Friedrich Schiller Denkmal
Friedrich Schiller



Hauptseite
       

Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Bitcoins: der letzte Schrei des transatlantischen Spekulationswahns

Der folgende Beitrag beruht auf einem Artikel, der am 21. Dezember auf der Internetseite der französischen Partei Solidarité et Progrès erschien, sowie auf Diskussionen, an denen der frühere französische Präsidentschaftskandidat Jacques Cheminade und die Vorsitzende des Schiller-Instituts Helga Zepp-LaRouche beteiligt waren.

Die Anekdote wurde schon oft erzählt: 1929 ließ sich der reiche Schnapsschmuggler Joseph Kennedy (der Vater des zukünftigen amerikanischen Präsidenten) von dem Schuhputzer, bei dem er Stammkunde war, die Stiefel putzen. Der Mann sagte zu ihm: „Herr Kennedy, ich habe einen großartigen Aktientipp für Sie.“ Kennedy hörte es sich an und dachte: Wenn jetzt schon Schuhputzer an der Börse spekulieren, dann ist es höchste Zeit, alles zu verkaufen. Er hatte recht. Kennedy verkaufte seine Aktien gerade noch vor dem Absturz und war in den 1930er Jahren einer der reichsten Männer Amerikas.

Heute verbreitet sich die Bitcoin-Manie überall, bis hinein in die Regionen, die am schwersten unter der Wirtschaftskrise leiden, und löst durch Dopamin- und Serotonin-Ausschüttung Rauschzustände aus, die unterschiedlichste Menschen dazu verleiten, sich als „Investoren“ zu betätigen.

Das ist aber nur die extremste Erscheinungsform der Pyramidenspiele im westlichen Finanz- und Währungssystem, deren Anfänge zur Zerschlagung des Bretton-Woods-Finanzsystems 1971 zurückreichen – eine Folge der Kooperation der Vereinigten Staaten mit den Spekulanten und Finanzpiraten des Britischen Empires, die Präsident Truman nach Franklin Roosevelts Tod begann. Lyndon LaRouche warnte schon damals, diese Kooperation werde beispiellose Katastrophen zur Folge haben.

Diese jüngste Finanzblase ist für alle, die das Denken noch nicht verlernt haben, der Beweis dafür, daß dieses System völlig verrückt geworden ist. Das neue Paradigma, zu dessen Vorkämpferinnen Helga Zepp-LaRouche gehört, umfaßt mehr als nur die neuen Bahnstrecken und andere beeindruckende Infrastruktur der Neuen Seidenstraße. Es ist ein neuer Geist: Man verschafft sich nicht Geld und Macht, indem man sie anderen wegnimmt, sondern baut eine neue Ordnung auf, in der jeder gewinnt („Win-Win“), um Wohlstand zu produzieren und um Kenntnisse über das Universum und die Schönheit unseres Zusammenlebens mit unseren Mitmenschen zu vermehren.

Verbrechen, Delirium und Gier

Der spekulative Höhenflug der „Kryptowährung“ hat die Fachpresse überrascht und bestürzt. Wir haben viele Gespräche mit Fachleuten geführt, die davor warnen, Bitcoin-Derivate zur Alltagsware zu machen. Das sagen sogar Leute, deren Ansichten über Wirtschaft man nicht gerade moralisch nennen kann, ihnen geht es nicht um das Wohl der Mitmenschen oder humane Werte. Aber sie haben Angst. Sie sind „Marktkonservative“, und jetzt fürchten sie das Frankenstein-Monster, das sie selbst geschaffen haben. Und es wird größer und größer.

Bei seiner Erschaffung war ein Bitcoin nur ein paar Cent wert. Bis Ende August 2017 war sein Kurs auf rund 4000 $ angestiegen, Mitte Dezember waren 20.000 $ erreicht. China, Marokko und Südkorea haben Maßnahmen ergriffen, um den Bitcoin zu verbieten. Japan dagegen hat ihn legalisiert, und die internationalen Finanzinstitutionen werben sogar für ihn. Am 7. Dezember meldeten Reuters und Bloomberg, Goldman Sachs wolle „für einige Kunden Bitcoin-Termingeschäfte abrechnen, wenn das neue Geschäft an der Börse eingeführt wird“. Am 10. Dezember führte die CME Group den ersten Futuresmarkt für Bitcoins an der Chicagoer Warenbörse (CME) und an der Chicagoer Handelskammer (CBOT) ein. Dem Vernehmen nach will auch die NASDAQ-Börse in New York in der ersten Jahreshälfte 2018 den Handel mit Bitcoin-Futures aufnehmen.

Wir leben heute in vieler Hinsicht in George Orwells Dystopie – oder war es Bertrand Russells Utopie? –, wo man Menschen glauben machen kann, schwarz sei weiß oder Unrecht sei Recht. Genauso hat man uns eingeredet, Bitcoins (und andere Kryptowährungen) seien eine Alternative zum „System“, obwohl sie nichts anderes sind als dessen extremste und abartigste Erscheinungsform. Es entspricht voll und ganz dem libertären Projekt eines der Väter des modernen Ultraliberalismus, Friedrich von Hayek, „private“ Währungen einzuführen, die vom Staat unabhängig sind. Wer Kryptowährungen als Alternative preist, überläßt die Macht einem System, in dem die Währungen faktisch der Kontrolle des Staates entzogen sind und Geldfälscher in den Zentralbanken oder privaten Banken die Kontrolle haben. Mit diesem Wahn ist wirklich das Ende der Fahnenstange erreicht!

Bitcoins beruhen nicht auf irgendwelchen realen Werten. Ein Team australischer Forscher der Technischen Universität Sydney und der Universität Sydney hat soeben eine Studie veröffentlicht („Sex, Drugs and Bitcoin“, https://www.uts.edu.au/about/uts-business-school/news/how-much-illegal-activity-financed-through-bitcoin), aus der hervorgeht, daß fast die Hälfte aller Bitcoin-Transaktionen mit dem Kauf und Verkauf illegaler Waren und Dienstleistungen verbunden sind, wie Drogen, gestohlene Waffen und Software-Raubkopien. Die große Mehrheit der übrigen, „legalen“ Nutzer sind Leute wie Kennedys Schuhputzer, die Bitcoins kaufen und darauf warten, daß der Kurs weiter steigt.

Mitte Dezember gingen Mitstreiter der LaRouche-Bewegung in Frankreich zum „Maison du Bitcoin“ in der Rue de Caire 35 im Pariser Finanzdistrikt. Sie berichteten, daß die durch das „Zaubergeld“ ausgelöste fieberhafte Gier der einfachen Leute fast mit Händen zu greifen war, als sie mit den Passanten sprachen. Einer sagte: „Es geht einzig und allein darum, im richtigen Moment auszusteigen.“ Ein anderer rief: „Bitcoins sind von gestern. Investiert in Ripple!“ Ein dritter sagte: „Ich bin hier, um Informationen zu besorgen. Die Vermögensverwalterin meines Chefs – eine ältere Dame – hat mich hergeschickt, um Informationen zu beschaffen.“ Ein etwa dreißigjähriger Mann, der in Bitcoins investiert hatte, als sie nur wenige Cent kosteten, ließ sich an diesem Tag alles auszahlen und wurde Millionär. Auf unsere Frage: „Sind Sie geldgierig?“ antwortete er: „Natürlich bin ich das. Insider wie ich machen das große Geld, weil es gutgläubige Narren gibt, die jetzt kaufen!“


Die Bitcoin-Blase 2017 [oben] und ihr Vorgänger, die Tulpenblase 1637 [unten].

Wird dies der Auslöser des Zusammenbruchs des transatlantischen Systems sein?

Finanzanalysten vergleichen den Bitcoin-Höhenflug mit der holländischen Tulpenblase, die 1637 eine Krise des gesamten damaligen Finanzsystems auslöste. Wie Ambrose Evans-Pritchard am 14. Dezember im Daily Telegraph schrieb: „Die ,Alles-Blase’ steht vor dem Platzen.“

Es gibt eine Obergrenze von 21 Millionen für die Ausgabe von Bitcoins, und je mehr wir uns dieser schicksalhaften Zahl annähern, desto knapper werden sie als handelbares Zahlungsmittel, was den Kurs in den Himmel treibt. Der Dollarwert des Bitcoin ist seit Jahresbeginn um mehr als 1700% angestiegen. Der Gesamtwert hat inzwischen etwa 400 Mrd.$ erreicht.

Der Ökonom Daniel Cohen analysiert dieses Phänomen in einem Kommentar mit dem Titel „Was der Bitcoin-Wahn zeigt“ in der französischen Zeitung L’Obs: „In einer Welt, die immer vom maximalen Gewinn träumt, wurden die Bitcoins tatsächlich zu einer Phantasiemaschine. In einem Jahr hat sich der Kurs verzehnfacht, in zwei Jahren verhundertfacht!“ Cohen weiter: „Alles wurde getan, um es ähnlich erscheinen zu lassen wie Gold. Man kann in den Bitcoin-Minen ,graben’ wie Goldgräber, indem man komplexe Algorithmen löst, mit denen man sich kostenlose Bitcoins verdient... Aber egal wie man es formuliert, der Bitcoin ist und bleibt eine Finanzblase. Die Käufer besitzen ihn nicht wegen des Eigenwertes – er hat keinen –, sondern um ihn zu einem höheren Preis an den nächsten Dummen weiterzuverkaufen. Sobald sich keiner mehr findet, wird die Blase platzen.“

Bitcoins würden zur Steuerhinterziehung genutzt, so Cohen. „Sie bieten allen Mafiosi der Welt ein ideales Zahlungsmittel: sicher, immateriell und außerhalb des öffentlichen Bereichs. Aber dieser Wahn kann nur gedeihen, weil die staatlichen Stellen dies zulassen. An dem Tag, an dem sie ihn verbieten, weil sie erkannt haben, daß sein Wert auf seiner Verbindung zur Illegalität beruht, wird der Bitcoin von einem Augenblick zum anderen kein Geld mehr sein.“

Das Problem ist, daß viele, ja sogar die meisten Menschen in Europa nicht glauben können, daß die Dinge sich bessern werden. Sie sehen die Zukunft nur grau und schwarz. LaRouches Mitstreiter in Frankreich sind fest entschlossen, den Bürgern wieder das Gefühl zu geben, daß sie etwas verändern können. In China geschieht das längst, und in gewissem Sinne auch in Rußland und in Amerika mit Trump. Dann kann man den Menschen ein neues Verständnis ihrer Umstände vermitteln, weil sie die Welt von oben betrachten können. Wir sehen in breiten Schichten viele positive Reaktionen auf diesen völlig realistischen strategischen Optimismus.

Lyndon LaRouche gelangte in der Diskussion mit seinen europäischen Mitstreitern zu dem positiven Schluß: „Wenn wir unsere Arbeit richtig machen, können wir die Aufgabe wahrscheinlich bestens bewältigen.“ Wir können mit Menschen in vielen Teilen der Welt ein Katalysator sein, damit getan wird, was getan werden muß – einfach indem wir mit den Menschen sorgfältig darüber sprechen, was zu tun ist. Der Mensch hat diese Fähigkeit; wir können eine größere Kraft aufbauen, als sie bisher existierte. Wir können gewinnen.

Stephanie Ezrol