Ein Europa, dessen man sich nicht schämen muß
Von Jacques Cheminade, Präsident von Solidarité et Progrès
Vor einigen Tagen hatte ich ein Gespräch mit dem Schweizer Autor Jean
Ziegler über die Notfallinitiativen, die ergriffen werden müssen, um ein neues
Paradigma in den internationalen Beziehungen aufzubauen. Er unterstützt unsere
Ziele voll und ganz, weil er schon immer ein Verfechter von Gerechtigkeit und
Nahrung für alle ist und weil er überzeugt ist, daß auch die stärksten Mauern
durch ihre Risse fallen werden.
In diesem Zusammenhang waren wir uns sofort einig, daß Europa in seiner
heutigen Verfassung ein hoffnungsloser Fall ist, eine verlorene Sache, für die
man sich schämen muß. Die Flüchtlingslager in der Türkei oder in Libyen –
faktisch Konzentrationslager, die von Hunger und Pandemien bedroht sind –
sprechen schon an sich eine klare Sprache gegen uns. Angesichts der Tatsache,
daß die europäischen Nationen in der universellen Sinfonie – einer
harmonischen „Tianxia“, wie die Chinesen sagen würden – ihren Part spielen
müssen, besteht unsere Aufgabe nun darin, die richtigen Instrumente zu
beschaffen, damit wir den Part eines Europas spielen können, dessen man sich
nicht schämen muß.
Weil es nicht viel Zeit verdient, werde ich nur kurz darüber sprechen, was
die Europäische Union derzeit tut oder meistens nicht tut. Sie verhält sich
wie ein führerloser Haufen oligarchischen Gesindels. Die jüngsten Tagungen des
Europäischen Rates beweisen trotz der Abwesenheit des Vereinigten Königreichs,
daß immer noch derselbe Geist des „Teile und Herrsche“ und der Unterwerfung
unter die Diktatur des Geldes herrscht.
Um aus diesem verabscheuungswürdigen und selbstzerstörerischen Schlamassel
herauszukommen, müssen wir in uns das Beste unserer kulturellen und
wirtschaftlichen Traditionen wachrufen, zum Vorteil aller europäischen
Nationen und aller anderen Nationen der Welt. Ist das utopischer Idealismus?
Nein, ganz im Gegenteil. Denn es ist gerade die egoistische Ideologie, die von
allen geteilt wird, diese „realistische und pragmatische“ Ideologie, die unser
gemeinsames Immunsystem, unsere öffentliche Gesundheit und unser finanzielles
Immunsystem zerstört hat. Das Ergebnis ist, daß wir angesichts der Pandemie
keine oder viel zu wenig Masken, Tests und Beatmungsgeräte hatten und unfähig
waren, etwas vorherzusehen, was unsere Staatsführungen für unvorhersehbar
hielten.
Diese gesamte Führung ist gescheitert, wie lauter Hamlets, nicht als
Individuen, sondern weil ihre Anpassung an die individualistische, egoistische
Geldgier unserer Gesellschaft dazu führte, daß ihre Ohnmacht durch
Fahrlässigkeit kriminelle Ausmaße annahm. Regieren heißt vorhersagen, und
nicht vorhersagen führt einen zum Scheitern. Leonardo da Vinci fügt ironisch
hinzu: „Wer nicht vorhersagt, der jammert schon.“
Lassen Sie uns also kurz betrachten, was die Europäische Union und die
europäischen Staaten getan haben. Um es mit einem Beispiel zu sagen: Sie haben
unseren Krankenhäusern kurzfristige finanzielle Vorschriften gemacht – „just
in time“ – und ruinierten damit deren Fähigkeit, richtig zu reagieren. In
Wirklichkeit sollten die Staaten selbst wie gute öffentliche Krankenhäuser
funktionieren, die sich der kollektiven Verantwortung, der Wahrhaftigkeit und
der Fürsorge für alle verschrieben haben, und statt bloß Zahlen und
Statistiken in Geldeinheiten sollten sie Ideen und Initiativen liefern, wie
wir einfach menschlicher werden.
So war das erste, was Christine Lagarde, die Chefin der Europäischen
Zentralbank (EZB), der wahren Streitmacht der Europäischen Union, zu sagen
hatte: „Ein Schuldenerlaß ist undenkbar. Vielleicht dauert es viele
Jahrzehnte, bis die Schulden zurückgezahlt werden, aber sie müssen
zurückgezahlt werden.“
Nun werfen die Europäische Union und die europäischen Staaten, wie die
Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich, mit Milliarden und
Abermilliarden von Euro um sich – zum Teil, um die Produzenten zu retten und
die Verbraucher durch mehr Schulden während dieser Pandemie zu unterstützen,
aber das meiste davon dient nur dazu, mehr von der Droge Geld in die
Finanzkreisläufe der Oligarchie zu pumpen. Einfach ausgedrückt, sie geben
elektronische Impulse, die sie Geld nennen, hauptsächlich um einen Bankrott
des gesamten Systems zu vermeiden. Es handelt sich hier nicht mehr um eine
sogenannte „Marktwirtschaft“, sondern um eine Marktwirtschaft ohne Markt, in
der alle Spieler weiter mit Chips und Murmeln spielen, die von den
Zentralbanken verteilt werden.
Seien wir präzise: Früher war die EZB durch ihre eigenen Regeln gezwungen,
Wertpapiere von den Banken zurückzukaufen – aber nur die mit einer bestimmten
Bonität! Das bedeutete Staatsanleihen oder AAA- oder A-Anleihen erster
Qualität. Nun beschloß sie eigenmächtig, hochverzinsliche
Schuldverschreibungen, Schrottanleihen zum Scheitern verurteilter
Unternehmungen, zurückzukaufen. Die EZB rettet also alles mit elektronischem
Falschgeld, ähnlich wie die amerikanische Federal Reserve!
Darüber hinaus haben die Finanzminister der Europäischen Union am 9. April
beschlossen, ein Fazilitätspaket von 540 Milliarden Euro zu schaffen – 240
Milliarden vom Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), 200 Milliarden von
der Europäischen Investitionsbank und 100 Milliarden von der Kommission. Aber
das meiste davon ist geliehenes, sogenanntes gehebeltes Geld, das auf den
Märkten geborgt wird! Dieses Geld fließt größtenteils zurück in den
Finanzkreislauf, indem sie das geborgte Geld weiterverleiht, die EZB dient
somit als eine Art „Kreditgeber der letzten Instanz“ für die
Finanzbetrüger!
Die europäischen Staaten ihrerseits habe massive Hilfspakete organisiert:
410 Milliarden Euro für Frankreich, 1100 Milliarden für Deutschland, 475
Milliarden für das Vereinigte Königreich, vergleichbar mit den 2200 Milliarden
Dollar der Vereinigten Staaten. Das meiste davon basierte worauf? Auf neuen
Krediten und der Stundung von Zahlungen, womit mehr Schulden angehäuft werden,
ohne die Mittel zu schaffen, sie zurückzuzahlen!
Um es über die stumpfen Formalitäten hinaus verständlich zu machen: Die
Pandemie hat den finanziellen Schwindel, der auf einem wahnsinnigen
Schneeball-Schuldensystem beruht, nur aufgedeckt, sie war ein Auslöser für den
Crash, aber nicht die eigentliche Ursache! Die finanzielle Situation vor der
Pandemie war schuld daran, daß nichts getan wurde, um sie zu verhindern: weil
es keinen kurzfristigen Gewinn brachte.
Als die Pandemie dann kam, gab es keine Masken, keine Beatmungsgeräte,
keine Tests, und die einzig mögliche Lösung zu ihrer Bekämpfung war die
Isolation der Bevölkerung. Das mußte getan werden, und es wurde getan, aber
auf inkompetente Art und Weise, ohne wirkliche Zusammenarbeit zwischen den
europäischen Nationen, was in der Folge die Wirtschaft blockierte. Und die
„Lösung“ bestand darin, noch mehr elektronisches Falschgeld zu verbreiten, um
ein Gegengewicht zum Stillstand der Wirtschaft zu schaffen und jeden Bankrott
zu verhindern, hauptsächlich zum Nutzen der Betrüger! Noch mehr Schulden, um
ein überschuldetes System zu retten, und das meiste davon, um die Insider-Haie
zu retten! So kam es zu einer Erholung an der Wall Street durch das Management
der Blase aller Blasen, jedoch ohne Chance auf eine echte, physische
wirtschaftliche Erholung im Rahmen eines solchen Systems.
Doch das Schlimmste kommt erst noch: Weil es nicht genug Geld gibt, um
weiterzumachen, plant die Europäische Kommission, entweder 1000 Milliarden
Euro auf den Märkten zu leihen oder den europäischen Gemeinschaftshaushalt als
Garantie zu nehmen, um 1500 Milliarden sogenannte „ewige Schulden“ zu drucken,
wobei man nur die Zinsen zahlt, was durch eine Ökosteuer finanziert werden
soll, und das Kapital wird nie zurückgezahlt.
Wir sind wirklich an Bord des Narrenschiffs, auf dem arrogante Kapitäne so
tun, als könnten sie den Eisbergen Befehle erteilen, und Banker wie der
Gouverneur der Bank von Frankreich, François Villeroy de Galhau, ständig
verzweifelt wiederholen: „Ihr müßt das Geld zurückzahlen.“ Gemeint sind
natürlich nicht die Zocker britischen Stils und ihre Partner, sondern wir
alle, Erzeuger wie Verbraucher.
Laßt uns aus diesem Schlamassel herauskommen! Diese Europäische Union und
die Regierungen ihrer Mitgliedstaaten sind oligarchischer Müll, laßt uns
wiederaufbauen im Geist der 30 glorreichen Jahre und des Wirtschaftswunders
des europäischen Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, damit wir besser
werden, was nötig ist, um die Herausforderung zu meistern.
Der Vorteil des anderen
Der Ausgangspunkt ist, daß das beste Gegenmittel gegen jede Pandemie die
internationale Zusammenarbeit ist. Das bedeutet menschliche Solidarität zum
Aufbau eines „Win-Win-Systems“, wie es der chinesische Präsident in vielen
seiner Reden definiert hat.
Die Europäische Union und ganz allgemein die Staaten der westlichen Seite
unserer Hemisphäre verfolgen leider einen entgegengesetzten Kurs. Ein Beweis
dafür sind der ekelhafte Kampf unter den Staaten darum, wer die Masken kaufen
kann, die ihnen allen wegen ihrer egoistischen Politik fehlten, und die
Unfähigkeit so vieler Menschen, zu verstehen, warum es notwendig ist, die
Maske anzuziehen, wenn denn eine zur Verfügung steht: nicht zu unserem eigenen
Schutz, sondern um die anderen vor unseren Tröpfchen zu schützen.
Diese beiden Beispiele beweisen, daß der Begriff des „Vorteils des anderen“
aus dem Westfälischen Frieden, der die Grundlage für den Frieden zwischen den
Nationen bildet – und der dem konfuzianischen Prinzip entspricht, daß das, was
man für die anderen tut, einen selbst auf den Weg zum ren bringt –, daß
dieser grundlegende Begriff der Zivilisation in unserem Europa des 21.
Jahrhunderts irgendwie verloren gegangen ist. Unsere Aufgabe besteht also
nicht nur darin, für den anderen alles Gute zu tun, was wir uns wünschen, daß
er für uns tun könnte, sondern die besten Voraussetzungen dafür zu schaffen,
daß er oder sie das Gute für alle schafft. In diesem Zusammenhang ist es
bemerkenswert, daß China, Rußland und Kuba die Länder waren, die Italien zu
Hilfe eilten, während in Frankreich und Deutschland und erst recht in den
Vereinigten Staaten viele egoistische Stimmen dies als „Propagandaaktion“
abtaten, obwohl ihre Länder selbst so wenig getan hatten.
An zweiter Stelle steht die unerbittliche Verpflichtung, die Wahrheit zu
sagen, die mit dem Vorteil des anderen symbiotisch ist. Unsere offiziellen
Europäer sind zu Lügnern geworden. Weil wir nicht in der Lage waren, genügend
Masken herzustellen oder zu kaufen, hat man in Frankreich und in den
Vereinigten Staaten anfangs so getan, als seien sie gar nicht notwendig. Die
Sprecherin der französischen Regierung behauptete sogar, sie seien für uns
Laien zu schwierig zu tragen, sogar für sie selbst. Schuld an solchen Lügen
ist nicht der Charakter dieser unangenehmen Frau, sie sind das Resultat einer
Finanzwelt, in der man Lügen für einen cleveren Schachzug hält, um auf Kosten
aller anderen zu gewinnen. Das Lügen ist zu einer perversen Kunst
geworden.
Drittens kann man – wenn man der Welt und den anderen direkt ins Auge
schaut, inspiriert von der Verpflichtung zur Wahrheit und zum Gemeinwohl –
sehr wohl vorausschauen, anders als alle unsere westlichen Regierungen über
das Coronavirus behaupten. Es ist sogar noch schlimmer: Sie tun so, als sei es
unmöglich gewesen, dieses Unerwartete vorauszusehen, aber gleichzeitig machen
sie der chinesischen Regierung Vorwürfe, sie habe die Bedeutung dieses
Unerwarteten, das ihnen selbst entgangen ist, nicht vorausgesehen! Schlimmer
noch, es läuft eine Kampagne, China zum Sündenbock zu machen und zu
beschuldigen und sogar zu verklagen, hohen Schadenersatz zu zahlen!
Vorauszusehen bedeutet, die Konsequenzen dessen abzuschätzen, was man tut
oder unterläßt, und das ist die Aufgabe einer Regierung. Wenn man diese Folgen
und damit die eigene Verantwortung abschätzt, kann man einen Phasenwechsel
prognostizieren. Nicht durch Ableitung, Induktion oder Extrapolation aus dem
Bestehenden, sondern durch Abschätzen der Auswirkungen von Handlungen auf die
Zukunft.
Das ist es, was die Pasteurschen Epidemiologen und Virologen
„Sentinel-Medizin“ nannten, eine Medizin, die sich auf die Raumzeit der
Kranken bezieht, die mit den Augen der Zukunft auf die Zusammenhänge zwischen
ihrer physischen Umgebung und ihrer Krankheit blickt. Immer in Erwartung von
Veränderungen, Überraschungen. Wer aber stattdessen die menschlichen
Prioritäten zugunsten einer linearen Statistik des finanziellen Profits
aufgibt, der ist dazu verdammt, politische Verbrechen zu begehen.
Engagement zum Vorteil des anderen, Wahrhaftigkeit und Voraussicht sind
gefragt: dann sind das, was sie „Schwarze Schwäne“ nennen, zu erwartende
Folgen katastrophaler Entscheidungen für die Menschheit.
Aus diesem Grund konnte Lyndon LaRouche, der sich voll und ganz dem
Schicksal der Menschheit verpflichtet fühlte, die katastrophalen Folgen der
Entkoppelung von Dollar und Gold am 15. August 1971 vorhersehen. Er sah, daß
damit eine Ära der finanziellen und moralischen Deregulierung eingeleitet
wurde, die globale Pandemien zur Folge hätte, wenn nichts getan wird, um den
Kurs der Gesellschaft zu ändern. Er schrieb verschiedene Warnungen zu diesem
Thema, über die andere Redner sprechen werden, aber solche Warnungen wurden
aus finanzieller Gier heraus nicht in Betracht gezogen.
Dann kam der Washingtoner Konsens, eine Verabredung der westlichen Mächte,
die noch nicht entwickelten Staaten zu zwingen, ihre Schulden auf Kosten ihrer
Infrastrukturprojekte in Gesundheitswesen, Bildung und Verkehr zurückzuzahlen
– eine Schuld, die durch die Anhäufung von Zinseszinsen viel höher wurde als
die geliehene Summe. Durch einen solchen Prozeß wurden sie
„unterentwickelt“.
Dieses kriminelle Verhalten hat zu der gegenwärtigen Lage geführt und
verlangt von uns im Westen, zusammen mit China und Rußland, ein sofortiges
Eingreifen, um ein von oben durchorganisiertes Programm für eine globale
Mobilisierung gegen eine Pandemie zu starten.
Genau das hat Mauro Ferrari, der Präsident des Europäischen Forschungsrates
der EU, versucht, er wollte ein solches wissenschaftliches Programm zur
Bekämpfung des Virus durchsetzen, aber er mußte am 8. April, mitten in der
Pandemie, zurücktreten, weil die europäischen Behörden sein Programm nicht
einmal in Erwägung zogen. Wir selbst vom Schiller-Institut schlagen „LaRouches
Apollo-Mission“ vor, um die globale Pandemie zu besiegen (vgl. Neue
Solidarität 18-20/2020), weil die Regierungen zwar vorgeben, wie in einem
Krieg zu mobilisieren, aber nicht fähig oder nicht willens sind, Strategien zu
entwerfen, Mobilisierungen vorzuschlagen oder anders zu denken.
Vier Viren
Die Wahrheit ist, daß sie Gefangene von mindestens vier Viren sind, die
ihre menschenfeindliche Politik inspirieren oder ihre möglichen Kampfabsichten
lähmen.
Diese vier Viren, die zusammengenommen die Viren aller auf Sklaverei oder
Schuldknechtschaft gegründeten Imperien darstellen, sind: das Finanzvirus, das
malthusianische Virus, das geopolitische Virus und das bürokratische Virus.
Jegliche internationale Zusammenarbeit für das Gemeinwohl erfordert die
Ausrottung solcher Viren, die in unserer europäischen Geschichte verschiedene
Sprachen und Akzente gesprochen haben, heute aber definitiv britisch sind, wie
Helga Zepp-LaRouche vorhin erläutert hat.
Das finanzielle Virus sollte für die meisten von uns offensichtlich sein.
Es gibt keine finsteren Mächte an irgendwelchen finsteren Orten, die unseren
Untergang planen – wir werden ausgeraubt, wie es das Britische Empire tut und
immer getan hat in seiner Welt, in der „die Sonne nie untergeht“. Es basiert
auf der Verwaltung abscheulicher, illegitimer Schulden, nie auf nützlichen
Programmen zur Schaffung von Entwicklungsplattformen, sondern auf dem ewigen
Besitz von Finanzvermögen.
Ein solches System ist unfähig, die Entdeckung neuer physikalischer
Prinzipien zu fördern, die, wenn sie als Technologien entwickelt werden, eine
Erhöhung der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte bewirken. Der
Zusammenhang zwischen diesem Potential und der Energieflußdichte war Lyndon
LaRouches grundlegende Entdeckung. Das heutige Europa ist unfähig, die Mittel
zur Verfügung zu stellen, um auch nur seine eigene Bevölkerung auf dem
gegenwärtigen Niveau zu erhalten: Die Bedürfnisse zur Erhaltung der
gegenwärtigen Bevölkerungsdichte Europas übersteigen das Potential, das zur
Verbesserung der zukünftigen Dichte notwendig wäre. So stellte LaRouche
wissenschaftlich fest, daß der Westen im Rahmen seiner gegenwärtigen
Funktionsweise dem Untergang geweiht ist: Die EZB oder die amerikanische
Federal Reserve mögen Billionen an Falschgeld produzieren, aber niemals
Masken, Atemgeräte, Stahl, Brücken, Flugzeuge, Werkzeuge und Maschinen im
allgemeinen - sie sind unfähig, Kredite für eine bessere Zukunft zu vergeben,
weil ihre Augen auf die sterilen Nüstern der Vergangenheit gerichtet sind,
statt auf die Köpfe derjenigen, die in der Vergangenheit die Voraussetzungen
für eine Zukunft geschaffen haben.
Das zweite Virus ist der Malthusianismus, der soziale Ausdruck des
Finanzvirus. Es stützt sich auf die angebliche „Tatsache“, daß die Welt aus
begrenzten Ressourcen bestehe und daß eine Produktion, die in einem
arithmetischen Verhältnis wächst, während die Bevölkerung exponentiell und
geometrisch zunimmt, nur in einer völligen Erschöpfung der Ressourcen enden
könne, ähnlich wie ein Virus oder wie ein Krebsgeschwür – genau das, was der
Club of Rome über uns Menschen zu sagen hatte. Deshalb müssen die Menschen
angeblich ihren Konsum und ihre Fortpflanzung einschränken, um sich an die
begrenzten Ressourcen anzupassen.
Kann das wahr sein? Ja, wenn man die Welt als ein relativ unveränderliches
Ganzes definiert, das begrenzte Ressourcen produziert – ja, das ist die Welt
der Finanzoligarchie! Das ist ein entropisches Universum, in dem der zweite
Hauptsatz der Thermodynamik regiert, der in geschlossenen Systemen gültig ist.
Gesellschaftlich bedeutet das wiederum ein Umfeld, das durch die Herrschaft
der Finanzoligarchie definiert ist!
Aber das reale Universum als Ganzes ist anders: Es befindet sich in
ständiger Expansion und gehorcht nicht dem zweiten Hauptsatz der
Thermodynamik, der nur in einem geschlossenen System gilt. Der Mensch steht in
Übereinstimmung mit dem Entwicklungsgesetz des Universums, weil er aufgrund
seiner schöpferischen Fähigkeit Mensch ist: Er hebt auf die Ebene neuer
Ressourcen, was auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe nur Abfall war. Das
eigentliche Fundament der Wissenschaft ist diese Fähigkeit jenseits von
Induktion, Deduktion und dem aristotelischen Prinzip der Widerspruchsfreiheit
Lösungen für bestehende Probleme zu finden – wie Einstein sagte, mit einem
höheren Denken als dem, das diese Probleme hervorgebracht hat.
Es ist wahr, echte Wissenschaft ist anti-entropisch. Europa ist in diesem
Sinne zu einem Problem an sich geworden, eine entropische Schachtel voller
Bürokraten. Es ist lächerlich, ja, aber seine Folgen sind es nicht: alle
Malthusianismen, in welcher Form auch immer, führen zu Rassismus, Kriminalität
und Selbstzerstörung.
Das dritte Virus ist das geopolitische Virus, der Eine-Welt-Ausdruck des
Finanz- und des Malthusianismus-Virus. Es ist die Politik der Londoner City
und der Wall Street, des Erbes des Britischen Empire von Venedig und
Amsterdam. Für die heutigen Neokonservativen auf beiden Seiten des Atlantiks
ist das politische Universum ein Schlachtfeld, auf dem Feinde zum Kampf
gegeneinander verdammt sind, wobei der Sieger alle Macht und alles Geld auf
Kosten der Verlierer erbeutet, egal, was die Schlacht an Zerstörungen oder
Menschenleben kostet. Das sogenannte „Global Britain“, im Sinne der Henry
Jackson Society: finanzielle Globalisierung, Malthusianismus und Geopolitik,
mit immer denselben Ideologien und kriminellen Methoden, auch wenn es heute
„fünf Augen“ hat, anstatt nur eines mit einem Monokel. Eine solche Welt, die
nicht in der Lage ist, mehr menschliches Potential zu erzeugen, führt
unausweichlich zum Krieg, um mehr von den begrenzten Ressourcen zu
erobern.
Die letzte Form, die dies annimmt, ist das bürokratische Virus. Es ist das
typische Virus der Europäischen Union, das Virus der Lakaien, das Virus einer
freiwilligen Knechtschaft. Es ist eine Ordnung, die sich auf eine fertige Welt
stützt, wie die Welt der anderen drei Viren ist es immer einer äußeren Macht
unterworfen und von Natur aus gegen die Entstehung und Entwicklung jeder
kreativen Idee. Furchtsam und durch seine Furcht Diener der anderen drei
Viren. Jedes Verwaltungssystem wird, wenn es nicht von einem starken
politischen Willen geleitet wird, süchtig nach dieser bösen Tendenz, sich zu
unterwerfen. Das liegt in der Natur der Europäischen Union, die, wie De Gaulle
einmal sagte, einem externen Leiter unterworfen ist, nämlich der Herrschaft
des Britischen Empire in seiner anglo-amerikanischen Form, mit dem Euro als
Juniorpartner eines internationalen Dollars – nicht Dollar als Währung der
amerikanischen Nation, sondern als die der Weltmärkte, der Männer, die die
Welt berauben, wie Nicholas Shaxson es treffend beschrieben hat.
Gegen dieses zerstörerische Universum hat der berühmte Professor Didier
Raoult, bekannt für Hydroxychloroquin, etwas sehr Interessantes zu sagen. In
einem Interview mit Le Monde Ende März war es das folgende:
„Ich denke, es ist an der Zeit, daß die Ärzte zusammen mit den Philosophen
und den Menschen, die eine menschliche und religiöse Inspiration teilen, auf
die Ebene der moralischen Reflexion zurückkehren, auch wenn einige es lieber
als Ethik bezeichnen, und daß wir uns der Mathematiker entledigen müssen, die
in diesem Bereich nur Meteorologen sind.“
Dies gilt sowohl für Entscheidungen über Maßnahmen im Bereich der
öffentlichen Gesundheit als auch für die Definition der internationalen
Zusammenarbeit zwischen den Nationen. Statistik und Mathematik definieren
einen nützlichen Bereich geschaffener Gebilde, sie können aber niemals etwas
Neues hervorbringen, indem sie die Spielregeln brechen, was für den Menschen
entweder neue physikalische Prinzipien, Entdeckungen von Prinzipien oder
Formen der sozialen Solidarität bedeutet. Mathematik und
Verwaltungsvorschriften als Mittel zu verwenden, um in Zeiten wie der unsrigen
die lebenswichtigen Entscheidungen zu treffen, ist daher ein Verbrechen gegen
die Kreativität. Die Europäische Union und die Organisationsform unserer
Staaten als Einheiten, die weder der menschlichen Solidarität noch den
schöpferischen Kräften gehorchen, machen uns zu Opfern der Viren, die ich
beschrieben habe – tödlichen Viren.
Eine Renaissance Europas
Deshalb spreche ich heute zu Ihnen – um zu einer Renaissance Europas in
einem wahren Konzert der Nationen aufzurufen. Denken Sie einen Moment darüber
nach: Lassen Sie uns jetzt Cervantes und Goya in Erinnerung rufen, Erasmus und
Comenius, Rembrandt und Leonardo, Rabelais und Dante, Schiller und Leibniz und
so viele andere, allen voran Beethoven in seinem Jahr. Wir brauchen sie, um
ein wahres Europa zu inspirieren, das bis nach China und Amerika blickt, um
eine Brücke zu sein und keine Sackgasse zum Friedhof. Wir brauchen eine neue,
junge, engagiertere und menschlichere Führung, die wiederum unser Wissen
braucht. Laßt uns über uns nachdenken und gemeinsam handeln, um Burkina Faso,
Niger, Nigeria, Somalia, Kenia, Tschad, Simbabwe vor dem kommenden Hunger, dem
Tod und den Heuschrecken zu retten, laßt uns wieder Patrioten und Weltbürger
sein, mit einer erneuerten Leidenschaft für unsere Nationen, um das Bessere
von ihnen zum Vorteil der anderen zu nutzen, für ein Win-Win-Projekt der
Zivilisation, eine Weltlandbrücke vom Atlantik zum Chinesischen Meer im Osten
und nach Amerika im Westen.
Von meinem Balkon aus sehe und höre ich Menschen, die einander die Hände
reichen und Beifall klatschen, um ihre Solidarität mit denjenigen zum Ausdruck
zu bringen, die für uns sorgen. Die Fürsorge für unsere Nationen sind Lyndon
LaRouches Vier Gesetze. Viele von uns werden mehr zu diesen Gesetzen sagen, um
gegen alle Mißbräuche die menschliche Kreativität zu fördern und zu nähren.
Nicht als einen Kodex oder eine Formel, die man nachspricht, sondern als eine
Macht, die uns aus dem Bereich des menschlichen Denkens, aus der Noosphäre
herausfordert.
Wir sind es unseren Menschen in den Krankenhäusern, unseren Landwirten,
unseren Industriearbeitern, unseren alten und oft verlassenen Mitmenschen, dem
Potential der Behinderten und der arbeitenden Armen, unseren Nachbarn auf
allen Kontinenten schuldig, aus diesen Vier Gesetzen die Hauptwege zu unserer
Zukunft zu machen und ein Europa zu gestalten, für das wir uns nicht mehr
schämen müssen. Lassen Sie uns gemeinsam die Impfstoffe gegen unsere vier
Viren finden, um Großes zu erreichen, lassen Sie uns schnell die Blockade
lösen und frei sein.
(Der Vortrag wurde aus dem englischen Original übersetzt, die
Zwischenüberschriften von der Redaktion hinzugefügt.)
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