Die „Hungerpandemie“ ist älter als COVID-19
Nur das Handeln der Supermächte kann Leben und die Zukunft retten
Von Marcia Merry Baker
Marcia Merry Baker ist Agrarredakteurin des Nachrichtenmagazins
EIR.
Letztes Jahr – 2019, noch bevor das neuartige Coronavirus auftauchte –, war
das fünfte Jahr in Folge, in dem der Hunger in der Welt zunahm. Jeder achte
Mensch lebte in einer sogenannten „unsicheren“ Ernährungslage – unregelmäßig
oder zuwenig Nahrung oder beides. Das sind 812 Millionen von 7,4 Milliarden
Menschen. Und machen Sie sich klar: Das ist eine Nettozahl, denn China
hat im gleichen Zeitraum Millionen seiner eigenen Bevölkerung aus der Armut
und Ernährungsunsicherheit herausgeholt, die Lage im Rest der Welt hat sich
also verschlechtert.
Bedenken Sie die formale Definition einer Hungersnot: Diese besagt, daß
mindestens 20 Prozent einer Nation oder Region nicht genug Nahrung haben. In
der Regel denkt man dabei an einen schweren Ernteausfall, eine
Pflanzenkrankheit, einen Taifun oder eine andere Katastrophe. Aber jetzt gibt
es neben Unruhen und Kriegen auch Massenvertreibungen, und die Armut ist so
groß, daß die Menschen sich kein Essen leisten können.
Nach dieser 20-Prozent-Definition einer Hungersnot befinden sich viele
Länder heute in dieser Notlage: Afghanistan, der Jemen, die Republik Kongo,
Haiti und andere.
© WFP/FAO
Abb. 1: Weltkarte der Krisenherde der Ernährungsunsicherheit, Juli 2020.
Abbildung 1 zeigt, wo wir jetzt stehen, sechs Monate nach der
Verbreitung von COVID-19. Sie zeigt 30 Nationen als Brennpunkte der
Ernährungsunsicherheit. Die Karte wurde vom Welternährungsprogramm (WFP)
erstellt, das in Notsituationen für die Lieferung von Nahrungsmitteln, aber
auch anderer Hilfsgüter wie Masken für COVID-19, medizinische
Schutzausrüstung, Katastrophenhilfe usw. zuständig ist. Schauen wir uns das
genauer an, Kontinent für Kontinent.
Afrika: Auf der Karte sind 15 Länder markiert. Die Gesamtzahl
der Menschen in diesen Ländern, die dringend Nahrungsmittel benötigen, beträgt
154 Millionen.
Asien: Es sind sechs Länder markiert. Die Zahl der Menschen,
die in diesen Ländern Nahrungsmittelhilfe benötigen, beläuft sich auf
insgesamt 59 Millionen.
Amerika: Es sind neun Länder markiert. Die Zahl der Menschen,
die darin Nahrungsmittelhilfe benötigen, beträgt insgesamt 16 Millionen. Das
ist diesmal deutlich mehr als im letzten Jahr, als 4,5 Millionen Menschen in
sechs Ländern Nahrungsmittelhilfe benötigten.
© EIRNS
Abb. 2: Lyndon LaRouche spricht bei der Gründung der Organisation Food for
Peace in Chicago 1988.
LaRouches Warnungen
Wir waren gewarnt. Schauen wir eine Generation zurück. Vor 30 Jahren, im
Herbst 1988, veranlaßte Lyndon LaRouche zusammen mit Helga Zepp-LaRouche die
Gründung einer eigenen Abteilung des Schiller-Instituts mit dem Namen „Food
for Peace“ (Nahrungsmittel für den Frieden, Abbildung 2). Es war damals
ein Versuch, einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik herbeizuführen, um
den Massenhunger zu verhindern und die unabhängigen bäuerlichen
Familienbetriebe zu verteidigen. Landwirte, Diplomaten und andere aus der
ganzen Welt kamen zusammen. LaRouche sagte im Dezember 1988 in Chicago:
„Es ist fast so, als hörten wir aus den Entwicklungsländern, von den Armen
Osteuropas, von den Armen in unserem eigenen Land den Satz aus dem Vaterunser:
,Unser tägliches Brot gib uns heute.’ Die Frage ist: Wer wird dieses Gebet
erhören? Wer wird die Hand der Vorsehung sein...?“
LaRouche erläuterte dann die dafür notwendigen Entwicklungspläne. Aber nur
drei Wochen später wurde er für fünf Jahre ins Gefängnis geworfen.
Und hier stehen wir heute: Seit seiner Gründung im Jahr 1961 mußte das
Welternährungsprogramm noch nie gegen einen solchen Massenhunger kämpfen. Im
April informierte der Direktor des WFP, David Beasley, den UN-Sicherheitsrat.
Er sagte:
„Wir stehen am Rande einer Hungerpandemie... Wenn wir uns nicht jetzt
vorbereiten und handeln..., könnten wir innerhalb weniger Monate mit mehreren
Hungersnöten biblischen Ausmaßes konfrontiert werden.“ Schon vor COVID-19
„habe ich gesagt, daß 2020 die schlimmste humanitäre Katastrophe seit dem
Zweiten Weltkrieg bevorsteht...“
Er nannte die Zahlen, die wir gerade gesehen haben, und sagte: „Unsere
Analyse zeigt, daß über einen Zeitraum von drei Monaten jeden Tag
300.000 Menschen verhungern könnten. Darin ist die Zunahme des Hungers
aufgrund von COVID-19 noch gar nicht enthalten.“
Und was ist passiert? Im Juli starben 10.000 Kinder an Nahrungsmangel.
Jeden Monat leiden eine halbe Million Kinder unter einem Zustand, der
Auszehrung genannt wird.
Insgesamt fordert das WFP bis Ende des Jahres 4,9 Milliarden Dollar für die
Nahrungsmittelhilfe und 965 Millionen Dollar für die Logistik der
COVID-19-Bekämpfung und Katastrophenhilfe. Bis zum 20. August wurden aber nur
750 Millionen der 4,9 Milliarden Dollar und nur 207 Millionen der 965
Millionen Dollar zugesagt. Das ist viel zu wenig.
Was getan werden kann
Bedenken Sie, was wir wirklich tun können. Die beiden
Nahrungsmittel-Supermächte sind die Vereinigten Staaten und China. Die
Vereinigten Staaten sind der Maisproduzent Nummer eins. Sie allein produzieren
35 Prozent der gesamten Maisernte der Erde. China ist der zweitgrößte
Maisproduzent der Welt. China ist der Reisproduzent Nummer eins. Und so
weiter. Wenn China und die USA gemeinsam die Initiative ergreifen und mit
anderen Nationen zusammenarbeiten, wird die „Hungerpandemie“ vorbei sein. Das
bedeutet nicht, daß sie alles alleine liefern. Es bedeutet, daß wir im Laufe
der Zeit, Monat für Monat, zwischen den Hemisphären hin und her wechseln
können, um eine Lösung zu finden. Wir können alle Menschen ernähren. Und
gleichzeitig schaffen wir einen Impuls, das ganze System so zu
verändern, daß wir nie wieder diesen Notstand einer Hungerpandemie haben.
© NASA
Abb. 3: Satellitenfoto von grünem, schönem Mais aus Iowa im Juli.
Abb. 4: Satellitenfoto von beschädigtem Mais aus Iowa, gleiche Ansicht,
11. August.
Betrachten wir Sie Agrartechnologie in diesem Licht. Hier sind
Satellitenfotos von Mais in Iowa. Das erste Bild zeigt üppige, gesunde grüne
Felder, mit Ausnahme der Städte – die Hauptstadt ist Des Moines (Abbildung
3). Wir haben Juli. Das zweite Bild zeigt die hellen Bereiche zerstörter
Maisfelder (Abbildung 4). Das ist der 11. August, der Tag nach dem
großen Derecho – dem schrecklichen Sturm, der über Iowa hinwegzog. Aber hier
geht es uns nicht um das schlechte Wetter. Es geht darum, daß wir uns im
Raumfahrtzeitalter befinden. Wenn wir diese Fotos aus dem Weltraum machen
können, dann können wir auch die Hungersnot auf der Erde beenden. Was wir
haben, ist keine „Naturkatastrophe“, sondern eine politische
Katastrophe!
Das ist der Sinn eines Gipfeltreffens der Großmächte. Die Beendigung des
Hungers ist für die Tagesordnung des von Präsident Putin vorgeschlagenen
Treffens der fünf Ständigen Sicherheitsratsmitglieder dringend geboten. Wir
können Leben retten.
Schließlich ist da noch ein weiterer Punkt zur Hungerpandemie. Es gibt eine
große Lüge, die da lautet: „Es gibt genug Nahrung, sie ist nur ungerecht
verteilt.“ Das mit der ungerechten Verteilung ist teilweise wahr, aber der
Rest ist Unsinn. Wir müssen die weltweite Nahrungsmittelproduktion
verdoppeln!
Nehmen wir Getreide als Maßeinheit. Summieren wir die Menge an Getreide
oder Äquivalent, die wir pro Jahr für den direkten Verzehr als
Grundnahrungsmittel benötigen: Brot, Tortillas, Nudeln usw. Addieren Sie dazu
die Getreidemenge für den indirekten Verzehr in Form von Eiern, Milch,
Fleisch, Fisch und so weiter. Rechnet man noch etwas für
Nahrungsmittelreserven und Verluste/Verschwendung hinzu, so benötigen wir für
7,5 Milliarden Menschen etwa 5 Milliarden Tonnen Getreide im Jahr. Aber wir
produzieren weniger als 3 Milliarden Tonnen. Wir sollten also die
Nahrungsmittelproduktion verdoppeln.
Hier bekommen die Landwirte einen Herzinfarkt, denn eine andere große Lüge
ist, daß reichliche Nahrungsmittel automatisch niedrige Preise für den
Landwirt bedeuten. Auch das ist ein Betrug. Das muß sofort geändert werden!
Die Nationen haben die souveräne wirtschaftliche Macht, Mindestpreise oder
Parität für ihre Bauern und die Nahrungsmittel für ihre Bevölkerung
festzulegen. Das ist physische Ökonomie. Schaffen wir das Plantagen-System der
modernen Britischen Ostindiengesellschaft ab. Schaffen wir überall die Freude
am Produzieren. Retten Sie Leben. Retten Sie die Zukunft!
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