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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

LaRouche, ein „florentinischer“ Geist

Von Claudio Giudici,
Nationaler Präsident des Taxifahrerverbands URITAXI, Florenz

Ich hätte diese Rede gerne Lyndon LaRouche zu Ehren auf Englisch gehalten, aber angesichts der Menschen, die ich in Italien vertrete, und der ohnehin ungewöhnlichen Gedanken glaube ich, daß ich mehr bewirken kann, wenn ich in meiner Muttersprache rede.

Ich bin auf Lyndon LaRouche während der Finanzkrise 2000 aufmerksam geworden, kurz vor seiner berühmten Prognose vom Januar 2001, als er die Hypothese aufstellte, daß wir in den Vereinigten Staaten unter der Führung der Neokonservativen mit einem „neuen Reichstagsbrand“ rechnen müßten. Als dann am folgenden 11. September das World Trade Center zerstört wurde, waren diejenigen, die wie ich diese Warnung kannten, darauf vorbereitet, den Prozeß zu verstehen, der damit begann.

Von diesem Tag an begann nämlich ein Prozeß der radikalen Kolonisierung des Nahen Ostens – und hier im Westen ein Prozeß radikaler Gehirnwäsche im Namen eines ständigen Terrorismusalarms. Es begann die Zeit der Präventivkriege, der „humanitären“ Kriege, mit dem paradoxen Widerspruch, daß die Staaten, die anderen angeblich den Humanismus bringen wollten, selbst immer inhumaner wurden. Tatsächlich haben diese Leute in der Zwischenzeit den Sozialstaat und die Arbeitnehmerrechte abgebaut und bewegten sich mit marktwirtschaftlichen Rezepten schnell in Richtung der „kontrollierten Auflösung der Wirtschaft“, die der Council on Foreign Relations seit langem anstrebt.

2003 hatte ich in Mailand endlich die Gelegenheit, LaRouche persönlich kennenzulernen. Am selben Wochenende war ich zu einem Mittagessen mit Romano Prodi eingeladen, aber ich zog es vor, persönlich an einem Treffen mit diesem revolutionären Menschen teilzunehmen.

Wo wir von Revolution sprechen: LaRouche war, wie alle echten Revolutionäre, radikal in seinen Ideen, aber moderat in den Methoden, obwohl kreativ dank der klassischen Kultur. Und was die Kreativität betrifft, haben wir kürzlich ein Beispiel für LaRouches Methode gesehen, als eine junge Aktivistin vor Alexandra Ocasio-Cortez mit Schauspielerei und Paradoxie ein Paradestück auf die Beine stellte, auf das ein Rabelais stolz gewesen wäre, um den Wahnsinn der menschenfeindlichen Positionen zu entlarven, wie der malthusianischen Dekarbonisierung, die den Menschen als Feind der Erde sieht, anstatt als ihren höchsten Ausdruck in Traditionen, Philosophien und jahrtausendealten Lehren, die immer noch den Weg einer Welt weisen, die sich in ihrer Gesamtheit auf dem Weg zum Fortschritt befindet: der Mensch als die höchste Stufe des evolutionären und antientropischen Prozesses der Schöpfung.1

Damit sind wir bereits bei den Prinzipien von LaRouches Philosophie angelangt, wenn man bedenkt, daß er in unserer Zeit der größte Vertreter der jüdisch-christlichen Tradition ist, der platonischen Tradition, über den Humanismus, Kepler, Leibniz und das Amerikanische System der Volkswirtschaft bis zu Franklin Roosevelt.

Als Politiker und Ökonom könnte man meinen, über LaRouche zu reden, hieße über diese beiden Zweige der Geisteswissenschaften zu reden, aber damit würde man dem Irrtum unserer Zeit aufsitzen, den Menschen in utilitaristischen Begriffen zu betrachten, als Spezialisten in irgendeinem Bereich... als würde das in irgendeinem Bereich ausreichen! Und wenn mir ein Witz erlaubt ist, vielleicht funktionieren die technokratischen Regierungen gerade deshalb nicht und haben ihre Sache so schlecht gemacht.

LaRouche dagegen war ein universeller Denker; und wer wie ich aus Florenz kommt, der kann sich leicht vorstellen, wie man Männern wie Leon Battista Alberti, Leonardo Da Vinci oder Lorenzo dem Prächtigen - brillanten Vertretern der von LaRouche oft zitierten Florentinischen Renaissance – erklären würde, was für ein Mensch er war. Und wenn er so war, dann war es diese Eminenz, die seine philosophische, politische und wirtschaftliche Vision als ewige Mission für die Menschheit verlangte, in die Fähigkeit eines jeden Menschen zur kognitiv-kreativen Vernunft zu investieren - für die „integrale Entwicklung eines jeden Menschen, des ganzen Menschen“ (um eine treffende Formulierung von Benedikt XVI. zu verwenden).

Darauf möchte ich etwas näher eingehen: die ganzheitliche Entwicklung des Menschen im Gegensatz zur „nachhaltigen Entwicklung“. Im ersten Fall ist der Mensch, wie Platon lehrt, ein Helfer Gottes bei der Entwicklung der Schöpfung, im zweiten Fall ist der Mensch fast nur ein Unfall der Natur; nicht ihr fortschrittlichstes Geschöpf, das die Biosphäre auf die edelste Ebene der Noosphäre erhebt! Sondern etwas, das eingedämmt werden muß, in Schach gehalten wie ein ungehöriger Hund.

Und letzteres ist in der Tat die grundlegende Vision, die die neue Lehre durchdringt, die ausgehend von der Manipulation eines unschuldigen Mädchens wie Greta Thunberg ihre scheinbar edle Formel in der Vorstellung des „neuen Humanismus“ findet, was in Italien Ministerpräsident Conte und Papst Franziskus aufgegriffen haben. Den Ausdruck hat Edgar Morin geprägt, es ist im Grunde aber nichts anderes als die alte Sarpische Version: Gebt den Menschen etwas Entwicklung, ein bißchen Wissenschaft und Technik, aber bloß nicht zu viel!

Und hier kann LaRouche, dessen Rehabilitierung von seiner politischen Bewegung und dem Schiller-Institut gefordert wird, möglicherweise die von den Eliten vorbereiteten Spiele durchbrechen.

Es gibt einen kulturellen und wissenschaftlichen Pessimismus, der im gegenwärtigen Kulturmodell vorherrscht, und wenn wir uns den kurzen Zyklus der Geschichte (z.B. die letzten 50 Jahre) vor allem im Westen ansehen, so gibt es nichts, worüber man glücklich sein müßte. Aber wenn wir den langen Zyklus betrachten, dann müssen wir optimistisch sein und berücksichtigen, wie stark die Menschheit in Bezug auf Zivilisation, Moral, auf ihr wirtschaftliches, demokratisches und soziales Potential gewachsen ist. Und wenn wir aus diesem kurzen Geschichtszyklus herauskommen wollen, dann müssen wir an den großen Perioden anknüpfen, die uns aus einem dunklen Zeitalter herausgeführt haben. Dann müssen wir uns die Florentinische Renaissance ansehen, die mit ihrer Wiederentdeckung des Platonismus den Grundstein legte, und in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg den moralischen Impuls für das Christentum.

Beide Perioden waren Zeiten des Wiederaufbaus. Und wie wurde wiederaufgebaut? Ausgehend von der Priorität, die LaRouche als eine Säule seiner politischen und wirtschaftlichen Vision aufstellte: das Imago Viva Dei, d.h. ein Anthropozentrismus, der mit den universellen physikalischen Prinzipien verbunden ist, die Ausdruck eines bereits existierenden Prinzips der Wahrheit, eines Gottes sind. Und so ist der Mensch nicht der Feind dieser Zeit, der ewige Verschmutzer, wie ihn der heute vorherrschende kulturelle Komplex beschreibt, sondern die Lösung, wenn er unter Beachtung dieser Gesetze, der Wahrheit handelt. Und da dies nicht nur schöne Worte sind, müssen wir in den Menschen investieren, in jeden Menschen, in den ganzen Menschen.

Deshalb ist es wichtig, daß wir vom finanziellen Paradigma des Geldes zum neuen Paradigma der physischen Wirtschaft als Maß für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übergehen. In diesem neuen Licht wird sich nicht alles um Staatsschulden drehen, sondern um den Erfolg des Bildungs- und Gesundheitssystems, des Infrastruktursystems und des Produktionssystems.

Das war die Vision großer Humanisten wie Thomas Morus und Leibniz, die sich für eine Welt der Künste und Wissenschaften einsetzten. Und um diesen Weg wieder zu finden, hat uns LaRouche auch gesagt, wie man es in der politischen Ökonomie macht: weg vom Geldsystem, hin zum Kreditsystem, das sich durch den ständigen wissenschaftlich-technischen Fortschritt der physischen Ökonomie selbst bezahlt macht.


Anmerkung

1. Vgl. „Ein Streich in der Tradition von Jonathan Swift“, Neue Solidarität 42/2019.