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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Für eine bessere Zukunft

Vorgeschlagene Prinzipien, die für friedliche und produktive Beziehungen
zwischen den Vereinigten Staaten und China notwendig sind

Von Botschafter Huang Ping,
Generalkonsul der Volksrepublik China in New York

Botschafter Huang Ping übermittelte der Konferenz die folgende Videobotschaft. Sie wurde für den Abdruck aus dem Englischen übersetzt, die Zwischenüberschriften von der Redaktion hinzugefügt.

Meine Damen und Herren,

es ist mir eine große Freude, an dieser vom Schiller-Institut veranstalteten Videokonferenz teilzunehmen. Wir treffen uns zu einer herausfordernden Zeit, in der die COVID-19-Pandemie den Globus verwüstet. Viele Familien haben unter dieser Krankheit gelitten und Angehörige verloren. Unzählige Mitarbeiter des Gesundheitswesens kämpfen an vorderster Front gegen das Virus. Zu Beginn möchte ich allen vom Unglück geplagten Familien mein tiefes Beileid und denen, die in dieser äußerst schwierigen Zeit noch immer Ämter bekleiden, meine hohe Anerkennung aussprechen.

China gehörte zu den ersten Ländern, die von COVID-19 hart getroffen wurden. Unter dem plötzlichen Angriff des unbekannten Feindes waren die chinesische Regierung und das chinesische Volk unerschrocken und reagierten entschlossen. Seit Beginn des Ausbruchs haben wir das Wohlergehen des Volkes ganz in den Mittelpunkt gestellt. Wir handeln nach dem allgemeinen Grundsatz, das Vertrauen zu vertiefen, die Einheit zu stärken, eine wissenschaftlich fundierte Kontrolle und Behandlung sicherzustellen und gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Wir haben das ganze Land mobilisiert, kollektive Kontroll- und Behandlungsmechanismen eingerichtet und mit Offenheit und Transparenz gehandelt.

Was wir führten, war ein Volkskrieg gegen das Virus. Mit harten Anstrengungen und unter großen Opfern gelang es China, als eines der ersten Länder den Ausbruch einzudämmen. Die Ansteckung innerhalb des Landes wurde weitgehend gestoppt. Die bestätigten Fälle sind auf etwa tausend zurückgegangen, und bei den täglich noch einigen Dutzend neuen Fällen handelt es sich hauptsächlich um importierte Fälle.

Inzwischen ist es China gelungen, in seiner Wirtschaft und Gesellschaft Schritt für Schritt wieder eine normale Ordnung herzustellen. Im ganzen Land haben 98,6% der großen Industriebetriebe die Produktion wieder aufgenommen, und im Durchschnitt sind 89,9% der Beschäftigten bereits wieder erwerbstätig – eine bedeutende Kraft, um die Weltwirtschaft wieder auf den richtigen Weg zu bringen.

China leistet tatkräftige Hilfe

Seit dem Ausbruch von COVID-19 beteiligt sich China in offener, transparenter und verantwortungsvoller Weise aktiv an den weltweiten Bemühungen zur Bekämpfung der Krankheit. China hat die WHO rechtzeitig auf den neuesten Stand gebracht, die Genomsequenz des Virus veröffentlicht und seine Erfahrungen mit der Prävention und Behandlung vorbehaltlos weitergegeben. Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen Hilfe angeboten, was von der WHO und der internationalen Gemeinschaft weithin anerkannt wurde. Präsident Xi Jinping führte Telefongespräche mit 29 Staats- und Regierungschefs und Vorsitzenden internationaler Organisationen und nahm am außerordentlichen G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs zu COVID-19 teil. Premierminister Li Keqiang telefonierte auch mit mehreren ausländischen Staatsführern und nahm am Sondergipfel der ASEAN Plus Drei zu COVID-19 teil. Zwischen dem 1. März und dem 10. April exportierte China rund 7,12 Milliarden Schutzmasken, 55,57 Millionen Schutzanzüge, 3,59 Millionen Infrarot-Thermometer, 20.100 Beatmungsgeräte und 13,69 Millionen Schutzbrillen. Bis zum 12. April haben wir 14 medizinische Expertengruppen in zwölf Länder entsandt, und die chinesischen Medizinexperten hielten 83 Videokonferenzen mit ihren Kollegen aus 153 Ländern ab, um die betroffenen Länder bei der Reaktion auf die Epidemie zu unterstützen.

Gleichzeitig kümmern wir uns stets um die Sicherheit und Gesundheit der chinesischen Bürger in Übersee. Die gesamte diplomatische Front wurde mobilisiert und unverzüglich in Bewegung gesetzt, um grundlegende Informationen über chinesische Staatsbürger im Ausland und ihre Schwierigkeiten zu sammeln. Wir haben sie in eine gemeinsame Kampagne gegen das Virus durch gegenseitige Hilfe eingebunden. Wir halfen ihnen, Zugang zu lokalen Gesundheitsdienstleistern und durch Ferndiagnose zu denen in China zu erhalten. Wir entsandten gemeinsame Einsatzgruppen, um Dienste und Unterstützung anzubieten. Wir richteten einen besonderen konsularischen Schutzmechanismus ein und planten Flüge, um chinesische Staatsbürger, die wegen des Ausbruchs im Ausland gestrandet waren, nach Hause zu bringen. Wir finden Wege, um Probleme für ausländische Studenten zu lösen, und lieferten Gesundheitspakete an alle Studenten aus, die sie brauchten. Vor kurzem bestand eine wichtige Aufgabe meines Generalkonsulats darin, minderjährige chinesische Schüler in unserem Konsularbezirk bei Ad-hoc-Rückflügen nach China zu unterstützen. Obwohl New York City das Epizentrum ist und ein hohes Infektionsrisiko am Flughafen besteht, wenn Schülern und Studenten beim Einsteigen geholfen wird, haben viele meiner Kollegen diese Aufgabe ohne Zögern übernommen.

Meine Damen und Herren,

die Pandemie wütet nach wie vor auf der ganzen Welt. Mehr als 200 Länder und Regionen sind betroffen, über zwei Millionen Menschen sind infiziert und mehr als 160.000 starben. Es ist wahrscheinlich, daß sich die Pandemie in Afrika, Südasien, Lateinamerika und anderen unterentwickelten Regionen weiter ausbreitet und weitere Opfer fordert. Länder, die den Höhepunkt des ersten Ausbruchs hinter sich haben, müssen wachsam gegenüber der zweiten Welle des Ausbruchs sein.

Selbst wenn wir aus der Pandemie herauskommen, könnten wir einem Dominoeffekt ausgesetzt sein: wirtschaftliche Rezession, soziale Unruhen, Nahrungsmittelkrise, Flüchtlingswellen und sogar internationale Konflikte. Einige Leute sagen, dies sei die größte Krise der menschlichen Gesellschaft seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Menschen auf der ganzen Welt sind beunruhigt und erwarten, daß die internationale Gemeinschaft gemeinsam Lösungen erarbeiten kann.

Die Krise gemeinsam überwinden

Als die beiden größten Volkswirtschaften der Welt rücken China und die Vereinigten Staaten in den Mittelpunkt der globalen Aufmerksamkeit, ob sie Länder dazu bringen können, diese Krise zu überwinden.

Wie Sie wissen, befinden sich die Beziehungen zwischen China und den USA in einer beispiellos schwierigen Phase. Die Vereinigten Staaten sehen in China einen wichtigen strategischen Konkurrenten und verfolgen eine Chinapolitik der umfassenden Eindämmung und Unterdrückung durch die „ressortübergreifende Strategie“. Infolgedessen ist diese Beziehung zunehmend der Gefahr einer Entgleisung ausgesetzt. Es muß noch viel überwunden werden, damit die beiden Länder ihre Differenzen aufgeben und sich auf die Zusammenarbeit konzentrieren können. Da die Auswirkungen der Krise auf die Welt sich rasch entwickeln, ist es notwendig, unsere Herangehensweise an die wachsenden Beziehungen zwischen China und den USA zu überdenken, und zwar nicht nur im Interesse der beiden Länder, sondern im Interesse der ganzen Welt.

Ich möchte Ihnen drei Punkte zu bedenken geben.

    Erstens verdeutlicht die Epidemie die gegenseitige Abhängigkeit zwischen China und den Vereinigten Staaten. Keine Seite kann die Herausforderungen ohne die Unterstützung der anderen überleben.

Im 21. Jahrhundert ist es ein unaufhaltsamer Trend, daß die verschiedenen Länder immer stärker miteinander verflochten sein und somit mehr gemeinsame Interessen und Herausforderungen haben werden. Die menschliche Gesellschaft ist in der Tat zu einer Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft geworden. Angesichts globaler Herausforderungen wie Infektionskrankheiten, Klimawandel und Terrorismus können selbst Großmächte wie China und die Vereinigten Staaten nicht im Alleingang kämpfen. In seinem jüngsten Telefongespräch mit Präsident Trump betonte Präsident Xi, die beiden Länder sollten ihre Anstrengungen bündeln, die Zusammenarbeit in Bereichen wie Vorbereitung und Reaktion auf Seuchenausbrüche verstärken und zum Aufbau einer Beziehung beitragen, die auf Konflikt- und Konfrontationsverzicht, gegenseitigem Respekt und einer für alle Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit beruht.

Dies zeigt die Richtung für die künftige Entwicklung unserer bilateralen Beziehungen auf. Mit Blick auf die Zukunft müssen beide Seiten die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Global Governance in den Bereichen öffentliche Gesundheit, Wirtschaft und Finanzen stärken und gemeinsame Präventions- und Kontrollnetze aufbauen. Wir sollten bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten zusammenarbeiten, die Makropolitik besser koordinieren, um dem Abwärtsdruck auf die Weltwirtschaft entgegenzuwirken und Stabilität und Wohlstand in der Welt zu erhalten.

    Zweitens unterstreicht die Epidemie die tiefe Freundschaft zwischen Chinesen und Amerikanern, die die Hauptströmung unserer Beziehungen darstellt.

Da das Virus in China und den USA seinen Tribut fordert, haben sich unsere beiden Völker dafür entschieden, sich gegenseitig zu unterstützen, anstatt für das Geschehen am anderen Ufer des Pazifik gleichgültig zu sein. Als China in tiefer Not war, haben uns Menschen aus verschiedenen Bereichen der amerikanischen Gesellschaft geholfen, wofür wir immer aufrichtig dankbar sind. Jetzt sind die USA zum Epizentrum der Welt geworden, mit fast 900.000 diagnostizierten Corona-Fällen und mehr als 50.000 Toten. Das chinesische Volk versteht, welche Schwierigkeiten das amerikanische Volk durchmacht, und wir sind bereit, im Gegenzug nach besten Kräften Hilfe anzubieten. Unvollständigen Statistiken zufolge spendeten chinesische staatliche Stellen auf allen Ebenen, Unternehmen und Wohltätigkeitsorganisationen den USA 2,46 Milliarden Masken – das sind sieben Masken für jeden Amerikaner –, dazu fast 5000 Beatmungsgeräte, 258 Millionen medizinische Handschuhe, 29,3 Millionen chirurgische Schutzanzüge und 3,13 Millionen Schutzbrillen. In den letzten Wochen haben wir von der amerikanischen Bevölkerung zahlreiche aufrichtige Anerkennungen erhalten.

Ich glaube, daß die Freundschaft unserer beiden Völker durch die Bewährungsprobe dieses Kampfes noch stärker werden wird. Unsere beiden Regierungen müssen der Mehrheit unserer beiden Völker Beachtung schenken und gleichzeitig diese Beziehung ausbauen. Wir dürfen uns nicht von einigen Extremisten fangen lassen, die immer wieder Zwietracht und Entkoppelung zwischen unseren beiden Nationen säen.

    Drittens zeigt die Epidemie, daß die Beziehungen zwischen China und den USA immer noch mit komplizierten Problemen belastet sind. Bei der Lösung der Probleme und Differenzen müssen wir aufhören, an die dunkle Seite des Menschen zu appellieren, und die gute Seite sehen.

Seit dem Ausbruch dieser Epidemie, insbesondere nachdem die Lage in den USA ernst wurde, bemerken wir in den Vereinigten Staaten viele negative Stimmen über China. Einige Leute beschuldigten China, den Ausbruch zu verschleiern, einige erfanden sogar die Geschichte, daß das Virus aus einem chinesischen Labor stamme, und schworen, China zur Rechenschaft zu ziehen. Einige Leute stigmatisierten China und diskriminierten ethnische Chinesen.

Ich möchte darauf hinweisen, daß es in der internationalen Gemeinschaft einige unterschiedliche Ansichten über den Ursprung des Virus gibt. Die Rückverfolgung des Virus ist ein schwieriges wissenschaftliches Problem und sollte von Fachleuten mit wissenschaftlichen Beweisen sorgfältig geprüft werden. COVID-19 ist ein völlig neues Virus, und sein Ausbruch kommt unerwartet. Alle Nationen brauchen etwas Zeit, um die Situation zu verstehen und darauf zu reagieren. Im frühesten Stadium war es China aufgrund der kleinen Zahl unbekannter Fälle unmöglich, die Welt zu warnen. Einige Länder verwechselten das COVID-19 anfänglich auch mit einer Erkältung oder Lungenentzündung. Infektionskrankheiten können in jedem Land und in jeder ethnischen Gruppe ausbrechen.

Wir müssen unser Bestes tun, um bei dieser Pandemie eine Diskriminierung irgendeines Landes und irgendeiner Gruppe zu verhindern. Auch amerikanische Bürgerinnen und Bürger könnten sich im Ausland zunehmend Diskriminierung ausgesetzt sehen, wenn sich die Situation hier verschlimmert. Andere Länder zu beschuldigen und zum Sündenbock zu machen, Rassendiskriminierung und Fremdenfeindlichkeit zu schüren, wird weder dazu beitragen, die Welt in die Lage zu versetzen, mit der Epidemie und ihren Auswirkungen fertig zu werden, noch wird es dazu beitragen, uns bei der Bewältigung anderer globaler Herausforderungen in der Zukunft zu vereinen. Es wird nur Chaos in der Weltordnung säen und Völkern rund um den Globus noch mehr Schaden zufügen.

Die Krise ist auch eine Chance

Meine Damen und Herren, der ehemalige US-Präsident John F. Kennedy hat schon vor langer Zeit erkannt: „Wenn man das Wort ,Krise‘ auf Chinesisch schreibt, besteht es aus zwei Zeichen – das eine steht für Gefahr, das andere steht für Chance.“ Die COVID-19-Krise hat in der Tat beispiellose Herausforderungen für die Welt mit sich gebracht, aber sie bietet den Ländern auch beispiellose Möglichkeiten, neue Wege zu beschreiten. Ich glaube, wenn wir eine langfristige Perspektive einnehmen, mutig, kooperativ und innovativ bleiben, dann werden wir in der Lage sein, die Herausforderungen zu überwinden, die Krise in Chancen zu verwandeln und eine bessere Zukunft für China und die Vereinigten Staaten und für die menschliche Gemeinschaft zu eröffnen.

Ich danke Ihnen.