Die physische Kraft der klassischen Poesie und Musik
Von John Sigerson
John Sigerson, Musikalischer Direktor des Schiller-Instituts,
hielt im Rahmen der Internetkonferenz des Instituts am 26. April den folgenden
Vortrag.
Als ich über das diesjährige Beethovenjahr nachdachte und darüber, wie ich
die Gelegenheit nutzen könnte, erinnerte ich mich an eine gewisse Debatte, die
ich 1972 oder 1973 hatte, kurz nachdem ich mich Lyndon LaRouche angeschlossen
hatte, nachdem ich eine Reihe von Kursen über zwei Themen besucht hatte:
klassische Musik auf der einen Seite, und auf der anderen Seite die einzige
Wirtschaftstheorie, von der ich überzeugt war, daß sie meinen Enthusiasmus für
wirtschaftlichen Fortschritt, insbesondere in Afrika, ansprach – zwei Fächer,
bei denen meine Hochschullehrer darauf bestanden hatten, daß sie nichts
miteinander zu tun hätten.
Ich sprach damals mit einem Kompositionsstudenten der Columbia University,
den ich für die Idee zu gewinnen versuchte, daß die Welt ein besserer Ort
wäre, wenn Komponisten die Herausforderung annehmen würden, die Beethoven in
seinen späten Werken, insbesondere in seinen späten Streichquartetten,
aufgeworfen hatte. „Könntest du Werke wie Beethoven komponieren?“, fragte ich
ihn. „Ja, klar könnte ich das, kein Problem“, antwortete er mit ein wenig
Prahlerei. „Na dann“, hakte ich nach, „warum tust du es denn nicht?“ Worauf er
lässig antwortete: „Weil ich mich für was anderes entschieden habe!“ – und
schnell wieder wegging.
Und das ist auch heute noch das Problem.
Diese Herausforderung, Beethovens Ideen nicht nur durch ehrliche
Aufführungen zu vermitteln, sondern über Beethoven hinauszugehen, verfolgt die
menschliche Zivilisation seit dem Tod des Komponisten im März 1827. Nur sehr
wenige, wie Schumann und Brahms, haben diese Herausforderung angenommen,
während so viele andere, wie Wagner und die Romantiker, Strawinsky und die
Modernisten, ganz zu schweigen von den Anbietern populärer Massenunterhaltung,
„sich für was anderes entschieden haben“.
Der Herausforderung stellen
Wie können wir uns dieser Herausforderung heute stellen? Sicherlich ist das
Studium, das Singen und Spielen großer klassischer Werke für unser Überleben
unerläßlich. Aber wir dürfen nicht in die Falle tappen, wie es so viele
Künstler tun, zu glauben, daß die Beherrschung des Stils der
klassischen Musik dem Komponisten oder uns gerecht wird. Große klassische
Musik war nie eine Frage des Stils, sondern vielmehr einer unstillbaren
Sehnsucht, universelle platonische Ideen, universelle Prinzipien über die
wahre Natur des Menschen zu vermitteln – das, was ihn von allen anderen uns
bisher bekannten Geschöpfen unterscheidet, auf unserer Reise durch die
universelle Raumzeit.
Lyndon LaRouche warf uns für die Auseinandersetzung mit dieser
Herausforderung einen Rettungsanker zu, als er das klassische Kunstlied als
den „Stein von Rosette“ der Kunst bezeichnete. Er sagte, das Singen von Poesie
sei eine nie versiegende Quelle der Inspiration für den komponierenden Geist.
Alle große klassische Poesie, von den vedischen Hymnen über Homer und Dante
bis hin zu Shakespeare, Schiller, Shelley und Poe, ist gesungene Poesie; und
umgekehrt muß alle große Musik, ob von Sängern, Instrumenten oder
Kombinationen von beidem vorgetragen, gesungen werden – und zwar mit Schönheit
und Anmut gesungen werden –, wenn sie die beabsichtigte Wirkung haben soll,
die Interpreten und das Publikum gleichermaßen zu erheben und zu
verwandeln.
Poesie ist, wie Musik, niemals eine Frage des Stils, sondern eine Frage des
Zwecks. Besonders in unruhigen Zeiten haben Komponisten die Lieder und
Gedichte unbekannter Barden des Volkes, die so genannten Volkslieder, als ein
Mittel aufgegriffen, um die Volkskultur zu bereichern und zu veredeln, indem
sie diese Lieder des Lebens und der Liebe auf das höchste Niveau moralischer
und künstlerischer Vollkommenheit erhoben haben. Die erhabene Wirkung des
afroamerikanischen Spirituals, worüber meine Kollegen hier sprechen, ist ein
einzigartiges, wertvolles Beispiel in der amerikanischen Kultur. In ähnlicher
Weise wurden im 19. Jahrhundert die Volkslieder vieler europäischer Kulturen
von Beethoven selbst und insbesondere von Johannes Brahms und Antonín
Dvořák auf ein hohes Niveau der Vollkommenheit gebracht. In China, das
über eine reiche Fundgrube an Volksliedern verfügt, glaube ich, daß die
Komponisten dies noch auf das Niveau anheben müssen wie, sagen wir, Brahms es
erreicht hat, aber ich bin zuversichtlich, daß, wenn China nicht in einem
nuklearen Holocaust zerstört wird, wie dies von den Dinosauriern des Alten
Paradigmas so verzweifelt erhofft wird, dies nicht mehr lange auf sich warten
lassen wird.
Aber in unserer heutigen westlichen Kultur ist die Erinnerung an diese
Lebens- und Liebeslieder bei den breiten Masse der Bevölkerung unter dem
Ansturm der brutalen, barbarischen, starren, meist sexbesessenen „Popkultur“
immer mehr verblaßt, in einem solchen Ausmaß, daß, wenn man heute einen jungen
Amerikaner fragt, ob er ein einfaches Volkslied kennt, das er von Kindheit an
gesungen hat, er wahrscheinlich eher schweigt und einen ratlos anschaut.
Kann also die wahre klassische Komposition in der Größenordnung eines Bach,
Beethoven und Brahms angesichts dieser Verrohung der Kultur unseres Volkes
wiederbelebt werden, da die sinnlose Jagd nach dem Hier und Jetzt die
Nachklänge der Vergangenheit verdrängt hat? Ich glaube, das kann sie, aber
nur, wenn sich Dichter und Komponisten darauf einigen, sich einem Kampf
auszusetzen, nicht nur schöne Melodien oder clevere musikalische Kombinationen
zu schaffen, sondern um die beabsichtigte physische Wirkung ihrer
eigenen Schöpfungen bewußt zu gestalten.
Planck und Einstein
Was ich damit meine, will ich nun am Beispiel zweier hervorragender Musiker
veranschaulichen: Max Planck und Albert Einstein.
Aber was verstehe ich unter „physisch“? Nun, ich meine es in der gleichen
Weise, wie Lyndon LaRouche über die physische Ökonomie spricht. Jeder, der mit
LaRouches Diskussionen und Schriften vertraut ist, muß sich darüber im klaren
sein, daß er mit „physisch“ bzw. „physikalisch“ nicht Objekte meint, seien es
Anlagen und Geräte oder Menschen, sondern bewiesene universelle physikalische
Prinzipien, die der Mensch durch schöpferische Handlungen entdecken kann, zum
Wohle der zukünftigen Existenz der Menschheit und zum vermehrten Glück des
Universums selbst.
Die Musiker Planck und Einstein waren natürlich auch begnadete theoretische
Physiker. Als Frucht ihres Kampfes entdeckten sie die quantisierte Eigenschaft
der elektromagnetischen Energie, eine Entdeckung, die direkt zu unserer –
immer noch sehr begrenzten – Beherrschung der Kernkraft führte. Und bitte
verzeihen Sie mir, wenn ich hier viele technische Details überspringe, so
wichtig sie auch sein mögen.
Max Planck wuchs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland
auf. Als er seinen Freunden verkündete, daß er nicht Pianist und Komponist,
sondern Physiker werden wolle, antworteten ihm einige seiner Bekannten, er
vergeude seine Zeit, weil alle wesentlichen Gesetze der diskreten Materie auf
der einen Seite und der kontinuierlichen elektromagnetischen Energie auf der
anderen Seite bereits entdeckt worden seien.
Doch ein Problem, das die Physiker weiter verwirrte, war das sogenannte
Schwarzkörperproblem. Die Herausforderung bestand darin, die Kraftverteilung
und Frequenzen von Substanzen zu bestimmen, insbesondere von Metallen, die,
wenn sie heißer werden, Licht mit verschiedenen Frequenzen aussenden: zunächst
in den niedrigeren roten Frequenzen, wie man sieht, wenn ein Metallstück rot
zu glühen beginnt, und dann, wenn die Temperatur steigt, in Richtung weiß. Der
so genannte schwarze Körper war ein Gerät, um dies mit großer Präzision zu
testen.
Das praktische Problem bestand darin, daß niemand in der Lage war, eine
Formel für die Verteilung der Frequenzen auszuarbeiten. Für die industrielle
Produktion war dies zu einer dringenden Angelegenheit geworden, weil die
Herstellung zuverlässiger Glühbirnen eine solche Berechnung erforderte, und
tatsächlich finanzierte die Elektrofirma Siemens in Berlin ein ganzes
Institut, das sich der Lösung dieses Problems widmete.
Nachdem er viele andere scheitern sah, beschloß Planck, dieses Problem
aufzugreifen, und es gelang ihm, eine Gleichung aufzustellen, die die genaue
Verteilung der Energie zu berücksichtigen schien. Allerdings – und das ist das
entscheidende Merkmal seiner Ehrlichkeit – blieb er mit seiner eigenen
Gleichung unzufrieden, und er weigerte sich sogar, sie seinen Kollegen
vorzulegen, weil er ihre physikalische Bedeutung noch nicht entdeckt
hatte. Was war die Ursache dafür, daß es so und nicht anders
funktioniert, fragte er.
So sah er sich mit der gleichen Art von Herausforderung konfrontiert wie
Johannes Kepler, der sich mit den Planetenepizykeln des Ptolemäus und den
Kreisbahnen von Kopernikus und Tycho Brahe beschäftigte und zu dem Schluß kam,
daß ihre Modelle, so genau sie auch zu sein schienen, unmöglich gültig sein
können, da sie lediglich ein Naturphänomen beschrieben, ohne sich um
die Entdeckung seiner physikalischen Ursache zu kümmern.
Planck begab sich auf eine Reise, die schließlich seinen eigenen festen
axiomatischen Glauben an die Existenz einer perfekten Kontinuität in der Natur
in Frage stellte. Denn wie könnte zum Beispiel Licht etwas anderes sein als
eine kontinuierliche Welle? Wie könnte Gottes Schöpfung nur die Summe einer
Unzahl kleiner Teile sein?
Damit stand Planck in ständigem Konflikt mit moralisch kompromittierten
Reduktionisten wie Ludwig Boltzmann und Ernst Mach, die dafür eintraten, daß
Wissenschaftler alle Bemühungen aufgeben sollten, die Kausalität komplexer
Phänomene wie das Verhalten von Gasen tatsächlich zu verstehen, und sich mit
einer bloßen statistischen Wahrscheinlichkeit zufrieden geben sollten, daß ein
bestimmtes Phänomen so und nicht anders ist.
Aber nachdem er alle möglichen Gedankenexperimente mit schwarzen Körpern
ausprobiert hatte und es ihm nicht gelungen war, eine Ursache zu finden,
stellte Planck in „einem Akt der Verzweiflung“, wie er selbst sagte, die
Hypothese eines Modells auf: Es beinhaltete eine Unzahl kleiner Sprungfedern
aus dem Inneren des schwarzen Körpers, die Licht mit Frequenzen ausstrahlten,
die allesamt ganzzahlige Inkremente eines extrem kleinen konstanten Wertes
waren – was dann später als das Plancksche Wirkungsquantum bekannt wurde.
Planck hatte eine wahre physikalische Ursache entdeckt, allerdings um
den Preis, daß er sein eigenes, ihm liebstes Axiom aufgab.
Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende! Planck hatte ein neues
Prinzip begriffen, aber nur unvollständig. An seiner Überzeugung festhaltend,
daß das Licht selbst kontinuierlich ist, glaubte er, daß nur die
Wechselwirkung des Lichts mit den winzigen Rezeptoren im schwarzen
Körper seine quantisierte Wirkung hervorruft.
Die Schrift, in der er seine Entdeckung ankündigte, fiel dann in die Hände
eines jungen Patentbeamten Dritter Klasse in der Schweiz namens Albert
Einstein, der praktisch sagte: „Moment mal! Was ist, wenn das Licht selbst
quantisiert ist? Und was, wenn die Wellennatur des Lichts tatsächlich mit
seiner quantisierten Natur in Einklang gebracht werden kann, gemäß einem
höheren Prinzip?“
Wie es so schön heißt: „Der Rest ist Geschichte.“ Und seitdem, bis zu
seinem Tod, hat Einstein seine Suche nach diesem höheren Prinzip nie
aufgegeben, er widersetzte sich allen Bemühungen von Mach-Anhängern wie Werner
Heisenberg, die Quantenphysik auf eine statistische Spielerei zu reduzieren,
die nur „zu funktionieren scheint“, aber keine Ursachenforschung
betreiben will. Einsteins Erwiderung an diesen beschränkten Geister ist
berühmt: „Gott würfelt nicht.“
LaRouche zur Musik
Aber zurück zu Musik und Poesie! Ich möchte einen weiteren herausragenden
Musiker zitieren, nämlich Lyndon LaRouche. Im Januar 1993 besuchten meine Frau
Renée und ich mit Mindy Pechenuk Lyndon für einige Stunden im Gefängnis von
Rochester, Minnesota, wo wir in der manchmal sehr geräuschvollen Atmosphäre
des Gefängnis-Besuchszimmers alle möglichen musikalischen Fragen besprachen.
Aus der transkribierten Aufnahme, die wir eines Tages veröffentlichen wollen,
möchte ich Ihnen das folgende vorlesen, um Ihnen einen Einblick in LaRouches
Denken zu geben:
„Die Äquivalenzen der Musik sind nicht ordinal, sie sind nicht quantitativ
– sie sind nicht qualitativ, zum Beispiel. Sie haben die Form einer
Analysis situs. Und der Schlüssel dazu sind zwei Dinge.
Erstens ist der musikalische Bereich ein quantisiertes Feld. Noten
existieren. Und Raum ist keplerisch. Weil man die Noten hat, sie existieren an
bestimmten Orten, gibt es bestimmte Harmonien, die existieren, die
geordnet sind. Und egal, welche Noten man spielt, die nächste wird
immer schon da sein. Man kann Ihre Reihenfolge ändern, soviel man will, aber
die nächste wird da sein. Es ist alles für dich vorbestimmt. Und das ist nicht
veränderbar. Und eine Annäherung an die Note, nur in dem Maße, wie du
schwindelst, ist die Note. Die Note, die gesungen oder vorgetragen wird, ist
nicht die eigentliche Note. Es ist die beste Annäherung daran. Der Ton ist
absolut; und der Ausführende nähert sich ihm nur an. Und wenn man sich dem
nicht gut genug annähert, werden wir unglücklich; wir werden verwirrt. Aber
das ist die Analysis situs.
Das wichtigste ist die Note, erstens. Zweitens die Registrierung.
Und die Registrierung gibt es in vielen verschiedenen Varianten. Es erscheint
in Aspekten von Instrumentenfarben aller Art, bzw. es wird manchmal der
Oberbegriff Farbe verwendet. Aber es gibt viele Arten von Farben. Man kann
Instrumente erschaffen; sie haben Farben, die keine menschlichen Stimmfarben
sind. Aber sie werden zu einer Dimensionalität der Farbe. Und das ist
präzise, ist vorbestimmt. Man macht eine Saite von so und so einer Art, das
ist fest. Das hat eine Farbe. Man kann sie verändern, aber sie ist da, sie
wird dich verfolgen. Und du kommst nicht davon los. Man muß zu einer anderen
Saite springen, um zu einem anderen Teil seiner Farbe zu gelangen.“
Und nun hoffe ich, daß ich Ihre Geduld noch einmal strapazieren darf, wenn
ich diese Passage aus Einsteins Einführung [zur englischen Ausgabe] von
Plancks Buch „Wohin geht die Wissenschaft“ von 1932 zitiere:
„Höchste Aufgabe des Physikers ist die Entdeckung der allgemeinsten
elementaren Gesetze, aus denen durch reine Deduktion das Weltbild zu gewinnen
ist.Zu diesen elementaren Gesetzen führt kein logischer Weg, sondern nur die
auf Einfühlung in die Erfahrung sich stützende Intuition.
Der Forscher sieht hier bei jedem neuen wichtigen Fortschritte seine
Erwartungen übertroffen, indem jene Grundgesetze sich unter dem Drucke der
Erfahrung mehr und mehr vereinfachen. Mit Staunen sieht er das scheinbare
Chaos in eine sublime Ordnung eingefügt, die nicht auf das Walten des eigenen
Geistes, sondern auf die Beschaffenheit der Erfahrungswelt zurückzuführen ist;
dies ist das, was Leibniz so glücklich als ,prästabilierte Harmonie’
bezeichnete.
Diesen Umstand nicht genug zu würdigen, wird von den Physikern manchen
Erkenntnistheoretiker zum schweren Vorwurf gemacht. Hierin scheinen mir auch
die Wurzeln der vor einigen Jahren zwischen Mach und Planck geführten Polemik
zu liegen.“
Planck war wahrscheinlich der Meinung, daß Mach die Sehnsucht des Physikers
nach der Wahrnehmung dieser prästabilierten Harmonie nicht voll zu würdigen
wußte.
„Die Sehnsucht nach dem Schauen jener prästabilierten Harmonie ist die
Quelle der unerschöpflichen Ausdauer und Geduld, mit der wir Planck den
allgemeinsten Problemen unserer Wissenschaft sich hingeben sehen, ohne sich
durch dankbarere und leichter erreichbare Ziele ablenken zu lassen.
Ich habe oft gehört, daß Fachgenossen dieses Verhalten auf außergewöhnliche
Willenskraft und Disziplin zurückführen wollten; wie ich glaube, ganz zu
Unrecht. Der Gefühlszustand, der zu solchen Leistungen befähigt, ist dem des
Religiösen oder Verliebten ähnlich; das tägliche Streben entspringt keinem
Vorsatz oder Programm, sondern einem unmittelbaren Bedürfnis.
Hier sitzt er, unser lieber Planck, und lächelt innerlich über dies mein
kindliches Hantieren mit der Laterne des Diogenes. Unsere Sympathie für ihn
bedarf keiner fadenscheinigen Begründung. Möge die Liebe zur Wissenschaft auch
in Zukunft seinen Lebensweg verschönern und ihn zu Lösung des von ihm selbst
gestellten und mächtig geförderten wichtigsten physikalischen Problems der
Gegenwart führen. Möge es ihm gelingen, die Quantentheorie mit der
Elektrodynamik und Mechanik zu einem logisch einheitlichen System zu
vereinigen.“1
Was ist also die Lektion, die wir hier lernen können? Damit werfe ich den
heutigen Dichtern und Komponisten die folgende Herausforderung entgegen, vor
allem an junge Dichter und junge Komponisten, die möglicherweise auch in einem
wissenschaftlichen Bereich tätig sind:
Ihr Dichter und Komponisten: Ihr wißt, wer ihr seid! (Denn wer sich
das noch fragen muß, ist wahrscheinlich keiner, oder zumindest noch nicht.)
Nehmt die Herausforderung an, die nicht nur von Planck und Einstein, sondern
auch von Lyndon LaRouche und den Rednern dieser Konferenz an euch
herangetragen wurde, und widmet euer Leben der Veränderung eurer eigenen
Axiome, wenn es sein muß, sogar den am meisten geschätzten, wenn ihr
feststellt, daß diese Axiome euch daran hindern, ein Mittel zu entdecken, mit
dem ihr eure Kompositionen so gestalten könnt, daß sie zu einer
physikalischen Ursache im Universum werden. Seid ihr z.B. sicher, daß
das, was ihr geschaffen habt, tatsächlich zu Handlungen inspirieren wird, die
zu einer Erhöhung der Wachstumsrate der relativen potentiellen
Bevölkerungsdichte der Menschheit führen? Oder einfacher ausgedrückt, im Sinne
Friedrich Schillers: Wird das Publikum durch das Erleben eurer Werke zu
besseren Menschen?
Das ist der wahre Inhalt dieses „Seelenhungers“ in den Worten Einsteins
oder, in den Worten des heiligen Paulus an die Korinther, der Liebe. Gebt euch
nicht nur mit schönen, angenehmen, kindlichen Dingen zufrieden. Stellt euch
diesem notwendigen Kampf, und die ganze Menschheit wird euch ewig dankbar
sein.
Oder wie Percy Bysshe Shelley an seine Lerche sang:
To a Skylark
... We look before and after,
And pine for what is not:
Our sincerest laughter
With some pain is fraught;
Our sweetest songs are those that tell of saddest thought.
Yet if we could scorn
Hate, and pride, and fear;
If we were things born
Not to shed a tear,
I know not how thy joy we ever should come near.
Better than all measures
Of delightful sound,
Better than all treasures
That in books are found,
Thy skill to poet were, thou scorner of the ground!
Teach me half the gladness
That thy brain must know,
Such harmonious madness
From my lips would flow
The world should listen then, as I am listening now.
An eine Lerche
... Uns zerquält das Morgen
Oder Gestern heut,
Uns wird, ach! durch Sorgen
Jede Lust entweiht,
Und unser schönstes Lied, es spricht von tiefstem Leid.
Doch wenn fremd uns wären
Furcht und Stolz und Haß;
Würde nie von Zähren
Uns das Auge naß,
So ließ' uns deine Lust wohl kalt ohn' Unterlaß.
Besser als geschraubter
Melodien Brunst,
Besser als verstaubter
Bücher Weisheitsdunst,
Du Erdverächter, wär' dem Dichter deine Kunst.
Halb nur deine Lust
Wolle mit mir tauschen: -
Dann aus meiner Brust
Sollt' ein Lied entrauschen,
Dem würde, wie ich dir gelauscht, die Erde lauschen.
Anmerkung
1. Einsteins „Prolog” zu dieser englischen Ausgabe von Plancks Schrift
folgt seiner Festrede zum 60. Geburtstag von Max Planck, nach der wir diese
Passage zitiert haben.
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