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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Landesverteidigung gegen Keime: das Militär und das Gesundheitswesen

Von Peter Clegg und Marc Pelaez

Im vierten Anschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts sprachen zwei hohe pensionierte US-Militärs – Generalmajor a.D. Peter Clegg und Konteradmiral a.D. Marc Pelaez – aus der Perspektive der militärischen Erfahrungen über wichtige Aspekte der Seuchenbekämpfung.

Generalmajor a.D. Peter Clegg: Es bedurfte nicht erst des Verständnisses von Keimen als Verursacher von Krankheiten – eine relativ neue Entwicklung –, um die Bedrohung durch das, was wir heute „biologische Kriegsführung“ nennen, zu erkennen. Schon in der Antike und erst recht im Mittelalter wurden Menschen Opfer davon, daß Feinde kranke Kadaver über die Stadtmauern der Verteidiger warfen. Wir alle haben von den Versuchen im kolonialen Amerika gehört, Indianer mit pockenverseuchten Decken zu infizieren. Selbst im 21. Jahrhundert wurden wir Zeuge der Verwendung von mit Milzbrand verseuchten Briefen, die an prominente Politiker geschickt wurden.

Es ist also davon auszugehen, daß der Einsatz von biologischen Kampfstoffen sowohl im Frieden als auch im Krieg zunehmen wird, da die Wissenschaft die schrecklichen Möglichkeiten ihres Einsatzes und gleichzeitig der Verschleierung ihres Ursprungs immer weiter verfeinert.

Die Kontroverse über die Ursache der Coronavirus-Pandemie verdeutlicht sowohl die Bedrohung als auch die Bedeutung von Maßnahmen zu ihrer Abwehr. Wir können nicht ausschließen, daß die Pandemie von Menschen verursacht wurde, oder sogar, daß sie absichtlich herbeigeführt wurde, so unwahrscheinlich dies einigen auch erscheinen mag.

Was kann man dagegen tun? Aus den Lektionen, die die Armee im Spanisch-Amerikanischen Krieg, beim Bau des Panamakanals sowie im Ersten und Zweiten Weltkrieg gelernt hat, wissen wir, was zu tun ist, um der Bedrohung zu begegnen. Ich werde mich auf sechs Schlüsselbereiche konzentrieren – das ist keineswegs eine erschöpfende Aufzählung. Die Bedeutung jedes einzelnen dieser Bereiche ist durch unsere jüngsten Erfahrungen mit dem Coronavirus verdeutlicht worden.

1. Zuerst das Thema Sauberkeit. Eine große Anzahl von Menschen auf engem Raum ist eine Garantie für eine Katastrophe, wie die Armee in jedem Konflikt, an dem wir beteiligt waren, gelernt hat. Deshalb legt die Armee so großen Wert auf Sauberkeit. Sichere, saubere Wasserversorgung, strenge Feldhygiene, Belüftung von Innenräumen, schnelle Quarantäne erkrankten Personals, häufiges Waschen, Wechseln der Krankenhausbetten, häufige Inspektionen der Wohn- und Eßbereiche und entsprechende Maßnahmen sind wirklich die erste Verteidigungslinie. Während des Ersten Weltkriegs führte dies zur Verringerung der schweren Folgen der Spanischen Grippe für militärische Einsätze.

2. Die Entwicklung und der Einsatz von Antibiotika und Impfstoffen, die auf die Pockenimpfungen und die Revolution in der Medizin zurückgehen; die Entwicklung und der Einsatz von Impfstoffen gegen Typhus und Fleckfieber im Spanisch-Amerikanischen Krieg und während des Baus des Panamakanals sind Beispiele dafür. Vor allem aber waren Infektionskrankheiten während des Zweiten Weltkriegs zum ersten Mal nicht mehr die Todesursache Nummer eins.

3. Der dritte Bereich ist die Entwicklung der medizinischen Infrastruktur in beiden Weltkriegen. Die Planung und der schnelle Bau von Krankenhäusern und Lazaretten in großem Umfang sowie die Entwicklung eines medizinischen Logistiksystems, mit dem Medikamente, medizinisches Material und neue Maschinen schnell im Land und während des Ersten Weltkriegs in Europa und des Zweiten Weltkriegs auf der ganzen Welt verteilt werden konnten, hatten einen bedeutenden Einfluß auf die Verringerung der Sterblichkeit als Folge des Krieges.

4. Die Rekrutierung sowie die Einberufung und schnelle Ausbildung einer großen Anzahl medizinischer Fachkräfte in einem nie zuvor oder danach gesehenen Ausmaß ermöglichte es den medizinischen Abteilungen der Armee, sich weitgehend gleichzeitig mit dem Aufbau der Streitkräfte sowohl in Europa als auch im Pazifik zu entwickeln, und war ein wesentlicher Faktor dafür, daß wir aus beiden Konflikten siegreich hervorgingen.

5. Forschung, Entwicklung und Verteilung von Schutzausrüstung, von einfachen Dingen wie Netzen und Insektenschutzmitteln in Panama bis hin zu den heute verfügbaren hochentwickelten Diagnosegeräten, sind der nächste Bereich, den ich hervorheben möchte.

6. Von entscheidender Bedeutung ist schließlich, wie wir bei den Problemen mit dem Coronavirus-Impfstoff gesehen haben, die Disziplin - die Soldaten dazu zu bringen, die Schutzmaßnahmen mitzumachen und sich ihnen nicht zu entziehen. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit, um aufzuklären, zu überzeugen, Gerüchte zu zerstreuen und mit Fehlinformationen umzugehen, ist sicherlich genauso wichtig wie all die anderen Dinge, die wir angesprochen haben.

Als ich in Vietnam war, befand ich mich zufällig in einem Gebiet, das stark von der virulentesten Form der Malaria, der Falciparum-Malaria, betroffen war. Wir mußten sowohl die großen, orangefarbenen Chloroquin-Tabletten als auch die kleinen Dapson-Tabletten nehmen.

Das war immer ein Problem. Man sollte meinen: Wer will schon Malaria bekommen? Aber überraschenderweise war es schwierig, die Soldaten dazu zu bringen, ihre Malariatabletten zu nehmen. Also mußten wir sie in Formationen antreten lassen, wo die Unteroffiziere und Offiziere zusehen und sicherstellen konnten, daß es auch gemacht wurde.

Ein anderes Beispiel, das nicht so sehr mit biologischer Kriegsführung zu tun hat, war, daß sowohl im Koreakrieg als auch im Zweiten Weltkrieg Offiziere und Unteroffiziere die Soldaten antreten lassen mußten, um sicherzustellen, daß sie ihre Stiefel und Socken wechselten, weil bei kaltem und nassem Wetter die Gefahr eines Fußbrands bestand.

Die menschliche Natur ist eine komische Sache. Warum nehmen Menschen Drogen? Wer wollte nicht vorbeugende Maßnahmen ergreifen, damit er nicht krank wird? Wer will schon Malaria bekommen? Wer will all diese anderen Krankheiten bekommen? Aber Menschen sind seltsam, und sie müssen angeleitet werden.

Glücklicherweise haben wir beim Militär bis zu einem gewissen Grad die Möglichkeit, sie dazu zu zwingen. Aber in der zivilen Welt funktioniert das nicht so; dort ist Aufklärung noch wichtiger.

Damit sind die sechs Bereiche, die ich hervorheben wollte, abgeschlossen.

Konteradmiral a.D. Marc Pelaez: Den historischen Kontext und die Erfahrungen in unserem Land hätte ich nicht besser formulieren können als General Clegg. So werde ich vielleicht ein wenig vom Thema abschweifen und fragen: Was machen wir dann im Rest der Welt? Selbst in den Vereinigten Staaten haben wir es schwer, alle dazu zu bringen, diese Tabletten zu nehmen oder sich impfen zu lassen. Das ist mir rätselhaft, aber es ist eine Tatsache des Lebens. Aber wir werden hier Fortschritte machen.

Das eigentliche Problem ist, daß wir das Problem nicht isoliert in unserem Land oder in der entwickelten Welt allein lösen können. Es ist ein weltweites Problem.

Wir haben hier über die Rolle des Militärs gesprochen. Ja, das Militär ist eine große, gut disziplinierte, organisierte Einheit. Es ist autark; es ist einsatzfähig. Es hat im Kern natürlich einen defensiven Zweck, aber es hat auch Fähigkeiten, die weit über jede andere Organisation oder Einrichtung hinausgehen, die ich kenne.

Wie kann man also die Disziplin und das Wissen nehmen und effektiv nutzen, um es auf Teile der Welt zu übertragen, die diese Struktur nicht haben? Das ist eine schwierige Sache.

Wenn man versucht, Streitkräfte in ein Land zu schicken, das den Anblick von amerikanischen oder französischen oder wie auch immer gearteten militärischen Organisationen nicht gewohnt ist, dann entsteht ein natürliches Mißtrauen. Das kann meiner Meinung nach nur dann wirklich funktionieren, wenn man eingeladen wird und mit den lokalen Einheiten zusammenarbeitet und ihnen die Unterstützung, die Struktur und all das in Jahrzehnten Gelernte weitergibt und es auf die Situation anwendet.

Ob es nun Mosambik oder ein anderes Land ist, ob es um die Verteilung von Nahrungsmitteln geht, ob es um die Prävention von Krankheiten geht, um den Zugang zu sauberem Wasser, das sind alles sehr kritische Dinge. Wahrscheinlich braucht es koordinierte Anstrengungen vieler Gruppen, um diese Art von kooperativem Ansatz zu erreichen. Das ist nichts, was eine Regierung vorschreiben kann. Aber im Allgemeinen ist es im besten Interesse der Regierungen, eine solche Zusammenarbeit zu erreichen. So entsteht guter Wille, und offen gesagt brauchen wir viele gute Schritte in Richtung friedliche Koexistenz auf der Welt.

Es gibt große Möglichkeiten, aber es braucht eine konzertierte, internationale Anstrengung, um so etwas zu erreichen. Vom militärischen Standpunkt aus gesehen denke ich, gibt es, wie wir bereits gesagt haben, eindeutig ein Interesse und den Wunsch, das Wohlergehen aller Völker zu fördern. Auf der militärischen Seite ist man, wenn sich die Gelegenheit bietet, mit großem Engagement dabei: sei es durch die Entsendung eines Lazarettschiffs, eines Feldlazaretts oder anderer Ausbildungsmittel.

Ich denke, diese Konferenz behandelt das mit Fug und Recht im Kontext eines internationalen kooperativen Ansatzes. Wenn es um den Zugang zu sauberem Wasser geht, um die Bekämpfung von Krankheiten, um die Bekämpfung des Hungers, um die Verteilung von Nahrungsmitteln, dann sind das Bereiche, die unpolitisch sein sollten. Und wir sollten in der Lage sein, eine gemeinsame Basis zu finden.

Ich freue mich also darauf, daß diese Konferenz und andere Konferenzen dieser Art hoffentlich diese Ebene des Verständnisses fördern können.

Ich danke Ihnen.