Friedrich Schiller Denkmal
Friedrich Schiller



Hauptseite
       

Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Das Streben nach sauberer und billiger Energie

Von Dr. Björn Peters

Dr. Björn Peters ist Physiker, Unternehmer und Politikberater in den Bereichen Energie, Nachhaltigkeit und Rohstoffe. Im Rahmen der Internetkonferenz des Schiller-Instituts hielt er am 6. September den folgenden Vortrag; unsere Übersetzung aus dem Englischen folgt dem vorab eingereichten Konzept.

Mein Name ist Björn Peters. Ich bin gebeten worden, die Frage zu diskutieren, warum es so wichtig ist, saubere und billige Energie zur Verfügung zu haben.

Ein paar Worte zu meiner Person: Ich bin ein deutscher Energiepolitik-Blogger („Die Energiefrage“) und Mitbegründer der Nuclear Pride Coalition. Dies ist eine globale Initiative, die das Ziel hat, die Kernenergie weltweit zu unterstützen und die bestehenden Kernkraftwerke zu retten. Mein Geld verdiene ich damit, Unternehmen und Regierungen zu Themen aus den Bereichen Energie, Rohstoffe und Nachhaltigkeit zu beraten.

Für den Vortrag werde ich mit der deutschen Energiewende beginnen, die auf Solar- und Windenergie setzt und zeigen, was wir aus der deutschen Erfahrung lernen können. Dazu werde ich auf die Ziele, die Zielerreichung und die Gründe dafür eingehen. Und dann will ich eine Vorstellung davon entwickeln, wie und welche Energie wir tatsächlich brauchen, und warum die Kernenergie unverzichtbar ist, um dorthin zu gelangen.

Die deutsche Energiewende besteht im Wesentlichen aus dem Ausstieg aus der Kernenergie und einem sehr starken Ausbau der Solar- und Windenergie. Die Ziele, die während dieser ganzen Zeit verfolgt wurden, waren, zu einer ökologischeren Stromerzeugung zu gelangen, sie wirtschaftlich zu machen, sowie eine Reihe von sozialen und technologischen Zielen.

Aber wenn wir die Ziele mit dem erreichten Ergebnis vergleichen, stellen wir fest, daß nur ein einziges Ziel, ein Technologie- oder Kostenziel, erfüllt wurde, und das kann man so darstellen: Deutschland hat etwa 50 % der Lernkurve für Solarenergie bezahlt: Vor fünfzehn Jahren kostete die Installation einer Solar- oder Photovoltaik-Anlage etwa 8 €/Watt, heute unter 1 €/Watt. Ähnlich, aber nicht so drastisch, ist die Entwicklung der Windenergie. Aber das ist das Ziel, das wir tatsächlich erreicht haben.

Haben wir eine ökologische Art der Energieerzeugung? Nein. Die Strategie, Energie aus der Umwelt zu gewinnen, bedeutet, daß wir große Anlagen benötigen, die einen Energiestrom mit niedriger Energiedichte anzapfen, hier Wind- und Solarenergie, die nur wenige Watt oder Bruchteile von Watt pro Quadratmeter liefern, und wir brauchen riesige Anlagen, um diese Energie zu ernten, was einen großen ökologischen Fußabdruck hinterläßt.

Haben wir eine ökologische Energieproduktion? Nein, auch dies daher nicht.

Haben wir eine preisgünstige Energieversorgung? Nein: Wir haben stattdessen die höchsten Energiekosten der Welt. Und das gilt sowohl für private Stromverbraucher als auch für industrielle Verbraucher. Wir vertreiben seit zwanzig Jahren viele energieintensiv produzierende Unternehmen aus dem Land.

© Rolf Schuster/Vernunftkraft

Abb. 1: Stromverbrauch und -erzeugung in Deutschland im August 2020. Quelle: entso-e / Netzbetreiber

Nun, warum ist das so? Schauen wir uns die Daten an. Im Bild ist der letzte Monat zu sehen, der August 2020 (Abbildung 1): In Rot sehen Sie die installierte Kapazität von Solar- und Windenergie zusammen. Die braune Kurve ist die Last; gelb ist die erzeugte Solarenergie und blau die erzeugte Windkraft. Was Sie sofort sehen können, ist, daß es nur wenige Tage gibt, zwischen dem 23. und 27. August, an denen Solar- und Windenergie im Wesentlichen ausreichend waren, um den Energiebedarf zumindest stundenweise zu decken. Aber für den Rest des Monats wurden andere Energiequellen benötigt, und dies teils über recht lange Zeiten.

Solarenergie steht zumindest in den Sommermonaten häufig zur Verfügung, und wir verbrauchen mehr Energie, wenn die Sonne scheint. Die Herausforderung besteht darin, daß man die solare Stromerzeugung über den Tagesverlauf ausgleichen muß, was mit recht kleinen Stromspeichern grundsätzlich möglich ist.

Wind ist komplexer, weil wir manchmal Wochen haben, in denen es im Wesentlichen keine Windenergieproduktion gibt, und Wochen mit guter Windenergieproduktion, und dies auszugleichen, ist viel schwieriger.

Welche Strategien gibt es nun, um den Ausgleich zu schaffen?

Die erste Idee ist der Bau riesiger Stromspeicher. Aber der Speicherbedarf ist so riesig, daß es derzeit keine Technologie gibt, mit der solche gewaltigen Kapazitäten errichtet werden könnten.

Zweitens könnte man das Stromnetz auf riesige Gebiete ausdehnen, über mindestens 10.000 km, daher würde diese Idee grundsätzlich zur Idee der Neuen Seidenstraße passen. Aber es erfordert sehr leistungsstarke Netze, etwa 100mal so groß wie die heutigen Übertragungsleitungen. Das ist technisch zwar grundsätzlich machbar, aber es bringt ein enormes politisches Risiko mit sich, denn wir müssen sicherstellen, daß all diese Leitungen ständig funktionieren. Und jeder Terroranschlag und jedes technische Versagen könnte ganze Länder vom Netz abhängen. Und das ist sicherlich keine akzeptable Position für ein Industrieland.

Kommen wir drittens zur Sektorkopplung: Wir nutzen also die einmal erzeugte Energie zum Laden der Batterien unserer Autos oder zur Erzeugung von Wärme. Das löst im Wesentlichen die Frage, was wir mit überschüssiger Energie machen. Umgekehrt ist es aber keine Lösung. Denn was ist, wenn wir keine Energie ernten, weil der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint? Solche Situationen haben wir häufig im Winter. Besonders im Januar können sog. „Dunkelflauten“ über Tage und Wochen anhalten.

Viertens könnte internationale Zusammenarbeit eine Lösung sein. Also produzieren wir beispielsweise in Feuerland Windenergie und wandeln sie in energiereiche Gase um, wie z.B. Wasserstoff oder Methan, und transportieren diese nach Deutschland. Oder wir nutzen in ähnlicher Weise Solarstrom aus den Wüsten Afrikas dafür.

Das würde die heutige Situation nicht völlig ändern, immer noch müßten wir mit Ländern Geschäfte machen, mit denen wir freiwillig keine Geschäftsbeziehungen unterhalten würden, wenn wir nicht dazu gezwungen wären. Auch würden die Energiemengen, die wir importieren, nach wie vor etwa 80% des gesamten Energieverbrauchs ausmachen. Eine solche Strategie würde uns also sicher nicht aus der Importabhängigkeit an Energierohstoffen erlösen, sondern nur die Importländer verlagern.

Die letzte Lösung wären Kapazitätsmärkte. Wir würden für jedes Megawatt Wind- oder Solarenergie ein Wärmekraftwerk, das typischerweise mit Gas betrieben wird, ausschreiben. Und weil diese nicht wirtschaftlich betrieben werden kann, müßten wir den Gaskraftwerksbetreibern etwas bezahlen. Dies wäre leider das Ende der Marktwirtschaft im Stromsektor. Marktwirtschaften haben den Vorteil, daß sie flexibel auf Knappheit reagieren können. Eine Planwirtschaft ist demgegenüber viel zu langsam, um mit sich ändernden Marktbedürfnissen zurechtzukommen. Es handelt sich hier also um eine Strategie, die nicht zum westlichen Modell von freiheitlich-demokratischen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen passen würde.

Nach all dem wissen wir nun, daß Umweltenergien, insbesondere solche, die uns stärker vom Wetter abhängig machen, keine Lösung darstellen. Sie ernten Energie aus der Umgebung, allerdings nicht notwendigerweise dann und dort, wo wir sie benötigen, sondern nur, wenn die Wetterbedingungen gerade günstig sind, und deren Energie muß veredelt werden, um sie dann von dort bedarfsgerecht zu uns zu bringen.

Es gibt sogar noch eine andere Frage, eine ethische, die ich sehe: Wenn man auf Solar- oder Windenergie setzt, benötigt man eine bestimmte Fläche, um eine bestimmte Energiemenge zu ernten. Möchte man nun die Energiemenge verdoppeln, muß man auch die Erntefläche verdoppeln, und die meisten Länder sind einfach zu klein dazu. Eine Strategie, die sich sehr stark auf wetterabhängige Umgebungsenergien konzentriert, schränkt daher die Entwicklungsmöglichkeiten unserer Kinder und Enkel stark ein. Ob wir dies verantworten können ist eine noch viel zu wenig beachtete Frage.

Abgesehen davon braucht die Welt auf jeden Fall mehr Energie und billigere Energie.

Heutzutage ist Kohle die Königin der Stromwirtschaft. Niemand mag sie; sie ist schmutzig, aber sie ist billig. Öl ist ebenfalls relativ billig, wird uns aber wahrscheinlich im nächsten Jahrhundert ausgehen. Nur Erdgas gibt es im Überfluß, und dies relativ preisgünstig – immer noch teurer als Kohle, aber wir könnten unsere Wirtschaft eine Zeit lang auf der Grundlage von Erdgas befeuern. Aber auch Erdgas ist wegen der angenommenen Folgen auf das Erdklima oft unbeliebt.

Der einzige Ausweg: Kernenergie

Was kommt also statt der fossilen und der Umgebungsenergien? Die Physik hat darauf nur eine einzige Antwort: die Kernenergie. Die Kernspaltung und die Kernfusion sind die einzigen Energiequellen, die das Potential haben, die Wirtschaft der Zukunft zu befeuern, ganz gleich, welche Energiemengen wir künftig benötigen. Und viele Menschen, die heute über Energie sprechen, konzentrieren sich auf die Strommärkte, aber etwa 80 % unseres Energiebedarfs ist nicht elektrischer Strom, sondern Treibstoff für Autos, chemische Energien für Grundchemikalien, aus denen wir zum Beispiel Kunststoffe herstellen, und Prozeßwärme zur Herstellung von Metallen, Glas, Stahl, Papier, Zement und so weiter. All dies könnte mit Kernenergie ermöglicht werden.

Aber dafür sind andere Formen der Kernenergie erforderlich. Unsere derzeitige Reaktorengeneration (Druckwasserreaktoren, Leichtwasserreaktoren) sind perfekte Werkzeuge für die Stromerzeugung. Aber neue Konzepte sind gefragt, solche, die über heutige Reaktorgeneration hinausgehen und bei sehr hohen Temperaturen zwischen 500° oder sogar 1.000° Celsius arbeiten, wo Prozeßwärme direkt für chemische Prozessen ausgekoppelt werden kann, um zum Beispiel den Bedarf an synthetischen Brennstoffe aus Kernenergie zu decken.

Das Gute ist, daß es Konzepte für Spaltreaktoren gibt, die auf dem ältesten Reaktortyp, dem Flüssigsalzreaktor, basieren. Darüber hinaus gibt es weitere Entwicklungen mit extrem hoher Ausnutzung des Kernbrennstoffs. Diese stellen also eine wirklich nachhaltige Entwicklung dar, denn dann könnte der Kernbrennstoff Millionen von Jahren reichen – definitiv ausreichend, um sie diese Kernkraft als nachhaltig zu bezeichnen.

Bei der Entwicklung der Kernfusion gibt es wahrscheinlich noch einige große Herausforderungen für die Wirtschaftlichkeit, aber wenn wir diese erst einmal gelöst haben, und sei es auch erst in 100 Jahren, dann reicht ihr Brennstoff noch weitere Dutzende Millionen Jahre.

All dies ist bereits mit heutigen technischen Mitteln machbar. Die größte Herausforderung sehe ich daher nicht in der Technologie, sondern in der Finanzierung der Ideen.

Schlußfolgerung

Lassen Sie mich abschließend Folgendes zeigen: Ich glaube, daß die deutsche Energiewende gescheitert ist. Die meisten Politiker wissen es, aber sie müssen es verheimlichen, oder sie meinen, daß es zu viele Lobbygruppen gibt, die sich für ihren Erfolg einsetzen. Die neue Wasserstoffstrategie ist konzeptionell sehr ähnlich, weil sie die physikalischen und technischen Notwendigkeiten teilweise ignoriert.

Wir brauchen also definitiv eine neue Energiestrategie, die vielleicht so aussehen könnte wie das, woran ich gerade arbeite. Ich habe sie „Ökologischer Realismus“ genannt, und natürlich wird die Kernenergie dabei eine wesentliche Rolle spielen.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß die Zukunft der Kernenergie noch nicht einmal begonnen hat. Es gibt noch viele technologische Optionen, die noch nicht erforscht sind und weitere zivilisatorische Entwicklungsschritte ermöglichen. Das Gute daran ist, daß, wenn wir zu diesen neuen Arten von Technologien kommen, alle UN-Entwicklungsziele, also nicht nur die ökologischen und technologischen, sondern auch die humanistischen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung erreicht werden können. Und mit dieser guten Botschaft über heutige und künftige Potentiale der Kernenergie und dem Dank für Ihre Aufmerksamkeit möchte ich schließen.