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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
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Erinnerung an mein Engagement in der Wirtschaftshilfe

Von Daisuke Kotegawa

Daisuke Kotegawa war Exekutivdirektor für Japan beim Weltwährungsfonds und ist Forschungsdirektor des Canon Institute in Japan. Er übermittelte der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 27. Juni den folgenden Videobeitrag.

1. Mitte der achtziger Jahre, als ich Mitarbeiter bei der Weltbank war, hatte ich Gelegenheit, mich bei einem britischen und einem französischen Kollegen, die beide ihr Leben der wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas gewidmet hatten, über die langsame Entwicklung der afrikanischen Länder zu beklagen, obwohl diese umfangreiche Hilfe erhielten. Ihre Antwort war erstaunlich. „Herr Kotegawa. Es ist falsch, ein schnelles Wirtschaftswachstum in Afrika zu erwarten, das sich mit dem in Asien und Japan vergleichen läßt. Denn Afrika versucht, innerhalb von 100 Jahren das zu erreichen, was die Menschheit in 2000 Jahren getan hat.“

2. Als ich 1987 nach Japan zurückkehrte, wurde ich zum Haushaltsprüfer im Finanzministerium, der für den Haushalt der Außenwirtschaftshilfe zuständig ist. Wir überprüften die grundlegende Politik Japans in Bezug auf die Wirtschaftshilfe für Afrika, und wir begannen zu versuchen, ein Land zu schaffen, das zu einem Modell für die Entwicklung in Afrika wird, d.h. ein „Japan“ Afrikas. Ich war davon überzeugt, daß es sehr wichtig war, ein „Japan“ in Afrika zu schaffen, denn in meinen Tagen bei der Weltbank wurde mir klar, daß die asiatischen Länder Japan als ihr Vorbild und ihre Hoffnung ansahen, da sie zu der Überzeugung gelangt waren, daß asiatische Länder auch das Niveau der westlichen Länder erreichen können, wenn sie so hartnäckig wie die Japaner arbeiten.

3. Der erste Schritt ist die Auswahl des Ziellandes. Das Zielland mußte eine moderate wirtschaftliche Größe haben, aber klein genug, um keine internen Streitigkeiten wie Stammeskonflikte zu haben. Wir wählten Ghana, Kamerun und Malawi. Was Ghana betrifft, so war der junge und saubere Staatschef Rawlings ebenfalls ein wichtiger Faktor. Wir leisteten alle drei Arten von Wirtschaftshilfe in den drei Ländern:

  • Vorzugsdarlehen mit Schwerpunkt auf dem Bau wirtschaftlicher Infrastruktur,

  • Zuschüsse, die sich auf den Bau sozialer Infrastruktur im medizinischen und Bildungssektor konzentrierten, und

  • technische Hilfe mit dem Ziel des Technologietransfers durch die Entsendung von Experten und die Einladung von Auszubildenden.

4. Man erwartete eine Gegenreaktion der ehemaligen Kolonialmächte, und Japan, das historisch nur wenige Beziehungen zu afrikanischen Ländern hatte, fehlte das Know-how, um dort Hilfsprojekte aufzubauen. Daher trafen wir eine Vereinbarung mit Crown Agents, einer britischen Hilfsorganisation, über die Beratung unserer Projekte in Afrika. Infolgedessen kam Anfang der 90er Jahre etwa ein Drittel ihres gesamten Jahreseinkommens aus Japan. Vor allem Ghana hat ein großes Wirtschaftswachstum erreicht, und wenn wir so weitergemacht hätten, hätte ein „Japan“ in Afrika innerhalb der 1990er Jahre verwirklicht werden können.

5. Nachdem die Briten und Franzosen den Erfolg dieser japanischen Hilfe beobachtet hatten, begannen sie jedoch auf der Hut zu sein. Frau Cresson, die 1991 französische Premierministerin wurde, machte Bemerkungen wie „Japaner sind gelbe Ameisen“ und „Die Japaner sind Feinde und planen, die Welt zu erobern, ohne sich an die Regeln zu halten“ und wiederholte Bemerkungen wie „Japanische Wirtschaftshilfe ist aus der Jurazeit.“ Angesichts einer solchen Kritik war Japan gezwungen, seine Hilfspolitik zu überdenken und mußte die Hilfe für Afrika reduzieren, bevor Ghana ein Japan in Afrika wurde. Seither wurden Vorschläge für das UN-Millennium-2000-Ziel, einschließlich des Schuldenerlasses, die hauptsächlich auf die Yen-Kredite Japans abzielten, hauptsächlich von Großbritannien ausgearbeitet, und Japans Präsenz in der Welt der Wirtschaftshilfe ging allmählich verloren.

6. Ich denke, daß es einen grundlegenden Unterschied zwischen dem westlichen Konzept der Wirtschaftshilfe und dem Japans gibt. Die eigentliche Idee der westlichen Hilfe ist Wohltätigkeit. Dies führt zur Betonung der „humanitären Hilfe“, und die Idee der wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Empfängerlandes kommt selten vor. Andererseits ist die Grundidee der japanischen Hilfe das wirtschaftliche Wachstum und die Unabhängigkeit des Empfängerlandes. Dies ist die Idee, die seit der Meiji-Restauration die Wurzeln Japans darstellen, das seitdem versucht, den Westen einzuholen und zu überholen, da es die Notlage der asiatischen Kolonien unter dem Imperialismus miterlebt hat.

7. In der Frage der Wirtschaftshilfepolitik hatte ich mit den Möchtegern-Gelehrten und Kritikern der westlichen Länder sowie den Massenmedien sowohl zu Hause als auch im Ausland zu kämpfen, gemeinsam mit Freunden des Außenministeriums, die den gleichen Sinn für diese Mission hatten. Herr Ishikawa, der im Außenministerium mehrere Bücher schrieb, war mein bester Mitarbeiter.

8. Eines Tages kam ein japanischer Journalist zu mir und begann, die japanische Hilfspolitik zu kritisieren. Sein Argument war nicht originell, weil es die bekannte westliche Kritik an Japan wiederholte. So sagte er zum Beispiel, daß Japan zwar Krankenhäuser in Entwicklungsländern gebaut habe, aber nur wenige wohlhabende Menschen im Land solche Krankenhäuser nutzen könnten, und nicht die arme Allgemeinheit. Oder er sagte, daß Japan ein Telefonnetz in Entwicklungsländern baut, wo die meisten Menschen kein Telefon haben, oder daß Japan internationale Flughäfen in der Hauptstadt gebaut hat, um für seine Hilfe Werbung zu betreiben. Es würde der breiten Öffentlichkeit in den Entwicklungsländern, die nicht die Möglichkeit hat, ins Ausland zu reisen, überhaupt nicht nützen. Er nahm auch das Beispiel der Philippinen und behauptete: „Es ist falsch, daß Japan in Manila ein Krankenhaus für die Reichen gebaut hat. Schweden hat in den Slums von Manila Wohnungen für die Armen gebaut.“

Ich fragte ihn: „Übrigens, worüber würden Sie sich am meisten Sorgen machen, wenn Sie morgen von Ihrer Firma gebeten würden, nächste Woche nach Manila zu fahren?“ Er antwortete: „Ob ich reibungslos nach Tokio telefonieren kann, ob der Flughafen dort in Ordnung ist oder ob es ein ordentliches Krankenhaus gibt.“ Also sagte ich ihm: „Was Sie sagten, ist genau das, worüber ausländische Unternehmen, die auf den Philippinen investieren, besorgt sind. Wenn es keine Probleme in solchen Angelegenheiten gibt, werden ausländische Unternehmen auf der Suche nach billigen Arbeitskräften Fabriken auf den Philippinen bauen und Menschen mit niedrigen Löhnen und minimaler Ausbildung einstellen. Auf diese Weise steigt die Beschäftigung, und die Kluft zwischen Arm und Reich verringert sich.“

Ich habe den Smokey Mountain in Manila, den Kern des Slums, in dem Schweden ein Appartmenthaus gebaut hat, besucht. Der Ort ist eine Mülldeponie, und die Bewohner schlafen auf der Bank auf dem Müllhaufen, und sie schützen sich vor Regen durch ein Dach, das aus Tischdecken gemacht ist. Es stinkt sehr stark. Die dort lebenden Menschen graben aus dem Müllhaufen aus, was man verwenden kann, und verkaufen es in der Stadt. Die von Schweden gebauten Wohnungen wurden in weniger als sechs Monaten wieder zum Slum. Denn die Bewohner haben keine reguläre Beschäftigung und kein Einkommen. Es ist nicht möglich, die Wohnungen zu unterhalten, egal wie prächtig sie sind.

Japans Hilfe hilft Unternehmen bei der Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Bau wirtschaftlicher Infrastruktur wie Eisenbahnen, Häfen, Flughäfen, Straßen, Kraftwerken und Telekommunikation, vernetzt sich mit Yen-Krediten, schafft Voraussetzungen für den Markteintritt ausländischer Unternehmen und hilft bei der Bereitstellung von Einrichtungen für die Grundbildung als soziale Infrastruktur. Nach und nach wird die Technologie vom ausländischen Unternehmen auf das lokale Unternehmen übertragen, und die Industrie im Entwicklungsland wird wachsen.

Gerade als wir mit dieser Denkweise den asiatischen Ländern Wirtschaftshilfe leisteten, verdoppelte sich der Wert des Yen infolge des Plaza-Abkommens, und die Verlagerung von Fabriken nach Asien durch japanische Unternehmen, die nicht mehr in der Lage waren, die Lohnkosten in Japan zu tragen, begann. Die Verlagerung begann in Malaysia, wo die Politik stabil war und die durch Yen-Kredite aufgebaute Stromerzeugungskapazität zuverlässig war, und ging weiter nach Thailand, Indonesien und China, und in Asien begann das Wirtschaftswachstum in „Gänseflug-Formation“. Diese stetige wirtschaftliche Entwicklung setzte sich bis zur asiatischen Wirtschaftskrise Ende der 1990er Jahre fort.

Ich riet meinen japanischen Kollegen, sich der von China vorgeschlagenen „Belt & Road-Initiative“ anzuschließen, insbesondere als sie die Gründung der AIIB vorschlugen, und auch den Vereinigten Staaten. Denn ich dachte, die Zusammenarbeit zwischen diesen drei Ländern sei die beste Mischung, um die wirtschaftliche Infrastruktur in den Entwicklungsländern aufzubauen. Weil die Chinesen meines Erachtens ein Defizit in ihrer Fähigkeit haben, die neuen Projekte aufzubauen, was eigentlich den größten Teil des Vorteils für japanische Bankiers wie auch für amerikanische Bankiers ausmacht.

So können die Vereinigten Staaten und Japan eine Art Blaupause für die wirtschaftliche Entwicklung aufstellen, und China sollte für die Finanzierung und auch für den eigentlichen Bau dieser Projekte zuständig sein. Und nach der Fertigstellung dieser Projekte möchte Japan die Führung bei der Wartung und der Sanierung dieser abgeschlossenen Projekte übernehmen, falls sie benötigt werden, denn dies ist der Bereich, in dem japanische Unternehmen recht gut sind. Deshalb glaube ich, daß dies für diese drei Länder die beste Art der Zusammenarbeit für die Zukunft des Planeten ist.

Ich danke Ihnen.