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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Beziehungen zwischen Griechenland und China und „Gürtel und Straße“ entwickeln

Von Leonidas Chrysanthopoulos,
Botschafter ad honorem

Rede auf der Konferenz des Schiller-Instituts am 16.-17. November 2019. Die Rede wurde aus dem Englischen übersetzt, Zwischenüberschriften wurden hinzugefügt.

Dies ist unsere erste Jahreskonferenz ohne Lyndon LaRouche. Wir vermissen ihn, doch sein Geist ist bei uns.

Von all seinen zahlreichen, inspirierenden Schriften beeindruckten mich am meisten seine Kenntnisse des klassischen griechischen Denkens in Philosophie und Tragödie und seine Anstrengungen, diese als Grundlage für die Lösung der heutigen Probleme der Menschheit zu nutzen. Gestatten Sie mir, seine „drei Sichtweisen des Prometheus“ zu zitieren, die aus dem 1999 veröffentlichten Artikel „Prometheus und Europa“ stammen:

    „Die verschiedenen, halbwegs gut informierten, aber sich widersprechenden Einschätzungen des klassisch griechischen Bildes der Prometheus-Gestalt lassen sich unter drei moralischen Klassifizierungen einordnen. Das wiederum führt uns zu einem noch grundlegenderen Gedanken, der große Bedeutung für das Verständnis der heutigen Krise der weltweit verbreiteten europäischen Zivilisation hat...

    Die erste der drei entgegengesetzten Sichtweisen des Prometheus ist eine moralisch abstoßende... Sinngemäß zusammengefaßt wird Prometheus hier entweder des Verbrechens der Hybris gegen alle heidnischen Götter schuldig gesprochen oder als tragische Gestalt gesehen, die Opfer ihres eigenen Irrtums wird, taktisch unbesonnen die ,Clubregeln' des oligarchischen Spiels zu brechen.

    Die zweite Auffassung von Prometheus ... ist die einer vielleicht tragischen Gestalt, die zornig die Faust ballt und damit einen vermeintlich noblen Geist der Revolte der Bedrückten gegen die bösartigen Götter zum Ausdruck bringt...

    Die dritte Sichtweise, die in Aischylos’ Der gefesselte Prometheus eingeführt wird, macht nicht den Helden Prometheus, sondern den Tyrannen Zeus zur tragischen Gestalt des Dramas. Zeus ist der Tyrann und betrügerische Richter, dessen abscheuliche Mißachtung des unsterblichen Prometheus nicht nur Zeus selbst, sondern allen Göttern des Olymp den Untergang brachte...

    Da uns die beiden verloren gegangenen Teile der Trilogie fehlen, müssen wir anderen Anhaltspunkten größere Bedeutung zumessen, wenn wir der Bedeutung der anhaltenden tiefen Beziehung zwischen dem Prometheus-Bild und der politischen Geschichte der europäischen Zivilisation nachgehen.“

Solcherart war Lyndons Weisheit. Auch für seine positiven Erklärungen zum griechischen Schuldenproblem stehen wir in Lyndons Schuld. Sie machten meinen Landsleuten Mut, wie ich ihm in unseren Gesprächen berichtete.

Die Lage in Griechenland

Die Maritime Seidenstraße, die China mit Europa verbindet, betrifft auch Griechenland. Doch bevor ich die Details der griechischen Rolle erörtere, soll die gegenwärtige Wirtschaftslage des Landes dargestellt werden. Nach zehn Jahren durch die EU und die internationalen Gläubiger auferlegter Austerität bleibt Griechenland weiterhin in einer wirtschaftlich katastrophalen Lage, trotz aller positiven Rederei und Zahlen über Wachstumsraten etc., die von der EU kommen. Das wesentliche ist, daß diese positiven Zahlen keine Realität geworden sind, sie erreichen die Bevölkerung nicht, während Griechenland seine Souveränität verloren hat und seine Wirtschaftspolitik in den nächsten hundert Jahren in Brüssel entschieden wird. Die öffentliche Verschuldung in Prozenten des Bruttoinlandsprodukts hat von 124% im Jahr 2010 auf 185% zugenommen und steigt weiter. Die Renten sind nach ihrer Absenkung um 60% nicht wieder angehoben worden, und das Gesundheitswesen bleibt am Boden, während die Überbesteuerung bleibt. Die Sterberate steigt weiter. 2013 gab es 70.830 Sterbefälle, bis 2017 stieg dies auf 124.000. Die Selbstmordrate ist um 45% gestiegen. Für das griechische Volk ist kein Ende der Krise in Sicht, die ihm durch die falsche Politik der EU und des IWF aufgezwungen wird.

Griechenland befindet sich unter der wirtschaftlichen Besatzung Deutschlands und der EU, gleichzeitig wurden vor kurzem mehrere Abkommen mit den USA unterzeichnet, wobei am wichtigsten das auf den neusten Stand gebrachte Mutual Defense Cooperation Agreement ist, das im letzten Monat in Athen unterzeichnet wurde. Dadurch können die beiden Länder ihre bilateralen militärischen Aktivitäten an den Stützpunkten Larissa, Stefanovikio und Alexandroupoli ausweiten und eine gesteigerte Aktivität der Marinebasis Souda Bay auf Kreta auf Dauer fortsetzen. Dieses Abkommen ist bei der griechischen Bevölkerung nicht sehr populär, weil sie keinen Feind sieht. Für die USA wird Griechenland dadurch zu einem weiteren US-Militärstützpunkt, der ihnen eine bessere Kontrolle der Region des östlichen Mittelmeers und des Nahen Ostens erlaubt.

Um seine Außenpolitik klarer von der deutschen und US-Politik abzuheben, entschloß sich Griechenland, seine Beziehungen zu Rußland zu verbessern. Dem diente der offizielle Besuch des griechischen Außenministers in Moskau am 6. November. Im Sommer des vergangenen Jahres, als Diplomaten in Athen und Moskau ausgewiesen wurden, hatten die Beziehungen zwischen beiden Ländern einen Tiefstand erreicht. Griechenland hatte mit den Ausweisungen angefangen. Der Grund dafür war, daß Moskau Gelder an griechische Organisationen gegeben hatte, die gegen das bilaterale Abkommen zwischen Athen und Skopje [Nordmazedonien] waren, eine Begründung, die viele als lächerlich betrachteten. Der Besuch zeigte positive Resultate, die Beziehungen verbesserten sich und ein Beratungsprotokoll für die Zeit 2020-22 wurde unterzeichnet. Griechenland wird sich auch dafür einsetzen, die Beziehungen zwischen Rußland und der EU zu verbessern.

Gürtel und Straße

Die Verbesserung der Beziehungen zu China ist schon seit 2005, noch vor der Zeit des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, Teil der griechischen Außenpolitik. Verhandlungen resultierten im November 2008 in einem Vertrag zwischen der chinesischen COSCO und der Hafenbehörde von Piräus (PPA), der COSCO für 35 Jahre das Nutzungsrecht für zwei Kais gibt. 2016 verkaufte die griechische Regierung 51% ihrer Anteile an der PPA an COSCO, damit wurde das chinesische Unternehmen Eigner und Betreiber von allen drei Kais des Containerterminals, ebenso des Fährhafens, des Hafens für Kreuzfahrtschiffe, des Auto-Terminals und der Anlagen für Schiffsreparaturen. COSCO schaffte es, den jährlichen Containerumschlag von 685.000 20-Fuß-Standardcontainer (TEU) im Jahr 2015 auf 5 Millionen im letzten Jahr zu erhöhen. Die Aktivitäten von COSCO in Piräus bilden bis heute die wichtigsten Aktivitäten von Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative in Europa.

Im März 2017 wurde Griechenland die zukünftige Mitgliedschaft in der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) in Aussicht gestellt, im August dieses Jahres wurde es außerregionales Vollmitglied. Die Bank befaßt sich mit dem Infrastrukturbedarf in Asien. Im April dieses Jahres wurde Griechenland Mitglied der Kooperationsinitiative zwischen China und den mittel- und osteuropäischen Ländern. Das ist eine Initiative, die 2012 in Budapest gegründet wurde und die auf die Zusammenarbeit zwischen den 17+1 Ländern sowie die Förderung von „Gürtel und Straße“ abzielt. 18 Mitglieder der EU nehmen teil.

Die Europäische Kommission und andere Länder des harten Kerns der EU sind dieser Initiative gegenüber nicht wohlgesinnt, genauso wenig wie gegenüber dem chinesischen Einfluß in Griechenland. Das zeigt sich auch an der unkoordinierten Politik der EU. Man sollte sich daran erinnern, daß bei den Verhandlungen zwischen Griechenland und der Troika zur Lösung der griechischen Schuldenkrise in der ersten Jahreshälfte 2015 Berlin in Peking intervenierte und es davon abbrachte, griechische Staatsanleihen in Höhe von 1,4 Mrd. € zu kaufen, was wahrscheinlich viele Aspekte gelöst hätten. 2017 blockierte Griechenland mit seinem Veto eine Verurteilung Chinas wegen Menschenrechtsfragen.

Auch die USA wollen keine engeren Beziehungen Griechenlands zu China. Außenminister Pompeo sagte während seines Besuchs in Athen im Oktober: „Ich meldete unsere Besorgnis bezüglich chinesischer Investitionen in Technik und Infrastruktur an“, und er kritisierte China, es nutze angeblich wirtschaftliche Druckmittel, um Länder in unfaire Vereinbarungen zu zwingen, die für Peking von Nutzen sind und dessen Kunden im Schuldensumpf zurücklassen.

Unbeeindruckt vom Druck der USA fuhr Griechenland mit der Sicherung seiner nationalen Interessen fort und erweiterte seine Angebote für Investitionen. Der griechische Ministerpräsident nahm an der chinesischen Internationalen Importausstellung in Shanghai zu Beginn des Monats teil, worauf unmittelbar der Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten in Griechenland folgte. Der Besuch war hoch erfolgreich. 16 Abkommen wurden unterzeichnet, dazu eine gemeinsame Erklärung, wo es in Absatz 9 heißt: „Beide Seiten werden die Absichtserklärung für die Zusammenarbeit im Rahmen des Wirtschaftsgürtels der Seidenstraße und der Maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts umsetzen. Dazu dienen Projekte wie der Hafen von Piräus und die Verwirklichung der Pläne für die Zusammenarbeit 2020-2022 in Schlüsselbereichen... Beide Seiten werden die Zusammenarbeit im Zollwesen zur Vereinfachung und Sicherheit des Handels stärken, sowohl bilateral als auch im Rahmen der Land-See-Expresslinie China-Europa.“ Der chinesische Präsident unterstrich in Stellungnahmen, daß China und Griechenland einander bei der Entwicklung von „Gürtel und Straße“ als natürliche Verbündete sehen.

China nimmt auch an der griechischen Initiative „Forum antiker Kulturen“ teil, das im April 2017 in Athen feierlich eröffnet wurde und das die Kenntnis und die antiken Kulturen der Zivilisationen entlang „Gürtel und Straße“ voranbringt.

Abschließend ist zu sagen, daß die Verwirklichung und die Weiterverfolgung der von beiden Seiten unterzeichneten Abkommen entscheidend dafür sein wird, wieviel Investitionen Griechenland und seine Menschen erreichen werden, und ob Piräus vom fünftgrößten Containerhafen Europas zum größten aufsteigen kann. Auf jeden Fall ist Griechenlands wichtige Rolle bei der Entwicklung von „Gürtel und Straße“ garantiert.