Das Streben nach sauberer und billiger Energie
Von Dr. Björn Peters
Dr. Björn Peters ist Physiker, Unternehmer und Politikberater
in den Bereichen Energie, Nachhaltigkeit und Rohstoffe. Im Rahmen der
Internetkonferenz des Schiller-Instituts hielt er am 6. September den
folgenden Vortrag; unsere Übersetzung aus dem Englischen folgt dem vorab
eingereichten Konzept.
Mein Name ist Björn Peters. Ich bin gebeten worden, die Frage zu
diskutieren, warum es so wichtig ist, saubere und billige Energie zur
Verfügung zu haben.
Ein paar Worte zu meiner Person: Ich bin ein deutscher
Energiepolitik-Blogger („Die Energiefrage“) und Mitbegründer der Nuclear Pride
Coalition. Dies ist eine globale Initiative, die das Ziel hat, die Kernenergie
weltweit zu unterstützen und die bestehenden Kernkraftwerke zu retten. Mein
Geld verdiene ich damit, Unternehmen und Regierungen zu Themen aus den
Bereichen Energie, Rohstoffe und Nachhaltigkeit zu beraten.
Für den Vortrag werde ich mit der deutschen Energiewende beginnen, die auf
Solar- und Windenergie setzt und zeigen, was wir aus der deutschen Erfahrung
lernen können. Dazu werde ich auf die Ziele, die Zielerreichung und die Gründe
dafür eingehen. Und dann will ich eine Vorstellung davon entwickeln, wie und
welche Energie wir tatsächlich brauchen, und warum die Kernenergie
unverzichtbar ist, um dorthin zu gelangen.
Die deutsche Energiewende besteht im Wesentlichen aus dem Ausstieg aus der
Kernenergie und einem sehr starken Ausbau der Solar- und Windenergie. Die
Ziele, die während dieser ganzen Zeit verfolgt wurden, waren, zu einer
ökologischeren Stromerzeugung zu gelangen, sie wirtschaftlich zu machen, sowie
eine Reihe von sozialen und technologischen Zielen.
Aber wenn wir die Ziele mit dem erreichten Ergebnis vergleichen, stellen
wir fest, daß nur ein einziges Ziel, ein Technologie- oder Kostenziel, erfüllt
wurde, und das kann man so darstellen: Deutschland hat etwa 50 % der Lernkurve
für Solarenergie bezahlt: Vor fünfzehn Jahren kostete die Installation einer
Solar- oder Photovoltaik-Anlage etwa 8 €/Watt, heute unter 1 €/Watt. Ähnlich,
aber nicht so drastisch, ist die Entwicklung der Windenergie. Aber das ist das
Ziel, das wir tatsächlich erreicht haben.
Haben wir eine ökologische Art der Energieerzeugung? Nein. Die Strategie,
Energie aus der Umwelt zu gewinnen, bedeutet, daß wir große Anlagen benötigen,
die einen Energiestrom mit niedriger Energiedichte anzapfen, hier Wind- und
Solarenergie, die nur wenige Watt oder Bruchteile von Watt pro Quadratmeter
liefern, und wir brauchen riesige Anlagen, um diese Energie zu ernten, was
einen großen ökologischen Fußabdruck hinterläßt.
Haben wir eine ökologische Energieproduktion? Nein, auch dies daher
nicht.
Haben wir eine preisgünstige Energieversorgung? Nein: Wir haben stattdessen
die höchsten Energiekosten der Welt. Und das gilt sowohl für private
Stromverbraucher als auch für industrielle Verbraucher. Wir vertreiben seit
zwanzig Jahren viele energieintensiv produzierende Unternehmen aus dem
Land.
© Rolf Schuster/Vernunftkraft
Abb. 1: Stromverbrauch und -erzeugung in Deutschland im August 2020.
Quelle: entso-e / Netzbetreiber
Nun, warum ist das so? Schauen wir uns die Daten an. Im Bild ist der letzte
Monat zu sehen, der August 2020 (Abbildung 1): In Rot sehen Sie die
installierte Kapazität von Solar- und Windenergie zusammen. Die braune Kurve
ist die Last; gelb ist die erzeugte Solarenergie und blau die erzeugte
Windkraft. Was Sie sofort sehen können, ist, daß es nur wenige Tage gibt,
zwischen dem 23. und 27. August, an denen Solar- und Windenergie im
Wesentlichen ausreichend waren, um den Energiebedarf zumindest stundenweise zu
decken. Aber für den Rest des Monats wurden andere Energiequellen benötigt,
und dies teils über recht lange Zeiten.
Solarenergie steht zumindest in den Sommermonaten häufig zur Verfügung, und
wir verbrauchen mehr Energie, wenn die Sonne scheint. Die Herausforderung
besteht darin, daß man die solare Stromerzeugung über den Tagesverlauf
ausgleichen muß, was mit recht kleinen Stromspeichern grundsätzlich möglich
ist.
Wind ist komplexer, weil wir manchmal Wochen haben, in denen es im
Wesentlichen keine Windenergieproduktion gibt, und Wochen mit guter
Windenergieproduktion, und dies auszugleichen, ist viel schwieriger.
Welche Strategien gibt es nun, um den Ausgleich zu schaffen?
Die erste Idee ist der Bau riesiger Stromspeicher. Aber der Speicherbedarf
ist so riesig, daß es derzeit keine Technologie gibt, mit der solche
gewaltigen Kapazitäten errichtet werden könnten.
Zweitens könnte man das Stromnetz auf riesige Gebiete ausdehnen, über
mindestens 10.000 km, daher würde diese Idee grundsätzlich zur Idee der Neuen
Seidenstraße passen. Aber es erfordert sehr leistungsstarke Netze, etwa 100mal
so groß wie die heutigen Übertragungsleitungen. Das ist technisch zwar
grundsätzlich machbar, aber es bringt ein enormes politisches Risiko mit sich,
denn wir müssen sicherstellen, daß all diese Leitungen ständig funktionieren.
Und jeder Terroranschlag und jedes technische Versagen könnte ganze Länder vom
Netz abhängen. Und das ist sicherlich keine akzeptable Position für ein
Industrieland.
Kommen wir drittens zur Sektorkopplung: Wir nutzen also die einmal erzeugte
Energie zum Laden der Batterien unserer Autos oder zur Erzeugung von Wärme.
Das löst im Wesentlichen die Frage, was wir mit überschüssiger Energie machen.
Umgekehrt ist es aber keine Lösung. Denn was ist, wenn wir keine Energie
ernten, weil der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint? Solche
Situationen haben wir häufig im Winter. Besonders im Januar können sog.
„Dunkelflauten“ über Tage und Wochen anhalten.
Viertens könnte internationale Zusammenarbeit eine Lösung sein. Also
produzieren wir beispielsweise in Feuerland Windenergie und wandeln sie in
energiereiche Gase um, wie z.B. Wasserstoff oder Methan, und transportieren
diese nach Deutschland. Oder wir nutzen in ähnlicher Weise Solarstrom aus den
Wüsten Afrikas dafür.
Das würde die heutige Situation nicht völlig ändern, immer noch müßten wir
mit Ländern Geschäfte machen, mit denen wir freiwillig keine
Geschäftsbeziehungen unterhalten würden, wenn wir nicht dazu gezwungen wären.
Auch würden die Energiemengen, die wir importieren, nach wie vor etwa 80% des
gesamten Energieverbrauchs ausmachen. Eine solche Strategie würde uns also
sicher nicht aus der Importabhängigkeit an Energierohstoffen erlösen, sondern
nur die Importländer verlagern.
Die letzte Lösung wären Kapazitätsmärkte. Wir würden für jedes Megawatt
Wind- oder Solarenergie ein Wärmekraftwerk, das typischerweise mit Gas
betrieben wird, ausschreiben. Und weil diese nicht wirtschaftlich betrieben
werden kann, müßten wir den Gaskraftwerksbetreibern etwas bezahlen. Dies wäre
leider das Ende der Marktwirtschaft im Stromsektor. Marktwirtschaften haben
den Vorteil, daß sie flexibel auf Knappheit reagieren können. Eine
Planwirtschaft ist demgegenüber viel zu langsam, um mit sich ändernden
Marktbedürfnissen zurechtzukommen. Es handelt sich hier also um eine
Strategie, die nicht zum westlichen Modell von freiheitlich-demokratischen
Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen passen würde.
Nach all dem wissen wir nun, daß Umweltenergien, insbesondere solche, die
uns stärker vom Wetter abhängig machen, keine Lösung darstellen. Sie ernten
Energie aus der Umgebung, allerdings nicht notwendigerweise dann und dort, wo
wir sie benötigen, sondern nur, wenn die Wetterbedingungen gerade günstig
sind, und deren Energie muß veredelt werden, um sie dann von dort
bedarfsgerecht zu uns zu bringen.
Es gibt sogar noch eine andere Frage, eine ethische, die ich sehe: Wenn man
auf Solar- oder Windenergie setzt, benötigt man eine bestimmte Fläche, um eine
bestimmte Energiemenge zu ernten. Möchte man nun die Energiemenge verdoppeln,
muß man auch die Erntefläche verdoppeln, und die meisten Länder sind einfach
zu klein dazu. Eine Strategie, die sich sehr stark auf wetterabhängige
Umgebungsenergien konzentriert, schränkt daher die Entwicklungsmöglichkeiten
unserer Kinder und Enkel stark ein. Ob wir dies verantworten können ist eine
noch viel zu wenig beachtete Frage.
Abgesehen davon braucht die Welt auf jeden Fall mehr Energie und billigere
Energie.
Heutzutage ist Kohle die Königin der Stromwirtschaft. Niemand mag sie; sie
ist schmutzig, aber sie ist billig. Öl ist ebenfalls relativ billig, wird uns
aber wahrscheinlich im nächsten Jahrhundert ausgehen. Nur Erdgas gibt es im
Überfluß, und dies relativ preisgünstig – immer noch teurer als Kohle, aber
wir könnten unsere Wirtschaft eine Zeit lang auf der Grundlage von Erdgas
befeuern. Aber auch Erdgas ist wegen der angenommenen Folgen auf das Erdklima
oft unbeliebt.
Der einzige Ausweg: Kernenergie
Was kommt also statt der fossilen und der Umgebungsenergien? Die Physik hat
darauf nur eine einzige Antwort: die Kernenergie. Die Kernspaltung und die
Kernfusion sind die einzigen Energiequellen, die das Potential haben, die
Wirtschaft der Zukunft zu befeuern, ganz gleich, welche Energiemengen wir
künftig benötigen. Und viele Menschen, die heute über Energie sprechen,
konzentrieren sich auf die Strommärkte, aber etwa 80 % unseres
Energiebedarfs ist nicht elektrischer Strom, sondern Treibstoff für Autos,
chemische Energien für Grundchemikalien, aus denen wir zum Beispiel
Kunststoffe herstellen, und Prozeßwärme zur Herstellung von Metallen, Glas,
Stahl, Papier, Zement und so weiter. All dies könnte mit Kernenergie
ermöglicht werden.
Aber dafür sind andere Formen der Kernenergie erforderlich. Unsere
derzeitige Reaktorengeneration (Druckwasserreaktoren, Leichtwasserreaktoren)
sind perfekte Werkzeuge für die Stromerzeugung. Aber neue Konzepte sind
gefragt, solche, die über heutige Reaktorgeneration hinausgehen und bei sehr
hohen Temperaturen zwischen 500° oder sogar 1.000° Celsius arbeiten, wo
Prozeßwärme direkt für chemische Prozessen ausgekoppelt werden kann, um zum
Beispiel den Bedarf an synthetischen Brennstoffe aus Kernenergie zu
decken.
Das Gute ist, daß es Konzepte für Spaltreaktoren gibt, die auf dem ältesten
Reaktortyp, dem Flüssigsalzreaktor, basieren. Darüber hinaus gibt es weitere
Entwicklungen mit extrem hoher Ausnutzung des Kernbrennstoffs. Diese stellen
also eine wirklich nachhaltige Entwicklung dar, denn dann könnte der
Kernbrennstoff Millionen von Jahren reichen – definitiv ausreichend, um
sie diese Kernkraft als nachhaltig zu bezeichnen.
Bei der Entwicklung der Kernfusion gibt es wahrscheinlich noch einige große
Herausforderungen für die Wirtschaftlichkeit, aber wenn wir diese erst einmal
gelöst haben, und sei es auch erst in 100 Jahren, dann reicht ihr Brennstoff
noch weitere Dutzende Millionen Jahre.
All dies ist bereits mit heutigen technischen Mitteln machbar. Die größte
Herausforderung sehe ich daher nicht in der Technologie, sondern in der
Finanzierung der Ideen.
Schlußfolgerung
Lassen Sie mich abschließend Folgendes zeigen: Ich glaube, daß die deutsche
Energiewende gescheitert ist. Die meisten Politiker wissen es, aber sie müssen
es verheimlichen, oder sie meinen, daß es zu viele Lobbygruppen gibt, die sich
für ihren Erfolg einsetzen. Die neue Wasserstoffstrategie ist konzeptionell
sehr ähnlich, weil sie die physikalischen und technischen Notwendigkeiten
teilweise ignoriert.
Wir brauchen also definitiv eine neue Energiestrategie, die vielleicht so
aussehen könnte wie das, woran ich gerade arbeite. Ich habe sie „Ökologischer
Realismus“ genannt, und natürlich wird die Kernenergie dabei eine wesentliche
Rolle spielen.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß die Zukunft der Kernenergie noch
nicht einmal begonnen hat. Es gibt noch viele technologische Optionen, die
noch nicht erforscht sind und weitere zivilisatorische Entwicklungsschritte
ermöglichen. Das Gute daran ist, daß, wenn wir zu diesen neuen Arten von
Technologien kommen, alle UN-Entwicklungsziele, also nicht nur die
ökologischen und technologischen, sondern auch die humanistischen Ziele für
eine nachhaltige Entwicklung erreicht werden können. Und mit dieser guten
Botschaft über heutige und künftige Potentiale der Kernenergie und dem Dank
für Ihre Aufmerksamkeit möchte ich schließen.
|