Die Wissenschaftler müssen den Kontakt zur Gesellschaft suchen
Auszüge aus der Diskussion
Auf die Vorträge des zweiten Konferenzabschnitts folgte eine
ausführliche Diskussionsrunde, in der die Teilnehmer rund 90 Minuten lang auf
Fragen und Aussagen der anderen Referenten, der Moderatoren und aus dem
Publikum antworteten. Wir bringen Auszüge.
Dr. Kelvin Kemm: (...) Aus dem Vortrag von Dr. Pulinez schließe
ich, daß wir uns unseren Planeten anschauen müssen und uns viel in der Politik
unserer Gesellschaft anschauen müssen. Es besteht das Potential einer globalen
Abkühlung, dem stimme ich zu; es wird durch die Sonnenfleckenaktivität angezeigt.
Aber man muß feststellen, daß psychologischer und sozialer Druck ausgeübt wird,
Wind- und Solarenergie einzusetzen, angeblich um den Planeten vor Kohlendioxid zu
retten. Dennoch gibt es Anzeichen dafür, daß die geringe globale Erwärmung, die seit
der Zeit von Präsident Abraham Lincoln gemessen wurde, in Wirklichkeit
wahrscheinlich gar nicht auf das vom Menschen verursachte Kohlendioxid, sondern auf
die magnetische Aktivität auf der Sonne zurückzuführen ist. Die Wissenschaftler
müssen viel mehr den Kontakt der Gesellschaft als Ganzes suchen. Wir müssen die
Politiker zum Zuhören bewegen, und wir müssen versuchen, realistisch zu sein. Das
ist sehr schwierig.
Dr. Pulinez sprach zum Beispiel über den Trend hin zu Elektrofahrzeugen, und
meiner Meinung hat er völlig recht damit, daß die Herstellung eines Elektrofahrzeugs
wahrscheinlich mehr CO2 erzeugt, als wenn man einfach Benzin verwendet.
Und es gibt auch die soziologischen Folgen der Kinderarbeit in den Lithium-Minen,
den Kobalt-Minen und so weiter; und die werden nicht beachtet. Paul Driessen hat das
erwähnt, diese Kluft zwischen reichen Ländern und anderen Ländern.
Es ist einfach unvernünftig, den afrikanischen Ländern zu sagen, sie müßten in
einem archaischen Zustand bleiben, weil jemand in der Ersten Welt meint, alles zu
wissen, wobei das Kohlendioxid-Argument wohl ohnehin verdächtig ist. Er machte sehr
deutlich, daß die Menschen nicht begreifen, was vor sich geht. Zum Beispiel ist in
Afrika die Sterberate durch Malaria hoch, weil der Einsatz von DDT blockiert wurde.
Es gibt einen hohen Preis an Menschenleben. Die Politiker und die Soziologen und
solche Leute wie die Banker müssen den Wissenschaftlern mehr Aufmerksamkeit
schenken. Die Wissenschaftler können es ihnen vielleicht in verständlichen Worten
sagen und ihnen erklären, was wir brauchen.
Es gibt Lösungen mit der Kernkraft, und ich habe das Gefühl, daß die
Fusionsforscher im Moment die Speerspitze bilden. Aber dicht dahinter liegen die
praktischen Lösungen, die schon heute eingesetzt werden können, wie z.B.
Kugelhaufen-Reaktoren, gasgekühlte Reaktoren, die sich ideal für den Einsatz in
afrikanischen Ländern und vielen anderen Ländern der Welt eignen. Ich denke also, es
ist sehr wichtig, Dr. Pulinez’ Argument zu beachten, daß die Politik und die
Soziologie und die Wissenschaft sich zusammentun müssen, um angemessene Lösungen zu
finden.
Dr. Sergej Pulinez: Ich freue mich, daß das, wovon ich spreche,
eine gemeinsame Sprache mit Vertretern aus Afrika gefunden hat. Und ich habe
vergessen zu sagen, daß wir, wenn wir den gesamten Zyklus des Abbaus der Metalle für
die Akkus von Autos betrachten, mehr über deren Verwendung nachdenken sollten. Sie
wissen, daß all die kleinen Batterien, die wir in unseren Telefonen haben, nicht mit
dem normalen Abfall entsorgt werden können; man muß sie zu besonderen Sammelstellen
bringen. Stellen Sie sich nun vor, wie umfangreich eine Technologie sein muß, um
alle Batterien von Elektroautos zu bewältigen! Wir werden eine spezielle Industrie
für die abgelaufenen Akkus entwickeln müssen. Die Zahl dieser Autos wächst in einem
geometrischen Ausmaß, und das wird große Probleme für die Umwelt schaffen.
Warum ist Südafrika entwickelter als das übrige Afrika?
Frage aus dem Publikum: Wie kommt es, daß sich Südafrika einen so
ganz anderen Lebensstandard sichern konnte als andere Nationen in Afrika? Warum war
Südafrika in der Lage, Kernkraft zu entwickeln, während andere afrikanische Nationen
dazu nicht in der Lage waren? Ist es wegen der historischen wirtschaftlichen
Vorteile oder wegen eines bewußten Kampfes gegen supranationale Institutionen wie
den IWF und andere, die der Entwicklung Grenzen setzen wollen?
Dr. Kemm: Ich glaube, diese Frage ist schwer zu beantworten. Ein
Aspekt war natürlich, daß der Seeweg um das Kap seit dem Ende des 15. Jahrhunderts,
als portugiesische Entdecker auf ihrem Weg nach Indien erstmals das Kap umrundeten,
immer sehr wichtig war. Deshalb gab es rund um Kapstadt viele wirtschaftliche
Aktivitäten. Aufgrund dieser Bedeutung kamen die Briten, die Holländer und die
Franzosen her; alle möglichen Menschen kamen nach Südafrika...
Es gab eine sehr bunte Mischung von Menschen, was mit der Entdeckung des
Reichtums zu tun hatte. Ich glaube, das hat das Land weit nach vorne katapultiert.
In einigen afrikanischen Ländern, die tiefer im Landesinneren lagen, ist das nicht
passiert. Dann haben die Südafrikaner über die Jahre viel Initiative gezeigt; wir
waren häufig isoliert, und so fanden die Menschen ihre eigenen Lösungen.
Südafrika ist, soweit ich weiß, das drittälteste Nuklearland der Welt; wir waren
schon sehr früh dabei. Die South African Atomic Energy Corporation, der
Kernenergiekonzern, wurde 1948 gegründet. Die Atomenergiekommission in den USA wurde
1946 gegründet. Wir waren also nur zwei Jahre hinterher. Die Kernenergie wird hier
schon seit langer Zeit betrieben, und es gab einfach ein großes Interesse. Es gibt
auch noch eine Jugend-Nukleargesellschaft mit mehreren hundert jungen Menschen, die
in der Kernenergie eine Karriereoption sehen.
Ein Teil des Bildes heute ist der irrationale Angriff extremer grüner
Organisationen, die afrikanische Länder am Einstieg in die Kerntechnik hindern
wollen – nicht nur afrikanische Länder, sondern viele Länder –, angeblich, um den
Planeten zu retten. Aber es scheint überhaupt nicht der Fall zu sein, daß das von
der Menschheit produzierte Kohlendioxid tatsächlich das Problem ist, wie Dr. Pulinez
hervorgehoben hat.
Die Gesellschaft muß viel mehr auf die Wissenschaftler hören. Wir brauchen
Wissenschaftler, die mit der Gesellschaft reden. Es gibt hier eine traditionelle
Kluft. Wissenschaftler untereinander sprechen eine sehr technische Sprache. Manchmal
denken sie, daß sie die Sprache schon stark vereinfachen, wenn sie von der Ebene der
Doktoranden auf die Ebene von Studenten kurz vor dem Examen wechseln. Aber das ist
immer noch etwa vier oder fünf Jahre weiter als das, was der Durchschnittsbürger
verstehen kann. Und dann entscheiden weitgehend die Politiker und die Leute, die das
Geld haben, wie die Banker, wohin eine Gesellschaft geht.
Deshalb halte ich es für ungeheuer wichtig, daß die Wissenschaft der Gesellschaft
viel mehr erklären muß, was passiert – Dinge wie Tokamaks, Dinge wie Nuklearantriebe
für den Weltraum und so weiter. Das ist der Pionierbereich des Denkens, der uns
eines Tages Kernreaktoren an Land bringen wird, die Strom für die Straßenbeleuchtung
liefern. Solche Dinge werden die Gesellschaft voranbringen, und wir müssen das
richtig machen. Das ist wichtig.
Heute braucht Afrika dringend mehr Elektrizität, und man sagt ihnen, sie sollten
sich für Solar- und Windoptionen und ähnliches entscheiden, weil das angeblich gut
für den Planeten ist. Aber das ist schlicht und einfach falsch. Wie Paul Driessen
ausführte, bringt das die Menschen hier in Afrika um. Sie sterben, weil sie im
Inneren Afrikas keine Grundversorgung mit Elektrizität haben. Viele Länder dort sind
zum Beispiel nur zu 15% elektrifiziert. Es ist unmoralisch, ihnen zu sagen, daß sie
nicht mehr Strom haben dürfen.
Im Moment sieht es so aus, daß eine der besten Möglichkeiten dafür kleine
modulare Reaktoren verschiedener Typen sind, und der südafrikanische PBMR und eine
andere Variante, der HTMR-100, der ebenfalls hier entwickelt wurde – eine einfachere
Version des PBMR –, stellen Lösungen für Afrika und anderswo dar. Wir müssen also
diese Lösungen in die Praxis umsetzen.
Wir dürfen uns nicht bremsen lassen, weil die Politik anderer Leute uns
zurückhält. Ich denke, daß Länder wie Rußland – ich war mehrmals in Rußland – in
sozialer Hinsicht sehr ähnliche Probleme haben wie wir. Man sieht sie auch in
Südamerika, man sieht sie in Indonesien, man sieht sie in Indien. Es gibt viele
Länder, die sich in der gleichen Lage befinden. Es gibt in Südafrika sehr
fortgeschrittene Elemente der Ersten Welt, aber auf der anderen Seite gibt es
Menschen, die in Lehmhütten leben. Wir müssen diese Kluft überbrücken. Das ist die
Situation, mit der wir in vielen Teilen der Welt konfrontiert sind, und man muß sich
darum kümmern.
Billige Energie gegen die Kriegsgefahr
Dr. Peters griff die Frage der Bedeutung billiger Energie an nächsten Tag im
3. Konferenzabschnitt wieder auf.
Dr. Björn Peters: Ich möchte dem, was Dennis Small gerade gesagt
hat, noch etwas von größter Wichtigkeit hinzufügen. Zunächst einmal: Wir leben zwar
im Moment in einer relativ friedlichen Welt. Aber seit 30 Jahren werden fast alle
Kriege wegen Ressourcen geführt; bei den meisten davon ging es um Energieressourcen.
Es gab Ölkriege im Nahen Osten und fast überall Ressourcenkriege.
Der Trick, dies zu überwinden, ist tatsächlich billige Energie. Warum? Mit
billiger Energie kann man seine Ressourcen effizienter nutzen. Man kann zum Beispiel
vor Ort synthetische Kraftstoffe produzieren, wenn man über einen Überfluß an
billiger Energie verfügt. Das kann man sehr wirtschaftlich machen.
Der zweite Aspekt ist, daß Energie in der Physik das Gegenstück zur Entropie ist.
Entropie bedeutet Unordnung. Wir produzieren, unser gesamtes System basiert auf der
Erzeugung von Abfall. Aber wenn wir billige Energie haben, können wir den Abfall
nutzen und alle Rohstoffe, die sich darin befinden, extrahieren. Solange Energie
teuer ist, werden wir das nicht tun.
Beide Aspekte sind also enorm wichtig, und das ist etwas, was wir in unserer
Generation und in den nächsten Jahrzehnten wirklich lösen müssen.
Wir sollten auch nicht zu sehr auf die Gewinnung von mehr Kohle setzen. Ich kenne
das Beispiel des zentralafrikanischen Kongo (DRK), wo 90% der Energie aus Holzkohle
kommt; das ist dort die billigste Lösung. Das bedeutet, daß die Leute in die Wälder
gehen und die Bäume fällen und die natürlichen Ressourcen vernichten, die wir für
den Artenschutz brauchen.
So hängt alles von billiger Energie ab, und das ist etwas, was wir wirklich in
unserer Generation lösen müssen.
Wo wäre Afrika mit Kernfusion?
Ross: Ich habe eine Frage an Dr. Kemm: Wenn man die Fusion in den
90er Jahren verwirklicht hätte, wie würde Afrika heute aussehen?
Dr. Kemm: Ich denke, wenn man die Fusion verwirklicht hätte, dann
wären wir natürlich in der Lage gewesen, unglaublich billigen Strom in großen Mengen
zu produzieren. In Südafrika ist die Kernkraft heute bei weitem die billigste
Energie, aber es gibt politischen Widerstand dagegen.
Aber wenn die Kernfusion beispielsweise in den 90er Jahren so zustande gekommen
wäre, daß sie wirtschaftlich rentabel gewesen wäre, und man könnte sie einsetzen, wo
immer man will, und sich Brennstoff besorgen, der praktisch aus dem Meerwasser
stammt – dann wären sicher die Probleme gelöst worden, und wir hätten sehr billigen
Strom.
Das sollte ein Ziel sein, um zu versuchen, so billig wie möglich Strom zu
bekommen, der so breit wie möglich verteilt werden kann. Denn das ermöglicht es den
Menschen, nachzudenken und Lösungen zu finden, um die gesellschaftlichen Probleme,
die wir haben, zu lösen.
Aber wenn jetzt, wie Paul Driessen sagte, Menschen daher kommen und sagen, im
Interesse des Planeten werden wir die Entwicklung bremsen, dann führt das nur dazu,
daß noch viel mehr Menschen sterben.
Ich glaube sogar, wenn in Afrika viel mehr Kohlekraftwerke gebaut würden, würde
das die CO2-Emissionen reduzieren. Das klingt wie eine verkehrte
Welt. Aber der Grund dafür ist, daß es Zigtausende von Menschen gibt, die vor
provisorischen Behausungen Feuerstellen haben und nur Holz, Holzkohle, Dung und
alles, was ihnen in die Hände fällt, verbrennen. Das verursacht viel mehr
Luftverschmutzung und viel mehr CO2 als ein kontrolliertes,
hocheffizientes Kohlekraftwerk.
Man muß sich wissenschaftlich damit befassen, was die Lösungen für die Menschheit
sind, und wir sollten überall Anregungen geben, einschließlich der Physik der
Tokamak-Entwicklung und der ringförmigen Anlagen der einen oder anderen Art, und
Kernfusion und so weiter. Denn es ist diese Spitzenwissenschaft, die schließlich zur
wirtschaftlich lebensfähigen Wissenschaft wird, die in alltägliche Geräte einfließt.
Deshalb müssen wir das alles fördern.
Ross: Die gesamte Plattform der Elektrifizierung. Wenn man einmal
vom CO2 absieht und von Luftverschmutzung in Bezug auf die unmittelbare
Auswirkung auf die menschliche Gesundheit spricht, dann reduziert der Bau von
Kohlekraftwerken in Gebieten, die nicht über Elektrizität verfügen, natürlich die
Luftverschmutzung. Jedenfalls die Luftverschmutzung für jeden persönlich. Wenn man
das mit einem offenen Feuer im eigenen Haus vergleicht – das ist schon eine Menge
Luftverschmutzung!
Dr. Kemm: Deshalb ist die Kernenergie eine Lösung für Afrika. Es
gibt zu viele Menschen, die nur die großen Reaktoren als etwas für die
fortgeschrittene Erste Welt sehen, und das ist nicht der Fall. Man kann
Kugelhaufen-Reaktoren bauen, kleine modulare Reaktoren von 100 MW bis hinunter zu 10
MW – es gibt Konstruktionen für 1 MW. Ich glaube, daß es zum Beispiel auf dem Mars
Atomkraft geben wird. Es gibt keine andere Alternative. Wir sollten also auf kleine
Reaktoren setzen und verstehen, daß die Zukunft der Kernkraft gehört.
Ich bin überzeugt, daß man in 100 oder 200 Jahren den Kindern beibringen wird:
„Schon Anfang der 2000er Jahre, als die Menschheit sich über den Übergang zur
Kernenergie noch nicht sicher war...“ Genauso, wie wir heute ein Jahrhundert
zurückblicken und sagen: „Gütiger Himmel! Pferdefuhrwerke in London und ähnlichen
Orten mußten Straßenbahnen und Autos weichen!“ Damals galt das als verrückte
Phantasterei. Auch daß Segelschiffe aus Holz von Dampfschiffen abgelöst werden. All
das bedeutete zu jener Zeit massive Veränderungen für die Psychologie der
Gesellschaft. Ich glaube, heute sind wir wieder mittendrin in so etwas. Wir befinden
uns in einer Psychologie, in der wir verstehen müssen, daß Kernkraft die richtige
Antwort ist.
So stellt man zum Beispiel fest, daß falsche Eindrücke auf der ganzen Welt
verbreitet sind. Sehen Sie sich Fukushima an. In Fukushima ist kein einziger
Mensch durch nukleare Strahlung gestorben; kein Mensch wurde durch nukleare
Strahlung geschädigt. Kein Privateigentum wurde durch nukleare Strahlung geschädigt.
Menschen starben wegen der Evakuierung, weil sie Herzinfarkte bekamen, als man sie
zwang, hastig ihre Häuser zu verlassen. Aber niemand starb durch nukleare Strahlung.
Fukushima war also kein Nuklearunfall; es war ein konventioneller Industrieunfall,
wie er sich in der Ölraffinerie nebenan oder auf dem Flughafen, im Einkaufszentrum
und an vielen anderen Stellen ereignen kann.
Mit Tschernobyl ist es dasselbe. Die Gesamtzahl der Todesopfer in Tschernobyl lag
bei etwa 50. Aber die Zahlen, die in manchen Kreisen um die Welt gehen, sprechen von
Tausenden und sogar Millionen. Die Psychologie, die aufgebaut wurde, um Stimmung
gegen die Kernenergie und praktisch gegen den Fortschritt überhaupt zu machen, ist
enorm. Dr. Pulinez hat diese Dinge oft erwähnt.
Ich habe mit vielen hochrangigen Politikern und Bankern gesprochen, und hinterher
war ich häufig entsetzt über ihr Unwissen. Dann frage ich mich: „Was haben wir denen
eigentlich erzählt?“ Man trifft Banker, die nicht die leiseste Ahnung haben, wie
Atomkraft funktioniert. Sie lesen vielleicht etwas Vages darüber in Fair Lady
oder Vogue oder ähnlichem, aber sie wissen wirklich wenig. Diese Kluft wird
immer größer. Die Kluft zwischen jemandem, der über ringförmige Kernfusionsanlagen,
Tokamaks und so weiter redet und dann mit jemandem in der Kneipe an der Ecke darüber
spricht - die Kluft ist riesig. Wir müssen dieses Problem angehen, sonst kommt es zu
einer Panikreaktion. Die Leute sagen: „Ich verstehe das nicht, also bin ich dagegen.
Wir müssen das verhindern.“ Das dürfen wir nicht zulassen, also müssen wir viel mehr
mit den Leuten reden und ihnen ein Verständnis dafür bringen, was vor sich geht.
Die Nuklearmedizin wurde bereits erwähnt. Südafrika exportiert Nuklearmedizin in
die ganze Welt, in über 60 Länder. Auch dort bekommen viele Menschen Angst, wenn man
den Menschen sagt: „Ich möchte Ihnen gezielt radioaktives Material injizieren.“ Man
muß ihnen vorher erklären, daß es sehr schwach ist, daß alles innerhalb weniger Tage
verschwindet und daß es von großem Nutzen ist. Aber das derzeitige Gesundheitssystem
macht das nicht einfach. Die Methode kann sehr leicht eingesetzt werden, und wo es
funktioniert, funktioniert es außerordentlich gut.
Aber wir müssen wirklich hinausgehen und eine viel größere Kampagne durchführen,
um den Menschen zu erklären, warum diese Dinge so wichtig sind und warum sie an sie
glauben müssen und an die Wissenschaftler glauben müssen, die wissen, was Sie tun –
wie Sie, die Sie heute hier sind. Aber es ist schwierig, normale Menschen dazu zu
bringen, zu verstehen, was vor sich geht.
Austausch zwischen Wissenschaftlern und der Jugend
Frage eines jungen Menschen aus der Bronx, New York: Ich möchte
vorschlagen, daß wir ein Podium wie dieses für junge Leute veranstalten, das mehrere
Stunden lang sein kann, nur zu dieser Frage der Energie und der Richtung der
Zukunft. Ich habe über die Idee eines Space Civilization Construction Corps
gesprochen, d.h. Weltraum-Forschungszentren, die in der Bronx, wo ich lebe, und in
anderen armen Gegenden aufgebaut werden sollten. Das sollte man auf der ganzen Welt
tun. Aber dazu müssen junge Menschen sich mit vielen von Ihnen auf eine
Zoom-Plattform zusammensetzen und Fragen stellen. Werden Sie das tun?
Dr. Kemm: Ja, auf jeden Fall. Das ist genau das Richtige, was man
tun muß. Das sage ich schon immer, und ich bin ziemlich viel herumgegangen, habe
Schulen und ähnliche Einrichtungen besucht und mit Leuten gechattet. Man trifft
dabei auf einige sehr wohlmeinende Menschen, die aber unglaublich fehlgeleitete
Vorstellungen haben. Dabei wollen sie gar nicht negativ sein; es ist nur so, daß sie
Dinge, die wir für selbstverständlich halten, nicht verstehen, und deshalb zu so
unglaublich falschen Schlußfolgerungen kommen. Manche Leute glauben, Strahlung sei
so etwas wie Honig, der von einem Tisch auf den Boden tropft, oder so etwas. Man
versucht, ihnen zu erklären, daß sie immer in geraden Linien verläuft. So etwas habe
ich tatsächlich erlebt, und es gibt noch viel mehr. Es ist unglaublich, was Laien
denken. Man fragt sich: „Hat ihnen überhaupt jemand einmal die Wahrheit gesagt?“
Keiner tut es.
Also, ich bin sicher, es ist sehr wichtig für diese jungen Leute, das zu
begreifen. Denn was sehen wir auf der anderen Seite, etwa bei den extremen Grünen?
Um es ganz offen zu sagen: Man sieht da Schulkinder, die auf der Straße marschieren
und sagen, daß sie nicht so lange leben werden, wie die Lebenserwartung ihrer
Generation ist, weil die Erde kaputtgehen wird, und so weiter. Es gibt also eine
Menge solcher Probleme.
Ich glaube, der Fortschritt im Weltraum wird viel schneller vonstatten gehen, als
wir denken. Schauen Sie sich die SpaceX-Raketen an, die jetzt gestartet werden –
etwa alle zehn Tage wird eine gestartet. Sie wurde so gebaut, daß sie wieder landen
kann. Wenn vor einigen Jahren jemand gesagt hätte: „Stellen Sie sich eine Rakete
vor, die vertikal abhebt, den ganzen Weg in den Weltraum zurücklegt und dann umkehrt
und auf ihren eigenen Beinen an der Stelle landet, von der sie gestartet ist.“ Dann
hätten Sie gesagt: „Nein, das ist Science-Fiction, das wird nicht passieren.“ Aber
es ist passiert.
Der Mars Starliner hat jetzt ein paar Testflüge gemacht. Er kommt zurück und
landet. Er wird zum Mars fliegen, und er ist so konzipiert, daß er viele Menschen
befördern kann. Ich denke, wir werden in Nullkommanichts eine Marsbasis sehen. Ich
denke, wir werden es erleben, daß es Bergbau auf dem Mond gibt; es wird Bergbau auf
Asteroiden geben. Die Gasriesen könnten Helium-3 liefern. Ich bin überzeugt, daß
viele solche Dinge geschehen werden.
Denken Sie nur ein paar Jahre zurück, bevor Sie GPS auf Ihrem Mobiltelefon
hatten, wenn da jemand gefragt hätte: „Wissen Sie etwas über GPS?“ Ich wußte davon,
als ich Student war, aber damals waren das nur Flugzeugträger mit Antennen von zwei
Metern Durchmesser, die auf Satelliten ausgerichtet waren, mehrere Millionen Dollar
teure Anlagen für Flugzeugträger. Wenn jemand gesagt hätte: „Ihr könnt bald alle GPS
in eurem Auto haben“, dann hätte ich geantwortet: „Nein, das ist unmöglich. Das wird
man niemals schaffen, das ist einfach unsinnig.“ Aber wir tun es heute.
E-Mails und so weiter und so fort: Es ist unglaublich, was wir heute als
alltäglich erleben, was der Mann auf der Straße noch vor ein paar Jahren für
völligen Unsinn hielt. Wir als Wissenschaftler wissen, daß es in nicht allzu ferner
Zukunft, in den nächsten fünf bis zehn Jahren, andere Dinge geben wird, die jetzt
völlig unsinnig erscheinen – ganz zu schweigen davon, was es in 20-30 Jahren geben
wird. Manches davon halten wir heute für unmöglich. Noch ein Grund mehr, die
Forschung über Fusion, Tokamaks, ringförmige und alle möglichen anderen Anlagen und
alle möglichen Wege wie diesen fortzusetzen. Denn es werden Dinge geschehen, die Sie
sich heute einfach nicht vorstellen können.
Also, ja, wir müssen uns mit jungen Leuten unterhalten und sagen: „Versucht, eure
Vorstellungskraft zu nutzen, um zu verstehen, was wir möglicherweise alles in
Vorbereitung haben. Denn es ist da, es wird kommen.“
Dr. Bigot: Um darauf zu antworten, was der junge Mann aus der Bronx
sagte: Ich glaube, daß wir viel umfassendere Bildungsanstrengungen brauchen. Und die
neuen elektronischen Geräte bieten uns eine einzigartige Chance, die Ideen der
Menschen, die jetzt für die Entwicklung von Forschung zur Vorbereitung der Zukunft
der Welt verantwortlich sind, direkt mit der jungen Generation zu teilen. So können
wir sie motivieren – wie gerade vor ein paar Minuten gesagt wurde –, die
Wissenschaft als einen echten Gewinn für die Welt zu betrachten, um die Probleme,
mit denen wir konfrontiert sind, überwinden zu können. Deshalb freue ich mich, daß
alle Redner heute vier Stunden ihrer Zeit zur Verfügung stellen, um Fragen aus der
Öffentlichkeit zu beantworten. Vielleicht wird das weithin ausgestrahlt und schafft
neue Motivation.
Als Teil der ITER-Organisation erhalte ich viele Anfragen aus der jüngeren
Generation. Jede Woche wähle ich einen oder zwei davon aus und biete einen
15-minütigen Skype-Anruf mit mir an. Ich kann sagen, daß diese Anrufe gewöhnlich
hochinteressant sind.
Dr. Dean: Ich möchte nur hinzufügen, daß man Bernard gratulieren
muß. Er steckt mitten in einer sehr schwierigen Aufgabe mit der Bauleitung, und
dennoch zeigt er soviel Bereitschaft, darüber hinauszugehen und jungen Menschen
durch seine Praktikumsprogramme und verschiedene andere Dinge, wie er sie gerade
beschrieben hat, Chancen zu eröffnen.
Abschließend möchte ich sagen, daß ich die paar Stunden, die wir hier zusammen
verbracht haben, sehr genossen habe. Hoffentlich können wir künftig alle etwas enger
in Verbindung bleiben.
Dr. Paluszek: Ich halte es für wichtig, daß junge Menschen sich mit
Wissenschaft und Technik befassen. Es ist die Pflicht von allen, die Forschung und
Entwicklung in diesem Bereich betreiben – so wie wir alle –, dafür zu sorgen, daß
dies geschieht. Wir stellen viele Praktikanten ein, und wir merken, daß Praktikanten
eine große Quelle für Enthusiasmus und oft für wirklich großartige Ideen sind. Wir
gehen an Grundschulen und Mittelschulen, das ist alles eine ausgezeichnete Sache.
Generell ist es wichtig, dafür zu sorgen, daß die Menschen aufgeklärte Verbraucher
der Informationen sind, die sie erhalten – damit sie Entscheidungen treffen können,
damit sie Technologien oder allgemein Dinge unterstützen können, die gut für die
Gesellschaft sind. Und daß sie in der Lage sind, ihre eigenen Entscheidungen zu
treffen, weil sie alle Informationen erhalten.
Dr. Pulinez: Ich pflichte Professor Kemm bei; wir sollten junge
Menschen stärker in die Wissenschaft einbeziehen. Wir sollten diese Ideen den jungen
Menschen nahe bringen. Sie müssen verstehen, was wir vorschlagen. Das ist das
erste.
Zweitens haben wir über Energie gesprochen, darüber, wie wir das menschliche
Leben auf unserem Planeten versorgen können. Wir sehen die Perspektive für die
Fusion erst in der Mitte dieses Jahrhunderts, und wir haben darüber diskutiert, was
in diesen 30 Jahren von heute bis zur Mitte des Jahrhunderts zu tun ist. Auch in
diesem Punkt möchte ich Dr. Kemm beipflichten. Die Kernenergie ist die einzig
mögliche Alternative zu thermischen Kraftwerken und zur Nutzung von Öl, Kohle und so
weiter. Diese Technologie ist sicher und wird die Energie für verschiedene Länder
liefern, besonders für Afrika, das diese Energie braucht.
Und schließlich sollten wir eine breitere wissenschaftliche Zusammenarbeit wie
ITER entwickeln. Es gibt viele Bereiche für eine solche Zusammenarbeit in der
Physik, Medizin, Raumfahrt und so weiter. Wir sollten als eine Kraft wirken, die
diese breitestmögliche internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit organisiert.
Ich danke Ihnen vielmals.
Ross: Ich bin sehr glücklich über die Anfrage unseres Jugendlichen
in der Bronx, ich bin gerne bereit, auf jede erdenkliche Weise dabei zu helfen.
Schauen Sie, vor 50-60 Jahren, in den 1960er Jahren, ist etwas sehr Schlimmes
passiert – mit der Ermordung von Präsident John Kennedy, der Ermordung anderer
Staatsmänner und der Schaffung eines totalen Kulturwandels: eine Projektion der
Vergangenheit, wovon einiges richtig war, aber vieles nicht – eine Tendenz, zu
denken, daß wirtschaftliche Entwicklung ein Problem ist, daß die Erde in
dramatischer Weise gefährdet ist und daß der Weg, das in Ordnung zu bringen, darin
besteht, den technischen Fortschritt zu bremsen. Daß die Wissenschaft Probleme
schafft oder die Entwicklung Probleme schafft.
Tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall. Kelvin Kemm hat das angesprochen,
die Verwendung von Dung und was sonst noch als Brennstoff, das ist sehr schlecht für
die lokale Umwelt in Ihrem Haus, wenn Sie mittendrin Holz verbrennen. Die
schlimmsten Bedingungen, wie sie Paul Driessen in Bezug auf die Rohstoffgewinnung
beschrieben hat, für Kinder, die im Kobalt-Bergbau arbeiten, die schlechten
Bedingungen dabei im Kongo. Das sind relativ arme Gebiete. Dagegen findet man in
Gebieten, die weiter entwickelt sind, im allgemeinen eine viel sauberere und viel
bessere Lebenssituation vor.
Die Idee des Fortschritts wurde regelrecht gekidnappt, weg von dem, was er in den
1940er und 50er Jahren bedeutete – nämlich den Menschen Energie zu bringen, den
Bauernhöfen elektrischen Strom zu geben, der Welt die Elektrizität zu bringen, den
Kolonialismus und Imperialismus am Ende des Zweiten Weltkriegs zu beenden. Präsident
Franklin Roosevelt hatte nicht die Absicht, das Nazi-Imperium und das japanische
Imperium zu besiegen, nur damit das Britische Imperium einfach weitermacht. Er war
völlig dagegen. Er sagte: „Wir werden all diese Kolonien befreien – auch eure, Herr
Winston Churchill.“
Wenn man jetzt sagt: „Wir sind zu weit gegangen, gehen wir zurück“, dann hat dies
vor allem für die ärmsten Menschen in Amerika und auf der ganzen Welt zur Folge, daß
ihnen Energiequellen vorenthalten werden, die ihr Leben viel besser machen können.
Das ist gewissenlos und wir dürfen es nicht dulden.
Es ist großartig, wenn man bei großen Vorhaben wie ITER eine internationale
Zusammenarbeit bewerkstelligt. Das sollten wir auf vielen weiteren Ebenen tun.
Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative, die Helga Zepp-LaRouche im ersten
Konferenzteil beschrieben hat – der große Vorstoß in Richtung Zusammenarbeit und
Infrastruktur mit den Nachbarn: Wo ist dieser Sinn für den großangelegten Ausbau der
Infrastruktur in Amerika oder in Europa heute geblieben? Wir haben das nicht mehr
wie früher, dabei würden wir so von diesen Großprojekten profitieren, wie von einer
dramatischen Erhöhung der Mittel für die Forschung, für die Raumfahrt.
Der Optimismus, der dann entsteht, wenn man neue Durchbrüche sieht, wenn man alle
die neuen Entwicklungen sieht, wenn man sieht, daß die Armut von Jahr zu Jahr auf
der ganzen Welt mehr beseitigt wird – das wird Balsam für die Seelen sein. Und ich
denke, das ist ein sehr wichtiges Element, um uns wieder den Sinn für das zu geben,
was uns menschlich macht: die gemeinsame Fähigkeit, das Leben buchstäblich jedes
einzelnen Menschen auf der Welt zu verbessern. Das ist wirklich die Richtung, in die
wir arbeiten müssen, gegen diese momentan geförderte Tendenz, die Identität der
Menschen in immer kleinere Einheiten zu zerbrechen, nach Mikro-Aggressionen zu
suchen, all diese Dinge, die wir nur zu gut kennen.
Das wird unter anderem möglich durch ein Bildungssystem, das zu wenig Wert darauf
legt, Entdeckungen nachzuerleben, sondern bei dem mehr im Mittelpunkt steht,
Menschen mit unzähligen Tests zu beurteilen. Menschen werden danach beurteilt, ob
sie die richtige Antwort auf Fragen kennen, aber sie haben nicht wirklich die Zeit
oder die Freiheit, zu sagen: „Laßt uns eine Entdeckung gründlich durchgehen und sie
neu machen. Wie hat Eratosthenes entdeckt, daß die Erde rund ist, und wie hat er sie
vermessen? Wie hat er das vor Tausenden von Jahren geschafft? Laßt uns das jetzt in
unserer Schule machen, zusammen mit einer anderen Schule.“ Das ist etwas, das jedes
Kind erfahren sollte.
Ist der Satz des Pythagoras wahr? Die Geometrie ist nicht schwierig, aber sie
wird so gut wie nie durchgearbeitet, deshalb haben die Leute einfach die Gewohnheit,
zu glauben, sie wüßten etwas, obwohl sie es in Wirklichkeit gar nicht wissen. Das
wirkliche Problem dabei ist: Wir brauchen die Bekanntschaft mit dem
Entdeckungsprozeß an sich, das müssen wir wirklich bei den jungen Menschen pflegen,
damit es eine möglichst fruchtbare nächste Generation von Wissenschaftlern und
Denkern und Menschen gibt, die in der Lage sind, zu verstehen und wertzuschätzen,
was wir als Menschen auf diesem Planeten alle gemeinsam haben und was uns von den
Tieren unterscheidet.
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