Für eine bessere Zukunft
Vorgeschlagene Prinzipien, die für friedliche und produktive
Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China notwendig sind
Von Botschafter Huang Ping,
Generalkonsul der Volksrepublik China in New York
Botschafter Huang Ping übermittelte der Konferenz die folgende
Videobotschaft. Sie wurde für den Abdruck aus dem Englischen übersetzt, die
Zwischenüberschriften von der Redaktion hinzugefügt.
Meine Damen und Herren,
es ist mir eine große Freude, an dieser vom Schiller-Institut
veranstalteten Videokonferenz teilzunehmen. Wir treffen uns zu einer
herausfordernden Zeit, in der die COVID-19-Pandemie den Globus verwüstet.
Viele Familien haben unter dieser Krankheit gelitten und Angehörige verloren.
Unzählige Mitarbeiter des Gesundheitswesens kämpfen an vorderster Front gegen
das Virus. Zu Beginn möchte ich allen vom Unglück geplagten Familien mein
tiefes Beileid und denen, die in dieser äußerst schwierigen Zeit noch immer
Ämter bekleiden, meine hohe Anerkennung aussprechen.
China gehörte zu den ersten Ländern, die von COVID-19 hart getroffen
wurden. Unter dem plötzlichen Angriff des unbekannten Feindes waren die
chinesische Regierung und das chinesische Volk unerschrocken und reagierten
entschlossen. Seit Beginn des Ausbruchs haben wir das Wohlergehen des Volkes
ganz in den Mittelpunkt gestellt. Wir handeln nach dem allgemeinen Grundsatz,
das Vertrauen zu vertiefen, die Einheit zu stärken, eine wissenschaftlich
fundierte Kontrolle und Behandlung sicherzustellen und gezielte Maßnahmen zu
ergreifen. Wir haben das ganze Land mobilisiert, kollektive Kontroll- und
Behandlungsmechanismen eingerichtet und mit Offenheit und Transparenz
gehandelt.
Was wir führten, war ein Volkskrieg gegen das Virus. Mit harten
Anstrengungen und unter großen Opfern gelang es China, als eines der ersten
Länder den Ausbruch einzudämmen. Die Ansteckung innerhalb des Landes wurde
weitgehend gestoppt. Die bestätigten Fälle sind auf etwa tausend
zurückgegangen, und bei den täglich noch einigen Dutzend neuen Fällen handelt
es sich hauptsächlich um importierte Fälle.
Inzwischen ist es China gelungen, in seiner Wirtschaft und Gesellschaft
Schritt für Schritt wieder eine normale Ordnung herzustellen. Im ganzen Land
haben 98,6% der großen Industriebetriebe die Produktion wieder aufgenommen,
und im Durchschnitt sind 89,9% der Beschäftigten bereits wieder erwerbstätig –
eine bedeutende Kraft, um die Weltwirtschaft wieder auf den richtigen Weg zu
bringen.
China leistet tatkräftige Hilfe
Seit dem Ausbruch von COVID-19 beteiligt sich China in offener,
transparenter und verantwortungsvoller Weise aktiv an den weltweiten
Bemühungen zur Bekämpfung der Krankheit. China hat die WHO rechtzeitig auf den
neuesten Stand gebracht, die Genomsequenz des Virus veröffentlicht und seine
Erfahrungen mit der Prävention und Behandlung vorbehaltlos weitergegeben. Wir
haben nach bestem Wissen und Gewissen Hilfe angeboten, was von der WHO und der
internationalen Gemeinschaft weithin anerkannt wurde. Präsident Xi Jinping
führte Telefongespräche mit 29 Staats- und Regierungschefs und Vorsitzenden
internationaler Organisationen und nahm am außerordentlichen G20-Gipfel der
Staats- und Regierungschefs zu COVID-19 teil. Premierminister Li Keqiang
telefonierte auch mit mehreren ausländischen Staatsführern und nahm am
Sondergipfel der ASEAN Plus Drei zu COVID-19 teil. Zwischen dem 1. März und
dem 10. April exportierte China rund 7,12 Milliarden Schutzmasken, 55,57
Millionen Schutzanzüge, 3,59 Millionen Infrarot-Thermometer, 20.100
Beatmungsgeräte und 13,69 Millionen Schutzbrillen. Bis zum 12. April haben wir
14 medizinische Expertengruppen in zwölf Länder entsandt, und die chinesischen
Medizinexperten hielten 83 Videokonferenzen mit ihren Kollegen aus 153 Ländern
ab, um die betroffenen Länder bei der Reaktion auf die Epidemie zu
unterstützen.
Gleichzeitig kümmern wir uns stets um die Sicherheit und Gesundheit der
chinesischen Bürger in Übersee. Die gesamte diplomatische Front wurde
mobilisiert und unverzüglich in Bewegung gesetzt, um grundlegende
Informationen über chinesische Staatsbürger im Ausland und ihre
Schwierigkeiten zu sammeln. Wir haben sie in eine gemeinsame Kampagne gegen
das Virus durch gegenseitige Hilfe eingebunden. Wir halfen ihnen, Zugang zu
lokalen Gesundheitsdienstleistern und durch Ferndiagnose zu denen in China zu
erhalten. Wir entsandten gemeinsame Einsatzgruppen, um Dienste und
Unterstützung anzubieten. Wir richteten einen besonderen konsularischen
Schutzmechanismus ein und planten Flüge, um chinesische Staatsbürger, die
wegen des Ausbruchs im Ausland gestrandet waren, nach Hause zu bringen. Wir
finden Wege, um Probleme für ausländische Studenten zu lösen, und lieferten
Gesundheitspakete an alle Studenten aus, die sie brauchten. Vor kurzem bestand
eine wichtige Aufgabe meines Generalkonsulats darin, minderjährige chinesische
Schüler in unserem Konsularbezirk bei Ad-hoc-Rückflügen nach China zu
unterstützen. Obwohl New York City das Epizentrum ist und ein hohes
Infektionsrisiko am Flughafen besteht, wenn Schülern und Studenten beim
Einsteigen geholfen wird, haben viele meiner Kollegen diese Aufgabe ohne
Zögern übernommen.
Meine Damen und Herren,
die Pandemie wütet nach wie vor auf der ganzen Welt. Mehr als 200 Länder
und Regionen sind betroffen, über zwei Millionen Menschen sind infiziert und
mehr als 160.000 starben. Es ist wahrscheinlich, daß sich die Pandemie in
Afrika, Südasien, Lateinamerika und anderen unterentwickelten Regionen weiter
ausbreitet und weitere Opfer fordert. Länder, die den Höhepunkt des ersten
Ausbruchs hinter sich haben, müssen wachsam gegenüber der zweiten Welle des
Ausbruchs sein.
Selbst wenn wir aus der Pandemie herauskommen, könnten wir einem
Dominoeffekt ausgesetzt sein: wirtschaftliche Rezession, soziale Unruhen,
Nahrungsmittelkrise, Flüchtlingswellen und sogar internationale Konflikte.
Einige Leute sagen, dies sei die größte Krise der menschlichen Gesellschaft
seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Menschen auf der ganzen Welt sind beunruhigt
und erwarten, daß die internationale Gemeinschaft gemeinsam Lösungen
erarbeiten kann.
Die Krise gemeinsam überwinden
Als die beiden größten Volkswirtschaften der Welt rücken China und die
Vereinigten Staaten in den Mittelpunkt der globalen Aufmerksamkeit, ob sie
Länder dazu bringen können, diese Krise zu überwinden.
Wie Sie wissen, befinden sich die Beziehungen zwischen China und den USA in
einer beispiellos schwierigen Phase. Die Vereinigten Staaten sehen in China
einen wichtigen strategischen Konkurrenten und verfolgen eine Chinapolitik der
umfassenden Eindämmung und Unterdrückung durch die „ressortübergreifende
Strategie“. Infolgedessen ist diese Beziehung zunehmend der Gefahr einer
Entgleisung ausgesetzt. Es muß noch viel überwunden werden, damit die beiden
Länder ihre Differenzen aufgeben und sich auf die Zusammenarbeit konzentrieren
können. Da die Auswirkungen der Krise auf die Welt sich rasch entwickeln, ist
es notwendig, unsere Herangehensweise an die wachsenden Beziehungen zwischen
China und den USA zu überdenken, und zwar nicht nur im Interesse der beiden
Länder, sondern im Interesse der ganzen Welt.
Ich möchte Ihnen drei Punkte zu bedenken geben.
Erstens verdeutlicht die Epidemie die gegenseitige Abhängigkeit zwischen
China und den Vereinigten Staaten. Keine Seite kann die Herausforderungen ohne
die Unterstützung der anderen überleben.
Im 21. Jahrhundert ist es ein unaufhaltsamer Trend, daß die verschiedenen
Länder immer stärker miteinander verflochten sein und somit mehr gemeinsame
Interessen und Herausforderungen haben werden. Die menschliche Gesellschaft
ist in der Tat zu einer Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft geworden.
Angesichts globaler Herausforderungen wie Infektionskrankheiten, Klimawandel
und Terrorismus können selbst Großmächte wie China und die Vereinigten Staaten
nicht im Alleingang kämpfen. In seinem jüngsten Telefongespräch mit Präsident
Trump betonte Präsident Xi, die beiden Länder sollten ihre Anstrengungen
bündeln, die Zusammenarbeit in Bereichen wie Vorbereitung und Reaktion auf
Seuchenausbrüche verstärken und zum Aufbau einer Beziehung beitragen, die auf
Konflikt- und Konfrontationsverzicht, gegenseitigem Respekt und einer für alle
Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit beruht.
Dies zeigt die Richtung für die künftige Entwicklung unserer bilateralen
Beziehungen auf. Mit Blick auf die Zukunft müssen beide Seiten die
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Global Governance in den Bereichen
öffentliche Gesundheit, Wirtschaft und Finanzen stärken und gemeinsame
Präventions- und Kontrollnetze aufbauen. Wir sollten bei der Entwicklung von
Impfstoffen und Medikamenten zusammenarbeiten, die Makropolitik besser
koordinieren, um dem Abwärtsdruck auf die Weltwirtschaft entgegenzuwirken und
Stabilität und Wohlstand in der Welt zu erhalten.
Zweitens unterstreicht die Epidemie die tiefe Freundschaft zwischen
Chinesen und Amerikanern, die die Hauptströmung unserer Beziehungen
darstellt.
Da das Virus in China und den USA seinen Tribut fordert, haben sich unsere
beiden Völker dafür entschieden, sich gegenseitig zu unterstützen, anstatt für
das Geschehen am anderen Ufer des Pazifik gleichgültig zu sein. Als China in
tiefer Not war, haben uns Menschen aus verschiedenen Bereichen der
amerikanischen Gesellschaft geholfen, wofür wir immer aufrichtig dankbar sind.
Jetzt sind die USA zum Epizentrum der Welt geworden, mit fast 900.000
diagnostizierten Corona-Fällen und mehr als 50.000 Toten. Das chinesische Volk
versteht, welche Schwierigkeiten das amerikanische Volk durchmacht, und wir
sind bereit, im Gegenzug nach besten Kräften Hilfe anzubieten. Unvollständigen
Statistiken zufolge spendeten chinesische staatliche Stellen auf allen Ebenen,
Unternehmen und Wohltätigkeitsorganisationen den USA 2,46 Milliarden Masken –
das sind sieben Masken für jeden Amerikaner –, dazu fast 5000 Beatmungsgeräte,
258 Millionen medizinische Handschuhe, 29,3 Millionen chirurgische
Schutzanzüge und 3,13 Millionen Schutzbrillen. In den letzten Wochen haben wir
von der amerikanischen Bevölkerung zahlreiche aufrichtige Anerkennungen
erhalten.
Ich glaube, daß die Freundschaft unserer beiden Völker durch die
Bewährungsprobe dieses Kampfes noch stärker werden wird. Unsere beiden
Regierungen müssen der Mehrheit unserer beiden Völker Beachtung schenken und
gleichzeitig diese Beziehung ausbauen. Wir dürfen uns nicht von einigen
Extremisten fangen lassen, die immer wieder Zwietracht und Entkoppelung
zwischen unseren beiden Nationen säen.
Drittens zeigt die Epidemie, daß die Beziehungen zwischen China und den
USA immer noch mit komplizierten Problemen belastet sind. Bei der Lösung der
Probleme und Differenzen müssen wir aufhören, an die dunkle Seite des Menschen
zu appellieren, und die gute Seite sehen.
Seit dem Ausbruch dieser Epidemie, insbesondere nachdem die Lage in den USA
ernst wurde, bemerken wir in den Vereinigten Staaten viele negative Stimmen
über China. Einige Leute beschuldigten China, den Ausbruch zu verschleiern,
einige erfanden sogar die Geschichte, daß das Virus aus einem chinesischen
Labor stamme, und schworen, China zur Rechenschaft zu ziehen. Einige Leute
stigmatisierten China und diskriminierten ethnische Chinesen.
Ich möchte darauf hinweisen, daß es in der internationalen Gemeinschaft
einige unterschiedliche Ansichten über den Ursprung des Virus gibt. Die
Rückverfolgung des Virus ist ein schwieriges wissenschaftliches Problem und
sollte von Fachleuten mit wissenschaftlichen Beweisen sorgfältig geprüft
werden. COVID-19 ist ein völlig neues Virus, und sein Ausbruch kommt
unerwartet. Alle Nationen brauchen etwas Zeit, um die Situation zu verstehen
und darauf zu reagieren. Im frühesten Stadium war es China aufgrund der
kleinen Zahl unbekannter Fälle unmöglich, die Welt zu warnen. Einige Länder
verwechselten das COVID-19 anfänglich auch mit einer Erkältung oder
Lungenentzündung. Infektionskrankheiten können in jedem Land und in jeder
ethnischen Gruppe ausbrechen.
Wir müssen unser Bestes tun, um bei dieser Pandemie eine Diskriminierung
irgendeines Landes und irgendeiner Gruppe zu verhindern. Auch amerikanische
Bürgerinnen und Bürger könnten sich im Ausland zunehmend Diskriminierung
ausgesetzt sehen, wenn sich die Situation hier verschlimmert. Andere Länder zu
beschuldigen und zum Sündenbock zu machen, Rassendiskriminierung und
Fremdenfeindlichkeit zu schüren, wird weder dazu beitragen, die Welt in die
Lage zu versetzen, mit der Epidemie und ihren Auswirkungen fertig zu werden,
noch wird es dazu beitragen, uns bei der Bewältigung anderer globaler
Herausforderungen in der Zukunft zu vereinen. Es wird nur Chaos in der
Weltordnung säen und Völkern rund um den Globus noch mehr Schaden zufügen.
Die Krise ist auch eine Chance
Meine Damen und Herren, der ehemalige US-Präsident John F. Kennedy hat
schon vor langer Zeit erkannt: „Wenn man das Wort ,Krise‘ auf Chinesisch
schreibt, besteht es aus zwei Zeichen – das eine steht für Gefahr, das andere
steht für Chance.“ Die COVID-19-Krise hat in der Tat beispiellose
Herausforderungen für die Welt mit sich gebracht, aber sie bietet den Ländern
auch beispiellose Möglichkeiten, neue Wege zu beschreiten. Ich glaube, wenn
wir eine langfristige Perspektive einnehmen, mutig, kooperativ und innovativ
bleiben, dann werden wir in der Lage sein, die Herausforderungen zu
überwinden, die Krise in Chancen zu verwandeln und eine bessere Zukunft für
China und die Vereinigten Staaten und für die menschliche Gemeinschaft zu
eröffnen.
Ich danke Ihnen.
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