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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Das italienisch-chinesische Bündnis für Transaqua

Von Franco Persio Bocchetto

Der folgende Beitrag ist eine leicht überarbeitete Mitschrift eines Vortrags, den Franco Persio Bocchetto, der Auslandsdirektor des Ingenieurbüros Bonifica S.p.A., am 25. November 2017 im Rahmen der internationalen Konferenz des Schiller-Instituts in Bad Soden bei Frankfurt/M. hielt.

Guten Tag Ihnen allen, meine Damen und Herren. Ich freue mich, hier bei dieser sehr interessanten Konferenz zu sein. Ich war wirklich erstaunt, was ich heute morgen gehört habe, insbesondere die Rede der Präsidentin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, und die der sehr enthusiastischen Professorin He Wenping. Und es war für mich auch sehr interessant, die Rede von Professor Askary zu hören, der das Transaqua-Projekt, das ich Ihnen gerne zeigen und vorstellen möchte, schon angesprochen hat.

Grafik: Group Bonifica

Abb. 1: Das Transaqua-Projekt

Das Transaqua-Projekt (Abbildung 1) liegt ganz auf einer Linie mit der Vision dieser Konferenz, nämlich, „den Traum der Menschheit verwirklichen“. Transaqua wurde, wie Sie vielleicht wissen, schon vor ungefähr 30 Jahren von unserer Firma Bonifica konzipiert. Damals war es vielleicht noch zu innovativ, vielleicht war damals auch noch niemand wirklich daran interessiert, Afrika wirtschaftlich zu entwickeln, Aber heute sind die Bedingungen ganz anders, und vielleicht ist es der richtige Zeitpunkt, das Projekt wieder aufzugreifen – vielleicht können wir es „Transaqua 2.0“ nennen – und mit der Verwirklichung dieses großen Traums für Afrika anzufangen.

Die meisten Menschen glauben vielleicht, bei Transaqua ginge es nur darum, Wasser aus dem Kongobecken zum Tschadsee zu leiten. Aber die Vision von Transaqua ist viel mehr.

Zunächst einmal fängt alles mit den Problemen an, die mit dem Tschadsee zusammenhängen. Wir werden Ihnen die tatsächliche Lage am Tschadsee zeigen.

Der Tschadsee war einer der größten endorheischen Seen der Welt, und wohl der größte in Afrika. Der See liegt inmitten der Sahelregion, am Schnittpunkt der Grenzen von vier Ländern: Niger, Tschad, Nigeria und Kamerun. Der Einzugsbereich des Tschadsees ist sehr groß, 2.434.000 km2. Acht Länder – Algerien, Kamerun, die Zentralafrikanische Republik, Tschad, Libyen, Niger, Nigeria und der Sudan – nutzen die Wasserressourcen des Tschadsees. Die Hauptzuflüsse des Tschadsees sind der Schari und der Longone, der größte Anteil der Wasserverluste entfällt auf Verdunstung und Versickerung. Er ist ein endorheischer See, d.h. er hat keinen Abfluß zum Meer.

Schari und Longone fließen von Süden nach Norden in den Tschadsee. Das Becken des Sees hat keinen stabilen Ausgleich, weil überschüssiges Wasser nicht ins Meer abgeführt wird, es gibt nur Verdunstung und Versickerung. Und wenn Wasser der Zuflüsse genutzt wird, muß der See schrumpfen.

Der Tschadsee hatte schon immer große Schwankungen durch natürliche Klimaveränderungen. Jetzt, in dieser Zeit des Klimawandels, müssen wir sehr genau beobachten, was die Zukunft des Tschadsees sein wird. Der Tschadsee leidet unter der Zunahme der Bevölkerung und des dadurch bedingten Wasserverbrauchs, insbesondere für die Bewässerung, und außerdem unter dem Rückgang der Niederschläge. 1973 hatte der See eine Fläche von etwa 25.000 km2, aber wie Sie an der Abbildung sehen, schrumpfte er 2015 auf 2500 km2, während gleichzeitig die Bevölkerung des Beckens von 8 Millionen auf etwa 30 Millionen angewachsen ist.

Eine Folge dieser Dürre und des Austrocknens des Sees ist, daß die Zunahme der Landwirtschaft mehr Umweltverschmutzung, ökologische Zerstörung und Aussterben von Tierarten bewirkt. Der Rückgang der Fläche und Wassermenge des Sees gefährdet die Volkswirtschaft der umliegenden Länder und der ganzen Region. Die durchschnittliche Nahrungsmittelproduktion und Kaufkraft der Haushalte ist seit 1980 immer weiter gesunken. Humanitäre, ökologische und wirtschaftliche Krisen nehmen rasch zu, während das Volumen und die Fläche des Tschadsees in einem alarmierenden Ausmaß und immer schneller abnehmen.

Es ist auch wichtig, aufzuzeigen, daß zu den Konsequenzen dieses Problems in der Region auch all die Probleme gehören, die mit [der Terrorgruppe] Boko Haram zusammenhängen, die wegen der Armut in dieser Region sehr aktiv ist.

Grafiken: Group Bonifica

Abb. 2: Erwartetes Bevölkerungswachstum bis 2100
Abb. 3: Die weltweiten Flüchtlingsströme

Wir kann man die Dürre am Tschadsee vermindern? Nun, wenn wir die Probleme des Tschadsees betrachten, müssen wir an die Zukunft denken. Und die Zukunft in 30 oder 50 Jahren wird für Afrika in gewisser Hinsicht sehr dramatisch sein. Wie Sie sehen, wird vorhergesagt, daß die Bevölkerung bis zum Jahr 2100 um 400% wachsen wird (Abbildung 2). Das Problem ist also, was geschieht, wenn es in 30-40 Jahren eine Verdoppelung der Bevölkerung in Afrika und auch in der Sahelzone gibt.

Wir haben heute in den vorangegangenen Vorträgen vom New Deal und der optimistischen Sicht des chinesischen Präsidenten Xi Jinping gehört, und wir hoffen wirklich, daß es China dank seiner relativen Stärke gelingen wird, der Welt bei ihrer Entwicklung zu helfen und diese Regionen bei ihrer Entwicklung Unterstützung aus China erhalten. Es sind, wie Herr Askary uns im gesamtafrikanischen Kontext gezeigt hat, zahlreiche Projekte im Gang. Aber es ist wichtig, auch das Transaqua-Projekt in der Mitte Afrikas, die am ärmsten ist und wo die Wüste immer weiter vordringt, in Gang zu setzen und voranzubringen.

Wenn man dies nicht tut, ist die Konsequenz eine gewaltige Migration in die reichen Länder, und natürlich leiden Italien und Europa unter dieser Konsequenz (Abbildung 3). Die meisten dieser Menschen kommen aus der Sahelregion. Deshalb denke ich, muß Europa helfen, das Transaqua-Projekt zu verbessern, um all diese Länder zu entwickeln und Nahrungsmittel, Landwirtschaft und Fischerei in diese Region zu bringen, um die Armut in der Region zu beseitigen.

Die Kommission für das Tschadsee-Becken (LCBC), die von den Staaten um den Tschadsee gebildet wurde, hat über die Jahre großartige Arbeit geleistet, in Bezug auf Maßnahmen gegen die Schrumpfung des Sees, bei der Realisierung der zahlreichen nationalen und transnationalen Projekte zur Optimierung der Nutzung der Wasserressourcen und bei der Entschärfung möglicher Dispute zwischen den Staaten.

Was ist als nächstes zu tun? Was werden die nächsten Herausforderungen für die Kommission für das Tschadsee-Becken sein?

Zunächst einmal, mittelfristig, laufen natürlich Projekte, um die Dürre am Tschadsee zu entschärfen – Projekte, die tendenziell den Lebensunterhalt der Menschen unterstützen, die Effizienz der Wassernutzung erhöhen, durch neue Forschungen, durch innovative Organisation auf der Grundlage intelligenter Technologien zur Verbesserung der Effizienz in der Koordinierung und Steuerung des Systems. Als erstes sollte ein sehr großes Kontrollsystem geschaffen werden, um die Folgen des Klimawandels, sämtliche Probleme im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Nutzung und die Folgen der nationalen und transnationalen Projekte in der Region zu beobachten.

Wir können sehr optimistisch sein, aber die langfristigen Maßnahmen können wegen des Bevölkerungswachstums nur Überlegungen sein, wie man große Wassermengen aus dem Kongobecken in den Tschadsee leitet.

Wassertransfer in austrocknende Binnenseen ist mehr als bloß eine „Naturschutzmaßnahme“. Die Umwelt und die Wildtiere verdienen es, geschützt zu werden – aber die Menschen auch. Ein austrocknender endorheischer See ist ein Beweis dafür, daß die Wasserressourcen in seinem Einzugsbereich im Verhältnis zum Zufluß zu stark genutzt werden. Der Transfer von Wasser aus angrenzenden Flußbecken, die Wasserüberschüsse haben, ist ein Weg, um die verfügbare Wassermenge zu vergrößern, insbesondere für die Landwirtschaft im Kontext des Bevölkerungswachstums und der abnehmenden Niederschläge, sowie für die Wiederherstellung des Wildlebens.

Wenn Wasser an einem gegebenen Ort knapp ist, dann muß man es entweder dorthin bringen, oder die Menschen werden dort wegziehen.

Nahe dem Tschadsee gibt es ein riesiges, kaum besiedeltes Flußbecken, das im Schnitt 40.000 m3/sec in den Atlantischen Ozean abführt – das entspricht 1250 Mrd. m3 pro Jahr. Diese Wassermenge ist 200mal mehr als die Wassermenge des Mains oder 14mal die des Rheins an seiner Mündung. Wieviel von diesem Volumen sicher in den Tschadsee geleitet werden könnte, das muß noch studiert werden.

Können wir ein „Win-Win“-Projekt erfinden, bei dem alle beteiligten Länder ihre Vorteile haben, was vielleicht eine der grundlegenden Voraussetzungen für die Entwicklung dieses Projektes sein wird?

Wasser vom Kongo in die durstige Tschadregion leiten, die bewässerte Landwirtschaft vergrößern, den See wiederherstellen, Wasserkraft erzeugen und den innerafrikanischen Verkehr und Handel verbessern – das ist die Vision des Transaqua-Projektes.

Grafiken: Group Bonifica

Abb. 4: Der vorgeschlagene Transaqua-Kanal

Abb. 5: Lage des Transaqua-Kanals im Becken des Kongo



Abb. 6: Der Tschadsee nach der Verwirklichung des Transaqua-Projektes [unten]


Abb. 7: Durch den Bau von Staudämmen und Wasserkraftwerken an den Nebenflüssen des Kongo entstünden Stauseen, die durch Kanäle miteinander zur Transaqua-Wasserstraße verbunden werden

Abb. 8: Durch den Bau des Transaqua-Projekts entsteht ein Entwicklungskorridor in der Mitte Afrikas, der mit anderen Entwicklungskorridoren in Afrika und dem Infrastrukturnetz der Neuen Seidenstraße verbunden ist.

Ein Kanal müßte einen Teil der Wassermenge der rechten Zuflüsse des Kongo auffangen und es über die Wasserscheide zwischen den Becken von Kongo und Schari leiten (Abbildung 4). Das umgeleitete Wasser würde über einen der Zuflüsse des Schari, der entsprechend umgestaltet werden müßte, dem Tschadsee zugeführt. Eine sehr vorläufige Schätzung ergibt eine Menge von bis zu 100 Mrd. m3/Jahr, die umgeleitet werden könnte. Das ist weniger als 8% der Wasserführung des Kongo und würde die Wiederherstellung des Tschadsees und die Bewässerung von rund 3 Mio. ha Land ermöglichen.

Bei seinem Abstieg zum Tschadsee könnte der umgeleitete Abfluß genutzt werden, um Wasserkraft zu erzeugen. Entlang des Kanals sollte eine Straße gebaut werden, die zum Rückgrat des innerafrikanischen Landtransports würde. Man sollte auch die Hypothese aufstellen, daß der Kanal schiffbar sein könnte. Diese Ideen, die aus den frühen 1920er Jahren stammen, wurden von Bonifica studiert und werden derzeit von der Kommission für das Tschadsee-Becken als ein mögliches Projekt für die Zukunft erwogen.

Die Idee von Bonifica ist, etwa 100 Mio. m3 Wasser pro Jahr aus dem Kongobecken zum Tschadsee und in die Sahelzone zu leiten. Dies hier (Abbildung 5) ist das Kongobecken, in rot sehen Sie den ungefähren Verlauf des Kanals. Man überquert die Wasserscheide, und von dort geht es weiter in das Einzugsgebiet des Schari.

Wichtig zu bemerken ist, daß es bei der Transaqua-Formel nicht bloß darum geht, den Tschadsee wieder aufzufüllen, sondern auch um zugängliches Trinkwasser, die Wiederbelebung der landwirtschaftlichen Aktivitäten, Bewässerung, Fischerei, eine schiffbare Wasserstraße, Handel, Verkehr, Regulierung des Zuflusses, Stromerzeugung, Bau von Binnenhäfen, Austausch und Straßenverbindungen, sodaß ein ganzes System wirtschaftlicher Entwicklung entlang der Transaqua-Wasserstraße entsteht.

Wir können zeigen, welche Gestalt der Tschadsee im Zuge der Wiederherstellung seiner natürlichen Ressourcen im Jahr 2087 hätte (Abbildung 6).

Charakteristisch für das Projekt ist, daß schiffbare Infrastrukturnetze in Modulen realisiert werden können. Man muß nicht das ganze Projekt auf einmal realisieren, sondern beginnt mit dem Teil, der der Wasserscheide am nächsten liegt, und dem Bau der ersten 500 km des Kanals.

Das Transaqua-Projekt ist eine Kombination verschiedener Situationen. Um Wasserkraft zu erzeugen, werden wir kleinere Dämme an den Zuflüssen bauen, um einen Teil des Wassers für den Transaqua-Kanal abzuzweigen (Abbildung 7). Indem wir die verschiedenen Seen durch Kanäle miteinander verbinden, können wir eine Wasserstraße schaffen, die bei ihrer maximalen Ausdehnung von bis zu 2400 km den Tanganjikasee in Ostafrika erreicht.

Zu den Straßenverbindungen: Wie Sie sehen (Abbildung 8), quert der Transaqua-Korridor die Straße Lagos-Mombasa, eine der Hauptstraßen, von denen Prof. Askary gesprochen hat. Und wie Sie sehen können, bildet sie zusammen mit der Verbindung Mombasa-Nairobi einen der Knotenpunkte des Projekts „Gürtel und Straße“.

Es ist sehr interessant, sich vorzustellen, daß dieses Transaqua-Projekt eines der Projekte werden kann, das im Rahmen des „Gürtel und Straße“-Projektes verwirklicht werden.

Noch einige abschließende Bemerkungen: Nachdem wir jahrelang einem Traum gefolgt sind, ist es jetzt Zeit zum Handeln. Von diesem Standpunkt aus ist die Tatsache interessant und neu, daß die Chinesen begonnen haben, sich für das Projekt zu interessieren. Letztes Jahr wurde eine Absichtserklärung zwischen der Kommission für das Tschadsee-Becken und ChinaPower, einem der großen Infrastrukturunternehmen in China, unterzeichnet. Die Absichtserklärung bezieht sich auf den Beginn der Erstellung einer Machbarkeitsstudie für das Wassertransfer-Projekt, indem man versucht, eines der ersten Elemente des Projekts zu bauen, das CIMA-Projekt. Ich habe hier nicht die Zeit zu erklären, was das CIMA-Projekt ist, aber es ist mit Sicherheit eines der Module von Transaqua, auch wenn es nur ein Teil davon ist. Denn das CIMA-Projekt, das von dem kanadischen Unternehmen CIMA entwickelt wurde, ist ein Projekt, um Wasser aus dem Ubangi über die Wasserscheide in den Schari zu leiten. Das ist eine andere Vision als Transaqua; bei Transaqua geht es darum, einen Korridor durch Afrika zu schaffen und allen Regionen, die das Projekt durchzieht, Entwicklung zu bringen.

Es ist an diesem Punkt wichtig zu zeigen, daß Bonifica im Kontext der Unterzeichnung dieser Absichtserklärung beschloß, sich an China zu wenden und mit ChinaPower zu sprechen, um die Mitarbeit von Europäern, von Italienern anzubieten, gemeinsam diese Machbarkeitsstudie zu entwickeln. Wir stießen auf großes Interesse der Chinesen, deshalb haben auch wir eine Absichtserklärung unterzeichnet, und jetzt gehen wir daran, gemeinsam mit den Chinesen diese Machbarkeitsstudie durchzuführen. Das könnte der erste Durchbruch für den Bau dieser wichtigen Infrastruktur in Afrika sein.

Vielen Dank. (Applaus.)