. Ein sehr gutes Beispiel aus dem Jemen
selbst hierfür ist das China-Jemen-Abkommen von 2013, um das
Container-Erweiterungsprojekt in Aden zu finanzieren. Das Projekt sollte von
einer chinesischen Firma ausgeführt werden, und die Kosten von 500 Mio. Dollar
sollten über einen Kredit der chinesischen Exim-Bank an die jemenitische
Regierung finanziert werden. Das Projekt kam jedoch aufgrund der sich
verschlechternden Sicherheitslage 2014 nicht zustande. Mit dem Projekt wäre
das Containerterminal von Aden zu einer der größten Hafenanlagen im westlichen
Indischen Ozean geworden. Das Abkommen wurde 2013 unterzeichnet, ein Monat,
nachdem Präsident Xi Jinping das Konzept der Maritimen Seidenstraße des 21.
Jahrhunderts verkündet hatte, wobei Aden und andere jemenitische Häfen ein
wichtiger Bestandteil dieses globalen Projekts geworden wären.
Abb. 7: Entwicklungskorridore des Jemen.
Abb. 8: Bevölkerungsdichte.
Abb. 9: Landwirtschaft im Jemen.
Abb. 10: Niederschläge im Jemen.
Abb. 12: Topographie des Horns von Afrika.
2. Die jemenitischen Entwicklungskorridore
Ein wichtiger Bestandteil des in dem Bericht vorgeschlagenen
Entwicklungsplans ist der Bau des „Jemenitischen Entwicklungskorridors“
(Abbildung 7). Basierend auf LaRouches Konzept des
„Entwicklungskorridors“ entwirft der Bericht den „Jemenitischen
Entwicklungskorridor“ mit dem Nord-Süd-Korridor Saada-Aden als „Rückgrat“,
wobei die Ost-West-Erweiterungen davon die „Gliedmaßen“ des nationalen
Entwicklungsprojekts und internationaler Anbindungen sind.
Drei Faktoren gingen in die Definition der Routen der Korridore ein:
1. Die derzeitige Verteilung der Bevölkerungsdichte (Abbildung 8),
bestehende Agraraktivitäten (Abbildung 9), verfügbare Wasserressourcen
und Niederschläge (Abbildung 10) sowie die Konzentrationen von
Mineralvorkommen.
2. Die notwendige Diversifikation der demographischen Verteilung und des
zukünftigen Wachstums zur Westküste und das östliche Plateau, wobei beide
Regionen ein ungenutztes agro-industrielles Potential repräsentieren, vor
allem im Bereich der kommerziellen Landwirtschaft und dem Getreideanbau, um
die Abhängigkeit von Getreideimporten zu reduzieren und später ganz
abzuschaffen.
3. Die Verbindung zur Belt-and-Road-Initiative, zu Land nach Oman und über
die Straße von Hormus nach Iran und Asien, sowie nach Westen über eine Tunnel-
oder Brückenverbindung nach Dschibuti und Afrika. Die andere Verbindung zur
BRI geht über die Haupthäfen von Aden, Al-Hudaidah und Mokha, wo neben
Güterumschlag und Logistik neue Industrieparks entstehen können, die von den
nahen internationalen Handelsrouten und den lokal reichen Menschen- und
Naturressourcen profitieren.
Der Bericht erwähnt die gewaltigen Entwicklungen, die aufgrund
unterschiedlicher Initiativen der BRI und Chinas im Umfeld des Jemen
stattgefunden haben, z.B. die Eisenbahn Dschibuti-Addis Abeba, die Eisenbahn
Mombasa-Nairobi und der Korridor Lamu Port-Südsudan-Äthiopien sowie viele
weitere Projekte, die Ostafrika in eine der am schnellsten wachsenden Regionen
verwandeln. Das ist ein großer Vorteil für den Jemen, der diese Region als
großen Markt und sich selbst als großes Logistikkreuz betrachten sollte.
Östlich von Jemen, in Oman, hat die von China initiierte Asiatische
Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) bereits die Machbarkeitsstudien und
erste Arbeiten an einem omanischen Eisenbahnnetz finanziert, das sich von der
Straße von Hormus zur Grenze zum Jemen erstreckt, sowie von neuen Häfen und
Industrieparks an der Küste des Arabischen Meers.
Ein interessanter Aspekt der Entwicklung, die in Jemens Nachbarländern wie
Äthiopien stattfindet, ist die Ähnlichkeit der Topographie, der Demographie
und der wirtschaftlich/finanziellen Bedingungen. Jemenitische Politiker finden
dort bestehende Beispiele ähnlicher Infrastrukturprojekte, an denen sie die
Vorteile, Schwierigkeiten, technische Aspekte und die Finanzierung untersuchen
können.
Ich wählte ein Beispiel, um dies mit dem vorgeschlagenen Nord-Süd-Korridor
Saada-Aden zu vergleichen. Das ist die äthiopische Bahnstrecke
Mekele-Weldiya-Awash, die derzeit im Bau ist (Abbildung 12). Die
Bahnstrecke ist 622 km lang (im Vergleich zu dem Projektvorschlag im Jemen von
607 km), und die physischen Merkmale der Strecke sind erstaunlich ähnlich.
Beide müssen Berggegenden von 800 m auf über 2300 m ü.d.M überwinden. Für die
äthiopische Bahnstrecke müssen 31 Tunnel von einer Gesamtlänge von 20 km, 140
Brücken (mit einer Gesamtlänge von 20 km) und 1300 Abzugskanäle (mit einer
Gesamtlänge von 40 km) gebaut werden. Die Gesamtkosten beider Abschnitte der
Eisenbahn sind 4 Mrd. US-Dollar. Der äthiopische Staat finanzierte intern den
ersten Abschnitt mit 1,5 Mrd. Dollar, und 2,5 Mrd. Dollar wurden über
Exportkredite durch die chinesische und türkische Exim-Bank sowie über
österreichische und schwedische Auslandskreditfazilitäten bereitgestellt.
Weitere Projekte betreffen die Wasser- und Energieversorgung, Landwirtschaft,
Industriebetriebe, Industrieparks, Logistikzentren usw.
Schluß: Die Grundlage eines dauerhaften Friedens
Auf dem Seminar am 6. Juni in Sanaa habe ich vorgeschlagen, daß die dortige
Regierung diesen Plan zu einem wesentlichen Bestandteil jeglicher Friedens-
und Versöhnungsgespräche zwischen den verschiedenen kriegführenden Parteien im
Jemen macht, auf den man sich im Voraus einigt, daß es getan werden muß, wenn
wir Frieden haben wollen.
Wie ich schon in dem Bericht sage: Wir wollen den Jemen nicht so wieder
aufbauen, wie er vor dem Krieg war. Denn vor dem Krieg war der Jemen, wie Sie
sich erinnern werden, „das ärmste Land der Region“. Es ist also nicht unsere
Absicht, den Jemen dorthin zu bringen, wo er war; wir wollen den Jemen für die
Zukunft transformieren.
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