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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Das Monddorf, der nächste Schritt zu einer neuen Ära für die Menschheit

Von Sébastien Drochon

Sébastien Drochon vom Wissenschaftsteam des französischen Schiller-Instituts hielt 16. November bei der Bad Sodener Konferenz des Schiller-Instituts am den folgenden Vortrag.

Es ist wirklich lustig, wenn wir erkennen, daß das schöne alte chinesische Konzept Tianxia, das wörtlich „Alles, was unter dem Himmel liegt“ bedeutet und eine notwendige harmonische Einheit zwischen all den verschiedenen und manchmal gegensätzlichen Dingen voraussagt, die „unter dem Himmel“ auf der Erde passieren, nur dann möglich sein wird, wenn sich der Mensch über den Himmel hinausbewegt, durch ein ehrgeiziges internationales Raumfahrtprogramm, das alle Länder zu einem gemeinsamen Ziel vereint.

Vielleicht liegt es daran, daß der Himmel inzwischen viel größer geworden ist. Wir wissen jetzt, daß unser Universum mehr als zwei Billionen Galaxien enthält, von denen jede mindestens mehrere hundert Milliarden Sterne hat. Bis heute haben wir mehr als 4000 Exoplaneten in unserer eigenen Galaxie entdeckt, und wir sind ziemlich sicher, daß es ebenso viele Exoplaneten wie Sterne geben könnte. Unser Universum eröffnet uns also neue Welten und neue faszinierende zukünftige Entdeckungen, vorausgesetzt, wir mobilisieren unsere Ressourcen, um dies zu erreichen.

Das chinesische Mondprogramm geht mit großem Erfolg weiter und hat die USA aufgeweckt, die vor kurzem beschlossen haben, mit dem Artemis-Programm zum Mond zurückzukehren. Auch andere Nationen wie Japan, Indien, Rußland und die Länder der Europäischen Weltraumorganisation wollen mit zukünftigen Missionen auf den Mond.

In Europa erklärte der Leiter der Europäischen Weltraumorganisation, Jan Wörner, im Oktober 2015, daß er in internationaler Zusammenarbeit eine dauerhafte menschliche oder robotische Basis auf dem Mond errichten will. Daraus entstand das Konzept des Monddorfes. Wenn man sich das Monddorf als langfristiges Ziel und einheitliches Konzept vorstellt, das darauf abzielt, alle Nationen mit Unterstützung der Privatwirtschaft und der Versuchslabore zusammenzubringen, die alle bestrebt sind, die vorhandenen Ressourcen weltweit zu harmonisieren und längerfristig die Industrialisierung und wissenschaftliche Forschung auf dem Mond zu erreichen – und wenn bei diesen Projekten jede Art von Sparprogramm unterbleibt –, dann können wir sicher sein, daß es uns gelingen wird, eine neue Renaissance zu schaffen, die auf der gemeinsamen Nutzung des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts für alle basiert, auf der Erde und darüber hinaus.

Was brauchen wir, um das zu erreichen?

Dieses neue Paradigma einer dauerhaften menschlichen Ansiedlung auf dem Mond – und viel später auf dem Mars – wird möglich sein, wenn es uns gelingt, die Fusionsenergie zu beherrschen. Warum ist das so wichtig für eine dauerhafte Ansiedlung der menschlichen Gattung auf dem Mond und darüber hinaus?

© PPPL

Abb. 1: Künstlerische Darstellung einer Rakete mit Kernfusionsantrieb.

Abb. 2: Ein Kernfusions- antrieb kann im Vergleich zu klassischen chemischen Raketentriebwerken pro Masseeinheit des Treibstoffs ein Vielfaches an Schub liefern.


Abb. 3 a: Der vom Princeton Plasma Physics Laboratory entwickelte Direkte Fusions-Antrieb (Direct Fusion Drive) nutzt anstelle eines Torus die sog. „umgekehrte Feldkonfiguration“ (Princeton Field-Reversed Configuration): einen Zylinder mit Hochtemperaturmagneten [oben].

Abb. 3 b: Wenn Helium-3 und Deuterium als Gase in die Kammer eingebracht werden, werden sie dort erhitzt, bis sie ionisiert werden und ein Plasma bilden [unten].


Abb. 4: Fehlbetrag bei den Mitteln für die Kernfusionsforschung: tatsächlich eingesetzte Mittel im Vergleich zu dem Betrag, der 1976 hätte eingesetzt werden müssen, um die Kernfusion bis 1998 zu entwickeln.

Weil dies die Technologie ist, die uns bei allen Prozessen der Weltraumforschung die größte Steigerung der Energieflußdichte ermöglicht, sowohl beim Raketenantrieb als auch bei der Energieerzeugung. Die Kernfusion wird es uns ermöglichen, saubere Energie im Überfluß zu erzeugen und diese Energie mit viel weniger Brennstoff zu nutzen. 

Das war bei allen Raumfahrtmissionen schon immer entscheidend.

Im Weltraum erfordert jedes bewegte Kilogramm Material und jede Minute, die wir aufwenden, um menschliches Leben im Weltraum zu erhalten, viel mehr Energie, als wir auf der Erde für den gleichen Zweck benötigen würden.

Nehmen wir zum Beispiel den Mars. Es dauert etwa sechs bis neun Monate, um mit der klassischen Antriebstechnik dorthin zu gelangen. Ein Hin- und Rückflug bedeutete mindestens eine zweijährige Reise durch den Weltraum, die für Menschen lebensgefährlich sein kann.

Wenn die Fusionstechnik in unsere Antriebssysteme im Weltraum Einzug hielte (Abbildung 1), verfügten wir theoretisch über neue Raketen mit dem Äquivalent von Millionen klassischen chemischen Raketenantrieben (Abbildung 2). Das gibt uns eine Vorstellung davon, was Dichte bedeutet. Diese enorme Energiemenge müßte nicht auf einen Schlag, sondern könnte allmählich genutzt werden, um eine konstante Beschleunigung und sonst nicht mögliche Geschwindigkeiten zu erreichen. Mit einer solchen Rakete könnten wir mit konstanter Beschleunigung und Abbremsung von 1G in wenigen Tagen zum Mars fliegen.

In den USA arbeitet die Satelliten-Abteilung des Princeton Plasma Physics Laboratory seit mehreren Jahren an einem Antrieb, der Direct Fusion Drive heißt. Dieser Reaktor liefert einen enormen Schub durch Ausstoß von Partikeln, die aus Fusionsreaktionen stammen. Die NASA zeigt zwar ein gewisses Interesse an diesen Forschungen, aber aufgrund mangelnder Finanzmittel verlangsamen sich die potentiellen Fortschritte in diesem vielversprechenden Sektor.

Einige werden mir entgegenhalten, das sei unmöglich – alles, wovon ich rede, sei bloße Utopie. „Das wird nie passieren! Das Geld ist aus dem Fenster geworfen!“

Aber erstens wäre es völlig sinnlos, wenn die Fusionstechnik, sobald wir sie einmal beherrschen, nur für Weltraumaktivitäten eingesetzt würde. Der Grund, warum wir in den Weltraum fliegen und die Herausforderung annehmen, dort zu leben, ist, der Menschheit auf der Erde die Mittel zu verschaffen, Armut und Krankheiten endgültig zu überwinden, Kriege zu beenden und alle Umweltprobleme zu lösen. Das Ziel ist es, jedem Menschen genügend Energie zur Verfügung zu stellen, um würdig zu leben und seine Kreativität für das Gemeinwohl einzusetzen. Der Zweck, in den Weltraum zu fliegen, ist nicht, den Problemen auf der Erde zu entkommen, sondern sie zu bewältigen. Wir gehen dorthin, „nicht weil es einfach ist, sondern weil es schwer ist“ (John F. Kennedy), und die Schwierigkeiten, dorthin zu gelangen, treiben uns an, sie zu überwinden.

Zweitens sind sich diejenigen, die ständig sagen, die Kernfusion werde immer unerreichbar bleiben, nicht darüber bewußt, daß in den USA in mehreren Studien aus den 1970er Jahren festgestellt wurde, daß die kontrollierte thermonukleare Fusion durchaus in 15-30 Jahren erreichbar wäre – aber nur wenn genügend in die Erforschung investiert wird. Seit dem Erscheinen dieser Studien lagen die Investitionen in diesem Bereich jedoch immer weit unter dem Niveau, das erforderlich wäre, um die Kernfusion vollständig zu beherrschen.

In dieser Grafik (Abbildung 4) sehen Sie rot markiert die Deckungslücke der Investitionen in das amerikanische Fusionsforschungsprogramm – es wurde nie das Finanzierungsniveau erreicht, um die Kernfusion bis Ende der 90er Jahre zu erreichen.

Eines stimmt: beim derzeitigen Finanzierungsniveau werden wir es tatsächlich nie schaffen. Deshalb brauchen wir ein Crash-Programm, das weit über unsere laufenden Programme hinausgeht. Nur so können wir diese Technik so schnell wie möglich unter Kontrolle bringen.

Dennoch können wir optimistisch sein. Und als französischer Staatsbürger freue ich mich, Ihnen mitteilen zu können, daß die Atomenergiebehörde mit der Megajoule-Laseranlage (LMJ) in Bordeaux gerade einen neuen Durchbruch in diesem Bereich erzielt hat. Hierbei wurde Kernfusion nicht durch magnetischen Einschluß in den großen Donuts, die wir Tokamak nennen, erzeugt, sondern durch Trägheitseinschluß, bei dem eine Mischung aus Fusionsbrennstoffen, die in einer Mikrokapsel eingeschlossen sind, mit leistungsstarken Lasern erhitzt und komprimiert wird, um Kernfusionsreaktionen auszulösen.

Laut einem internen Dokument des Atombehörde fand am 11. Oktober ein sehr erfolgreicher Versuch statt, als die aufeinander abgestimmten Lichtstrahlen von 48 Riesenlasern ein Mikropellet aus Fusionsbrennstoff zur Implosion brachten und eine Fusionsreaktion auslösten, bei der 100 Milliarden Neutronen freigesetzt wurden. Das Targeting und andere Vorgänge liefen wie geplant und vorberechnet ab.

Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, was es bedeutet, daß eine solche Fusionsreaktion auf der Erde erzeugt wurde.

Seit Milliarden von Jahren produziert die Sonne kontinuierlich Fusionsreaktionen. So verbrennt sie ihren eigenen internen Treibstoff. Aber jetzt produziert das Universum irgendwo im Sonnensystem, nämlich auf der Erde, eine kontrollierte Kernfusion durch ein willentlich kreatives Wesen namens Mensch. Das muß man sich vergegenwärtigen. Es geht hier nicht nur um Energie. Was hier geschieht, ist, dem Universum eine neue Kraftquelle zu verleihen. Man könnte auch sagen, das Universum gibt sich durch uns eine neue Kraftquelle und verleiht sich so selbst ein neues Potential zur Veränderung.

Das gibt uns einen Eindruck davon, wie wir das Universum und seine Beziehung zum Menschen eigentlich betrachten sollten. Unser Universum selbst ist kreativ, weil es die menschliche Kreativität in seine Veränderungsprozesse eingebettet hat. Das ist eine schöne Vorstellung, die uns einen Eindruck davon vermitteln sollte, warum die Erforschung des Weltraums nicht nur eine menschliche Laune ist, sondern bestimmt auch ein Weg, um die Rate der Kreativleistung zu erhöhen, die das Universum potentiell durch menschliche Kreativität hervorbringen soll. Genau so sollten wir die Weltraumforschung in Zukunft betrachten. Denn jedes Mal, wenn wir uns entscheiden, immer weiter und weiter in den Weltraum vorzudringen oder zu schauen, gelangt die Menschheit zu neuen Erkenntnissen und verändert damit das Universum als Ganzes.

Der extraterrestrische Imperativ

Damit kommen wir zu einem weiteren Aspekt, der sicherlich der wichtigste ist. Was bedeutet Weltraumforschung für uns wirklich?

Wir alle sind souveräne Individuen, wir sind alle einzigartig in dem Sinne, daß wir alle unsere eigene Persönlichkeit und Kreativität haben. Aber unser Verhalten, unser Empfinden, unsere Gedanken sind nicht völlig von der Gesellschaft getrennt, in der wir leben. Wenn die Gesellschaft ihren Zweck, ihr edles Ziel verloren hat und sich schlechte Gewohnheiten entwickeln – wie z.B. Zeit zu verschwenden, stumpfsinnige Videos im Internet zu schauen –, oder wenn die Gesellschaft pessimistisch über die Zukunft der Menschheit und der menschlichen Natur denkt, dann leidet bei allem, was wir tun, unser Geist und unsere Kreativität.

Aber wenn wir dafür kämpfen, die Gesellschaft und die Menschheit wieder auf die Beine zu bringen, wenn die Menschheit an einer Mission festhält, die es den zukünftigen Generationen ermöglicht, immer neue Prinzipien zu entdecken und besser zu leben, dann wird jeder einzelne eine wahre Motivation finden, den zukünftigen Generationen etwas Schönes zu hinterlassen und dafür seine Kreativität einzusetzen.

Kreativität ist kein Zaubertrick, der den Menschen willkürlich in den Sinn kommt. Sie ist keine irrationale Aufwallung, so wie sich das die meisten Romantiker vorstellen, sondern sie entspringt einer bestimmten Art leidenschaftlicher Gefühle – die mitreißende Überzeugung, daß man an der Geschichte teilhat und etwas zur Verbesserung der gesamten Menschheit und der zukünftigen Generationen beiträgt. Man spürt einen Sinn im Leben, der über das eigene Leben hinausgeht.

Das ist der Grund, warum die Weltraumforschung so wichtig ist. Deshalb ist eine missionsorientierte Gesellschaft, die ihre eigene Zukunft im Weltraum sieht, der Schlüssel zu einem neuen Paradigma der friedlichen Entwicklung.

In diesem Sinne will ich mit einem Zitat von Lyndon LaRouche schließen. Er sagt:

    „Das Wesen der Wissenschaft ist eine solche Leidenschaft, eine solche Aufgabenorientierung... Hierin liegt nicht nur die Leidenschaft, die für schöpferisch-wissenschaftliche Fruchtbarkeit unerläßlich ist; hierin liegt auch die Fähigkeit des Laien, als Fabrikarbeiter oder anderer, den wissenschaftlichen Fortschritt effizient und kreativ zu assimilieren. Eine solche leidenschaftliche ,Aufgabenorientierung’ ist die Quelle großer Häufungen wissenschaftlicher Kreativität und der vermehrten Fähigkeit der Bevölkerung, ,tiefe und leidenschaftliche Vorstellungen über Mensch und Natur zu vermitteln und zu empfangen’.

    Der ,extraterrestrische Imperativ’ regt die professionelle Sicht des wissenschaftlichen Fortschritts an, wie dies vielleicht keine andere absehbare Aufgabenstellung tun könnte. Wenn wir die höchste Produktivität in Forschungslaboren und Werkstätten wünschen, ergeben sich solche Nutzeffekte als Nebenprodukt einer entschlossenen Leidenschaft, alle Aufgaben einer Mond-/Marsmission zu bewältigen.“

Wir brauchen also ein Ziel. Und dieses Ziel sollte eine Mond-Mars-Mission sein, wovon das Monddorf-Projekt ein Teil ist.

Der Weg dorthin führt über die Vorstellung von Tianxia.

Das ist der Zweck, für den wir kämpfen müssen.

Ich danke Ihnen.