Eine neue Ära in Chinas Politik der Reform und Öffnung
Von Michael Billington
Mit der China International Import Expo beschreitet China neue
Wege, um seine Märkte für Importe aus aller Welt zu öffnen.
Vom 5.-10. November 2018 versammelten sich in Shanghai rund 400.000
interessierte Unternehmer und Käufer, die aus allen Kontinenten zu Chinas
erster jährlicher Internationalen Importmesse (China International Import
Expo, CIIE) anreisten. Die Ausstellung markiert eine einschneidende neue Phase
in dem phänomenalen Entwicklungsprozeß der „Reform und Öffnung“, der vor 40
Jahren von Deng Xiaoping eingeschlagen wurde. In diesen 40 Jahren ist China
von einem großen, aber bitterarmen Land zur zweitgrößten Volkswirtschaft der
Welt aufgestiegen, es hat mehr als 700 Millionen seiner Bürger aus der Armut
gehoben, und in den letzten fünf Jahren startete es das größte internationale
Aufbauprojekt der Menschheitsgeschichte, die Gürtel- und Straßen-Initiative
(BRI).
Staatspräsident Xi Jinping hatte im Mai 2017 bekanntgegeben, daß China
erstmals im November 2018 eine jährliche Import-Ausstellung ausrichten wird.
Und in seiner Eröffnungsrede am 5. November sagte Xi, die CIIE sei „eine
Innovation in der Geschichte des Welthandels“ und „eine wichtige Entscheidung,
die China getroffen hat, um eine neue Runde bedeutender Öffnungen
einzuleiten“. Unter dem Motto „Neue Ära, gemeinsame Zukunft“ wolle man damit
„Freunden in aller Welt helfen, die Chancen wahrzunehmen, die sich durch
Chinas Entwicklung bieten, und gemeinsamen Wohlstand und Fortschritt
fördern“.
Mehr als 150 Länder waren auf der Expo vertreten, und mehr als 3600
Unternehmen präsentierten dort ihre Produkte und Dienstleistungen. Jack Ma,
der Mitgründer und Vorsitzende des Internethändlers Alibaba (einem der zehn
größten Unternehmen der Welt), sagte bei einem Forum am Rande der CIIE: „Ich
erinnere mich noch, daß 2001, als China der [Welthandelsorganisation] WTO
beitrat, alle in China besorgt waren und sagten: ,Der Wolf kommt’, weil die
anderen Produzenten besser waren und das China in Schwierigkeiten bringen
würde. Aber zehn Jahre später denken die Menschen, China sei der Wolf!“
Chinas Entwicklung in den letzten 40 Jahren
Chinas Entwicklung in diesen 40 Jahren beruhte anfangs auf Exporten, die
billigen und zahlreichen Arbeitskräfte wurden dafür eingesetzt, Waren für die
Ausfuhr herzustellen, oft in Betrieben, die ausländischen Unternehmen
gehörten. Gleichzeitig aber strömten bereits Zehntausende junge Chinesen ins
Ausland, um dort zu studieren, insbesondere im Bereich von Wissenschaft und
Technik, während die Arbeitskräfte zuhause in den boomenden Exportindustrien
eigene Erfahrungen sammelten und Fertigkeiten erwarben. Im Lauf der Zeit
wurden Chinas technologische Fähigkeiten international wettbewerbsfähig, und
sein außerordentlich hohes Maß an Innovationen machte China weltweit führend
in Bereichen wie dem Bau von Schnellbahnen, Brücken und Tunneln, in der
Kernspaltung und Kernfusion sowie in der Informationstechnik.
China hat nun in seiner inneren Entwicklung eine Phase erreicht, die es
unabhängiger von Exporten macht und erlaubt, die Importe stark auszuweiten.
China Daily schrieb am Eröffnungstag der CIIE, sie sei ein Meilenstein
der Bedeutung Chinas für die Weltwirtschaft: „China hat jetzt mehr als 300
Millionen Verbraucher in der Mittelschicht, und diese Zahl wird sich in ein
bis zwei Jahrzehnten verdoppeln, das wird dann doppelt soviel sein wie in den
Vereinigten Staaten und dreimal soviel wie in der Europäischen Union. Im
vergangenen Jahr trug China 30% zum Wirtschaftswachstum der Welt bei. Daß
China seine Einfuhren erhöht, um die Nachfrage der Menschen zu befriedigen und
seine Entwicklung weiter voranzutreiben – man erwartet, daß es in den
kommenden fünf Jahren Waren und Dienstleistungen im Wert von mehr als 10
Billionen Dollar importiert –, wird Ländern in aller Welt zugute kommen und
helfen, der globalen Wirtschaft Auftrieb zu verleihen.“
Präsident Xi sagte in seiner Eröffnungsrede sogar, China werde „in den
kommenden 15 Jahren voraussichtlich mehr als 30 Bio. $ an Waren und mehr als
10 Bio. $ an Dienstleistungen importieren“. (Siehe
http://jm.china-embassy.org/eng/xw/t1611934.htm.)
Eine der offensichtlichen Folge davon ist, daß das riesige Handelsdefizit
der Vereinigten Staaten gegenüber China schnell verringert oder sogar
beseitigt werden kann, wenn Chinas Importe anwachsen. US-Präsident Trump ist
sich dieser Tatsache bewußt und hat seine Berater angewiesen, Vorschläge für
ein neues Handelsabkommen mit China auszuarbeiten, worüber gesprochen werden
soll, wenn die beiden Staatschefs beim Gipfeltreffen der G-20 in Argentinien
am 30. November ihr gutes persönliches Verhältnis auffrischen. Am 7. November
traf Staatsrat Yang Jiechi im Weißen Haus mit Trumps Nationalem
Sicherheitsberater John Bolton zusammen, um die Details für das geplante
Gipfeltreffen abzusprechen. Anschließend erklärte Yang, sie hätten
„konstruktive Gespräche“ über die Handelsfragen geführt. Außerdem wurde
gemeldet, daß vor dem Trump-Xi-Gipfel möglicherweise auch der für
Wirtschaftsfragen zuständige stellv. Ministerpräsident Liu He Washington
besuchen wird.
Internationale Reaktionen
In seiner Eröffnungsrede sagte Präsident Xi: „Die CIIE ist eine
Veranstaltung, die China mit Unterstützung der WTO und anderer internationaler
Organisationen sowie einer großen Zahl teilnehmender Länder ausrichtet. Es ist
kein Soloauftritt Chinas, sondern ein Chor, an dem Länder aus aller Welt
mitwirken... Lassen Sie uns mit unseren entschlossenen Bemühungen gemeinsam
dazu beitragen, eine Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft aufzubauen und
uns in eine noch bessere Zukunft für die Menschheit zu führen.“ Xi hob
insbesondere die Rolle der Gürtel- und Straßen-Initiative hervor, die „eine
Plattform für eine offene Kooperation der ganzen Welt schaffen“ solle.
18 Staats- und Regierungschefs nahmen an der CIIE teil und sprachen neben
Xi in der Eröffnungszeremonie. Zwölf Länder waren „Ehrengäste“: Indonesien,
Vietnam und Pakistan aus Asien, Südafrika und Ägypten aus Afrika, Rußland,
Großbritannien, Ungarn und Deutschland aus Europa sowie Kanada, Brasilien und
Mexiko aus Amerika.
Die ausländischen Teilnehmer zeigten großen Optimismus. Uruguays
Außenminister Rodolfo Nin Novoa sagte, die Veranstaltung habe die Grundlage
für eine neue internationale Ordnung geschaffen, deren Zweck es sei, „ein
Klima der internationalen Eintracht zwischen den Nationen zu schaffen“. Der
Präsident der Dominikanischen Republik Danilo Medina bemerkte, sie sei ein
„hervorragender Ort“, nicht nur, um Waren in China zu verkaufen, sondern auch,
um etwas „über die Dutzende von Ländern aus fünf Kontinenten zu erfahren, die
hier präsent sind“. China sei ein Referenzpunkt für Kooperation und Vernetzung
zwischen den Nationen geworden. Charles Onunaiju, der Direktor des Zentrums
für China-Studien im nigerianischen Abuja, erklärte gegenüber Xinhua :
„Für Afrika gibt es keine bessere Gelegenheit, etwas gegen das sogenannte
Ungleichgewicht im Welthandel zu tun. China bietet nicht nur Investitionen,
Infrastruktur und finanzielle Unterstützung, es bietet nun auch einen Markt.
Das wichtigste Element in jeder sinnvollen Entwicklung ist der Markt.“
Innovation
Präsident Xi sprach in seiner Begrüßungsansprache auch die zentrale Rolle
des wissenschaftlich-technischen Fortschritts als treibende Kraft für Frieden
und Entwicklung an:
„Es ist für alle Länder wichtig, innovatives Wachstum anzustreben und die
Transformation der Wachstumsmotoren zu beschleunigen. Innovation ist der
wichtigste Motor für Entwicklung. Nur mit mutigen Innovationen und Reformen
können wir die Engpässe des globalen Wachstums durchbrechen. Die
Weltwirtschaft ist gerade erst aus dem Schatten der internationalen
Finanzkrise herausgetreten, und die Erholung ist immer noch instabil.
Konzertierte Bemühungen der Länder der Welt zur Förderung der
wissenschaftlichen Innovationen und zur Förderung neuer Wachstumsmotoren sind
dringend notwendig. Das Wohl der Menschheit ist die größte treibende Kraft der
wissenschaftlichen Innovationen.“
Die Präsidentin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, die wegen
ihrer Beiträge zur Formulierung dieses Konzepts seit den 90er Jahren in China
als „Seidenstraßen-Lady“ bekannt ist, sagte am 8. November in ihrem
internationalen Internetforum:
„Präsident Xi Jinping hat eine exzellente Rede gehalten. Er sprach zwar als
Staatschef Chinas und spricht als Chinese, aber wenn man den Inhalt
betrachtet, dann sollte das an den Ansatz meines Ehemanns erinnern, daß die
einzige Quelle des Reichtums die Kreativität der Menschen ist, die zum
wissenschaftlichen und technologischen Prozeß führt, der dann im
Produktionsprozeß angewandt wird – was dann zur Steigerung der Produktivität,
besserem Lebensstandard und höherer Lebenserwartung führt.“
Große Potentiale
Die Vereinigten Staaten entsandten zwar keine Regierungsvertreter zur CIIE,
aber der Teilstaat Kalifornien schickte eine große Delegation von Vertretern
des Bundesstaates und von Unternehmen. Kalifornien hat von allen
US-Bundesstaaten das größte Handelsvolumen mit China, 2017 waren es 175 Mrd.$,
das sind 27,6% des gesamten Handels der USA mit China. Auch Kentuckys
Gouverneur Matt Bevin leitete eine Wirtschaftsdelegation aus seinem
Bundesstaat zur CIIE. Insgesamt beteiligten sich an der CIIE fast 180
US-Unternehmen, darunter viele der 500 größten des Landes, u.a. Qualcomm,
General Electric, Johnson & Johnson, GM, Microsoft und Dupont. Damit waren
die USA der drittgrößte Aussteller. Eine Beteiligung der USA an der boomenden
chinesischen Wirtschaft und an der Gürtel- und Straßen-Initiative ist das
konstruktivste Mittel, das riesige US-Handelsdefizit mit China abzubauen und
die engen persönlichen Beziehungen zwischen den Präsidenten Trump und Xi
wiederherzustellen.
Das Potential ist enorm. Präsident Xi beschrieb, welche Schritte bereits
unternommen wurden oder geplant sind, um die neue Stufe der „Reform und
Öffnung“ zu erreichen. So soll u.a. die sog. „Negativliste“ der
Wirtschaftssektoren, in denen nur Unternehmen in chinesischem Besitz tätig
sein dürfen, verkleinert werden, man will Investitionen erleichtern, den
Finanz- und Dienstleistungssektor öffnen und die Obergrenzen für ausländische
Beteiligungen anheben. Diese Maßnahmen wurden zwar schon vor der Eskalation
des Handelsstreits mit den Vereinigten Staaten eingeleitet, sie werden aber
dennoch die Tagesordnung für das Gipfeltreffen zwischen Trump und Xi Ende des
Monats bestimmen.
Xi selbst beschrieb China in seiner Begrüßungsansprache optimistisch und
voll Selbstvertrauen folgendermaßen:
„China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Wir haben einen Markt
mit mehr als 1,3 Milliarden Verbrauchern, die auf einem Land mit 9,6 Mio.
km2 leben. Um eine Metapher zu gebrauchen: Die chinesische
Wirtschaft ist kein Teich, sie ist ein Ozean. Dieser Ozean hat wohl auch
stille Tage, aber man muß mit Wind und Stürmen rechnen. Ohne sie wäre der
Ozean nicht, was er ist. Große Winde und Stürme können einen Teich in Unruhe
versetzen, aber niemals einen Ozean. Auch wenn er zahlreiche Winde und Stürme
erlebt hat, wird der Ozean immer noch da sein! Das gleiche gilt für China.
Nachdem es 5000 Jahre lang Irrungen und Wirrungen erlebt hat, ist China immer
noch da! Und wenn wir in die Zukunft schauen: China wird immer da sein!“
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