„Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht“
Von Helga Zepp-LaRouche
Der größte Schock in der letzten Woche war es für mich, als ich einige der
großen US-Fernsehsender sah, als Trump eine Pressekonferenz gab, und die Chefs
mehrerer Fernsehsender die Übertragung der Rede des amerikanischen Präsidenten
abbrachen, indem sie sagten: „Wir stimmen nicht mit dem überein, was er sagt,
er bringt jetzt fake news, und deshalb übertragen wir die Rede des
Präsidenten der Vereinigten Staaten nicht weiter.“ Und das kam von mehreren
Fernsehsendern gleichzeitig!
Das ist ein ungeheuerlicher Skandal. Es wäre sogar dann ein Skandal, wenn
dies in einer Bananenrepublik geschähe, denn es wäre immer noch eine
Verletzung der Souveränität dieses Landes. Aber daß dies mit dem angeblich
mächtigsten Mann im mächtigsten Land der Erde gemacht wird – allein diese
Tatsache sollte meiner Meinung nach die Menschen aufrütteln, daß wir es hier
mit einer Diktatur zu tun haben. Es droht die Gefahr des völligen Verlusts der
Freiheit.
Ebenso aufschlußreich finde ich es, daß sofort, nachdem die Medien Biden
zum Sieger erklärt hatten – nicht das Wahlmännerkollegium, sondern die Medien
–, alle Atlantiker in Europa und anderswo gesagt haben: „O, wir gratulieren
Biden sofort. Wie schön, daß das ganze alte System wieder da ist.“ Von der
Leyen, Merkel, Steinmeier, Röttgen – alle diese Leute, völlig eingefleischte
Atlantiker, gratulierten Biden. Dagegen sagten die sogenannten
„autokratischen“ Regierungen: „Nein, wir müssen abwarten, was der legale und
demokratische Prozeß in den Vereinigten Staaten bringen wird, und wir werden
Biden nicht gratulieren, solange das nicht geklärt ist.“ Und das waren solche
„Autokraten“ wie Putin, die chinesische Regierung, die Präsidenten von Mexiko
und Bolivien. Vielleicht sind also die ganzen Behauptungen, wer für Demokratie
und Transparenz steht, nicht das, was die Menschen glauben sollten.
Nun, ich glaube, wir sind historisch gesehen an einem Punkt der
Entscheidung angelangt. Und wenn Sie darüber nachdenken, was in der
Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung steht, dann glaube ich, daß wir genau
an diesem Punkt angelangt sind, ich möchte Ihnen dazu nur einen Satz aus
dieser Erklärung vorlesen:
„Wenn aber eine lange Reihe von Mißhandlungen und Anmaßungen, die immer
dasselbe Ziel verfolgen, einen Plan erkennen läßt, sie absolutem Despotismus
zu unterwerfen, so ist es ihr Recht, ja ihre Pflicht, eine solche Regierung
abzusetzen und neue Wächter für ihre zukünftige Sicherheit zu bestellen.“
Das ist das Prinzip, auf dem die Vereinigten Staaten als junge Republik
basierten, und das ist auch eine Idee, die Friedrich Schiller verwendet,
dessen Geburtstag wir heute [am 10. November] feiern. Und deshalb zitiere ich
es auch, denn er ist der Dichter der Freiheit, und vieles, was er geschrieben
hat, waren im Grunde strategische Studien darüber, wie man mit solchen
Situationen, wie wir sie jetzt erleben, umgehen sollte.
Er schrieb ein ganzes Drama, in dem er sich sehr deutlich auf diesen Kampf
der amerikanischen Revolution und die Unabhängigkeitserklärung bezog, und das
war sein sehr gefeiertes und weltweit populäres Drama Wilhelm Tell, das
bekanntlich in der Schweiz spielt. Und auch dort stellt sich die Frage: Wird
das Schweizer Volk die Tyrannei der Habsburger hinnehmen oder wird es diese
Tyrannei abschütteln?
Wenn man den berühmten Rütlischwur mit der Unabhängigkeitserklärung
vergleicht, sieht man, wie dieselben Ideen Schiller inspiriert haben. Er
schreibt dort:
Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht,
Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,
Wenn unerträglich wird die Last – greift er
Hinauf getrosten Mutes in den Himmel,
Und holt herunter seine ew’gen Rechte,
Die droben hangen unveräußerlich
Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst –
Der alte Urstand der Natur kehrt wieder,
Wo Mensch dem Menschen gegenübersteht –
Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr
Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben –
Der Güter höchstes dürfen wir verteid’gen
Gegen Gewalt – Wir steh’n vor unser Land,
Wir steh’n vor unsre Weiber, unsre Kinder!
Nun war Schiller offensichtlich sehr vorsichtig mit der letzten Szene
dieses Dramas, um sicherzustellen, daß die Menschen aus diesem Stück nicht das
Recht herauslesen, Terrorismus oder Gewalt zu begehen – er ist sehr, sehr
vorsichtig. Wenn Sie also dieses Drama lesen, wozu ich Sie ermutigen möchte,
dann lesen Sie bitte auch die letzte Szene, denn es gab Aufführungen, bei
denen das weggelassen wurde, und dann haben die Leute das als eine Ermutigung
zur Gewalt auf der Straße aufgefaßt, was von Schiller ausdrücklich nicht
gemeint ist.
Aber ansonsten denke ich, daß wir den Ideen der Unabhängigkeitserklärung
folgen sollten und daß ein Punkt erreicht ist, an dem es genug ist und das
Unrecht ein Ende haben muß. Und Friedrich Schillers Idee „Nein, eine Grenze
hat Tyrannenmacht“ ist die Botschaft, die jeder in der nächsten Zeit in sich
tragen sollte.
Und ich denke, wir brauchen eine internationale Mobilisierung, denn der
Ausgang dieses Kampfes ist nicht nur eine amerikanische Frage. Wie Kirk Wiebe
eingangs sagte, und ich glaube, Dennis Speed hat es gesagt, und auch Herr
Jatras: Wenn dieser Kampf verloren geht, wird meiner Meinung nach die ganze
Welt unter einer Diktatur stehen, und ich glaube auch, das Biden-Team, das
kommen würde, steht für Krieg. Und es gibt die patriotischeren Kräfte in
Europa, die das sagen. Willy Wimmer ist einer von ihnen, aber auch
verschiedene Leute von rechts und von links, die denkenden Menschen, haben
klar gesagt, daß die ganze Konfrontation gegen Rußland und China, die ganze
Ausdehnung der NATO in den Indopazifik, die Umzingelung Rußlands und Chinas,
die mit Bush und Cheney und Obama schon früher stattgefunden hat, uns
wahrscheinlich wirklich in eine Katastrophe führen würde.
Es steht also alles auf dem Spiel, und deshalb denke ich, daß wir uns die
Worte der Unabhängigkeitserklärung und Friedrich Schillers zu Herzen nehmen
sollten.
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