Die Beziehungen zwischen Griechenland und China und „Gürtel und Straße“
entwickeln
Von Leonidas Chrysanthopoulos,
Botschafter ad honorem
Rede auf der Konferenz des Schiller-Instituts am 16.-17.
November 2019. Die Rede wurde aus dem Englischen übersetzt,
Zwischenüberschriften wurden hinzugefügt.
Dies ist unsere erste Jahreskonferenz ohne Lyndon LaRouche. Wir vermissen
ihn, doch sein Geist ist bei uns.
Von all seinen zahlreichen, inspirierenden Schriften beeindruckten mich am
meisten seine Kenntnisse des klassischen griechischen Denkens in Philosophie
und Tragödie und seine Anstrengungen, diese als Grundlage für die Lösung der
heutigen Probleme der Menschheit zu nutzen. Gestatten Sie mir, seine „drei
Sichtweisen des Prometheus“ zu zitieren, die aus dem 1999 veröffentlichten
Artikel „Prometheus und Europa“ stammen:
„Die verschiedenen, halbwegs gut informierten, aber sich widersprechenden
Einschätzungen des klassisch griechischen Bildes der Prometheus-Gestalt lassen
sich unter drei moralischen Klassifizierungen einordnen. Das wiederum führt
uns zu einem noch grundlegenderen Gedanken, der große Bedeutung für das
Verständnis der heutigen Krise der weltweit verbreiteten europäischen
Zivilisation hat...
Die erste der drei entgegengesetzten Sichtweisen des Prometheus ist eine
moralisch abstoßende... Sinngemäß zusammengefaßt wird Prometheus hier entweder
des Verbrechens der Hybris gegen alle heidnischen Götter schuldig gesprochen
oder als tragische Gestalt gesehen, die Opfer ihres eigenen Irrtums wird,
taktisch unbesonnen die ,Clubregeln' des oligarchischen Spiels zu brechen.
Die zweite Auffassung von Prometheus ... ist die einer vielleicht
tragischen Gestalt, die zornig die Faust ballt und damit einen vermeintlich
noblen Geist der Revolte der Bedrückten gegen die bösartigen Götter zum
Ausdruck bringt...
Die dritte Sichtweise, die in Aischylos’ Der gefesselte Prometheus
eingeführt wird, macht nicht den Helden Prometheus, sondern den Tyrannen Zeus
zur tragischen Gestalt des Dramas. Zeus ist der Tyrann und betrügerische
Richter, dessen abscheuliche Mißachtung des unsterblichen Prometheus nicht nur
Zeus selbst, sondern allen Göttern des Olymp den Untergang brachte...
Da uns die beiden verloren gegangenen Teile der Trilogie fehlen, müssen wir
anderen Anhaltspunkten größere Bedeutung zumessen, wenn wir der Bedeutung der
anhaltenden tiefen Beziehung zwischen dem Prometheus-Bild und der politischen
Geschichte der europäischen Zivilisation nachgehen.“
Solcherart war Lyndons Weisheit. Auch für seine positiven Erklärungen zum
griechischen Schuldenproblem stehen wir in Lyndons Schuld. Sie machten meinen
Landsleuten Mut, wie ich ihm in unseren Gesprächen berichtete.
Die Lage in Griechenland
Die Maritime Seidenstraße, die China mit Europa verbindet, betrifft auch
Griechenland. Doch bevor ich die Details der griechischen Rolle erörtere, soll
die gegenwärtige Wirtschaftslage des Landes dargestellt werden. Nach zehn
Jahren durch die EU und die internationalen Gläubiger auferlegter Austerität
bleibt Griechenland weiterhin in einer wirtschaftlich katastrophalen Lage,
trotz aller positiven Rederei und Zahlen über Wachstumsraten etc., die von der
EU kommen. Das wesentliche ist, daß diese positiven Zahlen keine Realität
geworden sind, sie erreichen die Bevölkerung nicht, während Griechenland seine
Souveränität verloren hat und seine Wirtschaftspolitik in den nächsten hundert
Jahren in Brüssel entschieden wird. Die öffentliche Verschuldung in Prozenten
des Bruttoinlandsprodukts hat von 124% im Jahr 2010 auf 185% zugenommen und
steigt weiter. Die Renten sind nach ihrer Absenkung um 60% nicht wieder
angehoben worden, und das Gesundheitswesen bleibt am Boden, während die
Überbesteuerung bleibt. Die Sterberate steigt weiter. 2013 gab es 70.830
Sterbefälle, bis 2017 stieg dies auf 124.000. Die Selbstmordrate ist um 45%
gestiegen. Für das griechische Volk ist kein Ende der Krise in Sicht, die ihm
durch die falsche Politik der EU und des IWF aufgezwungen wird.
Griechenland befindet sich unter der wirtschaftlichen Besatzung
Deutschlands und der EU, gleichzeitig wurden vor kurzem mehrere Abkommen mit
den USA unterzeichnet, wobei am wichtigsten das auf den neusten Stand
gebrachte Mutual Defense Cooperation Agreement ist, das im letzten Monat in
Athen unterzeichnet wurde. Dadurch können die beiden Länder ihre bilateralen
militärischen Aktivitäten an den Stützpunkten Larissa, Stefanovikio und
Alexandroupoli ausweiten und eine gesteigerte Aktivität der Marinebasis Souda
Bay auf Kreta auf Dauer fortsetzen. Dieses Abkommen ist bei der griechischen
Bevölkerung nicht sehr populär, weil sie keinen Feind sieht. Für die USA wird
Griechenland dadurch zu einem weiteren US-Militärstützpunkt, der ihnen eine
bessere Kontrolle der Region des östlichen Mittelmeers und des Nahen Ostens
erlaubt.
Um seine Außenpolitik klarer von der deutschen und US-Politik abzuheben,
entschloß sich Griechenland, seine Beziehungen zu Rußland zu verbessern. Dem
diente der offizielle Besuch des griechischen Außenministers in Moskau am 6.
November. Im Sommer des vergangenen Jahres, als Diplomaten in Athen und Moskau
ausgewiesen wurden, hatten die Beziehungen zwischen beiden Ländern einen
Tiefstand erreicht. Griechenland hatte mit den Ausweisungen angefangen. Der
Grund dafür war, daß Moskau Gelder an griechische Organisationen gegeben
hatte, die gegen das bilaterale Abkommen zwischen Athen und Skopje
[Nordmazedonien] waren, eine Begründung, die viele als lächerlich
betrachteten. Der Besuch zeigte positive Resultate, die Beziehungen
verbesserten sich und ein Beratungsprotokoll für die Zeit 2020-22 wurde
unterzeichnet. Griechenland wird sich auch dafür einsetzen, die Beziehungen
zwischen Rußland und der EU zu verbessern.
Gürtel und Straße
Die Verbesserung der Beziehungen zu China ist schon seit 2005, noch vor der
Zeit des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, Teil der griechischen Außenpolitik.
Verhandlungen resultierten im November 2008 in einem Vertrag zwischen der
chinesischen COSCO und der Hafenbehörde von Piräus (PPA), der COSCO für 35
Jahre das Nutzungsrecht für zwei Kais gibt. 2016 verkaufte die griechische
Regierung 51% ihrer Anteile an der PPA an COSCO, damit wurde das chinesische
Unternehmen Eigner und Betreiber von allen drei Kais des Containerterminals,
ebenso des Fährhafens, des Hafens für Kreuzfahrtschiffe, des Auto-Terminals
und der Anlagen für Schiffsreparaturen. COSCO schaffte es, den jährlichen
Containerumschlag von 685.000 20-Fuß-Standardcontainer (TEU) im Jahr 2015 auf
5 Millionen im letzten Jahr zu erhöhen. Die Aktivitäten von COSCO in Piräus
bilden bis heute die wichtigsten Aktivitäten von Chinas Gürtel- und
Straßen-Initiative in Europa.
Im März 2017 wurde Griechenland die zukünftige Mitgliedschaft in der
Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) in Aussicht gestellt, im
August dieses Jahres wurde es außerregionales Vollmitglied. Die Bank befaßt
sich mit dem Infrastrukturbedarf in Asien. Im April dieses Jahres wurde
Griechenland Mitglied der Kooperationsinitiative zwischen China und den
mittel- und osteuropäischen Ländern. Das ist eine Initiative, die 2012 in
Budapest gegründet wurde und die auf die Zusammenarbeit zwischen den 17+1
Ländern sowie die Förderung von „Gürtel und Straße“ abzielt. 18 Mitglieder der
EU nehmen teil.
Die Europäische Kommission und andere Länder des harten Kerns der EU sind
dieser Initiative gegenüber nicht wohlgesinnt, genauso wenig wie gegenüber dem
chinesischen Einfluß in Griechenland. Das zeigt sich auch an der
unkoordinierten Politik der EU. Man sollte sich daran erinnern, daß bei den
Verhandlungen zwischen Griechenland und der Troika zur Lösung der griechischen
Schuldenkrise in der ersten Jahreshälfte 2015 Berlin in Peking intervenierte
und es davon abbrachte, griechische Staatsanleihen in Höhe von 1,4 Mrd. € zu
kaufen, was wahrscheinlich viele Aspekte gelöst hätten. 2017 blockierte
Griechenland mit seinem Veto eine Verurteilung Chinas wegen
Menschenrechtsfragen.
Auch die USA wollen keine engeren Beziehungen Griechenlands zu China.
Außenminister Pompeo sagte während seines Besuchs in Athen im Oktober: „Ich
meldete unsere Besorgnis bezüglich chinesischer Investitionen in Technik und
Infrastruktur an“, und er kritisierte China, es nutze angeblich
wirtschaftliche Druckmittel, um Länder in unfaire Vereinbarungen zu zwingen,
die für Peking von Nutzen sind und dessen Kunden im Schuldensumpf
zurücklassen.
Unbeeindruckt vom Druck der USA fuhr Griechenland mit der Sicherung seiner
nationalen Interessen fort und erweiterte seine Angebote für Investitionen.
Der griechische Ministerpräsident nahm an der chinesischen Internationalen
Importausstellung in Shanghai zu Beginn des Monats teil, worauf unmittelbar
der Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten in Griechenland folgte. Der
Besuch war hoch erfolgreich. 16 Abkommen wurden unterzeichnet, dazu eine
gemeinsame Erklärung, wo es in Absatz 9 heißt: „Beide Seiten werden die
Absichtserklärung für die Zusammenarbeit im Rahmen des Wirtschaftsgürtels der
Seidenstraße und der Maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts umsetzen.
Dazu dienen Projekte wie der Hafen von Piräus und die Verwirklichung der Pläne
für die Zusammenarbeit 2020-2022 in Schlüsselbereichen... Beide Seiten werden
die Zusammenarbeit im Zollwesen zur Vereinfachung und Sicherheit des Handels
stärken, sowohl bilateral als auch im Rahmen der Land-See-Expresslinie
China-Europa.“ Der chinesische Präsident unterstrich in Stellungnahmen, daß
China und Griechenland einander bei der Entwicklung von „Gürtel und Straße“
als natürliche Verbündete sehen.
China nimmt auch an der griechischen Initiative „Forum antiker Kulturen“
teil, das im April 2017 in Athen feierlich eröffnet wurde und das die Kenntnis
und die antiken Kulturen der Zivilisationen entlang „Gürtel und Straße“
voranbringt.
Abschließend ist zu sagen, daß die Verwirklichung und die Weiterverfolgung
der von beiden Seiten unterzeichneten Abkommen entscheidend dafür sein wird,
wieviel Investitionen Griechenland und seine Menschen erreichen werden, und ob
Piräus vom fünftgrößten Containerhafen Europas zum größten aufsteigen kann.
Auf jeden Fall ist Griechenlands wichtige Rolle bei der Entwicklung von
„Gürtel und Straße“ garantiert.
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