Deutsche Medizintechnik für das Weltgesundheitssystem
Von Rainer Apel
Herr Apel ist Deutschland-Redakteur der Nachrichtenagentur
E.I.R. in Wiesbaden. Er hielt den folgenden Vortrag am 3. Februar im Rahmen
des Internetseminars des Schiller-Instituts. Der Text wurde für den Abdruck
leicht überarbeitet.
Zweifellos, das haben wir in den vorhergehenden Vorträgen gehört, ist die
Lage, auch spezifisch die deutsche Lage, wirklich sehr kritisch. Trotzdem will
ich den Versuch machen, etwas Optimismus hereinzubringen. Deutschland kann,
wenn es sich nur auf seine bereits erwähnten Tugenden besinnt, auch sehr viel
tun, und gerade im Bereich des Aufbaus des Weltgesundheitssystems kann
Deutschland Erhebliches leisten.
Nun werden viele sagen: „Was? Wer? Wir Deutschen?“ Ja genau. Wir Deutschen
haben etwas, was andere vielleicht in dieser Form nicht haben: Wir haben einen
sehr entwickelten medizintechnischen Sektor, zusätzlich zur pharmazeutischen
Industrie. Nicht ohne Grund ist Deutschland die Nummer zwei auf dem Weltmarkt
für Medizintechnik, nach den USA. Die sind vorneweg mit 38%, aber Deutschland
hat 11%, es ist auch sehr spezialisiert in einigen Bereichen, und es gibt
Partner, mit denen Deutschland zusammenarbeiten kann. Dazu sage ich gleich
noch etwas.
Zu der deutschen Medizintechnik: Deutschland exportiert ziemlich viel, das
sind etwa 34-35 Mrd. Euro pro Jahr. 42% der Exporte gehen nach Europa, das ist
einerseits die EU, aber auch die Nicht-EU-Staaten. Jeweils 19% der deutschen
medizintechnischen Exporte gehen nach Nordamerika und nach Asien; in Asien
mehrheitlich nach China.
Und jetzt kommt eine erschreckende Zahl: Nur 2% der medizintechnischen
Exporte gehen nach Afrika. Das muß sich dringend ändern, schon allein, weil es
nicht mehr lange dauern wird, bis Afrika 1,5 Milliarden Bevölkerung hat, und
es ist einfach nicht zu tolerieren, daß es in weiten Bereichen Afrikas kein
funktionierendes Gesundheitssystem gibt, nicht einmal annähernd. Ich darf an
die Ebola-Epidemie erinnern, wo es immer wieder Berichte gab, daß Patienten
auf nicht existierenden Straßen zur Notbehandlung transportiert werden mußten,
also Feldwegen sozusagen, über Strecken von bis zu 150 km bis zum nächsten
Krankenhaus.
Das kann so natürlich nicht bleiben. Afrika braucht ein dichtes Netz von
Krankenhäusern, aber Afrika braucht dies eben auch eingebettet in eine
Entwicklungspolitik, die das ganze Land entwickelt, Frau Zepp-LaRouche hat es
ja bereits erwähnt. Es braucht dazu frisches Wasser, es braucht dazu
hygienische Maßnahmen genereller Art, es braucht Energieversorgung,
Infrastruktur, Straßenbau, Brückenbau, Eisenbahnen, das muß gemacht werden. Es
müssen Krankenhäuser gebaut werden, es müssen Forschungsinstitute gegründet
werden, die sich – auch in Kooperation mit den entsprechenden Instituten, wie
beispielsweise dem Tropeninstitut in Hamburg – mit den besonderen
Herausforderungen beschäftigen, wie ganz spezifische Krankheiten wie Malaria
und andere, die bei uns nahezu verschwunden sind, behandelt werden können.
Es gibt auch viele Traumata, die Afrikaner haben, nicht zuletzt junge
Afrikaner, von den vielen Kriegen und Bürgerkriegen in Afrika, das sind
Herausforderungen an die Prothetik. Das ist übrigens ein Gebiet, wo
Deutschland eine führende Stellung hat, bei der Herstellung und Entwicklung
von Prothesen. Das ist ein wichtiger „Markt“, eine wichtige Herausforderung
für die deutsche Technik, dort dazu beizutragen, daß Menschen wieder in die
Lage versetzt werden, trotz schwerster Kriegsverletzungen wieder aktiv zu
werden und für sich und die Gemeinschaft zu sorgen.
Was Deutschland aber vor allem tun muß, ist, endlich anfangen, wieder groß
zu denken. Das ist auch durchaus möglich und der entsprechende Rahmen für den
produktiven Mittelstand. Das ist nämlich die Branche der Industrie, mit
wenigen Ausnahmen, die diese Medizintechnik produziert. Es gibt
Großunternehmen wie Braun in Nordhessen oder Siemens, was bekannt ist für
seine Computer-Tomographen, aber es gibt auch 1300 größere
Mittelstandsbetriebe, die Medizintechnik produzieren, und noch einmal 11000,
die teilweise sehr kleine Firmen sind, aber hochspezialisiert, und gute
Produkte herstellen, wie der gesamte produktive Mittelstand überhaupt. Das ist
ja ein Kennzeichen der deutschen produktiven Wirtschaft, daß wir das haben,
und Gott sei Dank haben wir das noch, trotz aller grünen Attacken. Da ist also
ein Pfund, mit dem wir wuchern können.
Es ist übrigens interessant, daß Baden-Württemberg ein Schwerpunkt der
Medizintechnik ist, dort sind sehr viele mittelständische Betriebe. Ich habe
im Laufe der letzten Monate und Wochen auch mit einigen sprechen können, die
dort aktiv sind und eben auch die Möglichkeit haben, neue Entwicklungen in
Gang zu setzen, Innovationen zu machen.
Was fehlt, ist die finanzielle Absicherung. Hier muß man wegkommen von dem
Modell, was sich leider verbreitet hat in den letzten Jahren, daß Start-ups,
also neugegründete Unternehmen, abhängig sind von Investorengruppen, von
Crowd-Funding und dergleichen. Das muß auf eine solide Grundlage gestellt
werden – nicht auf Grundlage von hohen Gewinnerwartungen, sondern aus der
Verantwortung heraus, daß diese Investitionen dem Gemeinwohl dienen, muß der
Staat her bzw. staatliche Finanzierungsinstrumente – eine Aufgabe für die
Kreditanstalt für Wideraufbau und die verschiedenen Förderbanken der
Bundesländer, die dort arbeiten müssen.
Internationale Kooperation
Ich habe schon gesagt, daß Deutschland groß denken muß und groß denken
kann, wenn es bestimmte Dinge in Gang setzt. Interessanterweise gibt es ja
eine Absichtserklärung, die im Juli 2017 in Berlin unterzeichnet wurde,
zwischen Bundeskanzlerin Merkel und dem chinesischen Präsidenten Xi, über
mögliche Kooperation bei Infrastrukturprojekten in Afrika. Passiert ist leider
fast nichts, aber das wäre eine gute Grundlage, es wäre nichts weiter
notwendig als daß Frau Merkel mal zum Telefon greift und Herrn Xi sagt: „Wir
haben dieses Abkommen, wollen wir das nicht beleben? Wir wollen nicht mit dem
Virus leben, wir wollen das Virus bekämpfen.“ Und beide – vor allem Frau
Merkel - könnten dann vor die Bevölkerung treten und sagen: „Wir haben dieses
Abkommen, mit diesem Abkommen können wir einiges erreichen, vor allen Dingen
in Afrika, was ja unser Sorgenkind ist, immer wieder Ausgangspunkt von
Epidemien und Pandemien und anderen chronischen Krankheiten. Wir können hier
etwas ändern.“
Deutschland mit seinem 11%-Anteil und China mit seinem 9%-Anteil am
Weltmarkt für Medizintechnik könnten das initiieren, vielleicht ergänzt durch
Frankreich – hier könnte das deutsch-französische Team, von dem so oft die
Rede ist, endlich mal in Aktion treten in Afrika. Auch Italien kann vielleicht
mitmachen, Spanien, Portugal, und wir wären dann so etwa bei 30%, 35% – je
nachdem, wie man rechnet – des Weltmarktes für Medizintechnik, damit kann man
anfangen. Man kann die USA einbinden an einem gewissen Punkt, sofern der
amerikanische Präsident sich dafür öffnet, wir werden sehen. Wir haben dann
noch Rußland, wir haben andere Staaten, es läßt sich also einiges in Gang
bringen. Wir müssen es nur tun.
Wie gesagt, Frau Merkel bräuchte nur zum Telefon zu greifen, wie sie es
auch getan hat mit Putin, um über die Kooperation bei der Besorgung von
Impfstoffen und ebenso bei der Entwicklung von Impfstoffen zu reden.
Finanziert werden könnte das ganze übrigens maßgeblich durch die Asian
Infrastructure Investment Bank (AIIB), die ja im Rahmen von Belt & Road
von China initiiert wurde, bei der aber Deutschland einen Sitz im Vorstand
hat, das einzige westliche Land, das diese Position hat. Das hat damit zu tun,
daß Deutschland seine Erfahrung mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau - trotz
aller grünen Ausflüge, die diese Bank mittlerweile unternommen hat - als
öffentliche Förderbank bereitgestellt hat, und die Chinesen haben das sehr
geschätzt. Insofern haben Deutschland und China hier Initiatorenfunktion und
können einiges machen. Die AIIB hat ein Startkapital von 100 Mrd. $ Einlagen,
sie kann also erhebliche Mittel damit organisieren, indem weitere Staaten sich
beteiligen mit öffentlichen, niedrig verzinsten und langlaufenden
Krediten.
Interessante Bereiche der Medizintechnik
Ich will noch einmal zurückkommen auf Möglichkeiten der Medizintechnik für
Innovationen. Hier ist Deutschland interessanterweise in einer Spitzenposition
international bei der Entwicklung von Sensoren. Und Sensoren sind Dinge, die
bestimmte Dinge aufspüren können. Deutschland hat hier etliche Patente und hat
auch gute Unternehmen in dem Bereich, ich kenne selbst einige, die sehr
spezialisiert sind und auch mit China kooperieren bei der Entwicklung von
Sensoren, die bestimmte Funktionen ausüben. Das Design wird gemacht für
bestimmte Anforderungen, und deutsche Firmen entwickeln das. Immer wieder
passiert es, daß chinesische Unternehmen an die Türen von deutschen Firmen der
Mikroelektronikbranche klopfen und solche Sensoren bestellen. Sensoren könnten
beispielsweise – das wird für viele jetzt etwas bedrohlich klingen, ist es
aber nicht – implantiert werden, um bestimmte Warnfunktionen auszuüben für
vorher definierte Krankheiten, verbunden mit einem Registrier- und
Meldesystem, und man könnte dann sehr frühzeitig Diagnosen erstellen.
Ohnehin wird die Automatisierung fortschreiten. Leider ist Automatisierung
im medizinischen Bereich erst im Mikrobereich, mit nur 2% am Weltmarkt, das
ist also ausbaufähig. Die Automatisierung muß auch schon in der Produktion
einsetzen, wenn wir einige tausend Krankenhäuser bauen wollen – vielleicht in
Modulbauweise, wie es von den Chinesen in Wuhan gemacht wurde für die
Bekämpfung des COVID-Virus. Dann muß das in Massenproduktion geschehen, und
nicht in handwerklicher Fertigung mit persönlicher Widmung, also Unikate oder
mehrere Unikate und mehr nicht; es müssen also Tausende von diesen Modulen
hergestellt werden, und das gilt auch für Tomographen und die Einrichtungen
der Krankenhäuser.
Das andere ist: Laser werden eine viel größere Rolle spielen können, bei
der Diagnose wie auch bei medizinischen Therapien, insbesondere bei
Operationen. Hier ist eine Entwicklung zu erwähnen, im letzten Herbst hat eine
schweizerische Firma, sie heißt AOT, einen Laser entwickelt, der für
schwierige Operationen bereitsteht. Der Vorteil, das ist auch schon getestet
worden in einigen chirurgischen Eingriffen einer Schweizer Klinik, ist, daß
diese Laser millimetergenau oder unterhalb des Millimeterbereiches agieren
können, eben sehr präzise Schnitte oder andere Operationsvorgänge machen
können, und wenig „Kollateralschaden“ hinterlassen, wie es viele Operationen
noch haben, mit post-operationellen Traumata. Das kann möglicherweise
weitgehend vermieden werden. Es können auch – das soll jetzt aber kein
Argument sein – die Aufenthaltszeiten in Krankenhäusern verkürzt werden. Ich
sage jetzt, man sollte das nicht so sehr betonen, weil bei uns ja sehr viele
„Sparfüchse“ dabei sind, die Aufenthaltszeiten in Krankenhäusern generell zu
begrenzen. Das ist aber ein Nebeneffekt, der gerade für Patienten, die sonst
unter post-operationellen Traumata lange Zeit leiden würden, große
Erleichterung bieten könnte.
Ich werde jetzt aus Zeitgründen nicht mehr eingehen auf etwas, was wir in
dem anfangs erwähnten Sonderbericht gewürdigt haben: die Weltraummedizin, das
ist ein weiterer Bereich, in dem Deutschland beitragen kann. Ich darf nur
erwähnen, daß Alexander Gerst, unser Top-Astronaut, der zweimal auf der ISS
war, dort unter anderem Experimente durchgeführt hat, wie sich Gewebe unter
Schwerelosigkeitsbedingungen verhalten und wie man möglicherweise unter
Einsatz der Schwerelosigkeit oder annähernden Schwerelosigkeit auch auf der
Erde Operationen und Behandlungen durchführen könnte. Das ist ein Bereich, der
in der Zukunft eine große Rolle spielen wird, und hier sollte Deutschland
abgesehen von Alexander Gerst eben noch weitere Personen in Front bringen, die
das entwickeln helfen.
Vielen Dank.
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