Der Plan des Schiller-Instituts zur Entwicklung Haitis
Von Richard Freeman und Cynthia Rush
– 2. Teil –
Das Programm des Schiller-Instituts
Im Folgenden werden acht grundlegende Bereiche der Infrastruktur, Industrie
und Landwirtschaft aufgeführt, die den Kern der haitianischen Wirtschaft bilden.
Für jeden Bereich wird dargestellt, welche Möglichkeiten und Probleme bestehen
und welche Lösungen im Rahmen eines Entwicklungsplans empfohlen werden.
I. Energie und Elektrizität
Die Existenz der Menschheit beruht auf der Erhöhung der Energieflußdichte.
Die Einführung der Elektrizität schuf ein neues, höheres Niveau der
Energieflußdichte, einen neuen Technologiesprung. Eine Wirtschaft, die über eine
reichliche Stromversorgung verfügt, kann eine höhere Plattform der physischen
Wirtschaft einführen, mit fünfachsigen Werkzeugmaschinen, elektrifizierten
Hochgeschwindigkeitsbahnen, Supraleitung, Lasern und kohärenten Energiestrahlen,
überregionaler Kommunikation, Magnetresonanztomographie, Computertomographie
etc. Derzeit verfügt Haiti über keine zuverlässige Energiequelle, und das
wenige, was es hat, größtenteils aus Holzkohle, ist primitiv, stellt eine
ernsthafte Gesundheitsbedrohung dar und ist gefährlich. Das ist charakteristisch
für die feudalen Zustände, in denen Haiti seit dem 16. Jahrhundert von der City
und der Wall Street gehalten wird.
© USAID
Abb. 8: Da es in Haiti keine einheimischen Kohle-, Öl- oder Erdgasvorkommen
gibt, und auch keine Mittel vorhanden sind, sie zu importieren, ist Holzkohle –
hier in Säcken abgefüllt – die Hauptenergiequelle.
Vor etwa 25 Jahren mußte Haiti sich mangels Strom noch mehr auf Holzkohle als
Hauptenergiequelle einstellen (Abbildung 8). Im USAID-Bericht
Strategic Framework vom 23. Dezember 2020 heißt es, daß die meisten
Haushalte im ländlichen Haiti keinen Zugang zu Energie haben und deshalb
Brennholz verwenden, wofür Wälder abgeholzt werden. In Port-au-Prince und
anderen Großstädten verwenden fast 90% der Haushalte Holzkohle. Nur 30% der
Fläche Haitis sind noch von Wäldern bedeckt. Dagegen beschrieb Frederick
Douglass am 2. Januar 1893 noch ein grünes Haiti: „Die tropische Hitze und die
Feuchtigkeit der Insel halten die Vegetation das ganze Jahr über frisch, grün
und kräftig. In einer Höhe von achttausend Fuß sind seine Berge noch immer mit
Wäldern von großer Vielfalt und großem Wert bedeckt.“
Wenn Haiti nicht geholfen wird, aus diesem Gefängnis auszubrechen, wird alle
Hilfe der Welt nichts nützen; das Land wird sich nie weiterentwickeln, und seine
Bevölkerung wird nie wachsen. Um Haiti auf das Niveau des jährlichen
Pro-Kopf-Stromverbrauchs eines Landes wie Spanien zu bringen, muß die
installierte Stromerzeugungskapazität von derzeit 350 Megawatt um das 75fache
auf etwa 27 Gigawatt erhöht werden – von anderen relevanten Faktoren einmal
abgesehen.
Dies kann in zwei Stufen geschehen. Die Hälfte der benötigten
Erzeugungskapazität, 13,5 Gigawatt, kann Haiti in den nächsten zehn Jahren
erreichen. Dies wird aus einer Mischung aus Kernkraft (einschließlich
schwimmender Anlagen), sauberer Kohle und Erdgas bestehen. Die Größe der Anlagen
wird zwischen 100 und 1000 Megawatt liegen. Darüber hinaus kann die
Stromerzeugungskapazität aus Wasserkraft, einschließlich der 54 MW des
Péligre-Damms und neuer Dämme, um das Dreifache erhöht werden. Diese verstärkte
Elektrifizierung wird die Blockade bei der Stromversorgung von Häusern und
Krankenhäusern, Wasseraufbereitung, Wirtschaft und Industrie, Landwirtschaft und
Transportwesen durchbrechen und das tägliche Leben aller Haitianer grundlegend
verändern.
II. Ein universelles Gesundheitsversorgungssystem
Haiti braucht dringend ein modernes Gesundheitssystem, so wie es die
Gründerin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, für die ganze Welt
vorgeschlagen hat. In ihrer Grundsatzrede auf einer Konferenz des
Schiller-Instituts am 8. Mai 2021 warnte Zepp-LaRouche angesichts der
COVID-19-Pandemie:
„Der einzige Weg, diese und künftige Pandemien zu stoppen, ist die
Schaffung eines Weltgesundheitssystems, d.h. eines modernen Gesundheitssystems
in jedem einzelnen Land. Denn wenn man die Pandemie selbst im ärmsten
Land der Erde nicht aufhält, wird sie wiederkommen; es wird neue Varianten, neue
Stämme geben, die schließlich die bereits verteilten Impfstoffe obsolet machen
könnten. Wir befinden uns also in einem Wettlauf mit der Zeit.“
Zepp-LaRouche betonte, alle Länder sollten die Mittel haben, zu tun, „was in
Wuhan getan wurde, als die Pandemie ausbrach. Krankenhäuser bauen! Man kann das
mit dem Pionierkorps der Armee und Hilfsorganisationen machen. In einer Woche
kann man ein Krankenhaus für tausend Menschen bauen. Dann brauchen diese
modernen Krankenhäuser gut ausgebildete Ärzte und Krankenschwestern. Man braucht
viel sauberes Wasser – zwei Milliarden Menschen auf der Welt haben keinen Zugang
zu sauberem Wasser. Man braucht viel Strom. Ohne Infrastruktur geht es nicht.
Der Aufbau eines modernen Gesundheitssystems in jedem Land kann und muß also der
Anfang sein, um die Unterentwicklung der Entwicklungsländer endgültig zu
überwinden.“
Am 18. August, vier Tage nach dem Erdbeben, berichtete die Direktorin der
Panamerikanischen Gesundheitsorganisation, Dr. Carissa Etienne, daß in den drei
vom Erdbeben am stärksten betroffenen Departements 24 Gesundheitseinrichtungen
zerstört oder beschädigt wurden. Sie forderte die internationale Gemeinschaft
auf, sofort zu reagieren, um Haitis „immensen Bedarf“ an medizinischem Personal,
Versorgungsgütern, Ausrüstung, Patiententransporten u.a.m. zu decken, damit die
Gesundheitsversorgung in den betroffenen Gebieten wiederhergestellt werden
kann.
Sie wies auch auf den dringenden Bedarf an COVID-19-Impfstoffen hin. Bislang
sind weniger als 1% der 11,25 Millionen Einwohner Haitis geimpft worden, und
über die COVAX-Einrichtung, die Impfstoffe für Entwicklungsländer bereitstellt,
sind nur 500.000 Dosen des Impfstoffs eingetroffen. Die offizielle Zahl der
COVID-19-Fälle ist niedrig, aber dabei handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit
um eine Unterschätzung. Das Schiller-Institut fordert, Haiti 14 Millionen
Impfdosen zur Verfügung zu stellen, um die Impfquote schnell auf 60% zu
erhöhen.
Die Intensivstationen in Haiti sind kaum in der Lage, COVID-19-Fälle oder
andere Notfälle zu behandeln. Laut einer Studie, Critical Care Capacity in
Haiti: A Nation-wide Cross-sectional Survey (Intensivbehandlungskapazitäten:
Eine landesweite Querschnittserhebung), die am 23. Juni 2019 in der
Fachzeitschrift Plos One erschien, verfügt Haiti landesweit nur über 124
Betten für Intensivbehandlungen und weitere 53 Betten für schwerkranke
Patienten, die meisten davon in Notaufnahmen. Der Mangel an medizinischem
Personal und Krankenhausbetten ist erschreckend. In Haiti kommen 0,25 Ärzte auf
1000 Einwohner, ein Zehntel des US-Niveaus von 2,3 Ärzten pro 1000 Einwohner. Es
gibt 0,11 Krankenschwestern pro 1000 Einwohner, ein Hundertstel des US-Niveaus
von 11,7 Krankenschwestern pro 1000 Einwohner, was an sich schon unzureichend
ist. Im ganzen Land gibt es 7982 Krankenhausbetten, das sind 0,71 Betten pro
1000 Einwohner.
Der Standard, den man in Haiti erreichen sollte, liegt bei etwa vier
Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner in jeder Gemeinde. Das war die Vorgabe des
modellhaften US-amerikanischen Hill-Burton-Gesetzes (Hospital Survey and
Construction Act) aus dem Jahr 1946, welches vorgab, daß die Gesundheitsbehörden
auf der Grundlage moderner medizinischer Standards und der verfügbaren
Transportmittel festlegen, wie viele Betten pro 1000 Einwohner in den einzelnen
Regionen benötigt werden. Moderne medizinische Einrichtungen und angemessenes
Personal werden – zusammen mit modernen sanitären Einrichtungen und angemessener
Ernährung – dazu beitragen, Haitis Kinder- und Müttersterblichkeit zu senken,
die die höchste in der westlichen Hemisphäre ist.
Konkret bedeutet dies, daß Haiti in den nächsten acht Jahren – vor allem mit
Unterstützung der Vereinigten Staaten und Chinas – 185 neue moderne
Krankenhäuser mit 47.000 neuen Betten bauen muß. Die Beschäftigung von
Bauarbeitern sowie von medizinischem und technischem Personal für den Bau und
Betrieb der Krankenhäuser wird 100.000 Menschen Arbeitsplätze mit steigenden
Qualifikationsniveaus bieten. Der Bau von Krankenhäusern wird dezentralisiert,
so daß in jedem der neun anderen Departements außer dem Departement Ouest
(West), in dem Port-au-Prince liegt und sich heute die Hälfte aller bestehenden
Krankenhäuser des Landes befinden, ein Krankenhaus mit 500-700 Betten gebaut
wird.
Außerdem braucht Haiti mindestens 50 MRT-, 50 CT- und 200 Röntgengeräte für
Diagnosezwecke und gründliche Untersuchungen. Es müssen medizinische Fakultäten
eingerichtet werden, um die Zahl der Ärzte von derzeit 2800 auf 20.000 und die
Zahl der Krankenschwestern von derzeit 1200 auf 100.000 zu erhöhen. Die
haitianische Diaspora in den USA und anderswo, die über ein relativ höheres
Qualifikationsniveau als die einheimische Bevölkerung verfügt, muß ermutigt
werden, zurückzukehren und in diesem Bereich – wie auch in anderen – zu helfen
(siehe unten in Abschnitt VII. Industrie und Arbeitskräfte).
III. Hunger und Landwirtschaft
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) stuft 4,4 Millionen
Haitianer, d.h. 42% der Bevölkerung, als „ernährungsunsicher“ ein, sie sind
dringend auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Bei einer Reise nach Haiti am 16.
September berichtete WFP-Direktor David Beasley, daß über vier Millionen
Menschen in dem Land „auf dem Weg zum Hunger sind, und bei einer Million davon
klopft der Hungertod die Tür“. Aus dem Dorf Manich twitterte er: „Vier Fünftel
der Menschen in diesem Dorf benötigen jetzt Zugang zu Nahrung, Unterkunft
und medizinischer Versorgung. Ich spreche hier von den elementarsten
Bedürfnissen. Diese Familien hatten Glück, daß sie es lebendig heraus geschafft
haben. Jetzt brauchen sie unsere Hilfe.“ Das Erdbeben hat die schwere Krise der
Ernährungssicherheit, die Haiti schon seit Jahren heimsucht, weiter verschärft,
indem es Ernten und Viehbestände vernichtete, Märkte dem Erdboden gleichmachte
und Wasserläufe, die als Trinkwasserquelle genutzt worden waren, verseuchte.
Reis ist das wichtigste Grundnahrungsmittel der Haitianer. Im Jahr 1985
belief sich die einheimische Reisproduktion Haitis auf 163.296 Tonnen,
zusätzlich wurden 7337 Tonnen aus den USA importiert, also insgesamt 170.663
Tonnen. Die einheimische Produktion deckte 96% des Verbrauchs ab, so daß Haiti
beim Reisverbrauch autark war – wenn auch auf einem erbärmlich niedrigen Niveau.
Doch in den 80er und 90er Jahren und zu Beginn des neuen Jahrtausends änderte
sich die Situation dramatisch durch politische und wirtschaftliche
Manipulationen der US-Regierung und die mörderischen
„Strukturanpassungsprogramme“ (SAP) des Internationalen Währungsfonds (IWF).
1984 setzte US-Präsident Ronald Reagan eine Freihandelsinitiative für das
Karibische Becken durch, wodurch Haiti „in den Weltmarkt integriert“ und
bedrängt wurde, 30% seiner einheimischen Nahrungsmittelproduktion auf
Exportkulturen umzustellen. Zwei Jahre später akzeptierte die damals herrschende
Militärjunta unter General Henri Namphy einen IWF-Kredit über 24,6 Mio. Dollar,
der an die Bedingung geknüpft war, daß er einwilligte, die Reiszölle von 150%
auf 50% zu senken – die niedrigste Rate in der Karibik.
© UN/Sophia Paris
Abb. 9: Da moderne landwirtschaftliche Techniken und Geräte unerschwinglich
sind, hängt Haitis Bevölkerung von den Nahrungsmittellieferungen solcher
Einrichtungen wie dem Welternährungsprogramm und der französischen Agentur für
technische Zusammenarbeit und Entwicklung ab.
© NASA/JPL/NGA
Abb. 10: Topographische Karte der Insel Hispaniola (Haiti und Dominikanische
Republik).
Alle haitianischen Häfen wurden für den internationalen Handel geöffnet, und
die wenigen Preisstützungen, die den Landwirten noch verblieben waren, wurden
abgeschafft. In den darauffolgenden Jahren kam es zu wiederholten Sparauflagen
des IWF, einem Wirtschaftsembargo der USA und einer Invasion, und 1994 wurden
die Zölle auf Reisimporte von 35% auf 3% gesenkt, was Haiti zur „offensten
Wirtschaft“ in der gesamten Karibik machte.
Die Prognose des US-Landwirtschaftsministeriums für den Zeitraum Juli 2020
bis Juni 2021 geht davon aus, daß Haiti 75.000 Tonnen Reis im Inland produziert
und 495.000 Tonnen importiert (90% davon aus den USA), was den
Selbstversorgungsgrad auf alptraumhafte 13% senkt (Abbildung 9)! Seit
1985 ist die einheimische Reiserzeugung in Haiti um 55% geschrumpft. Das
landwirtschaftliche Einkommen brach ein; viele Bauern wurden von ihrem Land
vertrieben und landeten oft in der sogenannten „Schattenwirtschaft“, darunter
der mörderische Drogenhandel. Die Folgen dieses „Freihandels“
britisch-imperialer Art griffen immer weiter um sich, so daß heute 40-50% oder
noch mehr der haitianischen Ernährung, darunter Weizen und Geflügel, aus
Importen stammen.
Damit Haiti genügend Nahrungsmittel für die eigene Bevölkerung und eventuell
auch für den Export erzeugen kann, braucht es Zugang zu modernen
landwirtschaftlichen Methoden, auch für die fünf Gebirgsketten, die 70% seines
Territoriums durchziehen und auf denen einige Nahrungsmittel produziert werden –
wenn auch ineffizient (siehe Abbildung 10).
Die Erzeuger müssen in die Lage versetzt werden, Probleme wie die
Bodenerosion in den Griff zu bekommen, die zum Teil durch die weitverbreitete
Verwendung von Holzkohle verursacht wird, was zum Abholzen der Wälder und
Verlust des Mutterbodens bei Regenfällen führt. Den Landwirten fehlt es an
Investitionsgütern wie Traktoren und anderen Landmaschinen, und sie haben kaum
Zugang zu Kapital. Es gibt so gut wie keine Bewässerung; von Haitis 16.000
km2 landwirtschaftlicher Nutzfläche sind nur 970 km2,
ganze 6%, für die Bewässerung ausgerüstet. Die Ernteerträge und die
Produktivität in der Landwirtschaft sind extrem niedrig.
Dabei verfügt das Land über ein großes agro-klimatisches Potential, denn es
können sowohl tropische als auch gemäßigte Pflanzen und Bäume angebaut werden;
es gibt gute Niederschläge und zwei Wachstumsperioden. Mit gutem Dünger,
Saatgut, landwirtschaftlichen Geräten, zeitlich abgestimmter Bewässerung usw.
lassen sich die Erträge für die möglichen Kulturen erheblich steigern: Reis,
Mais, Sorghum (Hirse), Zuckerrohr und eine breite Palette von Obst und Gemüse
(z.B. Mangos) sowie Spezialitäten wie Kaffee, Sisal und Gewürzkräuter. Auch die
Wiederaufforstung muß vorangetrieben werden, indem alle Arten von Bäumen, von
Kiefern bis hin zu Obstbäumen, die in den richtigen Höhenlagen gedeihen, wieder
angesiedelt werden.
Die Bedingungen für Süßwasserfische in Flüssen und Seen können verbessert
werden. Da Haiti von drei Seiten vom Meer umgeben ist, sollte das Potential für
den Aufbau einer Fischereiindustrie sowohl für die einheimische Produktion als
auch für den Export ganz erschlossen werden. Im Golf von Gonaives gibt es 270
verschiedene Fischarten, aber die bittere Armut in den ländlichen Gebieten
hindert die Fischer daran, größere Boote oder Schiffe zu erwerben, die für große
Fänge erforderlich sind. Die Fische wären auch eine hervorragende Quelle für
tierisches Eiweiß, das in der haitianischen Ernährung heute so sehr fehlt.
Internationale Hilfsprogramme haben zwar mehrere Milliarden Dollar für Haiti
bereitgestellt, wovon ein Teil für sinnvolle, kurzfristige Zwecke verwendet
wird, aber die Grundlagen der Wirtschaft haben sich dadurch nicht verändert.
Weniger als eine halbe Milliarde Dollar für den Kauf von 3000 großen Traktoren
mit 100 PS und Vierradantrieb, einer Flotte von hundert kommerziellen
Fischerbooten, Pumpen, Sprinklern usw. für Pivot- (Kreis-) oder
Tropfbewässerung, Düngemitteln und Saatgut sowie Hydro- und Aquakulturen würden
einen viel stärkeren und nachhaltigeren Entwicklungsschub bewirken.
IV. Eisenbahnen und Straßen
Wir haben bereits über den Plan der China Civil Engineering Construction
Corporation berichtet (vgl. Neue Solidarität 41/2021), eine
internationale Eisenbahnlinie zwischen der Dominikanischen Republik und Haiti zu
bauen, die beide miteinander verbinden soll. Die CCECC ist ein sehr kompetentes
und erfahrenes Unternehmen. Wenn sie eine haitianisch-dominikanische
Eisenbahnlinie vorschlägt und befürwortet und sich verpflichtet, sie unter
angemessenen Umständen zu finanzieren, dann hat sie mit ziemlicher Sicherheit
bereits einen Plan für den haitianischen Teil der Strecke in groben Zügen (und
vielleicht auch in allen Einzelheiten) erstellt und entworfen.
© EIR
Abb. 11: Ein Entwicklungsplan für Haiti: Vorschlag für ein Eisenbahnnetz für
Haiti.
Das Schiller-Institut konnte bisher die Entwürfe der CCECC für den
haitianischen Teil der Bahnstrecke noch nicht einsehen, aber ein Eisenbahnnetz,
das der Wirtschaft sehr zugute käme, sollte sinnvollerweise viele oder alle
Hafenstädte an der 1770 km langen Küste Haitis miteinander verbinden. Die
komplette Strecke würde in der Hafenstadt Fort Liberté beginnen und westwärts
zur Hafenstadt Cap-Haitien, nach Port-de-Paix, dann südwärts nach Anse Rouge,
Gonaives und nach Port-au-Prince und dann westwärts nach Jeremie, Port-Salut,
Les Cayes und Laborieux führen (siehe Abbildung 11).
Zusätzlich zu den auf der Karte eingezeichneten Strecken könnten zwei
Bahnlinien von Port-au-Prince aus gebaut werden: eine direkte Strecke nach
Norden nach Fort Liberté und eine weitere nach Südwesten nach Jacmel. Beide
sollten entweder elektrifizierte Hochgeschwindigkeitsstrecken oder
Magnetschwebebahnen sein. Dies wird den Güter- und Personenverkehr in alle Teile
des Landes beschleunigen.
Darüber hinaus ist der Plan des Southwest Municipal Engineering Design and
Research Institute of China (SMEDRIC), 100 km Straßen im Raum Port-au-Prince zu
modernisieren und zu verbreitern, ein guter Anfang, um ein Netz von etwa 1500 km
modernen Hauptverkehrsstraßen aufzubauen, die sich durch ganz Haiti schlängeln,
um alle Landesteile zu verbinden.
V. Seehäfen und Flughäfen
Haiti hat heute nur drei internationale Seehäfen. Der Port International de
Port-au-Prince, über den ein großer Teil des Verkehrs abgewickelt wird, ist
veraltet und hat nur begrenzte Kapazitäten. Um Haiti bei der Erholung vom
Erdbeben 2010 zu helfen, gab die US-Behörde für internationale Entwicklung
(USAID) 2011 eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, um zu prüfen, ob ein oder zwei
Häfen im Norden des Landes – der begrenzte Hafen von Cap-Haitien und der Hafen
von Fort Liberté, der heute nur ein geringes Verkehrsaufkommen hat – vertieft
und mit modernen Vollportalkränen usw. ausgestattet werden könnten, um ihre
Kapazitäten zu erhöhen. USAID bezifferte die Kosten für den Ausbau der beiden
Häfen auf 185-250 Mio. Dollar, wovon die US-Regierung 70 Mio. bereitstellen
würde, während die private Wirtschaft den Rest aufbringen sollte. Da der Hafen
von Cap-Haitien nur über begrenzte geeignete Flächen verfügt, lag der
Schwerpunkt auf dem Ausbau des Hafens von Fort Liberté.
Der Vorschlag der USAID für den Ausbau des Hafens von Fort Liberté und die
Aussicht auf die damit verbundene Entwicklung Haitis ließen bei den
internationalen Malthusianern die Alarmglocken schrillen. Kurz nach der
Veröffentlichung des ersten Berichts von 2011 warnten sie in einer absurden
Argumentation, das Projekt gefährde die Korallenriffe in der gesamten Karibik.
In einem Artikel in Reef Relief vom 1. Oktober 2012 hieß es: „Eidechsen
und seltene Korallenriffe erschweren das Multimillionen-Dollar-Hafenprojekt in
Haiti“. Es wurde eine „düstere Studie“ der Naturschutzorganisation International
Union for the Conservation of Nature (IUCN) zitiert, deren „Untersuchungen
ergaben, daß die Korallenriffe in der gesamten Karibik am Rande des
Zusammenbruchs stehen“. Es sei daran erinnert, daß die IUCN von dem Eugeniker
und Malthusianer Julian Huxley gegründet wurde, dessen erklärtes Ziel es war,
den Anteil der „minderwertigen Menschen“ in den Reihen der Menschheit
auszudünnen.
Dann veröffentlichte der Rechnungshof der US-Regierung Government
Accountability Office (GAO) – der viele Mitarbeiter hat, deren Spezialität es
ist, Infrastrukturausgaben zu kürzen – im Juni 2013 einen Bericht mit dem Titel
„Haiti-Wiederaufbau“, der die Arbeit der USAID in Haiti kritisierte. In zwei
Berichten der Internationalen Finanz-Corporation der Weltbank wurde
vorgeschlagen, nichts zu tun und damit das Hafenerweiterungsprojekt Fort Liberté
zu stoppen. 2018 schlug USAID statt dessen nur relativ geringfügige Änderungen
am Hafen von Cap-Haitien vor.
Kein Wunder, daß das Projekt Fort Liberté den Entvölkerungsfanatikern sauer
aufgestoßen ist: Die Bucht von Fort Liberté hat eine Tiefe von 22 Metern – viel
tiefer als die 16 Meter von Amerikas größtem Handelshafen, Los Angeles, der die
größten Containerschiffe der Welt aufnehmen kann.
Das Schiller-Institut schlägt vor, das Projekt zum Ausbau und zur
Modernisierung des Hafens von Fort Liberté als wesentliche Komponente des Plans
zur Erneuerung Haitis aus der Schublade zu holen und zu aktualisieren. Ein
nützlicher Ausgangspunkt wäre es, die vom Pionierkorps der US-Armee erstellten
Dokumente heranzuziehen, die 2011-12 in die Bewertung des Projekts
einflossen.
Mitglieder der haitianischen Diaspora in den USA haben sich ebenfalls an der
Diskussion über dieses Projekt beteiligt. Kürzlich berichtete ein in den USA
lebender haitianischer Ingenieur in einem Gespräch mit dem Schiller-Institut,
daß der Hafen von Fort Liberté, wenn er groß genug gebaut wird, Containerschiffe
mit mehr als 16.000 Standardcontainern (TEU, Twenty-foot Equivalent Unit)
abfertigen könnte, die derzeit in den beiden größten Häfen Floridas, Port
Jacksonville und Port Everglades (maximal 9.000 TEU), nicht abgefertigt werden
können. Dieser Ingenieur schlug vor, daß große internationale Containerschiffe
zunächst den Hafen von Fort Liberté mit seiner größeren Kapazität anlaufen und
dort entladen werden. Anschließend würde die Ladung in TEU-Containern auf
Schiffen mit einer geringeren Containerkapazität nach Port Jacksonville und Port
Everglades verschifft.
Der Ausbau des Hafens wird nicht nur die Rolle Haitis als Handelsdrehscheibe
für die Region erheblich stärken, er wäre auch ein Anziehungspunkt für die
Anwerbung und Ausbildung der für den Betrieb des Hafens erforderlichen
Arbeitskräfte.
Innerhalb Haitis wird der Inlandstransport durch den Mangel an Flughäfen (und
brauchbaren Straßen) stark behindert, was sich besonders deutlich bei den
jüngsten Bemühungen von Hilfsorganisationen zeigt, Nothilfe in die vom Erdbeben
am 14. August am stärksten betroffenen Landesteile zu transportieren. Das Land
verfügt nur über 14 Flughäfen, von denen nur fünf oder sechs über befestigte
Start- und Landebahnen und Linienflüge verfügen. Viele „Start- und Landebahnen“
sind kaum mehr als unbefestigte Straßen. Die Radarsysteme sind veraltet, wenn es
sie überhaupt gibt. Dem Flughafen von Port-de-Paix, der drittgrößte des Landes
in Bezug auf das Passagieraufkommen, fehlte zum Beispiel bis kürzlich eine
Radaranlage. Zum Vergleich: Der US-Bundesstaat Florida, der doppelt so viele
Einwohner hat wie Haiti, verfügt über 520 Flughäfen.
Das dürftige Flughafennetz des Landes muß aufgerüstet werden, was auch die
Installation eines modernen, gut funktionierenden Radarsystems erfordert. Bis
2027 sollte Haiti über 25 Flughäfen verfügen, auf denen Linienflüge abgewickelt
werden können, die Hälfte davon mit befestigten Start- und Landebahnen, die lang
genug sind, um Boeing 787-Passagierjets und Boeing C17 Globemaster
III-Militärtransporter aufzunehmen, die in Notfällen Hilfe leisten können.
VI. Abwasserentsorgung und Wasseraufbereitung
In der Hauptstadt Port-au-Prince, in deren Stadtgebiet drei Millionen
Menschen leben, gibt es keine einzige Kläranlage. Es gibt auch keine
Abwasserkanäle, die die Abwässer aus Waschbecken etc. aufnehmen. Viele Einwohner
benutzen Plumpsklos; die Menschen kippen Müll und Abwasser in Kanäle, die mitten
durch die Stadt verlaufen, Krankheiten verbreiten und bei Regen überlaufen. Die
Freiluftkläranlage in Morne a Cabrit, 65 km von Port-au-Prince entfernt, ist die
einzige Kläranlage im ganzen Land! Abfälle einschließlich menschlicher
Exkremente und Müll fließen durch Flüsse und Bäche und überschwemmen das Land.
Durch Wasser übertragene Krankheiten – vor allem Typhus, Cholera und
Durchfallerkrankungen – machen einen erheblichen Anteil der Todesfälle aus.
Gleichzeitig müssen die Bewohner von Wohnkomplexen das Wasser des Gebäudes oft
selbst chloren, um sicher duschen zu können.
„42,3% der haitianischen Gesamtbevölkerung haben derzeit keinen Zugang zu
sauberem Wasser“, gibt das Borgen Project an, das den Zugang der
Entwicklungsländer zu grundlegenden Dienstleistungen verfolgt. Anderen
Schätzungen zufolge liegt die Zahl sogar bei 50%. Das Borgen Project berichtet
auch, daß drei Viertel der haitianischen Haushalte keinen Zugang zu fließendem
Wasser haben. Hunderte von haitianischen Dörfern beziehen ihr Wasser aus
Handpumpen, die oft nicht einmal funktionieren, oder aus Brunnen. Dörfer, in
denen es weder Brunnen noch Handpumpen gibt, sind darauf angewiesen, daß die
Regierung oder NGOs Wasser in Lastwagen liefern, die mit 200
Fünf-Gallonen-Eimern (knapp 20 Liter) Wasser beladen sind, um insgesamt 4000
Liter sauberes Wasser zu liefern – wenn möglich. In den Städten trinken viele
Menschen abgefülltes Wasser in Flaschen. Der Mangel an zuverlässigem, sauberem
Wasser behindert den täglichen Betrieb von Lebensmittelverarbeitungsbetrieben,
Bäckereien und anderen Unternehmen.
Der Vorschlag von SMEDRIC und MCC sieht den Bau einer neuen Kläranlage in
Port-au-Prince vor, die 180.000 Kubikmeter Abwasser pro Tag behandeln kann. Die
Kläranlage wird nach der dreistufigen Methode von Vorbehandlung, Erstbehandlung
und biologischer Zweitbehandlung arbeiten. Bis 2026 sollen in allen zehn
Departements des Landes Kläranlagen mit dieser Kapazität gebaut werden, wodurch
die Gesamtkapazität der Abwasserbehandlung auf 1,8 Mio. m³ pro Tag steigen wird.
Dies ist ein guter Ausgangspunkt, könnte sich aber als unzureichend erweisen.
Die Kläranlage in der US-Hauptstadt Washington, Blue Plains Advanced Wastewater
Treatment, verarbeitet mindestens das Vierfache der für Haiti prognostizierten
Kapazität, und das bei einer Bevölkerung, die weniger als ein Drittel der
haitianischen beträgt.
Der Vorschlag von SMEDRIC und MCC sieht auch den Bau einer
Wasseraufbereitungsanlage vor, die täglich 225.000 m³ reines, sicheres
Trinkwasser in Port-au-Prince aufbereiten kann. Bis 2026 sollen im ganzen Land
15 solcher Anlagen mit der gleichen Kapazität gebaut werden, mindestens eine in
jedem Departement. Um schnell eine ausreichende Versorgung mit sauberem Wasser
zu erreichen, werden nukleare Entsalzungsanlagen und der Einsatz von Lasern zur
modernen Wasserreinigung in Betracht gezogen.
VII. Industrie und Arbeitskräfte
Die haitianische Wirtschaft ähnelt heute am ehesten einer Wirtschaft, wie sie
von der Britischen Ostindiengesellschaft im 18. Jahrhundert beherrscht wurde.
Die informelle Wirtschaft, die sehr schlecht bezahlte Bekleidungs- und
Textilindustrie und die Holzkohle produzierende Industrie sind typisch für eine
Wirtschaft, die ihre Arbeitskräfte entwürdigt und unmenschlich behandelt. In
einem Bericht der Weltbank vom Mai 2015 (Haiti: Towards a New Narrative)
wird berichtet, daß 47% der haitianischen Wirtschaft informell ist und die
„Arbeitskräfte“ darin alles verkaufen – von Kunsthandwerk, Straßenessen und
Kaugummi bis hin zu Schmuggelware, Diebesgut und Drogen. Insgesamt sind 65% der
haitianischen Arbeitskräfte entweder arbeitslos oder in der informellen
Wirtschaft unterbeschäftigt. Die Landwirtschaft macht 40% der Wirtschaft aus,
und der Anteil der formellen Beschäftigung – vor allem in der Industrie und im
Dienstleistungssektor – beträgt lediglich 13%.
Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist mit 57.000 Beschäftigten die
treibende Kraft der primitiven Wirtschaft. Ein Textilarbeiter, der für den
Export produziert, verdient in der Landeswährung 420 Gourdes, das entspricht
etwa 5 US-Dollar am Tag. Die Textilexporte, die meisten davon in die Vereinigten
Staaten, machen 90% aller Exporteinnahmen Haitis aus.
Das ist kein neues Phänomen. Die Austeritätsprogramme des IWF, die dem Land
ab Mitte der 1980er Jahre auferlegt wurden, trugen dazu bei, Haiti in einen
riesigen Ausbeuterbetrieb zu verwandeln, die zollfreien Montagebetriebe – die
berüchtigten Maquiladoras, wie man sie in Mexiko, Mittelamerika und vielen
Entwicklungsländern kennt – wurden die größten Arbeitgeber im Land. 1985 lag
Haiti bei der Herstellung von Waren für den US-Konsum weltweit an neunter Stelle
und hatte die zweifelhafte Ehre, der weltgrößte Produzent von Baseballs zu sein,
und es gehörte bei der Herstellung von Produkten wie Stofftieren, Puppen und
Kleidung zu den drei führenden Ländern.
Im USAID-Bericht über den „Strategischen Rahmen“ 2020-22 für Haiti wird
festgestellt, daß die Holzkohleproduktion landesweit mehr als 150.000 Menschen
beschäftigt. Abgesehen von der Landwirtschaft ist dies heute die größte Quelle
informeller Beschäftigung in Haiti. Sie ist Teil der Holzkohlewirtschaft, die
Haiti in einer feudalen, primitiven und massenmörderischen Wirtschaft gefangen
hält.
Der größte Teil der haitianischen Industrie ist Leichtindustrie, da es fast
keine mittelschweren oder schweren Investitionsgüter gibt. Die Arbeitskräfte
haben ein sehr niedriges Bildungsniveau und sind ungelernt.
Im ganzen Land werden fünf Maschinenbauparks mit jeweils 5-10
Werkzeugmaschinenbetrieben mit jeweils 5-30 Beschäftigten entstehen. Jedes
Unternehmen wird von einem qualifizierten Werkzeugmaschinenführer geleitet, der
aus den USA, China, Frankreich, Deutschland, der Schweiz oder Italien kommen
kann. Die Ausbildung der Mitarbeiter umfaßt vier bis fünf Jahre kombinierten
Schulunterricht und Ausbildung am Arbeitsplatz.
2015 wurden Pläne für den Bau des 300-Millionen-Dollar-Zementwerks Siman
Lakay in Gonaives bekanntgegeben, das einen großen Teil der von Haiti benötigten
4,5 Mio. Tonnen Zement pro Jahr produzieren und etwa 2200 qualifizierte
Arbeitsplätze schaffen sollte. Das Projekt sollte von ausländischen und
haitianischen Investoren finanziert werden, wurde aber aus unklaren Gründen nie
gebaut. Es soll nun im Rahmen des Entwicklungsprogramms gebaut werden.
Haitis Nachbarland, die Dominikanische Republik, kann sich mit seiner
Zementindustrie im Rahmen eines regionalen Entwicklungsplans an diesen Plänen
beteiligen, da es über 16 Zementwerke verfügt und bereits mehr als die Hälfte
seiner Jahresproduktion nach Haiti exportiert. Zwei Mini-Stahlwerke mit einer
Kapazität von je 150 Tonnen werden ebenfalls für insgesamt 250 Mio. Dollar
gebaut, einige weitere sollen später folgen, ebenso wie einige
Fabrikationsanlagen. Diese Anlagen werden Haiti in die Lage versetzen, einige
seiner grundlegendsten industriellen Bedürfnisse selbst zu befriedigen.
Ein Faktor, der die Entwicklung Haitis entscheidend vorantreiben wird, ist
seine große Diaspora. Eine Schätzung geht von 760.000 haitianischen Einwanderern
aus, die in den Vereinigten Staaten leben, eine andere Schätzung, die auch die
haitianischen US-Amerikaner einschließt, von 1,3 Millionen Menschen. Außerdem
leben insgesamt mehr als eine Million Haitianer in der Dominikanischen Republik,
in Kuba, Kanada und Frankreich. Einige von ihnen haben ein starkes emotionales
Engagement für die Entwicklung Haitis. Eine bedeutende Schicht der Diaspora sind
Fachkräfte, darunter Ingenieure, Ärzte, Krankenschwestern, Architekten,
Handwerker und einige Finanzfachleute.
Ein Entwicklungsprogramm der Art, wie es das Schiller-Institut vorschlägt,
wird ein Anziehungspunkt sein, um viele dieser Fachkräfte in ihr Land
zurückzuholen, entweder dauerhaft oder für kürzere Zeiträume, wo sie mit
chinesischen, US-amerikanischen und haitianischen Projektmanagern
zusammenarbeiten oder ihre beruflichen Fähigkeiten auf andere Weise einbringen
werden. Sie werden einen wertvollen Beitrag zum Erfolg dieser Projekte
leisten.
VIII. Bildung
Das feudale Wirtschaftssystem, das Haiti während des größten Teils seiner
Geschichte auferlegt wurde, hat das Land daran gehindert, die gebildeten
Arbeitskräfte hervorzubringen, die es für seine zukünftige Entwicklung braucht.
Die Organisation Schools for Education in Haiti berichtet auf ihrer Webseite:
„Die Einschulungsrate für die Grundschule in Haiti beträgt 57%, und weniger als
30% der Schüler erreichen die sechste Klasse. In den Sekundarschulen werden 20%
der Kinder im entsprechenden Alter eingeschult... Haiti liegt bei den nationalen
Bildungsausgaben auf Platz 177 von 186 in der Welt.“ Die Alphabetisierungsrate
wird mit 61,7% angegeben, aber wenn weniger als 30% der Schüler die sechste
Klasse erreichen, dann liegt die tatsächliche Alphabetisierungsrate
wahrscheinlich darunter.
Gegenwärtig werden 80-90% der Schüler an internationalen Privatschulen
unterrichtet, die hauptsächlich von Kanada, Frankreich oder den Vereinigten
Staaten betrieben werden, sowie an Schulen in kirchlicher Trägerschaft und von
NGOs. In Haiti gibt es insgesamt 15.200 Grundschulen, davon sind jedoch nur etwa
1800 öffentlich. Das ist weit entfernt von dem, was die haitianische Verfassung
von 1804-05 vorsah, als sie festlegte: „Bildung soll kostenlos sein. Die
Grundschulbildung ist obligatorisch... Die staatliche Bildung ist auf allen
Ebenen kostenlos.“ Einem Bericht der Weltbank aus dem Jahr 2015 zufolge geben
haitianische Eltern jedes Jahr durchschnittlich 130 Dollar aus, um ihr Kind auf
eine (private) Schule zu schicken. In einem Land, in dem die Hälfte der
Bevölkerung weniger als 3 Dollar am Tag verdient, können sich die meisten Eltern
die Kosten für eine Privatschule nicht leisten, doch viele kämpfen darum, das
Geld dafür zusammenzukratzen.
Ein weiteres großes Problem ist die Abwanderung von Fachkräften. Die Weltbank
hat dokumentiert, daß 84% der Hochschulabsolventen das Land kurz nach dem
Abschluß verlassen. Das Land hat viele talentierte Ingenieure, aber im
Verhältnis zum Bedarf gibt es nur wenige.
Das haitianische Schulsystem muß überarbeitet werden, wobei der Rolle der
öffentlichen Schulen mehr Bedeutung beigemessen werden sollte. Dazu werden 2000
neue, modernisierte öffentliche Schulgebäude gebaut und 1000 bestehende Gebäude
mit moderner Wasserversorgung, Toiletten, Belüftungsanlagen, Essensräumen usw.
ausgestattet. Außerdem sollten sie erdbeben- und hurrikansicher gemacht werden,
wobei man erfolgreiche Konzepte aus anderen erdbebengefährdeten Ländern
anwendet. Ein realistisches Ziel wäre es, die Hälfte dieses Programms innerhalb
von fünf Jahren abzuschließen. Darüber hinaus sollte der derzeitige niedrige
durchschnittliche Monatslohn eines Grundschullehrers von 445 Dollar oder 47.300
Gourdes klar geregelt und verdoppelt werden.
Am besten sollte der Unterricht in der Schule auf dem klassischen Lehrplan
Wilhelm von Humboldts basieren, mit einer starken Betonung der
Naturwissenschaften und der klassischen Fächer.
Das Schiller-Institut schlägt vor, mit der steigenden Zahl
naturwissenschaftlicher Absolventen zwei Technische Hochschulen zu errichten,
mit einer Anfangsklasse von jeweils 250 Studenten, wobei die Studentenzahl im
Laufe der Jahre zunimmt. Es sollen Programme für haitianische Auszubildende im
Werkzeugmaschinenbau eingerichtet werden, die etwa vier oder fünf Jahre lang
eine kombinierte Ausbildung in der Schule und am Arbeitsplatz umfassen.
Unmittelbar nach dem Erdbeben vom 12. Januar 2010 in Haiti schlug Lyndon
LaRouche vor, ein Projekt in der Tradition des US-amerikanischen Civilian
Conservation Corps aus den 1930er Jahren einzurichten, um haitianische und
US-Jugendliche zu beschäftigen. Heute schlägt das Komitee für den Zusammenfall
der Gegensätze des Schiller-Instituts vor, sofort ein solches Projekt mit 5000
Jugendlichen aus der ganzen Welt einzurichten, die als Auszubildende in
Wiederaufbauprojekten oder in COVID-19-Tracking- und Impfeinsätzen sowie im
Krankenhausdienst arbeiten.
Die Zukunft Haitis, wie die der ganzen Welt, liegt in der Jugend. Das
Schiller-Institut hat hiermit einen umfassenden Plan vorgelegt, um den herum
mobilisiert werden muß, damit diese Zukunft Wirklichkeit wird.
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