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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Afrika braucht ein kontinentales Gesundheitsprogramm

Von Marlette Kyssama-Nsona

Marlette Kyssama-Nsona ist Pharmakochemikerin und Mitglied der Politischen Führung der Pan-Afrikanischen Liga – UMOJA. Bei der Internetkonferenz des Schiller-Instituts hielt sie am 6. September den folgenden Vortrag.

Meine Damen und Herren,

im Namen der Panafrikanischen Liga-UMOJA und in meinem eigenen Namen danke ich dem Schiller-Institut, daß es mich in diese Vortragsrunde aufgenommen hat, für den Austausch über Themen, die für das Überleben der menschlichen Gattung von größter Bedeutung sind.

Ein tödliches Wirtschaftsmodell

Die COVID-19-Pandemie offenbart die Gefahr, in der sich die Menschheit, einschließlich der wohlhabenden Nationen, befindet, wegen eines räuberischen Wirtschaftssystems, dessen einziges Ziel darin besteht, kollektive Ressourcen zum Nutzen einer Handvoll Kosmokraten zu erbeuten und anzuhäufen.

Die Menschen in Afrika sind seit 40 Jahren mit dieser Gefahr konfrontiert. In der Tat zwingt man Afrika seit den 80er Jahren unter das Joch einer abscheulichen Verschuldung, die unhaltbar geworden ist, sowie der Strukturanpassungsmaßnahmen, die vom IWF und der Weltbank mit der allzu bereiten Komplizenschaft einer lokalen Kompradorenelite allein zu dem Zweck auferlegt werden, diese Schulden zurückzuzahlen.

Die Folgen für die öffentliche Gesundheit sind katastrophal:

  • Seit 30 Jahren werden die Budgets für das öffentliche Gesundheitswesen gekürzt. Im Falle des Kongo sind die Ausgaben der Gesundheitsbudgets in den letzten 10 Jahren um fast 7% gesunken.

  • Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation belaufen sich die Gesundheitsausgaben pro Kopf auf 6 Dollar im Jahr, wenn derselben Quelle zufolge 30 Dollar erforderlich wären.

  • Das gleiche gilt für die allgemeine Infrastruktur und für die veraltete technische Plattform. Auf dem Höhepunkt der COVID-19-Pandemie hatte das Land nicht einmal fünf Atemschutzgeräte.

  • Die Ausbildung und Rekrutierung von medizinischem und paramedizinischem Personal leidet unter den gleichen Bedingungen: Im Kongo kommen auf 10.000 Einwohner 0,3 Ärzte und 1,9 Krankenschwestern und Hebammen. Zum Vergleich: In Kuba sind es 77.

  • Der Teil des Budgets, der für Grundlagenforschung und Investitionen in Forschung und Entwicklung im biomedizinischen Bereich bestimmt ist, wurde auf einen Bruchteil reduziert. Der Kongo importiert sämtliche Medikamente.

Ein Sozialversicherungssystem wird seit mehr als 30 Jahren nicht mehr subventioniert. Infolgedessen gibt es keinen sozialen Schutz – im Kongo muß man, um sich behandeln zu lassen, vor Ort teuer bezahlen. So verkaufen viele Familien ihren Landbesitz, um die Chance zu haben, daß ein schwerkrankes Familienmitglied wieder gesund wird, auch wenn das Ergebnis dennoch oft tödlich ist. Eine Chemotherapie kann in einem öffentlichen Krankenhaus bis zu 600 Dollar kosten, während der kongolesische Mindestlohn nur 120 Dollar beträgt. Ein Kaiserschnitt kostet bis zu 400 Dollar! Im Kongo zum Beispiel liegt die Müttersterblichkeit bei 780 Todesfällen pro 100.000 Geburten, eine der höchsten in Afrika.

Die gefährlichste Folge ist jedoch zweifellos die Schwächung des Staates, der sich unter dem Diktat von IWF und Weltbank seiner Vorrechte beraubt sieht, einschließlich der Möglichkeit, ein Gesundheitssystem zu entwerfen und aufzubauen, das den Erwartungen der Bevölkerung entspricht.

Hier ist der Staat durch NGOs ersetzt worden, von denen einige als Trojanische Pferde für die multinationalen Arzneimittelkonzerne fungieren, ohne jegliche Gesamtkonzeption, erratisch und in homöopathischer Dosis. Eher wie ein Holzbein!

Freihandel

Meine Damen und Herren, die zwischen unseren Ländern und der Europäischen Union geschlossenen Freihandelsabkommen haben Afrika zum Empfänger von zerkleinertem Fleisch und Geflügel gemacht, das für den Verzehr ungeeignet ist. Im Kongo bringt uns das, was wir essen, um! Aufgrund der hohen Produktionskosten liegt der Durchschnittspreis für ein vor Ort gemästetes Huhn bei 6 Dollar, gegenüber 2 Dollar für ein importiertes Huhn.

Die Frage der Gesundheit ist eng mit der Lebensmittelfrage verbunden. Welche Hebel sollten eingesetzt werden, um ein effektives Gesundheitssystem aufzubauen?

Souveränität

Meine Damen und Herren, wir alle wissen es: Die globalistische Oligarchie operiert, indem sie die normative Macht der Staaten angreift. Es ist daher notwendig, den Staat zu rehabilitieren und ihm die Möglichkeit zu geben, alle seine Souveränitätsinstrumente wiederzuerlangen, damit er seine Vorrechte erfüllen kann, von denen das wichtigste der Schutz seiner Bevölkerung ist – und dazu gehört, die Schulden und die von IWF und Weltbank auferlegten Diktate anzuprangern. Es liegt in der Verantwortung des Staates, die Gesundheitspolitik zu entwerfen, umzusetzen und zu finanzieren.

Außerdem lebt Afrika nicht in einem Vakuum! Es trägt zu den kollektiven Anstrengungen bei, indem es der Menschheit sein tausendjähriges Wissen und seine reichhaltigen Arzneimittelbücher zur Verfügung stellt. Afrikanische Forscher, wie auch andere Forscher auf der ganzen Welt, denken jeden Tag über die Suche nach Lösungen nach.

Afrika ist für viele Pharmaunternehmen ein Versuchsfeld, um ein neues Medikament oder einen neuen Impfstoff zu testen. Deshalb ist es nicht hinnehmbar, daß Medikamente, Früchte des Erbes der Menschheit, einem Teil dieser Menschheit unzugänglich gemacht werden, weil sie zu teuer verkauft werden! Man muß der „Patent-Erpressung“ von pharmazeutischen Laboratorien ein Ende setzen, die, weit davon entfernt ihre eigentliche Aufgabe zu erfüllen, spekulieren und das Gemeinwohl grob mißachten.

Schlußbemerkung

Meine Damen und Herren, die Welt muß eine entscheidende Wende vollziehen. Wir müssen aus der Finanzwirtschaft aussteigen, sonst riskieren wir die Zerstörung für alle. Was gestern nur für die Dritte Welt galt, gilt heute auch für den Westen. Das ist eine Verantwortung, der sich unsere Völker stellen müssen!

Ich danke Ihnen vielmals.