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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
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Syrien nach zehn Jahren Krieg

Von Dr. Ziad Ayoub Arbache

Ziad Ayoub Arbache arbeitete als Berater für mehrere Ministerien in Syrien und für internationale Entwicklungsorganisationen und Agenturen und ist Mitglied des Beirats des syrischen Premierministers. Im dritten Abschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts hielt er am 21. März den folgenden Vortrag.

Guten Morgen aus Syrien.

Ich bin dem Schiller-Institut dankbar, das sich um den Frieden sorgt und sich für Entwicklung einsetzt, und ich danke Ihnen für die Durchführung dieser Konferenz. Über Frau Odile Mojon möchte ich dem gesamten Team des Instituts dafür danken, daß sie mich eingeladen haben und mir die Möglichkeit geben, an dieser Sitzung teilzunehmen.

Mein erster Punkt betrifft die Entwicklung des globalen Kontextes vor und während des Krieges gegen Syrien. Der zweite Punkt ist, die Situation in eine Art Perspektive zu stellen: Was kommt als nächstes, nach zehn Jahren Embargo, Krieg und aufeinanderfolgenden Sanktionen? Und ich möchte mit einer Botschaft der Hoffnung schließen.

1. Der Kontext vor und während des Krieges gegen Syrien im Jahr 2011

In der Zeit zwischen 2000 und dem Beginn des Krieges gegen Syrien im Jahr 2011 wollte die syrische Regierung die Wirtschaftspolitik in Richtung einer infitah (Öffnung) verändern. Diese Politik zielt auf:

  • Wiederbelebung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung (im Sinne einer Umstrukturierung und Neugestaltung).

  • Ausbau und Stärkung der internationalen und regionalen Allianzen, einschließlich des Fünf-Meere-Ansatzes als Vision, um die geographische Lage Syriens zu nutzen und das Land (als Handelsdrehscheibe) in das Zentrum eines regionalen Energie- und Transportnetzwerks rund um das Mittelmeer, das Schwarze Meer, das Kaspische Meer, das Arabische Meer und das Rote Meer zu stellen.

  • Beschleunigung der Partnerschaftsverhandlungen mit der EU.

  • Beginn der Umsetzung des Abkommens über die arabische Freihandelszone GAFTA (Greater Arab Free Trade Area).

Diese Vision bedeutet, daß Syrien zum Zentrum der Stabilität für die Region würde.

Die syrische Regierung hatte ihren 10. Fünfjahresplan (2006-2010) aufgestellt, der als Vision anstrebte, das Land bis 2020 in eine vollständig in die Weltwirtschaft integrierte Wirtschaft umzuwandeln. Im Rahmen dieses Plans wurden strategische Projekte zum Bau von Straßen, Häfen und Pipelines ins Leben gerufen, die Syrien benötigt, um die „Fünf-Meere-Vision“ zu verwirklichen. Und das trotz der folgenden Faktoren:

  • Regionale Instabilität (die seit der US-Besetzung des Irak 2003 anhielt),

  • Israels Unnachgiebigkeit bei der Befolgung des Friedensprozesses entsprechend den Resolutionen des UN-Sicherheitsrates.

  • Der Strom von über 2,5 Millionen irakischen Flüchtlingen nach Syrien seit der Besetzung ihres Landes 2003.

  • Die neue Welle von US-Sanktionen gegen Syrien und die internationale Finanzkrise von 2008.

    Die syrische Wirtschaft hatte vor dem Krieg eine wachsende Wirtschaftsleistung:

  • Die durchschnittliche BIP-Wachstumsrate lag im Zeitraum 2000-2010 bei 5%.

  • Eine starke Handelsbilanz mit Agrarexporten, darunter die Produktion von 4 Mio. Tonnen Weizen und 84 Millionen kultivierten Olivenbäumen.

  • Garantie seiner Energiesicherheit mit Ölexporten von 200.000 Barrel pro Tag, bei einer Gesamtproduktion von 400.000 Barrel/Tag.

  • Keine Auslandsverschuldung.

  • Die kontinuierliche Verbesserung des Human Development Index laut UN-Berichten.

Alle diese positiven Wirtschaftsindikatoren wuchsen trotz der Tatsache, daß sich die Wirtschaft in einer Übergangsphase befand (Einführung der sozialen Marktwirtschaft im Jahr 2005, nach Jahrzehnten zentraler Wirtschaftsplanung).

Doch aufgrund von Embargo, Krieg und aufeinanderfolgenden Sanktionen ist davon nicht nur nichts übriggeblieben, sondern wir beobachten auch eine systematische Zerstörung des Landes. Als Volk erleben wir regionale und internationale Akteure, die erst Öl ins Feuer gießen und dann Tränen über das Schicksal der Menschen vergießen:

  • Es wurden Hunderte von Milliarden Dollar für „schwarze Flaggen“ (Dschihadisten) ausgegeben, und Syrien verwandelte sich in ein Sammelbecken des globalen Terrorismus, mit Einweg-Tickets aus Europa und dem Rest der Welt nach Syrien.

  • Beschleunigung des wirtschaftlichen Niedergangs des Landes.

  • Abwanderung der besten syrischen Kader (zur Auffüllung der Bevölkerungspyramide in Deutschland und anderen Ländern mit intelligenten Einwanderungsprogrammen).

  • Millionen von Flüchtlingen in den Nachbarländern und Europa.

  • Verschärfung der Instabilität im Nahen Osten und der Ausbreitung des Extremismus.

  • Die Belagerung verhindert den Wiederaufbau und torpediert die Grundvoraussetzungen für die Rückkehr der Flüchtlinge.

  • 80% der syrischen BIP-Einkünfte sind unter der Kontrolle der amerikanischen und türkischen Besatzung oder anderer illegaler Kräfte.

Dies hat die syrische Wirtschaft gelähmt und die syrische Infrastruktur zerstört, während gleichzeitig der Außenhandel schrumpft, Spekulationen auf den Wechselkurs des Syrischen Pfunds gefördert werden, und es herrscht ein allgemeiner Preisanstieg aufgrund der Sanktionen, des Embargos, der Blockade nationaler Ressourcen und jetzt auch infolge von COVID-19.

2. Wie geht es weiter?

Es muß nicht betont werden, daß die wirtschaftliche Dynamik ein wesentlicher Bestandteil des Krieges gegen Syrien und seine Souveränität war und ist. Das Ziel der amerikanischen Besatzung und deren Stellvertreterstaaten ist: den Krieg durch die Finanzierung illegaler bewaffneter Gruppen zu verlängern, den syrischen Staat seiner Ressourcen zu berauben, und vor allem zu verhindern, daß er die „Schlacht“ um die Wiederherstellung des Friedens und den Wiederaufbau gewinnt.

Es sei angemerkt, daß die Welle des Antiamerikanismus nicht durch antiamerikanische Äußerungen verstärkt wurde, sondern durch Aussagen wie die von Condoleezza Rice (Außenministerin und Sicherheitsberaterin von US-Präsident G.W. Bush, Red.) im Jahr 2006: „Bei den von den USA geführten Interventionen im Nahen Osten und in Zentralasien ging es nicht um die Verbreitung von Demokratie, sondern um die Bewältigung regionaler Sicherheitsfragen.“

Aus geostrategischer Sicht ist es das offenkundige Ziel, den syrischen Raum zu kontrollieren und den östlichen Mittelmeerraum als „räumliches Kapital“ zu beherrschen.

Was ist das Ergebnis des Krieges gegen Syrien bis jetzt, einschließlich der Folgen der Umsetzung der Sanktionen des Caesar Act? Anstatt einen gegenseitigen Nutzen („win-win“) zu suchen, neigen einige der regionalen Länder dazu, sich der amerikanischen/westlichen Strategie anzuschließen, die nichts anderes tut, als die regionalen Probleme weiter zu verlängern, anstatt sie zu lösen oder echte Fortschritte und Lösungen zu generieren. Dies wird nur allzu deutlich, wenn man über die aktuelle Krise hinausblickt.

Es ist sehr schwierig, den weiteren Verlauf der aktuellen Situation vorherzusagen. Ein Vorgehen ist sicher: Es ist jetzt an der Zeit, eine echte Alternative vorzuschlagen, die auf gemeinsamen Interessen zwischen regionalen und internationalen Akteuren basiert und die regionale Vielfalt respektiert, weg vom Extremismus, und ohne ein weiteres Jahrzehnt der Entwicklung zu vergeuden.

Aus geoökonomischer Perspektive ist die Region mit mehr als 600 Millionen Konsumenten (arabische und EU-Länder, einschließlich der Türkei mit ihrer Zollunion mit der EU und ihrem Abkommen mit Syrien) mehr als ausreichend, um die Legitimität dieses Vorschlags zu erklären.

Dies ist nicht nur eine moralische Haltung, sondern auch ein wirtschaftlicher Gesichtspunkt für alle Länder in der Region, mit gegenseitigem Nutzen.

3. Ich möchte mit einem positiven Satz schließen

Eines ist sicher: Gemeinsame Entwicklung ist der einzige Weg, um Frieden im Nahen Osten zu schaffen, und eine dauerhafte Lösung kann nur durch das Konzept „Frieden durch Entwicklung“ erreicht werden, wie die politische Aktivistin Helga Zepp-LaRouche betont. Diese Idee steht bereits auf der internationalen Tagesordnung, insbesondere durch die jüngsten Ereignisse in Europa in Verbindung mit den Migrationsströmen in mehrere europäische Länder und den Terroranschlägen in Frankreich und Österreich.

Es ist offensichtlich, daß die Herausforderungen „vor Ort“ enorm sind, was die erforderlichen Investitionen betrifft (Wiederaufbau der Infrastruktur und der Wohngebäude, Wiederbelebung der Wirtschaft, Stabilisierung der Währung und Wiederbelebung der öffentlichen Dienste, insbesondere Bildung, Gesundheit, Elektrizität und Wasser), aber auf der anderen Seite ist die potentielle Inlandsnachfrage sehr hoch und der Wiederaufbauprozeß bietet eine außergewöhnliche Perspektive an Möglichkeiten.

Folglich scheint „Frieden durch Entwicklung“ der beste Weg zu sein, um ein weiteres vergeudetes Jahrzehnt für Syrien (und für die Mehrheit der Länder des Nahen Ostens) zu vermeiden.

Ich danke Ihnen nochmals für die Gelegenheit und für Ihre Aufmerksamkeit.