Friedrich Schiller Denkmal
Friedrich Schiller



Hauptseite
       

Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Syrien mobilisiert für den Sieg und für den Wiederaufbau

Von Odile Mojon und Ulf Sandmark

Odile Mojon vom französischen Schiller-Institut und der Vorsitzende des schwedischen Schiller-Instituts Ulf Sandmark besuchten Anfang September Syrien.

Eine Delegation des europäischen Schiller-Instituts ist kürzlich von einer Reise nach Syrien zurückgekehrt, wo sie große Teile des Landes bereiste. Unmittelbar zuvor hatte bereits Senator Richard Black aus dem US-Bundesstaat Virginia das Land besucht (siehe das Interview auf Seite 5), und wie er protestierten die Vertreter des Schiller-Instituts gegen die Gefahr einer neuerlichen Aggression der USA, Großbritanniens und Frankreichs gegen Syrien unter dem Vorwand eines Giftgasanschlags unter falscher Flagge in der Provinz Idlib. In Interviews mit den beiden großen syrischen Fernsehsendern berichtete Sandmark über die Mobilisierung des Schiller-Instituts, die Erklärungen von Helga Zepp-LaRouche und die Telefonkampagne in den USA, wo Bürger das Weiße Haus anrufen und den Präsidenten auffordern, jeden sofort zu entlassen, der einen Angriff auf Syrien fordert, weil es die gleichen Leute sind, die auch den Putschversuch gegen Trump betreiben.

Das syrische Tourismusministerium hatte die Delegation (und weitere Journalistendelegationen, u.a. aus Indien, Rußland, China, Japan, Tschechien und Spanien) eingeladen, die 60. Internationale Ausstellung von Damaskus zu besuchen, die vom 6.-15. September stattfand. Die Messe war eine beeindruckende Darstellung des industriellen Know-how in zahlreichen Branchen der syrischen Industrie. Die syrischen Aussteller berichteten über die Schäden durch den Krieg und die Plünderung durch Terroristen, aber auch über die Neuansiedlung der Betriebe, die jetzt rund um die Uhr produzieren. In diesem Jahr nahmen Aussteller aus 48 Nationen an der Messe teil, viele davon Länder entlang der alten Seidenstraße; seit China die Neue Seidenstraße initiiert hat, wird Syrien wieder zu einem wichtigen globalen Umschlagsplatz. Mehrere syrische Delegationen haben China, Indien und die engen Verbündeten Rußland und Iran besucht, und die Neue Seidenstraße ist nun fester Bestandteil der syrischen Wirtschaftspolitik.

Während der Messe wurde Sandmark von einem der großen syrischen Fernsehsender eingeladen, an einer 50minütigen Live-Diskussion über Wirtschaftspolitik teilzunehmen. Er verwies auf die Bedeutung der Messe, mit der „die Neue Seidenstraße gefeiert wird“, und berichtete über den Einsatz des Schiller-Instituts für dieses Vorhaben, u.a. zeigte er die arabische Ausgabe des EIR-Sonderberichts „Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke“.

In der anschließenden Debatte über den Mangel an Geldmitteln für den Wiederaufbau korrigierte Sandmark die weitverbreitete Überschätzung der ausländischen Investitionen zur Beschaffung des benötigten Kapitals. Er erinnerte an das Kreditsystem, das beim New Deal unter US-Präsident Roosevelt und beim Wiederaufbau nach dem Krieg in Südkorea und Deutschland zum Einsatz kam. Mit einem solchen Kreditsystem könne der benötigte einheimische Kredit von Syriens eigenen nationalen Institutionen geschöpft werden. Zudem müsse man die einheimische syrische Produktion schützen, insbesondere in der Landwirtschaft, die entscheidend dafür ist, die Gebiete, die die Armee von den Terroristen befreit hat, wieder zu besiedeln und wirtschaftlich zu nutzen. Nach dem schrecklichen Krieg werde jeder vernünftige Mensch respektieren, daß Syrien seine einheimische Produktion schützen muß. Und solange die westliche Welt den Krieg weiter führe, könne sie Syrien nicht daran hindern, an einer protektionistischen Kriegswirtschaft festzuhalten.

Bild: Schiller-Institut/Ulf Sandmark

Olide Mojon (2.v.l.) und Ulf Sandmark (3.v.l.) auf der Internationalen Messe von Damaskus.

Im Landesinneren

Die Delegation besuchte neben der Hauptstadt Damaskus auch Homs, Aleppo und Palmyra. Inzwischen ist es wieder leicht möglich, auf den Fernstraßen zwischen diesen Städten zu reisen, es gibt nur noch wenige militärische Kontrollposten. Außer Palmyra liegen die Städte alle in Gebieten, die immer von der Regierung beherrscht wurden, und sie sind nun alle voller Leben, Verkehr und Menschen auf den Straßen. Palmyra hingegen ist fast menschenleer, man findet dort keine geöffneten Hotels, Restaurants usw. Sie untersteht immer noch der Kontrolle der Militärs, und man braucht eine Sondergenehmigung, um die Stadt zu besuchen. In Damaskus sind die meisten Kontrollposten, die es in den letzten Jahren gegeben hatte, inzwischen aufgehoben worden, da alle von Terroristen beherrschten Stadtviertel befreit wurden. Die Stadt kann nun wieder aufatmen, nachdem die Einwohner sieben Jahre lang in ständiger Furcht vor den willkürlichen Granatenangriffen der Terroristen leben mußten. Einer der Reiseführer sagte, die Menschen hätten in all diesen Jahren wie in einem Gefängnis gelebt und Angst gehabt, ihre Häuser zu verlassen.

Aber schon in den Außenbezirken von Damaskus, die erst vor kurzem von den Terroristen befreit wurden, war der Anblick der Zerstörungen schockierend. Ähnliche Bilder sahen wir in großen Teilen von Homs und in Ostaleppo. Die meisten Häuser waren stark beschädigt, standen aber noch, außer in den unmittelbaren Frontgebieten. Daß sie noch stehen, zeigt, daß sie nicht durch Luftangriffe zerstört wurden, sondern bei den Bodenkämpfen, oder von Terroristen, die alle Häuser durchkämmten und sämtliche Läden in Brand setzten. Auf allen großen Straßen wurden die Trümmer zur Seite geräumt und der Asphalt repariert. Liegengebliebene Militärausrüstung wurde entfernt. Der Wiederaufbau geht Schritt für Schritt voran. In den Gebieten, die schon vor ein oder zwei Jahren befreit wurden, liefen in den meisten Häusern Bauarbeiten, um neue Böden und Wände einzubauen, in einigen Fenstern sah man auch Licht. In den Wüstengebieten sind viele Dörfer entvölkert, aber manche haben inzwischen schon wieder genug Infrastruktur, daß die Bevölkerung zurückkehren und die Felder wieder bearbeiten kann.

Bilder: Schiller-Institut/Ulf Sandmark

Beim Wiederaufbau des Landes hat die Wiederherstellung der Infrastruktur – wie hier der Stromversorgung – Priorität.

Die Hauptanstrengung gilt der Wiederherstellung der Infrastruktur. Damaskus hat inzwischen wieder rund um die Uhr elektrischen Strom, nachdem es jahrelang regelmäßige Stromabschaltungen gab. Die Raffinerie in Homs ist ebenso wie die beiden anderen großen Raffinerien wieder in Betrieb, produziert aber bisher nur für den einheimischen Bedarf. Die meisten Gaspipelines wurden mit inländischer Ausrüstung ausgebessert. Die Ölpipeline nach Homs ist offenbar noch nicht wieder hergestellt, auf der Straße in die Wüste fuhr eine endlose Schlange von Tanklastwagen. Man hat lange Strecken neuer, schnurgerader Straßen gebaut und asphaltiert, um diese „Pipeline auf Rädern“ zu ermöglichen.

Aleppo

Die Delegation des Schiller-Instituts besuchte auch Aleppo, die zweitgrößte Stadt Syriens, die Schauplatz heftiger Kämpfe war. Das unglaubliche Ausmaß der Zerstörung sagt viel über die Intensität der Kämpfe, viele Stadtviertel sind in Trümmer gelegt. Viele Häuser und Gebäude werden sicherlich wieder aufgebaut, aber einige kostbare architektonische Schätze sind wahrscheinlich unwiederbringlich verloren.

Aleppo, mit drei Millionen Einwohnern, ist nicht nur Syriens Wirtschaftsmetropole, es ist auch eine der ältesten Städte der Welt, sie ist seit mindestens 6000 Jahren durchgehend besiedelt. Ihre Bedeutung hängt mit ihrer geographischen Lage zusammen, sie liegt an der Handelsroute von Mesopotamien zum Mittelmeer. Die reiche Geschichte spiegelt sich in zahlreichen wunderschönen Baudenkmälern wider, und mehrere davon stehen auf der Liste des UNESCO-Welterbes, wie die Omajjaden-Moschee, der Al-Madina-Basar und die Zitadelle.

Die Moschee wurde stark beschädigt und ihr Minarett aus dem 8. Jahrhundert dem Erdboden gleich gemacht. Der Al-Madina-Basar – der größte überdachte Markt der Welt – aus dem 14. Jahrhundert wurde durch die Rebellenoffensive im September 2012 und spätere Bombenangriffe und Kämpfe größtenteils zerstört. Früher gab es dort mehr als 700 Läden, heute ist das einst pulsierende Herz des städtischen Lebens öde und leer.

Auch Aleppos Zitadelle, in der die Streitkräfte der Regierung Stellung bezogen, hat – neben anderen Schäden – schwer gelitten, als ein Tunnel unter ihr gesprengt wurde. Die rebellenfreundlichen Medien machen die Regierung dafür verantwortlich, aber es ist allgemein bekannt, daß die Rebellen systematisch Tunnel und Abwasserkanäle nutzten, um sich darin zu verbergen, dann unerwartet herauszubrechen, willkürlich auf Passanten zu schießen und so die Bevölkerung zu terrorisieren.

Der geistige Kampf um Palmyra

Am nächsten Tag machte sich unsere Delegation erneut auf den Weg, diesmal in Richtung Palmyra. Zunächst führte der Weg durch kleine ländliche Dörfer, die vor allem von ihren Olivenhainen leben, aber bald wurde dies von Wüstenlandschaften abgelöst.

Bild: Schiller-Institut/Ulf Sandmark


Professor Mahmoud Aboura erläutert die Schäden und Verluste im Museum von Palmyra.

Nach langen Stunden trafen wir endlich in Palmyra ein, das ebenfalls stark zerstört ist. Unsere erste Station war das Museum, ein trostloser Ort, wo nach der systematischen Zerstörung der historischen Sammlungen nichts mehr zu sehen ist. Dank der Entschlossenheit von Museumspersonal, Kulturbehörden und Soldaten konnten aber viele Ausstellungsstücke rechtzeitig nach Damaskus gebracht werden – natürlich nur solche Stücke, die man transportieren kann.

Dem, was schon weithin über das Schicksal der archäologischen Stätten berichtet und gesagt wurde, ist kaum etwas hinzuzufügen. Man konnte auf den ersten Blick erkennen, daß diese demonstrative Barbarei nicht den geringsten strategischen Nutzen hatte, außer dem Drang, Angst und Schrecken zu verbreiten. Die bekanntesten und prominentesten Teile der Ausgrabungsstätte sind nur noch Schutt und Asche. Dies gilt für den Balshamin-Tempel, die Tetrapylen, den Triumphbogen und in geringerem Maße auch für das Amphitheater und andere Stätten. Diese gezielten Zerstörungen lassen jedoch darauf schließen, daß das, was sonst nur als schiere Willkür erscheint, doch einem Zweck diente: Es ging darum, die Erinnerungen und das kulturelle Erbe auszuradieren, aber es war auch Teil der Kommunikationsstrategie des Islamischen Staats (ISIS).

Die Botschaft ist ebenso simpel wie bösartig: Wer oder was immer nicht mit unserem barbarischen „Denken“ übereinstimmt, wird vernichtet werden. Daher der abgrundtiefe Haß auf Schönheit und Wissen, wie er im Mord an dem langjährigen Leiter der antiken Stätten von Palmyra, Khaled El-Assad, zum Ausdruck kommt. Nachdem ISIS ihn einen Monat lang eingesperrt und verhört hatte, wurde er öffentlich hingerichtet, weil er sich weigerte, die Verstecke der Schätze von Palmyra preiszugeben. Der bekannte und hochangesehene 82jährige Gelehrte wurde vor Dutzenden Zuschauern auf dem Platz vor dem Museum enthauptet. Und wie es heißt, wurde seine Leiche anschließend zu den Ausgrabungsstätten gebracht und an einer der römischen Säulen aufgehängt.

Die Zerstörung der archäologischen Stätten von Palmyra macht die Absichten der Dschihadisten deutlich. Ihre Ziele beschränkten sich keineswegs nur darauf, symbolträchtige Orte zu erobern oder Feinde zu vernichten, sie wollten etwas für die Menschen noch viel wichtigeres vernichten: Wissen, Schönheit und alles, was mit dem menschlichen Geist verbunden ist. Sie wollten alles auslöschen, was dem Leben der Menschen einen Sinn gibt und was sie durch ihren schöpferischen Geist zum Teil einer universellen Menschheitsfamilie macht. Das wird im Falle Syriens vielleicht noch deutlicher als bei den ähnlichen Zerstörungen in anderen Ländern, wie beispielsweise in Mossul im Irak.

Warum ist das so? Weil Syrien, am Schnittpunkt der alten und neuen Seidenstraßen gelegen, von vielen Kulturen befruchtet wurde und das Land schon durch seine Geschichte ein lebendiges Beispiel dafür ist, was dies für die universelle Menschheitsfamilie bedeutet. In diesem Kontext kann man davon ausgehen, daß die Terroristen die rasende Zerstörung von Erinnerung, Kultur und Vertrauen in den menschlichen Geist als ein wichtiges strategisches Ziel betrachteten.

Der Reiseführer unserer Delegation war ein Beispiel für den starken Geist des syrischen Volkes und dessen Entschlossenheit, die Terroristen vollständig zu besiegen und den Krieg hinter sich zu lassen. Professor Mahmoud Aboura ist Archäologe, er kennt im antiken Palmyra jeden Stein und ist Experte für die Restaurierung historischer Monumente. Obwohl er über die Zerstörungen, die auch er zum erstenmal sah, zutiefst erschüttert war, erklärte er uns, welche Schritte er sofort unternehmen werde, um das gesprengte Amphitheater wiederherzustellen.

In einer Pressekonferenz nach der Rückkehr in Damaskus bat der Tourismusminister, Dipl.-Ing. Besher Yazji, die internationale Wissenschaftsgemeinde um Unterstützung, damit Palmyra so schnell wie möglich wiederhergestellt werden kann. Er kündigte an, daß die stark beschädigten antiken Säulen und Gebäude Palmyras restauriert werden und daß in den Ruinen von Palmyra schon im kommenden Jahr wieder das Kulturfest der Seidenstraße stattfinden soll.

Vom 2.-6. Oktober wird in Damaskus eine weitere Handelsmesse stattfinden, die dem Wiederaufbau von Syrien gewidmet ist.