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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Papst Franziskus fordert Schuldenerlaß und Ende von Sanktionen und Kriegen

Papst Franziskus hat seine Osterbotschaft anläßlich des „Urbi et Orbi“-Segens dazu genutzt, weitreichende Änderungen der Politik als Konsequenz der Corona-Krise zu fordern.

In seiner Ansprache, die in 170 Länder in aller Welt live übertragen wurde, richtete er zunächst tröstende Worte an alle, die unmittelbar vom Coronavirus betroffen sind, und wünschte „Ärzten sowie den Krankenschwestern und Pflegern, die überall ein Zeugnis der Fürsorge und Liebe für ihren Nächsten bis zur Erschöpfung und nicht selten bis zum Opfer der eigenen Gesundheit ablegen“, Kraft und Hoffnung. Er dankte ihnen „und allen, die sich eifrig für die Gewährleistung aller Dienste einsetzen, die zum gesellschaftlichen Zusammenleben notwendig sind, den Ordnungskräften und dem Militär, die in vielen Ländern dazu beigetragen haben, die Schwierigkeiten und Leiden der Bevölkerung zu lindern“.

Dann wandte er sich direkt an alle politisch Verantwortlichen; wir zitieren:

    „In diesen Wochen hat sich das Leben von Millionen von Menschen schlagartig verändert. Für viele war der Aufenthalt zu Hause eine Gelegenheit nachzudenken, in der Hektik des Lebens innezuhalten, mit ihren Lieben zusammen zu sein und ihre Gesellschaft zu genießen. Für viele ist es aber auch eine Zeit der Sorge um eine ungewisse Zukunft, den drohenden Verlust eines Arbeitsplatzes und die anderen Folgen, die die gegenwärtige Krise mit sich bringt.

    Ich ermutige alle politisch Verantwortlichen, sich aktiv für das Gemeinwohl der Bürger einzusetzen und die Mittel und Geräte bereitzustellen, die notwendig sind, um allen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und dann, wenn es die Umstände erlauben, ihnen zu helfen, ihre gewohnten täglichen Aktivitäten wiederaufzunehmen.

    Diese Zeit erlaubt keine Gleichgültigkeit, denn die ganze Welt leidet und muß sich bei der Bekämpfung der Pandemie zusammenschließen. Der Auferstandene schenke den Armen und allen, die am Rande der Gesellschaft leben, den Flüchtlingen und Obdachlosen, Hoffnung. Mögen diese schwächsten Brüder und Schwestern, die die Städte und Randgebiete in allen Teilen der Welt bevölkern, nicht auf sich allein gestellt sein. Lassen wir nicht zu, daß es ihnen an den lebensnotwendigen Dingen fehlt, die jetzt aufgrund der vielen Schließungen nur schwer zu finden sind, ebenso wie auch Medikamente und eine angemessene Gesundheitsversorgung.

    Angesichts der Umstände sollten auch die internationalen Sanktionen gelockert werden, die es den betreffenden Ländern unmöglich machen, ihre Bürger angemessen zu unterstützen. Alle Staaten sollten in die Lage versetzt werden, die notwendigsten Maßnahmen in Angriff zu nehmen, indem die Schulden, welche die Bilanzen der ärmsten Länder belasten, teilweise oder sogar ganz erlassen werden.

    Diese Zeit erlaubt keinen Egoismus, denn die Herausforderung, vor der wir stehen, ist uns allen gemeinsam und macht keine Unterschiede. Bei den vielen Gebieten der Welt, die vom Coronavirus betroffen sind, kommt mir eigens in Bezug auf Europa folgender Gedanke. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte dieser Kontinent wieder neu erstehen, weil ein konkret spürbarer Geist der Solidarität es ermöglichte, die Rivalitäten der Vergangenheit zu überwinden. Umso dringender ist es, gerade unter den heutigen Umständen, daß diese Rivalitäten nicht wieder aufleben, sondern daß sich alle als Teil einer Familie erkennen und sich gegenseitig unterstützen. Die Europäische Union steht heute vor einer epochalen Herausforderung, von der nicht nur ihre Zukunft, sondern die der ganzen Welt abhängt. Laßt uns nicht die Gelegenheit versäumen, einen weiteren Beweis der Solidarität zu erbringen, auch wenn wir dazu neue Wege einschlagen müssen. Als Alternative bleibt sonst nur ein Egoismus der Einzelinteressen und die Versuchung, in die Vergangenheit zurückzukehren, und das Risiko in Kauf zu nehmen, daß das friedliche Zusammenleben und die Entwicklung künftiger Generationen auf eine harte Probe gestellt werden.

    Diese Zeit erlaubt keine Spaltungen. Möge Christus, unser Friede, diejenigen erleuchten, die in den Konflikten Verantwortung tragen, sodaß sie den Mut haben, dem Aufruf zu einem globalen und sofortigen Waffenstillstand in allen Teilen der Welt zu folgen. In dieser Zeit ist es unangebracht, weiter Waffen zu produzieren und damit Handel zu treiben und Unsummen auszugeben, die man eigentlich bräuchte, um Kranke zu heilen und Menschenleben zu retten. Es ist hingegen an der Zeit, endlich den langen und blutigen Krieg im geschätzten Syrien zu beenden. Der Konflikt im Jemen und die Spannungen im Irak sowie im Libanon müssen endlich ein Ende haben. Dies ist hoffentlich auch der Zeitpunkt, an dem Israelis und Palästinenser endlich wieder den Dialog aufnehmen, um eine stabile und dauerhafte Lösung zu finden, die beiden ein Leben in Frieden ermöglicht. Das Leid der Menschen in der Ost-Ukraine muß aufhören. Man setze den Terroranschlägen, die gegen so viele unschuldige Menschen in verschiedenen Ländern Afrikas verübt wurden, ein Ende.

    Diese Zeit erlaubt kein Vergessen. Die Krise, in der wir uns augenblicklich befinden, lasse uns nicht die zahlreichen anderen Nöte vergessen, unter denen viele Menschen leiden. Der Herr des Lebens zeige den Menschen in Asien und Afrika seine Nähe, die schwere humanitäre Krisen durchmachen, wie etwa in der Region Cabo Delgado im Norden Mosambiks. Er erwärme die Herzen der vielen Menschen, die aufgrund von Krieg, Dürre und Hungersnot auf der Flucht sind und vertrieben wurden. Er beschütze die vielen Migranten und Flüchtlinge, unter denen sich zahlreiche Kinder befinden und die unter unerträglichen Bedingungen leben, insbesondere in Libyen und an der griechisch-türkischen Grenze. Und ich möchte auch die Insel Lesbos nicht vergessen. Er ermögliche, daß man in Venezuela konkrete und sofortige Lösungen findet, die darauf abzielen, internationale Hilfe für die Bevölkerung zu ermöglichen, die unter der schweren politischen, sozioökonomischen und gesundheitlichen Situation leidet.“

Den vollständigen Wortlaut seiner Ansprache finden Sie auf der Internetseite des Vatikan unter:
http://www.vatican.va/content/francesco/de/messages/urbi/documents/papa-francesco_20200412_urbi-et-orbi-pasqua.html