Der Name der Freiheit ist Beethoven
Der folgende Beitrag stammt aus dem Programmheft zum New Yorker
Konzert des Schiller-Instituts anläßlich des 259. Geburtstags von Friedrich
Schiller.
„Fürst! Was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt. Was ich bin, bin
ich durch mich. Fürsten gibt es Tausende. Beethoven nur einen.“
– Ludwig van Beethoven zu Fürst Lichnowsky, 1806.
In ihrem wöchentlichen Internetforum vom 8. November schlug die Gründerin
des Schiller-Instituts Helga Zepp-LaRouche einen optimistischen Weg für unser
Handeln im Weltgeschehen vor – „dorthin, wo die Menschheit in hundert Jahren
angekommen sein muß“:
„Dies könnte eine Periode sein, in der wir, wenn die Dinge sich richtig
entwickeln, einen Durchbruch in der Kernfusion haben werden. Wir werden in der
Lage sein, sie kommerziell zu nutzen, und auf diese Weise werden wir Energie-
und Rohstoffsicherheit haben, denn dann kann man mit der Methode der
Plasmafackel alle Abfälle verarbeiten, in ihre Isotope aufspalten und neue
Rohstoffe erzeugen. Und dann werden wir auch die ersten Schritte hin zu
Siedlungen auf dem Mond getan haben, in der internationalen Kooperation im
Weltraum. Die Menschheit wird zu einer erwachsenen Gattung heranreifen, die
auf der Natur des Menschen als einem schöpferischen Wesen beruht.“
Wir stehen an der Schwelle einer neuen Ära für die Menschheit, aber noch
mehr als das. Wir sind im frühen 21.Jahrhundert nicht mehr an die Erde
gebunden, es steht uns frei, den Planeten zu verlassen. Und in einem
weitergehenden Sinne werden wir erst dann wirklich frei sein, wenn wir das
tatsächlich tun. Für uns gilt der von dem Weltraumpionier Dr. Krafft Ehricke
formulierte „extraterrestrische Imperativ“. Wir wissen heute dank der Daten
von Hubble Ultra Deep Field, Hubble Extreme Deep Field und weiteren
Beobachtungen des letzten Jahrzehnts, daß es im uns bekannten Universum
jenseits unserer eigenen Galaxis mehr als 200 Milliarden weitere Galaxien
gibt. Und allein in unserer Milchstraße gibt es mehr als 100 Milliarden
Sonnensysteme.
So oder so wird das, wozu sich die Menschheit heute entschließt, das
Universum verändern.
Entgegen den Behauptungen einiger, die Menschheit sei eine Plage für die
Erde und nur „eine Spezies mehr unter vielen“, deren Zeit gekommen und wieder
vergangen ist, beginnt jetzt erst die eigentliche Mission, für welche die
Menschheit geschaffen wurde, da wir erst jetzt physisch zu diesen Entdeckungen
in der Lage sind. In seiner berühmten Ode an die Freude sagt uns
Schiller:
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder, über’m Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen.
Unsere Freude liegt darin, die Bedeutung des menschlichen Lebens und die
Bedeutung des Lebens für das Universum insgesamt zu entdecken. „In dieser
Hinsicht muß uns jeder Fortschritt in der Physik und ähnlichen
Wissensbereichen dazu veranlassen, die Rolle des kreativen Prozesses in den
schöpferischen Aspekten der klassischen Künste erneut zu untersuchen, während
wir gleichzeitig unsere Aufmerksamkeit den grundlegendsten und einfachsten
simplen Fakten über die Physik als Physik zuwenden“ sagte Lyndon LaRouche 1989
in seinem Aufsatz Beethoven als Naturwissenschaftler.
Das heutige Programm präsentiert dem Publikum zwei Werke von Beethoven:
seine Messe in C-Dur op. 86, 1807 komponiert, und die Phantasie in c-moll für
Klavier, Orchester und Chor op. 80, die „Chorphantasie“, 1808 komponiert. Sie
wurde erstmals im Dezember 1808 aufgeführt, zusammen mit den Premieren der
Symphonie Nr. 5 und der Symphonie Nr. 6, des Klavierkonzerts Nr. 4 in G-Dur
und den Abschnitten „Gloria“ und „Sanctus“ aus der Messe in C-Dur aus dem
heutigen Programm. Beethoven, das soll an dieser Stelle gesagt sein,
improvisierte bei dieser Gelegenheit den gesamten Klavierpart der
Phantasie.
Sowohl die Chorphantasie als auch die Messe in C-Dur sind Beispiele der
Praxis des „Dialogs musikalischer Meister“, die mit den Werken Johann
Sebastian Bachs begann. Insbesondere Bach, Haydn, Mozart und Beethoven und
nach ihnen Schubert, Schumann, Brahms und Chopin haben die Entwicklung der
Musik durch diesen Dialog, der sich über mehr als 150 Jahre erstreckte,
vorangetrieben. Dies ist vor allem in der „c-moll-Serie“ hörbar, die mit Bachs
„Musikalischem Opfer“ beginnt und zu der alle oben genannten Komponisten Werke
beitrugen, in denen sie Bachs Arbeit über das sog. „königliche Thema“
aufgriffen. Im Fall der Messe in C-Dur kam der Auftrag zu diesem Werk von der
gleichen Familie Esterhazy, die viele Jahre lang den zeitweiligen Lehrer
Beethovens und Freund Mozarts, Joseph Haydn, beschäftigte, der in dieser Zeit
mindestens eine Messe pro Jahr komponierte – „darf ich noch sagen, daß ich
Ihnen mit viel Furcht die Messe übergeben werde, da Sie D. F. gewohnt sind,
die unnachahmlichen Meisterstücke des Großen Haydns sich vortragen zu lassen“
(Beethoven in einem Brief vom 26. Juli 1807 an den Fürsten Esterházy).
Beethoven studierte Haydns Werke gründlich, wie seine Skizzenbücher zeigen.
Beethoven führte die Messe erstmals in einem Konzert am 22. Dezember 1808 auf
– also vor 210 Jahren.
Es gibt mehrere bemerkenswerte, deutlich hörbare Parallelen zwischen den
Chorthemen der Chorphantasie und Beethovens 9. Symphonie, die oft auch als
„Chorsymphonie“ bezeichnet wird. (Beethoven war der erste große Komponist, der
menschliche Singstimmen in einem symphonischen Kontext einführte.) Die
Autorenschaft des Textes der Chorphantasie ist umstritten – es werden sowohl
der Dichter Christopher Kuffner als auch der Librettist des Fidelio, Georg
Friedrich Treitschke, genannt. Die Stimmung dieser Worte entspricht jedoch der
von Schillers Ode an die Freude:
Großes, das ans Herz gedrungen,
blüht dann neu und schön empor.
Hat ein Geist sich aufgeschwungen,
hallt ihm stets ein Geisterchor.
Nehmt denn hin, ihr schönen Seelen,
froh die Gaben schöner Kunst.
Wenn sich Lieb und Kraft vermählen,
lohnt dem Menschen Göttergunst.
„So denken wie Beethoven“ bedeutet, die Idee zu akzeptieren, daß die
Aufgabe der menschlichen Kreativität darin liegt, sich niemals zu einem
Verhalten zu erniedrigen oder unterzuordnen, das nicht stets darauf
ausgerichtet ist, die Menschheit auf ihren wahren Platz im Universum zu
erheben – auf die Betrachtung und die Zelebrierung der universellen Harmonie.
Der Name der Freiheit ist Beethoven, ist Schiller, ist Freude. Und im Streben
nach dieser Glückseligkeit versuchen wir, diese Gedanken Beethovens heute für
Sie neu zu schöpfen.
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