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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Donau, eine europäische Seidenstraße

Von Alexandra Bellea-Noury

    Es reicht schon ein Blick auf die Landkarte, dann sieht man, daß dieser Fluß den Kontinent diagonal durchquert und den Osten mit der Mitte Europas verbindet, und ohne hier auf historische Kausalitäten einzugehen, verstehen wir plötzlich die Rolle, die die Donau hatte und haben wird – als eine große Straße der Zivilisation und des Handels.
    – Eugeniu P. Botez

Rumänisches Nationales Historisches Museum, Bukarest

Abb. 1: Der „Denker“ und eine weibliche Figur, gebrannter Ton, Hamangia/Cernavoda, 5000-4600 v. Chr.

Vor etwa 8000 Jahren kam die neolithische Revolution durch das Donautal nach Europa und verbreitete die Zivilisation der Landwirtschaft. Einige Archäologen betrachten die Region an der unteren Donau als das „Alte Europa“ (Abbildung 1). Heute kann die Donau dazu dienen, die Revolution der „Neuen Seidenstraße“ in Europa einzuführen und einen neuen Standard in den internationalen Beziehungen zu setzen, der auf gegenseitigem Nutzen und den gemeinsamen Zielen der Menschheit gründet.

Die 2588 km lange, schiffbare Donau definiert einen Raum der Kooperation zwischen zehn Ländern Mittel- und Osteuropas, in dem niemand ein einzelner Akteur sein kann: Keine Nation kann für sich allein Schiffahrt betreiben, alle müssen zusammenwirken, um die Schiffbarkeit sicherzustellen. Mit der Initiierung der Neuen Seidenstraße muß die Donauregion in den größeren Rahmen der Entwicklung Eurasiens gestellt werden. Große Infrastrukturprojekte können alle Engpässe beseitigen, die Verbindungen nach Westeuropa sicherstellen und einen Raum schaffen, in dem Ost und West Technologien und Erfahrungen teilen.

Indem sie eine solche gemeinsame Entwicklung auslöst, kann die Donau zum Rückgrat des Frachttransports zwischen Ost und West auf der Maritimen Seidenstraße der Zukunft werden. Ihr schiffbarer Teil verläuft durch Deutschland, Österreich, die Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Moldawien und die Ukraine zum Schwarzen Meer und eröffnet Transkaukasien, Zentralasien und dem Fernen Osten den Zugang nach Ost- und Mitteleuropa und über den Rhein-Main-Donau-Kanal auch nach Westeuropa.

Rumäniens Schicksal ist eng mit der Donau verbunden. Der rumänisch-bulgarische Stromabschnitt ist zusammen mit dem serbischen bis Belgrad der einzige schiffbare Korridor für Schiffe der Klasse VII in Europa, das sind mehr als 1000 km im Herzen Europas.1 In Rumänien besteht auch die einzige schiffbare Verbindung zwischen der Donau und dem Schwarzen Meer, der Donau-Schwarzmeer-Kanal zum Hafen Konstanza. Im 19. Jahrhundert bezeichneten die Großmächte Rumänien als die „Donaufürstentümer“, weil 47% der schiffbaren Donau, nämlich 1075 km, durch Rumänien verlaufen. Rumänien hat eine lange Tradition der Schiffahrt und 20 Binnenhäfen, von denen vier auch Seehäfen sind und eine lange Tradition der Seeschiffahrt haben.

Rumänien arbeitet schon seit langem mit Entwicklungsländern in aller Welt zusammen. In den 1970er Jahren spielte es eine aktive Rolle beim Technologietransfer in die blockfreien Länder. Da Rumänien keine koloniale Vergangenheit hat, kann es heute eine glaubwürdige Rolle als Initiator des „Neuen Paradigmas“ der Neuen Seidenstraßen-Initiative spielen.

Wikimedia Commons/Eitan96/cc-by-sa 4.0

Abb. 2: Die Donau verbindet die Maritime Seidenstraße mit Mitteleuropa, der Hafen Konstanza am Donau-Schwarzmeer-Kanal wird so zum Tor nach Europa.

Der Hafen Konstanza als Tor nach Europa

Das Tor vom Schwarzen Meer zur Donau ist der rumänische Hafen Konstanza (Constanţa), ein Binnen- und Seehafen, der über den Donau-Schwarzmeer-Kanal direkt mit der Donau verbunden ist. Er ist der größte Hafen am Schwarzen Meer. Der Hafen von Konstanza verschafft auch den landeingeschlossenen Anliegerstaaten der Donau – Österreich, Slowakei, Ungarn, Serbien, Moldawien und Ungarn – Zugang zum Schwarzen Meer (Abbildung 2). Nach Angaben der Hafenverwaltung von Konstanza können dort pro Jahr 100 Mio. t Fracht umgeschlagen werden, es können bis zu 156 Schiffe anlegen, die Länge der Kais beträgt 29,83 km, die Wassertiefe zwischen 8 und 19 Metern. Dies ist vergleichbar mit den anderen wichtigen europäischen und internationalen Häfen und ermöglicht Tankschiffen mit einer Kapazität von 165.000 BRT und Massengutfrachtern mit bis zu 230.000 BRT die Nutzung des Hafens. Der Hafen wird derzeit für den Containerumschlag ausgebaut. Die erste Phase ist ein von Dubai Ports World betriebenes, neues Containerterminal, des größte am Schwarzen Meer. Hier können jährlich rund 1,5 Mio. TEU umgeschlagen werden.2

Auf einer Länge von 600 m können Schiffe mit einem Tiefgang von 14,5 m und 3000 TEU entladen werden. Die Hafenstadt Konstanza hat rund 400.000 Einwohner und ist Standort einer Marineakademie und einer wichtigen Schiffahrts-Universität.

Wikimedia Commons/Acaro/cc-by-sa 2.5

Abb. 3: Schiffswerft in Konstanza.

Nicolic/Duncic
Abb. 4: Chinesische Unternehmen sind interessiert am Bau des Vardar-Morava-Kanals, der die Donau mit der Ägäis verbinden soll.

Die Werften

Rumänien verfügt über mehr als 150 Jahre Schiffbautradition und Marineschulen mit hochqualifizierten Spezialisten in verschiedenen Bereichen. Vor 1989 hatte Konstanza große Schiffsbaukapazitäten in insgesamt zwölf Werften.3 Bis 1990 zählte Rumäniens Handelsflotte rund 300 Schiffe, vor 1989 hatte Rumänien die viertgrößte Handelsflotte in Europa.4

Nach 1989 wurden mit dem Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft fast alle rumänischen Schiffe verkauft und die Häfen privatisiert, aber die Schiffsbaukapazitäten bestehen immer noch (Abbildung 3). Die in den rumänischen Werften gebauten Schiffe dienen dem Einsatz im Gütertransport zur See oder auf Flüssen, als Massengutfrachter, Öltanker, Schubschiffe für Konvois, Leichter, aber auch als Schleppkähne, Fischereiboote, Binnenschiffe, Versorgungsschiffe für Plattformen und als Tiefwasserpontons. Der größte schwimmende Kran im Schwarzen Meer und im Mittelmeer, der Schwimmkran St. Mykolai, wurde in Konstanza gebaut. Das Potential ist groß.

Die Bedeutung Konstanzas
und des Donau-Rhein-Korridors für BRI

Bekanntlich gehört zur Initiative der Neuen Seidenstraße auch eine Maritime Seidenstraße. In diesem Kontext haben der Hafen Konstanza und der Donau-Rhein-Korridor das Potential, die wichtigste Ost-West-Verbindung für den Schiffsverkehr über die Maritime Seidenstraße zu werden. China hat ein klares Interesse daran gezeigt, eine Donau-Verbindung zu schaffen, und vereinbarte schon 2013, eine Machbarkeitsstudie für einen Vardar-Morava-Kanal durchzuführen, der das Ägäische Meer mit der Donau verbinden könnte (Abbildung 4). China hat außerdem mit den CEEC-Ländern – den 16 Staaten Mittel- und Osteuropas, die sich am sog. 16+1-Prozeß beteiligen – eine umfassendere Strategie begonnen, die sog. Seehäfen-Kooperation Adria-Ostsee-Schwarzmeer. In den „Rigaer Richtlinien“ für die Kooperation zwischen China und den CEEC-Ländern von 2016 heißt es dazu:

    „Die Teilnehmer begrüßen und unterstützen die Kooperation der Häfen zwischen China und den CEEC-Ländern an der Ostsee, der Adria und am Schwarzem Meer, und die Schaffung eines China-CEEC-Sekretariats für Maritime Fragen in Polen, um die Kooperation zwischen den größeren Häfen der Küstenregionen voranzutreiben und die Kooperation bei der Entwicklung der Infrastruktur, darunter Eisenbahnen, Straßen, Wasserwege und Logistikzentren, zu fördern.“

Zur Frage der Finanzierung heißt es: „Der China-CEEC-Investmentfonds (Phase 2) wird 2017 geschaffen werden und die Arbeit aufnehmen.“ Zu diesem Fonds sagte Chinas Ministerpräsident Li Keqiang am 5. November 2016 in Riga: „China unterstützt die Ausweitung der Kooperation bei der Abrechnung in den lokalen Währungen, und es unterstützt Finanzinstitutionen wie den Seidenstraßen-Fonds, um in verschiedenen Formen wie Kapital oder Anleihen Finanzmittel für Projekte der 16+1-Kooperation zur Verfügung zu stellen.“

Offen blieb die Frage, welche Summen dafür mobilisiert werden können. Auf der Internetseite von CEE Equity Partners Ltd., dem Investitionsberater des China-CEEC-Investmentfonds, erfahren wir: „Eine typische Investition wird zwischen 10 und 70 Mio. $ betragen.“ Das scheint zuwenig, wenn man weiß, daß der Hafen Doha (Qatar) mehr als 7 Mrd.$ gekostet hat. Es wurden jedoch Banken aus China und aus den CEEC-Ländern eingeladen, sich an diesem Fonds zu beteiligen, damit seine Bedeutung wächst.

Die Seehäfen-Kooperation Adria-Ostsee-Schwarzmeer überschneidet sich mit der „Drei-Meere-Initiative“, der zwölf Mitgliedstaaten der EU angehören, die zwischen der Ostsee, der Adria und dem Schwarzem Meer liegen. Die Initiative zielt darauf ab, die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Fernstraße „Via Carpathia“ zu schaffen, die die Ostsee mit dem Adriatischen Meer und dem Schwarzen Meer verbinden soll. Ein weiterer Aspekt ist die Diversifizierung der Gaslieferungen, um die Importe aus Rußland zu reduzieren, ein geostrategischer Plan, der von den USA unterstützt wird. Die finanziellen Aspekte der Drei-Meere-Initiative sind noch weniger klar.

EIR

Abb. 5: Der Eurasische Seidenstraßen-Kanal soll das Schwarze Meer mit dem Kaspischen Meer verbinden.

Eine weitere bahnbrechende zukünftige Entwicklung ist der von Rußland, Kasachstan und China geplante Eurasische Seidenstraßen-Kanal, der das Kaspische Meer mit dem Schwarzen Meer verbinden soll und berücksichtigt werden sollte, wenn es um die Zukunft der rumänischen Wasserstraßen geht (Abbildung 5). Durch diese Verbindung würde das Schwarze Meer eine zentrale Rolle in der Maritimen Seidenstraße erhalten. In einem Videobeitrag von Prof. Nuraly Bekturganow, Vizepräsident der Akademie der Naturwissenschaften von Kasachstan, für eine Konferenz des Schiller-Instituts, die 2018 in Bad Soden in Deutschland stattfand, erfahren wir, daß dieser Kanal China, Zentralasien und Rußland miteinander verbinden würde, für Schwerlastschiffe mit bis zu 11,5 m Tiefgang ausgelegt wäre und 120 Mio. t Fracht pro Jahr befördern könnte. Er würde einen Teil des Seeschiffsverkehrs aufnehmen, der jetzt durch den Suezkanal abgewickelt wird.5

Auch die Österreicher sind äußerst interessiert am Potential ihrer „östlichen Nachbarn“, wie sie sie nennen. Eine Studie über „Die Europäische Seidenstraße“, die 2018 vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) vorgelegt wurde, schlägt einen „Big Push“ bei den Infrastrukturinvestitionen in der „östlichen Nachbarschaft“ Westeuropas vor.6

Die Studie weist darauf hin, daß in diesem Raum rund 480 Millionen Menschen leben, fast ebenso viele wie in der Europäischen Union: 30 Millionen auf dem Westbalkan und in den anderen Ländern der Europäischen Freihandelszone, rund 200 Millionen in den früheren Sowjetrepubliken Europas, fast 90 Millionen in den zentralasiatischen Republiken und jeweils rund 80 Millionen in den beiden weiteren Anliegerstaaten des Schwarzen Meers und des Kaspischen Meers, der Türkei und dem Iran. Als Südroute der „Europäischen Seidenstraße“, wie sich der Vorschlag in der Studie nennt, soll Westeuropa von Mailand aus entlang der Donau und über den Hafen Konstanza mit der „östlichen Nachbarschaft“ verbunden werden.

Die Kosten eines solchen „Big Pushs“ für die Südroute mit einer neuen Autobahn und Eisenbahnstrecke von Mailand bis Konstanza schätzt man auf 69,9 Mrd. Euro für den Bau der Autobahn und 141,8 Mrd. Euro für den Bau einer hochwertigen Eisenbahn. Hinzu kommen die Kosten für den Bau von fünf modernen Seehäfen (35 Mrd. Euro), zehn Binnenhäfen (ebenfalls 35 Mrd. Euro) und zwölf Logistikzentren (25,4 Mrd. Euro). Als weiterer wichtiger Aspekt wird in der Studie erwähnt, daß dies keine Konkurrenz zur chinesischen Seidenstraßen-Initiative wäre, sondern sie ergänzen soll.

Was zu tun ist: Keine Loreley an der Donau

Die gegenwärtige Schiffbarkeit der Donau bleibt hinter ihrem Potential weit zurück. Das liegt zum Teil daran, daß sie nicht genug ausgebaggert wird, aber auch am mangelnden Ausbau, der für die Anliegerstaaten eine große finanzielle Belastung darstellt. Zwei Probleme müssen gelöst werden.

Das erste ist der Mangel an Geldern einer Europäischen Union, die unter einer anhaltenden Finanzkrise leidet. Die „Strategie für die Donau“ der Europäischen Union sieht eine Mindesttiefe von 2,5 m für schwere Konvois vor, aber in demselben Dokument heißt es, daß keine weiteren Gelder für die „Strategie“ bewilligt werden.7 Der Europäische Rechnungshof, ein Organ der Europäischen Union, erklärte 2015 in einem Bericht unmißverständlich: „Die geschätzten Kosten für die Beseitigung aller identifizierten Engpässe überschreiten bei weitem die beschränkten verfügbaren Mittel aus dem EU-Haushalt für die Infrastruktur des internationalen Wassertransports.“8

Ein zweites, grundlegenderes Problem ist der Mangel an Vision und die herrschende pessimistische Geisteshaltung. Die „Strategie für die Donau“ beruht auf einem Denken, das menschliche Eingriffe in das vermeintliche natürliche Gleichgewicht ablehnt. Nach dieser pessimistischen Sichtweise hätten große Infrastrukturprojekte, die die Schiffbarkeit sicherstellen, negative Folgen für die Natur, deshalb will man die Bemühungen darauf konzentrieren, die natürliche Umwelt zu erhalten und die Infrastrukturprojekte klein zu halten. Nach dieser Sicht würde die schöne Nixe Loreley, die die Schiffer auf dem Rhein so ablenkt, daß sie auf die Felsklippen im Rhein auffahren und untergehen, noch immer ihr Opfer fordern, da die Arbeiten, durch die die Klippen beseitigt wurden, niemals durchgeführt worden wären.

Das „ökologische“ Argument wird auch manchmal von Staaten wie Ungarn vorgebracht, die unter Berufung auf den Umweltschutz Infrastrukturprojekte zur Verbesserung der Schiffbarkeit stoppten9 und so die Idee der gemeinsamen Entwicklung gefährdeten.

Mit Hilfe einer gemeinsamen größeren Vision, die seit 2013 durch die Initiative der Neuen Seidenstraße mit ihren Kreditlinien möglich wurde, könnten diese Hindernisse beseitigt werden. Die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) hat eine Liste von Schiffahrtshindernissen zusammengestellt,10 und im Rahmen der China-CEEC-Kooperation sollte man zum gemeinsamen Nutzen ein ehrgeiziges Projekt starten, diese Hindernisse möglichst bald zu beseitigen. In einer starken gemeinsamen Dynamik könnten auch die Einzelakteure überzeugt werden, im Sinne des gemeinsamen Interesses zu denken.

Wikimedia Commons/David Liuzzo/cc-by-sa 3.0 (Europakarte),
Alexander Hartmann (Ostsee-Schwarzmeer-Wasserstraße)

Abb. 6: Die vorgeschlagene Ostsee-Schwarzmeer-Wasserstraße soll den Weg von der Ostsee zum Schwarzen Meer deutlich verkürzen.

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Abb. 7: Der Bukarest-Donau-Kanal soll die rumänische Hauptstadt mit der Donau verbinden.

Der Schwarzmeer-Ostsee-Kanal

Im Kontext der Seehäfen-Kooperation Adria-Ostsee-Schwarzmeer sollte Rumänien eine Machbarkeitsstudie und den anschließenden Bau einer ehrgeizigen Wasserstraße von Galatz (GalaÅ£i) nach Danzig vorschlagen, die die Ostsee mit dem Schwarzen Meer verbinden würde (Abbildung 6). Das Projekt wird von der rumänischen Wirtschaft unterstützt und wurde schon vor hundert Jahren diskutiert. Dazu sollen Weichsel, San, Dnjestr und Pruth auf einer Länge von insgesamt rund 1900 km ausgebaut und ein 72 km langer Kanal zwischen Dnjestr und Pruth gebaut werden.

Das Projekt würde die derzeitige Fahrstrecke zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee (über Wolga und Don) deutlich verkürzen, und der rund 4000 km lange Weg nach Nordeuropa durch den Atlantischen Ozean würde vermieden. Sie würde den nordeuropäischen Ländern Zugang zum Schwarzen Meer, zum Kaukasus und zum Suezkanal verschaffen. Und sie würde den Anliegerstaaten Rumänien, Moldawien, Ukraine und Polen ermöglichen, beim Aufbau von Infrastruktur für Handel, Hochwasserschutz, Kraftwerksbau und Bewässerung zu kooperieren. Dies ist eine der ärmsten Regionen Europas, die nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Lage zum Teil politisch destabilisiert ist.

Der Bukarest-Donau-Kanal

Der 73 km lange Kanal, der Bukarest, Rumäniens politische und wirtschaftliche Hauptstadt, mit der Donau und dem Schwarzen Meer verbinden soll (Abbildung 7), wurde in der kommunistischen Ära zu 70% fertiggestellt, aber nach der Revolution 1990 wurden die Arbeiten eingestellt. Sein offenkundiger Nutzen wäre eine Förderung der Wirtschaft in Bukarest, aber er würde auch dazu beitragen, 150.000 ha Ackerland zu bewässern und vor Hochwasser zu schützen. Die Bürgermeisterin von Bukarest, Gabriela Firea, erklärte kürzlich, daß sie für die Wiederaufnahme der Bauarbeiten ist. Das Projekt werde etwa 1,5-1,7 Mrd. Euro kosten. Der Stadtrat will dazu ein Projekt vorschlagen, das dann von der EU mitfinanziert werden soll. 2018 sprach Firea auch beim Bukarester Forum „Dialog der politischen Parteien“ im Rahmen des 16+1-Kooperationsformats und sagte dort: „Bukarest kann wirklich das Tor werden, durch das die Neue Seidenstraße das Gebiet der Europäischen Union erreicht.“ Die Stadt müsse ein „Knotenpunkt des Handels und des Verkehrs auf der Neuen Seidenstraße zwischen China und Europa“ werden.11

Der Bau dieses Kanals muß Teil eines kohärenten Plans zur Re-Industrialisierung sein, damit Waren, die in Bukarest hergestellt werden, über den Kanal und die Donau nach Westen sowie nach Osten zum Schwarzen Meer transportiert werden können. Der ehrgeizige Plan, Bukarest zu einem Knotenpunkt an der Neuen Seidenstraße aufzubauen, kann realisiert werden, wenn der Hafen von vornherein als ein automatisierter, intelligenter Hafen geplant wird. Rumänien sollte auch dies als Projekt für die China-CEEC-Kooperation vorschlagen.

Rumäniens Werften und Flotten

Eine Rolle als Umschlagplatz wäre interessant, würde aber nicht ausreichen. Angesichts der früheren Bedeutung seines Schiffsbaus und seiner Flotten könnte Rumänien im Kontext der Seehäfen-Kooperation Adria-Ostsee-Schwarzmeer im Rahmen der Seidenstraße einen kohärenten Plan für den Schiffsbau starten. Rumänien pflegte in der Vergangenheit eine wichtige wirtschaftliche Zusammenarbeit mit afrikanischen und anderen blockfreien Nationen, und seine Schiffsbaukapazitäten könnten erneuert werden, um maßgeschneiderte Lösungen für Entwicklungsländer zu entwickeln. Rumänien hat in Afrika ein wichtiges Vertrauenskapital und einen Ruf als nicht-imperiales Land, das seine Geschäfte auf der Grundlage einer Win-Win-Mentalität betreibt. Ein Beispiel einer langfristigen Kooperationsgelegenheit wäre das Transaqua-Projekt für einen rund 2400 km langen, schiffbaren Kanal von der Demokratischen Republik Kongo zu den Ländern am Tschadsee, was einen Bedarf für eine interafrikanische Flotte schaffen würde.

Es sollte eine Studie mit einer Bestandsaufnahme der verbliebenen Schiffbaukapazitäten und einem Überblick über die notwendigen Investitionen für deren Modernisierung erstellt werden. Ein Problem, das gelöst werden muß, damit ein solcher kohärenter Plan umgesetzt werden kann, sind die unterschiedlichen Interessen im Schiffbau und im Wassertransportsektor, da die Werften nach 1989 in den Bankrott getrieben und dann privatisiert wurden. Zu stark divergierende Interessen könnten ein koordiniertes Vorgehen behindern. Die gleiche Herausforderung stellt sich bei dem derzeitigen privaten Management der verschiedenen Hafenterminals. Wenn man den Erfolg von Rotterdam und seiner exzellenten Mobilisierung zur Automatisierung des Hafens untersucht, wird man feststellen, daß dieser Hafen ein Staatsbetrieb ist.

Mit der Schaffung neuer Kanäle und der Wiederbelebung der Donauregion dürfte das Frachtaufkommen in der Schiffahrt – sowohl über See als auch auf den Binnenwasserstraßen – zwischen Asien und Europa deutlich zunehmen. Diese neuen Entwicklungen sollte man studieren, und in diesem Kontext könnte Rumänien seine Flotte wiederbeleben und ein Schiffsbauunternehmen gründen oder Kredite dafür bereitstellen. Dieses Unternehmen könnte zu einem Vorbild für den Transport über die zukünftige Verbindung von der Neuen Seidenstraße über das Schwarze Meer und die Donau zum Rhein werden und eine entscheidende Rolle beim Aufbau der Schwarzmeer-Ostsee-Verbindung spielen.

Last but not least sollte Rumänien seine Seehäfen modernisieren und komplett automatisieren und sie auf die Zukunft intelligenter Container und Häfen vorbereiten. Diese Aufgabe wäre ein gute Herausforderung für den rumänischen IT-Sektor und für die Ingenieurschulen des Landes.

Das Hinterland muß aufblühen

Das Beispiel des größten Hafens der Welt, Shanghai, zeigt uns, daß der Erfolg mit der industriellen Produktion in seinem „Hinterland“ zusammenhängt. Nur 17% des Containerverkehrs in Shanghai entfällt auf die internationalen Schiffahrtsrouten, dagegen sind 58% des Containerverkehrs auf das Tal und Delta des Jangtse ausgerichtet, ein Zentrum der industriellen Produktion.12 Wenn die rumänischen Häfen nur Umschlagsplätze für ausländische Waren sind, werden sie einem harten Unterbietungswettbewerb ausgesetzt sein.

Die rumänischen Planer sollten daher genau das Geheimnis des Aufschwungs des chinesischen „Hinterlands“ studieren und eine Strategie entwickeln, die in Verbindung mit den Häfen die rumänische Industrieproduktion wieder in Gang bringt. Die Entwicklung moderner Werften und Häfen könnte einer der Wege hierzu sein und den Aufbau kleiner und mittlerer Unternehmen mit Lösungen made in Romania anregen.

Der Hafen Konstanza hat bereits Vereinbarungen mit den Häfen Qingdao und Ningbo-Zhoushan in China geschlossen, und die Wirtschaft veranstaltet regelmäßig Foren, um dem Hafen Konstanza eine Position im Frachtverkehr entlang der Neuen Seidenstraße zu verschaffen. Um die Re-Industrialisierung des Hinterlandes des Hafens sicherzustellen, könnte man auch die Wissenschaftsgemeinde in den Prozeß einbinden und Partnerschaften zwischen rumänischen und chinesischen wissenschaftlichen Einrichtungen gründen, wie dem Changjiang (Jangtse) River Scientific Research Institute (CRSRI), dem berühmten Hydrologischen Forschungsinstitut, das das Projekt für den Bau des Drei-Schluchten-Damms entwickelte.

Landwirtschaft, Hochwasserschutz und Wasserregulierung sind auch für Rumänien wichtig, da der Süden und Südosten des Landes immer wieder unter Dürren wie unter Überschwemmungen leidet. Rumänien droht der Verlust seiner wertvollen Schwarzerde-Böden. Der Präsident des Rumänischen Instituts für pedologische und agro-chemische Forschung sagte 2013, rund 400.000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche drohe die Versteppung. Paradoxerweise grenzen diese Regionen an die wasserreiche Donau. Insgesamt haben 13 EU-Mitgliedstaaten Versteppungsprobleme nach der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüsten (UNCCD) angemeldet: Bulgarien, Kroatien, Zypern, Griechenland, Ungarn, Italien, Lettland, Malta, Portugal, Rumänien, die Slowakei, Slowenien und Spanien.

Als Antwort darauf könnten interdisziplinäre Forschungsteams und Ingenieurteams einen integrierten Plan für das gesamte Donautal ausarbeiten, der Hochwasserschutz, Bewässerung und Sicherung der Schiffbarkeit miteinander verbindet und der, auf ein besseres Verständnis von Wasserkreislauf und Böden gegründet, Ingenieurslösungen für die Probleme der Schiffbarkeit, intelligenter Häfen, Hochwasserschutz und Bewässerung liefert. Ein solcher Plan könnte auch darauf abzielen, die zahlreichen kleineren und mittleren Binnenhäfen an der Donau und ihren Nebenflüssen auszubauen und wissenschaftliche Einrichtungen und wirtschaftliche Entwicklung auch in die bisher sehr armen Regionen zu bringen. Das DAPhNE-Netzwerk der EU, das darauf abzielt, alle Häfen an der Donau zu entwickeln, indem es den Austausch von Erfahrungen und Kenntnissen fördert, ist ein interessanter Ansatz, auch wenn er aufgrund seiner geringen finanziellen Ausstattung nicht ehrgeizig genug ist.13

Ein blühendes Hinterland bedeutet auch, daß die Häfen mit einem dichten Netz von Hochgeschwindigkeitsbahnen und Autobahnen verbunden sein müssen. Es ist eine anerkannte Tatsache, daß Rumänien moderne Autobahnen fehlen und daß das einst gute Eisenbahnnetz nicht ausgebaut und nur schlecht instand gehalten wurde; es ist also ein neuer Impuls notwendig, um die bestehenden Autobahnprojekte zu realisieren und weitere, ehrgeizigere zu entwickeln, wie beispielsweise Magnet- oder Luftkissenbahnen (für Geschwindigkeiten bis 500 oder 600 km/h).

Ohne eine Industrialisierungsstrategie und die Entwicklung ihres Hinterlandes riskieren die rumänischen Häfen, Kolonialhäfen zu werden, die lediglich dazu dienen, rumänische Rohstoffe auszuführen, die von multinationalen Unternehmen ausgebeutet werden.14


Alexandra Bellea-Noury (alexandra.bellea@gmail.com) ist Mitarbeiterin des französischen Schiller-Instituts.


Anmerkungen

1. Schiffe und Schiffsverbände der Klasse VII können laut Vereinbarung der Europäischen Verkehrsministerkonferenz eine Länge von bis zu 285 m, eine Breite von bis zu 34,20 m und einen Tiefgang von 2,50-4,50 m und eine Tonnage von 14.500-27.000 t BRT haben. (s. http://voies-hydrauliques.wallonie.be/opencms/export/sites/met.dg2/images/fr/promotion/cartes/carte_france_europe_VNF.jpg)

2. http://www.portofconstantza.com/apmc/portal/static.do?package_id=term_containere&x=load

3. http://enciclopediaromaniei.ro/wiki/Index:Ateliere_şi_şantiere_navale_româneşti

4. https://www.digi24.ro/special/campanii-digi24/romania-furata/romania-furata-cum-a-esuat-flota-comerciala-537606

5. https://solidaritaet.com/neuesol/2018/34/bekturganow.htm

6. https://wiiw.ac.at/die-europaeische-seidenstrasse--p-4598.html

7. http://ec.europa.eu/regional_policy/en/policy/cooperation/macro-regional-strategies/danube/

8. Bericht des Europäischen Rechnungshofs: Die Binnenschifffahrt in Europa: keine signifikanten Verbesserungen in Bezug auf Verkehrsträgeranteil und Schiffbarkeitsbedingungen seit 2001, 2015, p.30, https://publications.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/3b6f7a9f-9d32-4ef7-a087-156c5d9070a3/language-de/format-PDF/source-77116817

9. a.a.O., S. 32

10. https://www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/doc/2013/sc3wp3/ECE-TRANS-SC3-159-Rev1e.pdf

11. https://www.wall-street.ro/articol/Politic/212402/gaabriela-firea-dorim-finalizarea-unui-canal-dunare-bucuresti.html

12. https://www.solidariteetprogres.org/documents-de-fond-7/economie/l-autre-secret-du-miracle.html

13. Das Projekt hat ein Gesamtbudget von weniger als 3 Mio. Euro, http://www.interreg-danube.eu/uploads/media/approved_project_public/0001/04/38ab0783f2de7b1724a559663a7b84eaf4569a67.pdf

14. Diese Tendenz ist bei den amerikanischen Maisexporten aus Rumänien nach Ägypten erkennbar, bei denen der Hafen von Konstanza eine wichtige Rolle spielt.