Die Obama-Sanktionen sabotieren die japanisch-russische Entwicklung
Von Daisuke Kotegawa
Daisuke Kotegawa war hoher Beamter des japanischen
Finanzministeriums und Vertreter Japans beim IWF. Im ersten Abschnitt der
Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 8. Mai 2021 sagte er
folgendes.
Heute möchte ich über das Problem der Wirtschaftssanktionen gegen Rußland
sprechen. Wie Sie wissen, hatte Ministerpräsident Abe im Jahr 2012
Verhandlungen mit Präsident Putin aufgenommen, in denen es um die seit langem
umstrittenen Inseln zwischen beiden Ländern ging. Zum ersten Mal wurden in
diese Verhandlungen auch Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen
Japan und Rußland eingebracht.
Die Verhandlungen hatten das Ergebnis, acht Bereiche der Zusammenarbeit zu
benennen, wie folgt:
1. Wachstum der gesunden Lebenserwartung. Das heißt, zwischenstaatliche
Zusammenarbeit etwa bei der Krankheitsvorsorge, bei Investitionen und
technischen Absprachen zwischen japanischen und russischen Unternehmen.
2. Der zweite Bereich ist, Städte entstehen zu lassen, die modern, sauber,
gut zu bewohnen und leicht zu verwalten sind. Zum Beispiel die Verbesserung
der städtischen Umwelt in Rußland und die Abfallentsorgung in Ostsibirien.
3. Der dritte Bereich ist die drastische Ausweitung des Austauschs und der
Kooperation zwischen japanischen und russischen Klein- und Mittelbetrieben,
wie z.B. die Unterstützung von japanischen Klein- und Mittelbetrieben bei der
Ansiedelung in Rußland.
4. Der vierte Bereich ist Energie, einschließlich der japanisch-russischen
Erkundung und Entwicklung von Ressourcen vor der Küste der Insel Sachalin.
Auch die Steigerung der Erdgas- und Ölproduktion vor der Küste Sachalins.
5. Der fünfte Bereich ist die industrielle Diversifizierung und
Produktivitätssteigerung in Rußland, einschließlich Darlehen an russische
Unternehmen durch die Japanische Bank für internationale Zusammenarbeit und
langfristige Investitionsvereinbarungen durch japanische
Werkzeugmaschinenhersteller.
6. Der sechste Bereich ist die Förderung von Industrie und Exportbasen im
Fernen Osten, einschließlich des Gewächshaus-Gemüseanbaus durch ein
japanisch-russisches Joint Venture und des Baus von
Rehabilitationskliniken.
7. Der siebte Bereich ist die Zusammenarbeit im Bereich der
Spitzentechnologie, wie z.B. die Förderung eines effizienten Postwesens, die
Zusammenarbeit im Bereich der Mobiltelefonie und der Informations- und
Kommunikationstechnologie.
8. Der letzte Bereich ist die drastische Ausweitung des
zwischenmenschlichen Austauschs, einschließlich der Zusammenarbeit zwischen
den Universitäten Japans und Rußlands und der Lockerung der Bedingungen für
die Visa-Erteilung durch die japanische und russische Regierung.
Die Umsetzung dieser Projekte wurde jedoch blockiert. Im Februar 2014 wurde
die ukrainische Regierung in einem Staatsstreich gestürzt, der von der
US-Regierung und Victoria Nuland geplant und orchestriert wurde. Um den
Einsatz von Atom-U-Booten und Kriegsschiffen in Sewastopol durch die Bewohner,
bei denen es sich größtenteils um ehemalige russische Marinesoldaten handelt,
zu verhindern, erklärte Präsident Putin im März 2014 die Annexion der Krim,
nachdem die Bewohner der Krim für die Unabhängigkeit von der Ukraine und den
Anschluß an Rußland gestimmt hatten.
Dann besuchte Präsident Obama vom 23. bis 25. April Tokio. Am 23. April
traf er sich mit Premierminister Shinzo Abe zu einem Abendessen im
berühmtesten Sushi-Restaurant Jiro. Nach dem Essen wurde Abe von japanischen
Journalisten gefragt, ob ihm das Sushi zugesagt habe. Anders als bei anderen
Gelegenheiten sagte Abe sehr schlechtgelaunt, er habe das Abendessen nicht
genießen können, weil er ständig über Geschäfte reden mußte, hauptsächlich mit
Susan Rice.
Später stellte sich folgendes heraus:
1. Beide Seiten waren neben Präsident Obama und Ministerpräsident Abe durch
drei Personen vertreten, darunter die Botschafter beider Länder – Caroline
Kennedy für die USA und Herr Sasae für Japan – sowie die nationalen
Sicherheitsberater – für die USA Susan Rice und für Japan Herr Yachi.
2. Präsident Obama hat weder Sushi gegessen noch gesprochen. Es war Susan
Rice, die Abe immer wieder bedrängte, Wirtschaftssanktionen gegen Rußland zu
verhängen, obwohl Japan bereits eigene Sanktionen gegen anonyme russische
Einzelpersonen und Unternehmen ins Auge gefaßt hatte, die anscheinend direkt
an der Annexion der Krim beteiligt waren.
Infolgedessen verkündete Japan zusätzliche Wirtschaftssanktionen gegen
Rußland, insbesondere gegen eine bestimmte Anzahl russischer
Finanzunternehmen.
Durch die Einbeziehung dieser Art von Finanzsanktionen gerieten drei
japanische Megabanken, die umfangreiche Aktivitäten in New York und London
haben, um sich am Dollar-Handel beteiligen zu können, unter enormen Druck, bei
jeglichen Transaktionen, an denen russische Unternehmen beteiligt waren, sehr
vorsichtig zu sein. Sie befürchteten, daß die US-Behörden einseitig bestimmte
Geschäfte mit russischen Firmen als Verletzung der Sanktionen einstufen und
sie bestrafen könnten. In einem solchen Fall wäre es für sie sehr schwierig,
juristisch dagegen vorzugehen. Daher wurden sie sehr vorsichtig, auch nur ein
Bankkonto zu eröffnen, das japanische Unternehmen bei Geschäften mit
russischen Unternehmen, die Geschäfte auf der Krim betreiben, nutzen
würden.
Ungeachtet vieler bekannter vielversprechender Projekte in den genannten
acht Gebieten ist die tatsächliche Entwicklung von Projekten dementsprechend
sehr langsam verlaufen. Es stimmt, daß die beteiligten Unternehmen Probleme
umgehen können, wenn sie sich darauf einigen würden, den US-Dollar nicht als
Zahlungsmittel zu verwenden. Allerdings haben wir dieses Stadium noch nicht
erreicht, da Unternehmen in Japan und Rußland immer noch den US-Dollar
bevorzugen. Wie lange diese Haltung Bestand haben wird, weiß ich nicht.
Ich danke Ihnen vielmals.
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