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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Folgen der Dekarbonisierung für die wirtschaftliche Produktivität

Von Andrea Andromidas

Frau Andromidas ist Energieexpertin der Nachrichtenagentur E.I.R. in Wiesbaden. Beim Internetseminar des Schiller-Instituts am 3. Februar 2021 hielt sie den folgenden Vortrag.

Es tut mir leid, daß ich nach diesem optimistischen Vortrag noch mal ein anderes Thema ansprechen muß, nämlich die sogenannte Dekarbonisierung, die ist ja heute schon vielfach angeklungen. Ich will über einen anderen Aspekt reden, der meistens gar nicht erwähnt wird. Normalerweise wird von der bevorstehenden Überhitzung unseres Planeten gesprochen – daß wir deshalb keine Öfen heizen dürfen, daß wir Kohlekraftwerke abstellen müssen, daß wir nicht Auto fahren dürfen und auch nicht im Flugzeug fliegen dürfen, ja selbst Fleisch sollen wir nicht essen, Plastik sollen wir nicht machen, weil angeblich unser Planet erhitzt wird.

© Fusion

Abb. 1: Steigende Energieflußdichten in der historischen Entwicklung der Energieträger.

Das sind Diskussionen, die nicht wirklich wesentlich sind, sondern das Wesentliche, behaupte ich, was sich hinter der Diskussion verbirgt, ist die Forderung, daß fossile Energieträger vollständig verschwinden sollen, aus dem einzigen Grunde, weil sie die Grundlage für eine Industrialisierung darstellen. Die Industrieentwicklung in Deutschland war unmittelbar damit verbunden, und das ist auch in China und überhaupt überall so. Und das ist der Hauptgrund, um den es eigentlich geht und den ich darstellen will.

Ich habe dazu ein Bild (Abbildung 1). Was wir hier sehen, ist im Prinzip die Entwicklung der Energieversorgung. Der Balken, den man sieht, der diagonal durch das Bild geht, zeigt die aufsteigende Energiedichte. Wir haben also vor Tausenden von Jahren angefangen mit den Windmühlen, mit einer sehr geringen Energiedichte, man hatte auch die Sonnenenergie, und man hatte natürlich auch die Wasserenergie, relativ früh. Und dann kam bereits Anfang des 17. Jahrhunderts die Entwicklung der Dampfmaschine, was ein riesiger Schritt vorwärts war, sowohl technologisch, als auch durch den Gebrauch fossiler Energien. Für die stetige Weiterentwicklung macht es einen großen Unterschied, ob man Braunkohle verbrennt oder Steinkohle oder Gas und Öl.

Die Energiedichte hat sich mit Hilfe unserer Technologie ständig gesteigert. Wir haben schließlich auch den Verbrennungsmotor erfunden und viele, viele andere Dinge, die eine ständige Zunahme der Energiedichte bewirkten. Die Erfindungen von Einstein, die schließlich zur Entwicklung der Kernspaltungstechnik führten und die nach dem Manhattan-Projekt der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts relativ schnell auch zur friedlichen Nutzung der Kerntechnik führten, bedeuteten einen weiteren schwunghaften Entwicklungsschritt. Heute haben wir auch in Europa die Fusionstechnik in den Fokus genommen, und das ist noch nicht das Ende.

Man kann daraus entnehmen, daß wir auf diesem Weg fortschreiten werden, sowohl was die Technik angeht, als auch was den Gebrauch anderer Brennstoffe angeht, und vor allen Dingen, das möchte ich hier betonen: Wir werden fortschreiten in der Steigerung der Energiedichte oder Energieflußdichte, wie man vielleicht besser sagt.

Vorteil: Wetterunabhängigkeit

Und das hat natürlich ganz entscheidende Vorteile. Beispielsweise hatte man, solange wir nur über Windmühlen und die Sonnenenergie verfügten, ständig das Problem der Wetterabhängigkeit. Erst mit der Dampfmaschine und der daraus resultierenden Entwicklung, die man hier sieht – vom 17. Jahrhundert bis heute –, hatten wir eine wetterunabhängige Energieversorgung. Wetterunabhängigkeit bedeutet, über Energie zu verfügen, ganz egal, ob es Sommer oder Winter ist, man hat immer Energie, egal ob die Sonne scheint, ob es Nacht ist, ob es Tag ist, man hat Energie zur Verfügung. Das ist natürlich eine außerordentlich kostbare Angelegenheit. Diese sichere Energieversorgung mit ständig steigenden Energiedichten fließt natürlich in den Produktionsprozeß ein.

Und was man noch sagen muß ist, daß natürlich mit dieser Steigerung auch eine saubere Industrie entsteht. Wir erinnern uns an das Ruhrgebiet in den 1950ern und 60ern – das war genauso, wie das heute in China in manchen Städten ist, oder anderswo, da waren der normalen Luft auch braune und gelbe Dünste beigemischt, zum Teil alle möglichen Farben. Heute ist das sauber, heute wissen die Leute gar nicht mehr, daß mitten in Frankfurt ein Kohlekraftwerk steht. Den ständigen Verbesserungen folgend haben wir es mit einer ganz natürlichen Entwicklung zu tun, die uns Schritt für Schritt hin zu saubereren Technologien führt.

Transmissionsriemen, um in die Zukunft zu kommen

Der Gebrauch fossiler Energieträger hat noch einen ganz besonderen wesentlichen Sinn, und das sieht man auf der Abbildung ganz deutlich, das will ich herausheben: daß sie geradezu einen Transmissionsriemen darstellen, um überhaupt in die Zukunft zu kommen. Das sieht man an der Entwicklungskurve sehr schön, man kann sich nicht vorstellen, daß man vom Stadium einer Windmühle oder Sonnenenergie, egal ob es Solarzellen sind oder irgendwas anderes, sprunghaft zur Kernfusionstechnologie oder Kernspaltungstechnologie kommt, das ist natürlich nicht möglich. Das wäre in Deutschland nicht möglich gewesen, und das ist auch in Afrika oder sonstwo nicht möglich. Das ist auch in China nicht möglich. Sondern man braucht diese Periode, wo ganz massiv fossile Energieträger – egal, ob es Steinkohle ist, Öl und Gas – eingesetzt werden, um überhaupt dahin zu kommen. Das ist also ein ganz wesentlicher Aspekt.

Und, was man auch sagen muß, ist: Je mehr man in die Richtung des Gebrauchs höherer Energiedichten kommt, also zu fortschreitenden Möglichkeiten der Kernspaltungstechnik und Fusionstechnik, daß man natürlich dann auch zunehmend aufhören würde, fossile Energieträger zu verbrennen, weil sie viel zu wertvoll sind, weil man sie viel besser und viel mehr in der Chemie einsetzen kann und zu allen möglichen Zwecken.

Wir hätten also, wenn wir jetzt die nächsten 30, 40 Jahre ins Auge fassen, eine völlig natürliche Entwicklung hin zu modernen Energien, Kernenergie, Spaltungstechnologien und Fusionstechnologie. Und da muß man sich fragen: Warum die Hektik? Wieso heißt es, daß der Planet zugrunde geht, wenn wir jetzt nicht unmittelbar, in den nächsten drei Jahren, so wie Frau von der Leyen das will, alles was mit Kohle zu tun hat, einfach abschalten, alles einfach dichtmachen? Wohin führt es und was ist bezweckt?

Drei Beispiele der Folgen der Dekarbonisierung

Ich will jetzt nur kurz darauf eingehen, an drei Beispielen, welche Effekte diese geforderte Dekarbonisierung hätte. Das erste Beispiel ist Deutschland, dann gehe ich kurz auf China ein, und dann auf Afrika.

Für Deutschland heißt das – man muß sich das mal in seiner Gesamtheit vorstellen:

Die Kernspaltungstechnik wurde aufgegeben, in anderthalb Jahren sollen wir ganz aussteigen und wir sollen auch alle Kohlekraftwerke dichtmachen. Das bedeutet, daß wir auf eine wetterabhängige Energieversorgung zurückgeworfen werden. Das ist absolut gigantisch, und es ist einmalig, das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt, diese Art von Rückschritt, die hier gerade praktiziert wird.

Zweites Beispiel, China. In China sieht das ganz anders aus. China hat alles – China hat Windmühlen, China hat Solartechnologie, China hat aber auch sehr viele Kohlekraftwerke, alte Kohlekraftwerke, die systematisch ersetzt werden durch moderne Kohlekraftwerke, es werden auch gegenwärtig viele zusätzliche moderne Kohlekraftwerke gebaut. Daneben wird auch eine große Zahl von Kernkraftwerken gebaut, und sie haben ein sehr ehrgeiziges Programm zur Entwicklung der Fusionstechnik.

Wenn man das mit Deutschland vergleicht, ist das wie Tag und Nacht, es ist eine völlig andere Situation. Und vor dem Hintergrund muß man sich auch die Diskussionen vorstellen, die derzeit geführt werden. China hat sehr gezielt angekündigt, die Dekarbonisierungsstrategie bis zum Jahr 2060 zu schaffen, das sind immer noch ganze vier Jahrzehnte. Man kann sich vorstellen, daß China dann, wenn die Entwicklung so weitergeht, in der Lage ist, durch moderne Spaltungsenergie und möglicherweise auch durch Fusionstechnologie eine Industrie zu haben, die tatsächlich auf die Verbrennung von fossilen Energieträgern verzichten kann.

Drittes Beispiel: Was heißt das für Afrika? Das ist nur ein einziges Desaster. Wir haben ja schon dargestellt, daß von Seiten der Finanzsparte eine diktatorische Investitionslenkung betrieben wird, die dafür sorgen soll, daß es einen Umbau der Wirtschaft geben soll, der Investitionen in Kohlekraftwerke nicht mehr vorsieht.

Und was bedeutet das für Afrika, wenn diese Projekte gestrichen werden? Die Bundesregierung hat gerade ein neues Papier verfaßt, wo sie sich dazu äußert, und wo sie das im Prinzip offen sagt. Sie sagt, wenn man allen Afrikanern eine Steckdose geben würde, auf der Basis von Kohle, dann müßten ja Hunderte neuer Kohlekraftwerke gebaut werden. Und das wollen wir nicht. Das ist das Programm der Bundesregierung, aber das ist auch das eigentliche Programm des Grünen Deal und worüber beim sogenannten „Reset“ geredet wird. Es soll nichts mehr, wenn es danach geht, in den Aufbau von Kohlekraftwerken investiert werden.

Und das heißt ja nichts anderes, als daß Afrika überhaupt nie die Gelegenheit haben wird, eine Industrie zu entwickeln. China hätte es nie bis zur Industrialisierung geschafft, wenn sie nicht massiv auf fossile Energieträger gesetzt hätten. Wenn Sie sich erinnern: Die haben unsere alten Stahlwerke abgebaut und haben die in China wieder aufgebaut. Das soll alles für Afrika nicht möglich sein, es ist ungeheuerlich!

„Grüner Stahl“ für Europa statt Entwicklung für Afrika

Und es geht noch einen Schritt weiter, und das muß ich wirklich betonen, und da sieht man die ganze Boshaftigkeit bei der Geschichte: Thema „grüner Stahl“. Thyssen und Salzgitter AG planen gerade ein Projekt für die Produktion von sogenanntem „ grünen Stahl“ mit Hilfe von Windmühlen. Sie sagen aber gleichzeitig ganz offen, daß sie gar nicht die Fläche haben, um die notwendige Anzahl der Windmühlen auf ihrem Gelände aufzustellen. Die Salzgitter AG hat gerade mal zehn Windmühlen auf ihrem Territorium, weshalb sie ins Auge fassen, einen Windpark in Dänemark zu bauen, das ist aber auch nicht genug, und der nächste Schritt ist natürlich – okay, dann gehen wir nach Afrika.

Man plant also die Produktion grünen Stahls hier, mit Hilfe von Windenergie und Solaranlagen in Afrika, die dann den dafür notwendigen Wasserstoff liefern sollen. Das bedeutet, der Wasserstoff, der da produziert werden soll, wird erstrangig nicht in Afrika benutzt werden, sondern hier. Abgesehen mal davon, daß selbst für Afrika eine derart superteure unwirtschaftliche Methode nicht empfehlenswert wäre. Aber der Wasserstoff, der da produziert wird, soll für Europa sein. Das ist die Idee, die die Bundesregierung hat, mit ihrem Afrikaprogramm, und wo am Ende steht: Auf nach Afrika! Es ist wirklich haarsträubend.

Und das Ziel dieser ganzen Geschichte ist, daß es kein weiteres China geben soll. Es hat erstaunt, welchen Aufstieg China genommen hat, das war so nicht geplant, und das will man nicht für Afrika und das will man auch nicht für Lateinamerika. Und insofern ist natürlich die Rede von Präsident Putin, die er in Davos gehalten hat, absolut richtig, wo er gesagt hat: Die eigentliche Gefahr besteht darin, daß die Welt geteilt ist – in einen Teil, der nach vorne marschiert, mit der chinesischen Wirtschaft oder der ganzen asiatischen Wirtschaft, auch einschließlich Rußlands, und der Westen, der andere Teil, hat als Programm, zurückzumarschieren und unsere Industrie im Prinzip abzubauen, und unsere Industrie zu diesem Zweck einer wetterabhängigen Energieversorgung auszusetzen, die so oder so nicht funktionieren kann.

Das ist das, was ich dazu sagen wollte.