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Friedrich Schiller



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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Schiller in einer Zeit der Pandemie

Von Carolina Domínguez

Guten Tag. Ich bin Carolina Domínguez vom Schiller-Institut in Mexiko.

Ich würde gerne mit Ihnen über unsere Bewegung sprechen. Es ist eine lebendige Bewegung; wir haben laufende Aktivitäten, Kurse, Treffen, an denen Sie teilnehmen können.

Vor der Pandemie hatten wir einen wichtigen Einfluß an den Universitäten, besuchten junge Leute, arbeiteten mit ihnen an der Geometrie, um Paradoxe zu schaffen, die ihnen helfen würden, aus dieser Komfortzone herauszukommen, und um ihnen erklären zu können, was in der Welt geschieht. Wir haben große Transparente mitgenommen, die die wichtigsten Infrastrukturprojekte der Welt zeigen. Wir setzen das nun online fort.

Bevor ich mit dieser Präsentation beginne, möchte ich Ihnen ein Video zeigen, das wir mit einigen Jugendlichen, die in unserer Bewegung [in Mittel- und Südamerika] engagiert sind, zusammengestellt haben. Die Idee dieses Videos ist es, Sie über einige der Antworten zu informieren, die wir in der Krise, die wir durchleben, von jungen Menschen erhalten haben.

Eine davon ist allgemeine Apathie, die nicht über die Blase hinausgeht, in der sie leben.

Die zweite ist eine gewalttätige Reaktion gegen das System.

Die dritte, die wir gefunden haben, sind Jugendliche, die sich in die Politik einmischen wollen, um einen Job zu bekommen und die Dinge „von innen“ zu verändern.

Die vierte und häufigste ist, wo ich glaube, daß die Mehrheit von uns dabei ist: „Okay, ich weiß, daß das System bankrott ist, ich weiß, daß die Dinge nicht gut sind – aber ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß nicht, wie ich diese Situation ändern kann und in welche Richtung ich gehen soll.“

Deshalb möchte ich Ihnen dieses sehr kurze Video zeigen, damit Sie einen Eindruck davon bekommen, wie die Jugend denkt.

Antworten der Jugendlichen

(Beginn des Videos)

    Antonio: Guten Tag, guten Tag. Mein Name ist Antonio Sánchez. Ich bin Venezolaner und ich bin Mitglied des Schiller-Instituts.

    Zurzeit gibt es eine Krise des internationalen Finanzsystems, die durch nicht rückzahlbare Schulden verursacht wird, die hauptsächlich aus Finanzderivaten bestehen. Es gibt auch eine Krise der physischen Weltwirtschaft, die sich vor allem in einer Hungersnot äußert, von der Millionen von Menschen betroffen sind. Wir haben einige Studenten in verschiedenen Ländern Iberoamerikas gefragt: Wie reagieren die jungen Menschen in Ihren Ländern auf diese komplizierte Situation? Hier sind einige der Ansichten, die wir erhalten haben.

    Alondra: Nun, ich glaube, sie sind besorgt, aber sie haben das Gefühl, daß sie nichts dagegen tun können. Hinzu kommt, daß sie, wenn sie nach Lösungen für ihre Probleme suchen und letztendlich vor Ort so gut sie können entscheiden, aber nicht das Grundproblem angehen. Am Ende sind sie immer entmutigt oder deprimiert. Sie können nicht einmal ihre negativen Emotionen aussprechen oder ausdrücken, noch ehrlich zu sich selbst sein, weil sie frustriert sind, weil sie wollen, daß die Dinge anders sind, und dann denken, das sei unmöglich. Diese beiden Faktoren verwirren die jungen Menschen am Ende, und es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als in ihrer Komfortzone weiterzumachen und sich dem System anzuschließen.

    Mauricio: Hallo, mein Name ist Mauricio Aguilera. Ich komme aus Chile, und ich bin Mitglied des Schiller-Instituts. Ich möchte Ihnen etwas über die Situation erzählen, die wir in Chile haben. Im vergangenen Jahr gab es Proteste wegen der schlechten wirtschaftlichen und institutionellen Situation des Landes, wobei ein großer Teil der Jugend des Landes hinausgegangen ist, um zu protestieren. Viele taten dies gewaltsam, andere, die Mehrheit, weil sie die Nase voll hatten von der fehlenden Zukunftsperspektive und einem Mangel an echten Lösungen. Es gibt auch einen großen Teil, der apathisch ist. Doch bei diesen Protesten gab es und gibt es keine Lösungen für eine bessere Zukunft, für eine gewisse Orientierung – trotz der Tatsache, daß es eine Kampagne zur Änderung der Verfassung und zur Änderung des Wirtschaftsmodells gibt, das uns all diese Probleme gebracht hat. Meiner Meinung nach spielt Schiller dabei mit einer Reihe seiner Werke eine wichtige Rolle, wie zum Beispiel die Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen, Solon und Lycurgus und viele andere. Das ist es, was ich sagen wollte. Ich danke Ihnen vielmals.

    Sebastián: Hallo zusammen. Ich bin Sebastián Acosta aus Kolumbien. Meine persönliche Meinung ist, daß die Antwort der Jugend auf die gegenwärtige Situation, die wir durchleben, darin besteht, zu demonstrieren, daß sie ihre Rechte einfordert. Einige haben die Entscheidung getroffen, in die USA oder nach Europa auszuwandern, auf der Suche nach einer besseren Zukunft, um ihren Familien helfen zu können.

    Daniel: Hallo, wie geht es Ihnen? Mein Name ist Daniel Dufreine Arevalo Carranco, und ich freue mich, Sie aus Mexiko begrüßen zu dürfen. Diese Gesellschaft trifft die Jugend hart; sie hat sie im Stich gelassen. Sie hat ihnen ihre Träume und Hoffnungen genommen, aber nicht in der Art und Weise, wie die berühmte Greta Thunberg das Bild malt. Vielmehr ist es der Faktor Zeit. Diese Gesellschaft hat uns gezwungen, bestimmte Aufgaben schnell zu erledigen, damit wir ein wenig Zeit für uns selbst haben. Deshalb lade ich die Jugendlichen ein, sich anderen Jugendlichen anzuschließen, die den Mut und die Identität haben, dies zu tun, um die Axiome zu ändern, die diese Gesellschaft zu diesem Zusammenbruch, zu ihrem Bankrott geführt haben. Und dafür sind wir hier: Menschen mit Träumen und Hoffnungen, die es in die Hand nehmen werden, die Welt zu verändern. Vielen Dank dafür.

    Sebastián: Hallo. Ich bin Sebastián Debernardi von der Jugendbewegung des Schiller-Instituts in Iberoamerika; ich komme aus Lima, Perú. Ich möchte Ihnen ein wenig von den Ereignissen erzählen, die sich in meinem Land ereignet haben und mit denen wir derzeit konfrontiert sind. In den letzten fünf Jahren hatten wir vier Präsidenten; zwei von ihnen sind zurückgetreten, einer wurde abgesetzt, und einer wird noch acht Monate bis zu den nächsten Wahlen amtieren. Wir hatten auch einen Präsidenten der Judikative, der zurückgetreten ist, und dasselbe tat der Generalstaatsanwalt; wir hatten einen Kongreß, der geschlossen wurde, und eine wirtschaftliche Situation, die sich von Tag zu Tag verschlechtert, mit massiven Arbeitsplatzverlusten und einer Pandemie, die die gesamte Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen hat. Angesichts all dessen sind an einigen Tagen junge Leute zu massiven Protesten hinausgegangen, und es gab auch Proteste von Bauern, Erzeugern, Transportarbeitern und ganz allgemein. Leider hat keiner dieser Proteste eine Vision für die Zukunft; sie bringen nur zum Ausdruck, daß sie die Nase voll haben.

(Ende des Videos)

Was ist zu tun?

Carolina Domínguez: Um auf die Frage zurückzukommen, die eine der ehrlichsten Fragen ist, die ich je gehört habe und die ich mir auch selbst gestellt habe: Was sollen wir tun?

Ich möchte Ihnen das Werk des deutschen Dichters, Historikers und Dramatikers Friedrich Schiller vorstellen, insbesondere seine Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen. Für uns ist das Werk Schillers die fundamentale Grundlage für die Qualitäten, die notwendig sind, um den Charakter aufzuzeigen, der für die Führung heute und immer erforderlich ist.

Ich beginne diese Diskussion über seine Ästhetischen Briefe mit einem Paradox, das Schiller präsentiert und das Teil dessen ist, was wir in dem Video mit den Jugendlichen gesehen haben. Schiller stellt fest: „Der Mensch kann sich auf zwei entgegengesetzten Wegen von seiner Bestimmung entfernen, einerseits durch Rohheit und Gewalt, andererseits durch Erschlaffung.“

Wie Sie sehen können, ist dies nicht nur ein Problem unserer Zeit, sondern etwas, das Schiller auch zu seiner Zeit gesehen hat. Schiller stellt also dieses Paradox dar, indem er feststellt: „Wie kann er [der Mensch] von dieser doppelten Verirrung zu seinem Schicksal zurückgeführt werden?“

Das zweite Paradox, das ich für das wichtigste halte, das Schiller in seinem ganzen Buch darstellt, ist das Paradox zweier Widersprüche im Menschen. Er sagt: „Die Entfernung zwischen Materie und Form ist unendlich und kann schlechterdings durch nichts vermittelt werden... Es gibt absolut keine Mitte zwischen ihnen.“

Schiller erwähnt dieses Paradox und löst es in seinem gesamten Werk Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen auf.

Das Paradox ist: Wie überwinden wir den Widerspruch zwischen Gefühl und Gedanke, um die menschliche Natur wiederherzustellen?

Schiller sagt, daß wir, um diese Vereinigung zu erreichen, diese beiden Zustände mit höchster Präzision trennen müssen. Mit anderen Worten: den Unterschied erkennen und in der Lage sein, die Trennung mit maximaler Präzision vorzunehmen. Dann verbringt er einige Zeit damit, über die Qualitäten des Fühlens und des Denkens zu diskutieren.

Das zweite, was Schiller vorstellt, um diese Einheit der Widersprüche erreichen zu können, ist, „daß beide Zustände in einem Dritten gänzlich verschwinden und keine Spur der Teilung in dem Ganzen zurückbleibt“.

Dieses Dritte, auf das sich Schiller bezieht, ist ein höheres Prinzip, das beide enthält, das sie nicht vermischt, wo nicht das eine verdrängt, damit das andere existieren kann oder umgekehrt, sondern das beide enthält, weil sie zwar verschieden sind, aber beide in einem weit höheren Prinzip enthalten sind.

Ich möchte, daß Sie auch dieses Paradox im Auge behalten, um zu sehen, wie Schiller es auflöst, denn ich glaube, wenn wir ehrlich sind, ist es etwas, das wir uns oft gefragt haben.

Schiller geht auf dieses Paradox mit einer ganz nichtlinearen Antwort ein. Er sagt:

    „Jeder individuelle Mensch, kann man sagen, trägt der Anlage und Bestimmung nach, einen reinen idealischen Menschen in sich, mit dessen unveränderlicher Einheit in allen seinen Abwechselungen übereinzustimmen die große Aufgabe seines Daseins ist. Die Anlage zu der Gottheit trägt der Mensch unwidersprechlich in seiner Persönlichkeit in sich.“

Sie erkennen vielleicht, daß dies ein weiteres Paradox ist, das er uns vor Augen führt, um das frühere Paradox aufzulösen. Er sagt, daß es im Menschen, jenseits dieser Widersprüche zwischen Denken und Fühlen, auch das gibt, was beständig ist und was sich ständig verändert, was sich verwandelt. Schiller fragt, was das ist, und antwortet: „Aus der Wechselwirkung zwei entgegengesetzter Triebe und aus der Verbindung zwei entgegengesetzter Prinzipien haben wir das Schöne hervorgehen sehen.“

In den Paradoxien, die wir gesehen haben, beinhaltet das erste Paradox den Gegensatz und Widerspruch zwischen Apathie und Gewalt; das zweite Paradox findet sich zwischen Gefühl und Gedanke; und das dritte Paradox besteht zwischen dem, was im Menschen dauerhaft ist, und dem, was sich ständig wandelt. Schiller bewirkt ihre Vereinigung. Er löst sie mit Hilfe eines höheren Prinzips auf, das größer ist als sie alle, nämlich der Schönheit.

Aus der Wechselwirkung zweier gegensätzlicher Zustände und Prinzipien entsteht Schönheit, deren höchstes Ideal wir suchen. Für Schiller stellt die Schönheit eine Auflösung des Widerspruchs der Gegensätze dar. Schönheit ist ein höheres Prinzip als das, was als Paradox erscheint; und der Mensch ist auf der Suche nach Schönheit in der Lage, diesen Widerspruch, von dem wir gesprochen haben, aufzulösen.

All dies tut er in seinen Ästhetischen Briefen – es gibt 27 davon. Das erste, was ich mich fragte, war, zu denken: „Gut – Schönheit. Und wie komme ich zur Schönheit? Was ist für Schiller Schönheit? Wie komme ich zu ihr?“ Eines der Prinzipien, die Schiller entwickelt, ist der Beitrag des Menschen, der in den gesellschaftlichen Prozeß eingreifen will, woraus ein Bedürfnis wird, etwas gegen die Verhältnisse zu tun. Dazu sagt Schiller: „Alle Verbesserung im Politischen soll von Veredlung des Charakters ausgehen – aber wie kann sich… der Charakter… bei aller politischen Verderbnis veredeln?“

Diese Frage stellt Schiller, um dann zu entwickeln, wie man zur Schönheit gelangt. Wie können wir den menschlichen Charakter veredeln, wenn wir in einer korrupten Gesellschaft und einem korrupten Staat leben? Es scheint keine Antwort zu geben; es scheint, daß wir uns in einem Teufelskreis befinden. Doch Schiller findet wieder eine Lösung, und er weist uns den Weg dorthin. Die Lösung, die Schiller findet, ist sehr wichtig: Es ist Kunst, klassische Kunst.

Schiller löst die Paradoxien auf

Nun, die Idee der Kunst stellt für Schiller den Weg dar, der uns zu dieser Schönheit führt und der die früheren Paradoxien auflöst: Das Paradox, das zwischen einer gewalttätigen und einer apathischen Haltung besteht. Das Paradox zwischen Gefühl und Gedanke. Das Paradox zwischen dem, was im Menschen beständig ist, und dem, was sich ständig verändert. All dies ist in der Schönheit enthalten, und der Weg dahin führt über die Entwicklung der schönen Kunst.

Was ist nun schöne Kunst? Wie erreichen wir schöne Kunst? Schiller widmet einen großen Teil der letzten Abschnitte seiner Briefe der Erklärung, was Kunst ist. Er gibt nicht nur Beispiele, sondern er stellt auch ein Prinzip der Methode vor, mit der schöne Kunst geschaffen wird.

In einigen seiner Briefe, dem 8. und 9. Brief, antwortet er vor allem der Jugend, indem er sagt – wobei wir hier ein wenig paraphrasieren: Wenn mich ein junger Wahrheitsliebhaber fragen würde, wie er in das Geschehen in der Gesellschaft eingreifen kann, sagt Schiller: „Lebe mit deinem Jahrhundert, aber sei nicht sein Geschöpf; erkühne dich, weise zu sein. Erziehe die siegende Wahrheit, stelle sie aus dir heraus in der Schönheit, daß nicht bloß der Gedanke ihr huldige, sondern auch der Sinn ihre Erscheinung liebend ergreife. Gib der Welt, auf die du wirkst, die Richtung zum Guten, so wird der ruhige Rhythmus der Zeit die Entwicklung bringen.“

Dies ist mehr als ein Ratschlag; es ist die Erziehung der Jugend, die Schiller vorschlägt. Es ist ein Wandel und eine Lösung für die Paradoxien, die wir gesehen haben. Er sagt nicht einfach: Sucht Schönheit, und ihr werdet Schönheit durch Kunst finden; sondern er baut etwas auf. Für uns ist Schiller eine grundlegende Grundlage für den Aufbau einer Jugendbewegung – der Gesellschaft im allgemeinen, aber vor allem der Jugend.

Ich möchte diesen letzten Teil lesen. Schiller spricht darüber, was Schönheit darstellt, was der Mensch suchen muß:

    „Die Schönheit macht die Menschheit bloß möglich, und es ist im übrigen unserm freien Willen anheimstellt, inwieweit wir sie wirklich machen wollen... Beim Gebrauch desselben kommt es aber auf unsere eigene Willensbestimmung an.“

Dies ist keine Zumutung. Wenn Sie die Schönheit suchen, finden Sie mehr als eine Möglichkeit. Der Mensch entscheidet mit seinem freien Willen, wie weit er dieses Prinzip der Schönheit für den Menschen entwickeln will.

Ich möchte diese Ausführungen abschließen, indem ich auf den eingangs erwähnten Punkt zurückkomme: Wir schaffen eine große politische Kraft; wir schaffen eine Kraft, die in der Lage ist, die Geschichte zu verändern. Diese Kraft ist die Veredelung des Charakters der Bevölkerung, zu der natürlich auch wir gehören. Innerhalb dieser Veredelung des Charakters ermöglicht uns dies den Aufbau wahrer politischer Freiheit, die jedoch den höchsten Grad an Schönheit darstellt, den man erreichen kann.

Ich lade Sie also ein, die Antworten auf die Paradoxien zu finden, auf die unser Verstand gestoßen ist und auf die unser Herz gestoßen ist, wenn wir die Situation sehen, mit der die Welt konfrontiert ist. Die LaRouche-Bewegung setzt sich dafür ein, diese Arbeit vor allem mit der Jugend zu leisten, um die notwendigen Führungsqualitäten zu erziehen, nämlich jene Veredelung der menschlichen Seele. Ich danke Ihnen dafür.