Wie wir die Kernfusion erreichen werden
Von Dr. Stephen Dean
Dr. Stephen Dean, Präsident der Firma Fusion Power Associates,
übermittelte der Internetkonferenz des Schiller-Instituts das folgende
Videointerview und nahm am 5. September persönlich an der Diskussion teil.
Frage: Könnten Sie die Geschichte des amerikanischen
Fusionsprogramms und seine Errungenschaften beschreiben?
Dr. Stephen Dean: In den 1970er Jahren wurden Tokamaks
erfunden und zuerst in Moskau am Kurtschatow-Institut vorgeführt. Er war so
attraktiv, daß die ganze Welt begann, ihn in verschiedenen Größen zu bauen.
Der Fortschritt war sehr schnell, und die USA bauten in Princeton eine Anlage,
den Tokamak-Fusions-Testreaktor, und Europa baute eine Anlage namens JET
[Joint European Torus], die noch immer in Betrieb ist. Beide erreichten
Fusionsbedingungen. Die Welt war also in den 1970er Jahren bereit, durch diese
Errungenschaften sehr schnell voranzuschreiten.
Der US-Kongreß verabschiedete sogar den Magnetic Fusion Engineering Act von
1980 und erklärte, die USA seien bereit, 20 Mrd.$ auszugeben, um bis 2000 ein
Fusionskraftwerk ans Netz zu bringen. Wir waren also dazu bereit. Wir planten
in den 1980er Jahren den Bau einer Anlage wie den heutigen ITER [International
Thermonuclear Experimental Reactor]. Aber der Kongreß hat nie das Geld zur
Verfügung gestellt, um dieses vom Kongreß verabschiedete Gesetz umzusetzen.
So verlangsamten sich die Dinge, und 1985 kamen Reagan und Gorbatschow
zusammen und sagten, sie würden ihn als internationales Projekt bauen, und der
Rest der Welt schloß sich dann dem an. Daraus wurde das ITER-Projekt, das nun
bald verwirklicht werden soll. ITER ist ein Paradebeispiel dafür, wie
erfolgreich die Welt zusammenarbeiten kann, um so etwas zu erreichen.
Natürlich wird er, wie Sie wissen, gerade in Frankreich gebaut.
Frage: Welche Folgen hatten die Kürzungen des
US-Fusionsbudgets im Laufe der Jahrzehnte?
Dean: Die wirkliche Dynamik der Fusion und die wirklich
großen Anlagen für die Fusion sehen wir heute alle anderswo. In Japan zum
Beispiel wurde in diesem Jahr gerade ein riesiges neues Fusionsexperiment
namens JT-60SA (supraleitend) in Betrieb genommen. Sein Bau wird gerade
abgeschlossen. In Europa und im Vereinigten Königreich läuft noch das
JET-Experiment, wohingegen der US-amerikanische Tokamak-Fusions-Testreaktor
abgeschaltet wurde.
Wir sind also im Moment völlig abhängig von den internationalen
Anstrengungen, was den Zeitplan für die Inbetriebnahme der Fusion zur
Stromerzeugung betrifft. Den USA fehlt im Moment die Entschlossenheit,
tatsächlich so etwas wie ein Kraftwerk oder einen Kraftwerksprototypen zu
bauen, obwohl die Nationalen Akademien gerade eine Studie durchführen, die als
Ziel einen sogenannten Pilotplan hat. Das ist ein Ziel, es ist eine Idee, aber
die Regierung hat noch nicht zugestimmt, daß die USA dies tatsächlich tun
werden.
Man muß also unser Budget nur als unseren kleinen Beitrag betrachten,
vielleicht weniger als 20% von dem, was wirklich eine weltweite Anstrengung
ist. In allen Ländern der Welt arbeiten die Wissenschaftler sehr eng zusammen.
Ob es nun China oder Japan oder Indien oder Europa ist, sie alle wissen das
Gleiche. Sie alle sind bereit, je nach ihrer Regierungspolitik
voranzugehen.
In China zum Beispiel hat sich der Umfang des Programms rasch ausgeweitet.
Die Zahl der Menschen, die heute in China an der Fusion arbeiten, übersteigt
die Zahl derer, die hier und in gleicher Weise in Europa arbeiten. Wir [in den
USA] sind also nur ein kleiner Teil der weltweiten Anstrengungen, und es sind
wirklich die weltweiten Anstrengungen, die man sich jetzt anschauen muß, und
die weltweiten Anlagen, die gebaut werden, um zu beurteilen, wie schnell wir
vorankommen.
Frage: Ist es wichtig, neben der internationalen Ebene auch
ein handfestes nationales Fusionsprogramm zu haben?
Dean: Nun, man kann kein erfolgreiches internationales
Programm haben, wenn nicht alle Parteien über ein handfestes nationales
Programm verfügen, denn sie alle müssen über genügend Intelligenz und
Fähigkeiten verfügen, um ihr Gewicht in das internationale Unternehmen
einzubringen. Und sie alle müssen bereit sein, aus den Erfolgen des
internationalen Projekts Kapital zu schlagen, um ihre eigenen Programme
voranzubringen. Es ist wichtig, daß jedes Land einen eigenen Plan hat, wie es
über den ITER hinaus zum Kraftwerk voranschreiten kann, denn die
Energiemärkte, die Strommärkte in jedem Land funktionieren sehr
unterschiedlich. Daher ist es wichtig, daß jedes Land entscheidet, was es nach
ITER tun wird, um die Fusion auf seinem Markt zum Erfolg zu führen.
Kleine Unternehmen verfolgen neue Ansätze
Frage: Können Sie uns einen Eindruck vom Umfang der Arbeit
vermitteln, die heute weltweit im Bereich der Fusion geleistet wird?
Dean: Eines der interessanten Dinge, die meiner Meinung nach
in den letzten Jahren geschehen sind, ist das Auftauchen einer Reihe von
kleinen Unternehmen, die hauptsächlich durch private Gelder finanziert werden.
Ich denke, das geschieht, weil ITER den Menschen das Gefühl gibt, daß die
Kernfusion real ist, und ITER gibt den Menschen zu denken – daß es vielleicht
einen Weg gibt, es schneller oder billiger zu machen als das, was ITER kostet,
weil wir inzwischen alle dazugelernt haben. Wir haben jetzt also wirklich das
Phänomen von mehr als einem Dutzend dieser kleinen Unternehmen auf der ganzen
Welt. Die meisten von ihnen sind, glaube ich, in den Vereinigten Staaten, aber
es gibt auch welche in Europa und im Vereinigten Königreich – auch kleine
Unternehmen, die beträchtliche Geldsummen erhalten und sehr ehrgeizige Pläne
haben.
Eines davon ist zum Beispiel Tokamak Energy in Großbritannien, ein
Unternehmen des Privatsektors. Es ist eine Variante des Tokamak, kein
herkömmlicher Tokamak, sondern ein kleinerer, verbesserter Tokamak, ein so
genannter sphärischer Tokamak. Ich war im März dort, und sie haben bereits ein
Experiment aufgebaut, und sie haben bereits Pläne, darüber hinauszugehen. Und
das Culham-Labor in Europa hat auch ein solches Experiment, und sie arbeiten
alle zusammen.
In Princeton wird in ein paar Jahren tatsächlich ein größerer Tokamak
dieser Art, der sphärische Torus, in Betrieb genommen werden. Dieser
konkurriert mit dem konventionellen Tokamak, und derzeit hat die britische
Tokamak Energy in diesem Bereich die Nase vorn, was die Inbetriebnahme angeht.
Es gibt auch andere Unternehmen, die Konzepte verfolgen, die überhaupt
keine Tokamaks sind, wie TAE Technologies in den USA. Sie verwenden eine
Variante eines Konzepts, das Spiegelkonzept oder Konzept der Feldumkehr
genannt wird. Sie haben zwei Generationen von Maschinen gebaut, und sie
verfügen über eine gute Finanzierung. Sie haben Pläne, in den nächsten 10-15
Jahren ein Demonstrationskraftwerk auf den Markt zu bringen, das überhaupt
nicht wie ein Tokamak aussehen würde. Wissenschaftlich gesehen liegt es hinter
dem Tokamak zurück, und es liegt auch in seinen bisherigen Leistungen hinter
dem Tokamak zurück, aber es geht schnell voran und wird auf einer
physikalischen Grundlage gebaut, die es schon seit geraumer Zeit gibt.
Ich möchte noch erwähnen, daß der Tokamak und diese anderen Konzepte auf
der Tokamak-ähnlichen Physik oder der Spiegelphysik, der Physik des
Spiegeleinschlusses, basieren. Es gibt einen ganz anderen Ansatz für die
Fusion, den sogenannten Trägheitseinschluß, der hauptsächlich auf Lasern
basiert. Es gibt in Deutschland eine kleine Firma namens Marvel Energy, die
nach Möglichkeiten sucht, aus Entwicklungen und Durchbrüchen in der
Lasertechnik Kapital zu schlagen, um zu versuchen, das ganze Gebiet schneller
voranzubringen. Das basiert auf einigen der Arbeiten, die bei Lawrence
Livermore am größten Laser der Welt, der National Ignition Facility,
durchgeführt werden. Es gibt Programme in den USA, in Rochester und im
Marineforschungslabor, die dies unterstützen, aber es gibt in Deutschland in
Garching diese kleine Firma namens Marvel Energy, die all das nehmen und das
Ganze mit diesen Petawatt-Lasern, die nicht beim herkömmlichen
Trägheitseinschluß verwendet werden, schneller vorantreiben will.
Es sind also viele Innovationen im Gange, es gibt viele Fortschritte in all
den verschiedenen Bereichen. Wie ich schon sagte, gibt es ein Dutzend kleiner
Unternehmen. In den USA gibt es sogar eine Firma namens Zap Energy, die auf
eines der ersten Konzepte zurückgreift, das man in den 1950er Jahren bei der
Fusion ausprobierte, nämlich den sog. Pinch. Es sieht im Grunde genommen aus
wie eine Leuchtstoffröhre, aber statt ein paar Ampere Strom fließt eine
Million Ampere Strom durch die Röhre. Das war immer instabil, wenn man das
versuchte, aber sie haben die Idee, daß, wenn man den Pinch einfach nur ein
bißchen dreht, daß sie dann nicht oder zumindest nicht so schnell instabil
wird. Und vielleicht kann man dann genug Fusion herausholen. Das ist eine ganz
simple Idee, aber wenn es funktioniert und man es mit dieser Geometrie lange
genug stabil halten kann, dann ist es extrem einfach.
Eines der Dinge, nach denen die Stromversorgungsunternehmen suchen, sind
Technologien, die nicht so kompliziert sind, daß sie noch nie zuvor eingesetzt
wurden. Man muß herausfinden, wie sie auf einer sehr zuverlässigen Basis
funktionieren, damit sie monate- und jahrelang Strom erzeugen können, ohne daß
man viel Wartung durchführen muß.
Frage: Wenn wir die volle Finanzierung und Unterstützung des
US-Inlandsprogramms hätten, wie würde sich das auf den Zeitplan für die
Verwirklichung der Fusion auswirken?
Dean: Nun, in den Vereinigten Staaten würde es sich enorm
auswirken, denn wenn die Gelder in den von uns anvisierten Mengen ankommen
würden und auf den heutigen Dollar umgerechnet würden, würde das bedeuten, daß
der Kongreß und die US-Regierung sich wirklich dazu verpflichten, die dafür
notwendigen Einrichtungen schnell zu bauen. Wenn man die Einrichtungen baut,
die man braucht, und zwar schnell, und wenn man das Geld dafür hat, macht das
einen großen Unterschied im Zeitplan aus. Ich habe nach wie vor keinen Zweifel
daran, daß wir es in 15-20 Jahren schaffen könnten, wenn wir dieses Geld
bekommen.
Es gibt auch ein Managementproblem. Zur Zeit wird das Fusionsprogramm in
den USA als Wissenschaftsprogramm finanziert. Als wir beschlossen, zum Mond zu
fliegen, war die Astrophysik ein wissenschaftliches Programm. Aber um zum Mond
zu fliegen, mußte man eine ganze Infrastruktur und ein engagiertes Management
aufbauen. Was wir also zusätzlich zu dem Geld brauchen würden, wäre eine
Managementstruktur, die entschlossen ist, ein Kraftwerk fertig zu bringen.
Das gibt es im Denken der Fusions-Verwaltung im Energieministerium im
Moment nicht. Zusammen mit dem Geld bräuchte man entweder eine ganz neue
Agentur, oder das Energieministerium müßte eine ganz neue Abteilung
einrichten, um sich fest zu verpflichten, diese Sache bis zum Ende zu
managen.
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