Lebensmittel vereinen Menschen rund um den Planeten
Von Michael Callicrate
Mike Callicrate, Vorstand der Organization for Competitive
Markets und Eigentümer der Firma Ranch Foods Direct in Colorado, übermittelte
für die Konferenz des Schiller-Instituts am 27. Juni den folgenden
Videobeitrag.
Ich heiße Mike Callicrate, ich bin aus Colorado Springs, Colorado. Ich habe
eine Firma namens Ranch Foods Direct. Ich züchte auch Vieh auf meinem Betrieb
im Nordwesten von Kansas, das tue ich seit 45 Jahren. Mein Schwerpunkt liegt
hauptsächlich darauf, zu versuchen, ein alternatives Ernährungssystem zu dem
industriellen System aufzubauen, das wir jetzt haben.
Wenn mir die Frage gestellt wird: „Prosperieren oder untergehen?“ [das
Thema der Konferenz], dann denke ich an David Montgomerys Buch Dirt
(Staub). Montgomery spricht in seinem Buch über die Erosion der Zivilisationen
und die Bedeutung des Bodens. Ohne Boden gibt es im Grunde kein Leben. Deshalb
werde ich die Frage „Wird die Menschheit prosperieren oder untergehen?“ aus
dieser Perspektive betrachten, weil ich glaube, daß der Boden für unser
Überleben als menschliche Wesen entscheidend ist. Verarmung und Ernährung
einer Zivilisation hängt direkt mit der Sicherung und Industrialisierung der
Lebensmittelversorgung zusammen. Die Konzentration von Macht und Reichtum ist
die größte Bedrohung für jede freie Gesellschaft. Anstatt neuen Reichtum aus
gesundem Boden zu schaffen, laugt das gegenwärtige System unser Land zum
kurzfristigen Nutzen einiger weniger globaler Konzerne aus und zerstört
es.
© CIMMYT
Abb. 1: „Eine Nation, die ihre Böden zerstört, zerstört sich selbst.“
(Franklin D. Roosevelt): Diese Staubwolke erstreckte sich 2013 über rund 300
km, sie war 7 km breit und 4 km hoch, und trug den Mutterboden mit 85 km/h
davon.
Dies (Abbildung 1) ist ein Foto aus dem Nordwesten von Kansas, wo
ich lebe. Es wurde am 24. Dezember 2013, an Heiligabend aufgenommen. Die
Staubwolke erstreckte sich 200 Meilen von Colorado Springs bis zur Grenze von
Kansas. Sie war bis zur Spitze etwa 4000 Meter hoch, fast 7 km breit und
bewegte sich mit 85 km pro Stunde. Das ist guter Boden, der hier wegweht – das
ist die Zerstörung der Zivilisation, die derzeit stattfindet. Ein Großteil des
Mutterbodens im östlichen Colorado ist bereits verschwunden. Ich fliege
regelmäßig hin und her zwischen meiner ländlichen Gemeinde St. Francis in
Kansas und dem Stadtzentrum von Colorado Springs, wo wir unser Fleisch, das
wir erzeugen, vermarkten. In den östlichen Ebenen von Colorado sieht man das
Abtragen dieser Böden, das Sterben des Mutterbodens. Früher, als er noch
fruchtbar war, wuchsen dort gesunde Pflanzen, die das Vieh ernährten, das
wiederum Nahrung für den menschlichen Verzehr wurde.
Wir brauchen auch unsere Wasserressourcen auf. In der Serie VICE im
Sender HBO gibt es einen Dokumentarfilm mit dem Titel Meathooked -
End of Water („Am Fleischerhaken – das Ende des Wassers“), worin es um den
Verbrauch und die Erschöpfung der weltweiten Wasservorräte geht. Das ist ein
weiterer Hinweis darauf, daß die Menschheit untergehen wird, wenn wir unser
Verhalten nicht ändern. Wir pumpen das kostbare fossile Wasser aus dem
Ogallala-Aquifer ab – um nur eine von vielen Wasseradern auf der ganzen Welt
zu nennen, die zum Nutzen der industriellen Landwirtschaft leergepumpt werden.
Wiederum ein Beispiel für das Abtragen.
Wir verwüsten die Umwelt; wir bauen Massentierfarmen in tiefgelegenen
Gebieten. Diese tiefliegenden Gebiete an der Ostküste von North Carolina und
South Carolina sind Orte, an denen es sehr viel regnet. Die Anlagen werden in
tiefgelegenen Gebieten errichtet, weil es billiges Land ist. Es ist auch der
Ort, wo die billigsten Arbeitskräfte wohnen. Es geht also um die Ausbeutung
der Umwelt und der Arbeiter.
© Rick Dove Photo
Abb. 2: Industrielle Schweinezucht im Überschwemmungsgebiet des Hurrikan
Florence: In jedem der Ställe starben 2500 Schweine, die aufgrund des
Hochwassers nicht gefüttert werden konnten.
Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Tier in einer dieser Einrichtungen, in
einem dieser Ställe. Im Hurrikan Florence wurden die Betriebsanlagen
überflutetet, und anstatt die Tiere herauszulassen, überließ man sie ihrem
Schicksal. Man ließ die Tiere im Stall, wo sie verhungerten und sich
gegenseitig auffraßen, bis sie starben (Abbildung 2).
Hier sieht man den früheren Hurrikan Floyd, bei dem die Tiere
herausgelassen wurden. Wir haben es mit einer totalen Mißachtung der Tiere zu
tun, ein weiteres Anzeichen für ein versagendes System in einer versagenden
Gesellschaft. Franz von Assisi hat gesagt: „Wenn es Menschen gibt, die
irgendeines der Geschöpfe Gottes vom Schutz des Mitleids und Erbarmens
ausschließen, dann wird es auch Menschen geben, die mit ihren Mitmenschen in
gleicher Weise umgehen.“ Das ist sicherlich das, was wir heute erleben.
„Das globale Kartell des gesteuerten Nahrungsmittelsystems zehrt die
Menschen auf, anstatt sie zu erhalten und zu ernähren. Das Ergebnis ist ein
Ernährungssystem, das an der Spitze Geld und Macht und am unteren Ende Armut
konzentriert, während es gleichzeitig den Zugang zu Nahrungsmitteln, deren
Qualität und Sicherheit gefährdet.“ Das ist ein Zitat von Albert Krebs vom
Agribusiness Examiner.
Mit Hilfe der amerikanischen Regierung haben globale Gangster unsere
Landwirtschaft in eine riesige Agrarindustrie verwandelt. Lernen Sie
Verbrecher wie Wesley und Joesely Batista von JBS kennen, die im Gefängnis
saßen, aber vor kurzem wieder eingeladen wurden, das größte Fleischunternehmen
der Welt, JBS, zu leiten, weil sie als unentbehrlich galten. JBS hat seinen
Hauptsitz in Greeley/Colorado und war eine der vier großen Schlachtereiketten,
gegen die jetzt ermittelt wird, weil sie die Preise für die Viehzüchter
senkten, aber gleichzeitig die Preise für die Verbraucher erhöhten. Solche
Männer haben eigentlich in lebenswichtigen Branchen nichts zu suchen, erst
recht nicht in der Nahrungsmittelindustrie; aber unser Staat erlaubt ihnen,
ihre Geschäfte zu machen.
Allan Savory [ein bekannter Autor und Viehzüchter] hat es meines Erachtens
gut ausgedrückt. Er sagte: „Wir haben vom US-Landwirtschaftsministerium mehr
zu befürchten als von jeder ausländischen Macht.“ Das
US-Landwirtschaftsministerium weigert sich, gesetzlich zu verhindern, daß die
Batista-Brüder zusammen mit Tyson, Cargill und Marfrig (einem weiteren
brasilianischen Unternehmen) ein Monopol bilden. Das
US-Landwirtschaftsministerium macht den kleinen Betrieben das Leben extrem
schwierig; es macht ihnen den Betrieb unmöglich und bevorzugt die größten
Fleischbetriebe, die beim COVID-19-Ausbruch völlig versagt haben.
© Ranch Food Direct
Abb. 3: Lebensmittelhandel in Zeiten von COVID-19: Während die Produktion
der Großschlachtbetriebe zum Stillstand kam, so daß die Regale in den
Supermärkten leer blieben (rechts), lief der Handel der
Selbstvermarkter-Organisation Ranch Food Direct ungestört weiter (links).
Das industrielle Lebensmittelsystem ist beim COVID-19-Test durchgefallen.
Es ist nicht widerstandsfähig. Es entnimmt, es erzeugt nicht und baut nichts
auf, es entnimmt nur. Es zerstört unsere Mechanismen, mit denen wir Wohlstand
schaffen, nämlich den Boden. Auf der linken Seite (Abbildung 3) sehen
Sie mein Geschäft in Colorado Springs. Auf der rechten Seite sehen Sie die
großen Kaufhäuser in Colorado Springs am selben Tag, dem 13. März 2020. Die
Regale dort waren völlig leer; es gab kein Fleisch. Doch in meinem Geschäft
auf der linken Seite, das über eine 350 km lange Lieferkette von St. Francis
bis Colorado Springs versorgt wird, sehen Sie volle Regale. Bis jetzt hat sich
unsere Lieferkette gut gehalten. Wir pferchen keine Arbeiter ein; wir bleiben
gesund in unserem Betrieb.
Sehen wir also, was meiner Meinung nach getan werden sollte. Ich denke, wir
sollten zu einer regenerativen Landwirtschaft und Viehzucht zurückkehren. Zu
nachhaltigen Betrieben, die von den Verbrauchern unterstützt werden und die
sich um den Boden, die Gemeinschaft vor Ort, die Menschen und die Umwelt im
allgemeinen kümmern. Deshalb habe ich das Callicrate-Konzept für regenerativen
Anbau und Viehzucht entwickelt, bei dem es sich im Grunde um eine
Kreislaufwirtschaft handelt und nicht um eine lineare Wirtschaft, die nur
entnimmt. Es ist eine Kreislaufwirtschaft, die in den Boden, in die
Gemeinschaft und in die Menschen zurückführt. Wir beginnen also mit dem Boden,
und wir kehren zum Boden zurück. Entscheidend für das Funktionieren dieses
Konzepts ist, daß wir Zugang zu einem Markt erhalten, der uns das abnimmt, was
wir produzieren.
„Der Boden ist das große Bindeglied des Lebens; der Ursprung und das Ziel
von allem. Er ist der Heiler und Wiederhersteller und Wiederaufbereiter, durch
den Krankheit in Gesundheit, Alter in Jugend, Tod in Leben übergeht. Wenn wir
ihn nicht richtig pflegen, gibt es keine Gemeinschaft, denn wenn wir ihn nicht
richtig pflegen, gibt es kein Leben.“ (Wendell Berry, The Unsettling of
America: Culture and Agriculture [„Die Erschütterung Amerikas: Kultur und
Landwirtschaft“])
Die Schaffung einer Gemeinschaft rund um die Ernährung vor Ort wird für
diesen neuen, regenerativen Ansatz in der Landwirtschaft und in den
Lebensmittelsystemen von entscheidender Bedeutung sein. Dann können
landwirtschaftliche Familienbetriebe, Viehzüchter und Kleinbetriebe gedeihen,
und die Verbraucher haben Zugang zu sicheren, zuverlässigen und gesunden
Lebensmitteln.
Ich danke Ihnen.
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