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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Gebt der Jugend Schiller und Beethoven!

Von Helga Zepp-LaRouche

Die Gründerin und Vorsitzende des Schiller-Instituts hielt den folgenden Vortrag am 13. Dezember 2020 im Rahmen des Schlußabschnitts der Internetkonferenz des Instituts.

Wenn man die Frage stellt, warum sich junge Leute sowohl mit Schiller als auch mit Beethoven vertraut machen sollten, nun, ein guter Grund ist, wie Lyndon LaRouche viele Male gesagt hat – er glaube, daß die Gesellschaft nur gerettet werden könne, wenn eine Mehrheit der Menschen lernen würde, so zu denken, wie die klassischen Dichter und Komponisten gedacht haben.

Das ist, glaube ich, absolut richtig, denn wenn man sich die heutige Kultur ansieht, hat man das Gefühl, daß viele junge Menschen ihr Leben völlig vergeuden. Sie jagen Dingen hinterher, die sowieso nicht zu bekommen sind, zumindest nicht auf die Art und Weise, wie sie sie zu finden versuchen. Und wir haben eine Zusammenbruchskrise, die die Menschen vor große Herausforderungen stellt: die COVID-Krise, Welthunger, Massenarbeitslosigkeit, all diese Dinge.

Kann man also unter diesen Umständen ein großer, kreativer Mensch werden? Ich habe darüber nachgedacht. Was macht den Unterschied aus zwischen einem Menschen, der wirklich kreativ wird, der alle Potentiale entwickelt, die einem als Talente gegeben sind, oder einem Menschen, der einfach nur verschläft, Jahr für Jahr, und schließlich stirbt und nie mehr aufgewacht ist? Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß der entscheidende Unterschied darin besteht, daß Sie, vorzugsweise als junger Mensch, mindestens einer Person begegnen, die in Ihnen diesen kreativen Funken, dieses Feuer im Bauch, diese Leidenschaft, diese Qualität entfacht, die Sie dazu bringt, ein wahrheitssuchender Mensch zu werden, in welchem Bereich auch immer Ihr natürliches Talent liegt. Das kann eine Person in der Realität sein, es können Ihre Eltern sein, es kann Ihr Lehrer sein, es kann eine andere großartige Person sein, die Sie treffen. Für viele von uns war es mit Sicherheit Lyndon LaRouche, denn er war ein Genie, das größte Genie seiner Zeit. Davon bin ich überzeugt, und Sie können mir vorwerfen, daß ich das sage, weil ich seine Frau war, aber ich glaube nicht, daß das der Hauptgrund ist, warum ich das sage: Ich glaube, es ist objektiv wahr.

So ist es mit Lyn – Lyndon LaRouche. Aber auch, wenn man sich wirklich mit Schiller und Beethoven beschäftigt, können sie dasselbe bewirken, sie können Sie wirklich mit der Süßigkeit der Kreativität konfrontieren, mit der Schönheit in der Poesie, mit der Schönheit in der Musik, die Ihr Leben vollkommen zum Besseren verändern kann.

Es gibt viele Dinge, die man über diese überragenden Giganten der deutschen Klassik sagen kann, und immerhin sind sie relativ jung gestorben: Schiller war nur 45 Jahre alt, als er starb; Beethoven, das ist kaum zu glauben, bei all den Dingen, die er komponierte, wurde er nur 56 Jahre alt! Heutzutage ist das eine kurze Lebensspanne, und beide hatten unglaubliche medizinische Probleme: Schiller hatte schon in seinen frühen Zwanzigern die erste Darmkrankheit, und er litt sein ganzes Leben lang darunter. Und Beethoven – können Sie sich das vorstellen? –, der Mensch, der diese unglaublichen Musikstücke geschrieben hat, er fing an, zu ertauben, als er 28 Jahre alt war! In den letzten Jahren seines Lebens konnte er keine einzige Note von dem hören, was er komponierte. Hat das diese beiden Genies daran gehindert, nicht mehr kreativ zu sein? Nein! In der Tat, wenn Schiller zu krank war, um etwas zu schreiben, wie ein Drama oder ein Gedicht, begann er zu übersetzen, auch klassische Stücke. Das war also seine, sagen wir mal, „leichte Unterhaltung“. Aber ich denke, wir können viel von diesen beiden Individuen lernen – und von Lyn übrigens auch, er hatte auch viele Zeiten, viele Probleme, mit denen er zu kämpfen hatte.

Sie können all das überwinden, von dem Sie glauben, daß es Sie einschränkt und Sie daran hindert, Ihr kreatives Potential auszuschöpfen.

Nun, ich mag diese beiden Individuen, Schiller und Beethoven, aus vielen Gründen, aber ein weiterer ist, daß sie beide absolut überzeugte anti-oligarchische Denker waren. Wenn Sie alle Dramen von Schiller lesen – und wenn Sie einmal damit anfangen, können Sie wahrscheinlich nicht mehr aufhören, denn sie sind spannender als irgendwelche Kriminalgeschichten. Aber Sie werden auch feststellen, daß er immer die oligarchische Haltung angreift: In Kabale und Liebe prangert er an, wie die Oligarchen, der Adel, die Ernten der Bauern vernichtet, indem er über die Felder reitet. In jedem Stück gibt er dem Land, in dem es spielt, einen absolut entscheidenden Schlüssel, um zu verstehen, wie das oligarchische Prinzip die Menschen vernichtet.

Nun, Beethoven war berühmt, weil er 1803 die Es-Dur-Sinfonie schrieb, und er wollte sie Napoleon widmen, von dem er zuerst dachte, er würde ein großer Retter werden. Aber als sich Napoleon 1804 zum Kaiser krönte, änderte Beethoven wütend diesen Plan und benannte die Sinfonie um. Im Sommer 1806, als er in Wien war, bestellte Fürst Lichnowsky Beethoven ein; zuerst bat er ihn, für eine Gruppe französischer Offiziere zu spielen, die wegen des Krieges in Wien waren; Beethoven lehnte das ab. Und dann versuchte Fürst Lischnovsky, Beethoven zu befehlen, das zu tun. Und Beethoven antwortete ihm: „Nun, Sie sind nur ein Fürst, Sie sind zufällig an der Stelle, an der Sie sind, und es gab viele Fürsten in der Vergangenheit, und in der Gegenwart und in der Zukunft, und es ist nicht Ihr Verdienst, daß Sie in dieser Position sind. Aber, ich... ich bin Beethoven. Und ich werde nicht spielen.“

Diese Art des Bürgerstolzes vor den Thronen der Monarchie, der Oligarchie, über die Schiller sehr, sehr explizit gesprochen hat, halte ich heute für äußerst notwendig.

Es gibt viele andere Gründe: Schiller hat zum Beispiel zusammen mit Goethe die klassische Form entwickelt. Das war ein Versuch, die Prinzipien der griechischen Identität der Schönheit, der Wahrheit und der Güte – oder des Schönen, des Guten und des Wahren – wiederherzustellen. Dieser innere Zusammenhalt dieser Werte ist extrem wichtig, denn jedes Kunstwerk muß das zum Ausdruck bringen.

Die klassische Form – die natürlich von Beethoven weiterentwickelt wurde, zu einer, meiner Meinung nach, beispiellosen Höhe bis in die heutige Zeit – bedeutete auch Strenge im Denken. Man entwickelt eine musikalische oder poetische Idee; man hat eine Durchführung, entweder in der Poesie oder in der musikalischen Komposition; und dann vollendet man sie, indem man alle Möglichkeiten ausschöpft, die in dieser Idee waren. Und dann ist es abgeschlossen und vollendet, jedenfalls für diesen Moment.

Das ist etwas, was ich für eine Strenge des Denkens halte, die den Menschen völlig abhanden gekommen ist, und die sie wiedergewinnen müssen. Auch die Frage, wie wird man eine Schöne Seele? Das war ein Ideal von Schiller. Übrigens, als ich in der Schule war, als relativ junges Mädchen, war das ein Begriff, der mir heilig war. Ich entdeckte es aufgrund einiger polemischer Belehrungen meiner Deutschlehrer, aber sobald ich diesen Begriff der Schönen Seele entdeckte, wurde er zu einer der wichtigsten Fragen dessen, was ich wirklich als heilig ansah. Und ich würde niemandem erlauben, es anzugreifen oder Witze darüber zu machen. Und ein andermal werde ich Ihnen erzählen, was ich getan habe, wenn Leute das taten.

Aber man muß diese kostbaren Dinge haben, Dinge, die man vollkommen wertschätzt. Und Schiller hat in der Ästhetischen Erziehung die Menschen auch gelehrt, wie sie ihre Emotionen verbessern können, wie sie sicherstellen können, daß ihre Emotionen auf der Ebene der Vernunft erzogen werden, so daß, wenn Sie Ihren Emotionen folgen, diese Ihnen niemals etwas sagen werden, was die Vernunft nicht befehlen würde, weil Sie sicher sind, daß Ihre Emotionen auf dieser Ebene erzogen werden.

Das ist etwas, was die meisten Menschen nicht von sich behaupten können, denn sonst gäbe es keine plötzlichen Ausraster und Menschen, die wie eine Rakete losgehen, weil sie ihre Emotionen nicht unter Kontrolle haben; das sagt Ihnen also, daß es noch einige ästhetische Arbeit gibt, die getan werden muß.

Schiller sagte, die wichtigste Frage seiner Zeit sei die Erziehung zu dem, was er das „Empfindungsvermögen“ nannte. Ich habe keine Übersetzung [ins Englische] gefunden, aber eine gute Annäherung ist die Fähigkeit, die es ermöglicht, voller Empathie für die Welt zu sein, Mitgefühl zu haben, alles um sich herum aufzunehmen, aber auch, ihr eine Struktur zu geben, was Schiller in den Ästhetischen Briefen diskutiert. Und er sagte, daß die Menschen zu seiner Zeit wie „verkrüppelte Gewächse“ waren: sie hatten diese oder jene Eigenschaft, aber die gesamte, harmonische Entwicklung ihres Charakters fehlte vollkommen.

Deshalb denke ich, daß die Beschäftigung mit Poesie, mit großer klassischer Musik und Gedichten, insbesondere auch lyrischen Gedichten, absolut entscheidend ist. Was ist der Unterschied zwischen Prosa und einem lyrischen Gedicht? Was kann man mit einem lyrischen Gedicht, oder einer musikalischen Komposition oder einem Lied ausdrücken, was man in einfacher Prosa nicht sagen kann?

Das hat alles mit dem zu tun, was wir gestern und heute Morgen besprochen haben, dem Zusammentreffen von Gegensätzen; oder, wie Lyn es als „Metapher“ diskutiert; denn die Metapher, die über die Prosa hinausgeht, die ein Konzept über den Inhalt der Prosa stellt, betrifft jene Qualität des menschlichen Geistes, in der wahre Kreativität entsteht. Und deshalb, wenn Sie keine Gedichte schreiben, oder wenn Sie nicht versuchen, große Gedichte zu studieren, verlieren Sie genau diese Qualität. Wie Schiller sagen würde, Gedichte öffnen die Wege zu den geheimsten Bewegungen der Seele; sie geben Ihnen einen untrüglichen Schlüssel zu diesen Bereichen der menschlichen Seele.

Ich könnte noch viel mehr sagen, aber ich möchte es dabei belassen. Ich möchte Sie ermutigen, Beethovens Geburtstag zu feiern, der in wenigen Tagen ist [16. Dezember], und es zum Beethoven-Jahr zu machen und es zum Schiller-Jahr zu machen: Ich bin überzeugt, daß wir kurz vor der Schillerzeit stehen. Also, mit Beethoven und Schiller, denke ich, haben wir eine unglaubliche Munition, um in diesen Moment der Geschichte einzugreifen, und es macht eine Menge Spaß.